Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

Ohne intakte Festungswerke in Lothringen
oh, waren Metz und Thionville/Diedenhofen nicht intakt? ;) (diese beiden, aber auch Strassburg und Molsheim/Mutzig gingen intakt nach 1918 in französischen Besitz über und wurden weiter genutzt)

So weit mir bekannt, waren alle "mitteleuropäischen" Festungen des deutschen Kaiserreichs "intakt", hatten keine Belagerungen aushalten müssen, sind nicht zerniert worden. (anders sah das in Kolonialgebieten aus, z.B. die Festung Tsingtao wurde belagert, kapitulierte)

du meinst vermutlich was anderes: die Logistik etc reichte nicht aus, um an die Front(en) dislozierte Artillerie (& und was alles dazu gehört) in die mächtigen Festungen zu retournieren, ohne dabei überrollt zu werden (man musste nolens volens die Front(en) halten.
 
Habe heute in der Süddeutschen gelesen, dass Friedrich der Große von Preußen 1756 präventiv und ohne Kriegserklärung Sachsen angriff. Damit begann der Siebenjährige Krieg in Europa, der aber auch in den Kolonien geführt wurde und deswegen von manchen Historikern als I. Weltkrieg bezeichnet wird.

Auch aus einer anderen Sicht ähnelte dieser Krieg dem I. Weltkrieg (1914-1918). Es gab auch da verschiedene - und verquere! - Allianzen unter den damaligen europäischen Großmächten. Besonders frappierend ist für mich dieser Einmarsch in Sachsen, der angeblich einem Einmarsch der Sachsen nach Preußen und/oder Schlesien zuvorkommen sollte.

Mir scheint, als ob Schlieffen, auch ein Preuße, es mit seinem Plan dem Friedrich dem Zweiten gleichtun wollte.

Für seine Methode wurde Friedrich hinterher gefeiert – nicht zuletzt deswegen bekam er den Beinamen "der Große". Das hat sich wohl herumgesprochen, aber sowohl Schlieffen bzw. Moltke als auch Hitler sind damit gescheitert.
OT-on: Und vielleicht wird auch Putin damit scheitern. OT-off.

Gut, das war nur ein Gedanke beim Lesen des Artikels - nicht dass jetzt wieder eine Diskussion darüber entbrennt, ob es statthaft sei, diese Vergleiche zu ziehen. :D
 
Auch aus einer anderen Sicht ähnelte dieser Krieg dem I. Weltkrieg (1914-1918). Es gab auch da verschiedene - und verquere! - Allianzen unter den damaligen europäischen Großmächten.
Verquer war daran eigentlich überhaupt nichts.

Großbritannien lag mit Frankreich wegen der Verhältnisse in Ohio über Kreuz, Frankreich brauchte Zugang zum Territorium des Heiligen Römischen Reiches, um Kurhannover ggf. als Faustpfand besetzen zu können, Großbritannien suchte eine Macht auf dem Festland, die ggf. in der Lage wäre Hannover zu verteidigen und das gannze verband sich mit den preußisch-österreichischen Konflikt um Schlesien.

Besonders frappierend ist für mich dieser Einmarsch in Sachsen, der angeblich einem Einmarsch der Sachsen nach Preußen und/oder Schlesien zuvorkommen sollte.

Nicht einem Einmarsch der Sachsen, sondern einem Krieg Österreichs im Bündnis mit Sachsen gegen Preußen.

Und angesichts der damaligen Situation der europäischen Kabinette war das damals nicht einmal weit hergeholt.
Habsburg hatte sich inzwischen einigermaßen vom Österreichischen Erbfolgekrieg erholt, Maria Theresia wollte sich Schlesien zurückholen, die sich ergebende Trippelallianz Wien-Paris-St.Petersburg schien dafür eine günstige Gelegenheit zu eröffnen und im Hinblick auf Sachsen, sollte man dabei nicht übersehen, dass zu Beginn des Siebenjährigen Krieges sich Sachsen noch immer in einer Personalunion mit Polen und Litauen befand, so dass man dem sächsichen Herzog mit einigem Recht ambitionen dahingehend unterstellen konnte über einen Zugewinn von Teilen Schlesiens oder der Mark Brandenburg eine Landverbindung Sachsens nach Polen zu sichern.

Interesse an der brandenburgischen Exklave Cottbus konnte man Sachsen ebenfalls mit einigem Recht unterstellen (die umgebende Lausitz gehörte damals zu Sachsen), wie auch im Allgemeinen eine Schwächung Brandenburgs, zumal von sächsicher Seite auch unterstellt werden konnte, dass man von preußischer Seite her auf eine Landverbindung zwischen Pommern und Ostpreußen schielen würde, was wiederrum gegen die polnischen Interessen des sächsichen Herzogs gehen musste.

Eine enge Anlehnung Sachsens an Friedrichs Erzfeindin Maria Theresia war damit gegeben und es bestand durchaus die Gefahr, dass Sachsen bei einem Österreichischen Versuch sich Schlesien zurück zu holen auf Seiten Österreichs mitgehen würde um selbst Beute machen zu können, was den Österreichern im Kriegsfall den Weg nach Berlin sehr weit bereitet hätte (wenn man sich den damaligen Grenzverlauf ansieht).

Mir scheint, als ob Schlieffen, auch ein Preuße, es mit seinem Plan dem Friedrich dem Zweiten gleichtun wollte.

Ich frage mich, was Schlieffen damit zu tun haben soll.
Wenn du das Moltke d.J. unterstellen wolltest, der im Juli 1914 dem Präveniere tatsächlich das Wort redete, könnte ich das noch einigermaßen nachvollziehen.
Schlieffen aber hatte lediglich als Chef des Generalstabs für den Eventualfall eines Krieges mit Frankreich einen Plan entworfen.
Der war seinerzeit einseitig gegen Westen gerichtet, da man mit Österreich-Ungarn verbündet war und Russland (der Plan entstand 1905) gerade seine Niederlage gegen Japan und die Revolution zu verdauen hatte, als handlungsfähige Macht also zunächst mal vernachlässigt werden konnte.
Der sah seinerzeit eine Operationsführung über die Niederlande (Provinz Limburg), Belgien und Luxemburg vor, weil das deutsch-französisches Grenzgebiet beideseitig schon dermaßen mit Festungen zugekleistert war, dass ausgreifende Opeerationsführung im Sinne eines Bewegungskrieges nicht möglich war.

So weit, so unspektakulär.
Schlieffen hat seinerzeit diesen Plan durchaus nicht als Präventivkriegsszenario entworfern und er hat, so weit mir bekannt auch anders als andere Generalstabsscheffs seiner Zeit, wie Waldersee, oder später Moltke d.J. oder Conrad von Hötzendorff in Österreich auch keine besonderen Anstrengungen unternommen seine Regierung davon zu überzeugen einen Krieg vom Zaun zu brechen.

Für seine Methode wurde Friedrich hinterher gefeiert – nicht zuletzt deswegen bekam er den Beinamen "der Große". Das hat sich wohl herumgesprochen, aber sowohl Schlieffen bzw. Moltke als auch Hitler sind damit gescheitert.

Ich frage nochmal, was hat Schlieffen damit zu tun?

Moltke d.J. wird man verhandeln können, aber Schlieffen hat nicht mehr getan, als ein Eventualszenario für einen Krieg gegen Frankreich zu entwerfen, was seine Aufgabe als Generalstabschef war.

Er plante aber mitnichten einen Angriffskrieg, sondern arbeitete sich an dem Problem ab, wie im Kriegsfall bei den geographischen Gegebenheiten Frankreich zu besiegen wäre.
Das er nicht an einen unmittelbaren Angriff dachte, sieht man schon daran, dass er für sein Szenario Truppen einplante, die noch gar nicht existierten und die erst noch aufgestellt hätten werden müssen.
Da alleine das Jahre dauern musste, war dieser Plan kurzfristig für irgendwelche Eroberungsphantiasien überhaupt nicht aktivierbar, sondern eben eine perspektivische Konzeption für den Enventualfall jenseits des Endes seiner eigenen Dienstzeit.

Mit der Vorstellung im Kriegsfall über Belgien zu gehen, war Schlieffen wiederrum in guter Gesellschaft, das plante auf der anderen Seite etwas weniger als 10 Jahre später auch Joffre (Plan XVII der zunächst französischen Vorstoß nach Luxemburg und Belgien hinein vorsah).

Die Überlegung über Belgien und Luxemburg zu gehen, hat nichts damit zu tun dem alten Fritz nacheifern zu wollen, sondern damit, dass das deutsch-französische Grenzgebiet durch die Vogesen und Sperrfestungenn auf beiden Seiten mehr oder minder unpassierbar war (was Verdun 1916 dann relativ eindrucksvoll belegt) und man sich aus technischen Gründen etwas anderes überlegen musste.
Weder bei Schlieffen noch bei Joffre hatte das allerdings mit besonderen Präventivkriegs-Phantasien zu tun.

Bei Moltke d.J. sieht das anders aus, der redete dem Präveniere durchaus das Wort.
Allerdings wahrscheinlich weniger auf Grund irgendwelcher Veruche Friedrich dem Großen nachzugreifen, sondern weil er schlicht keine Keine Möglichkeit sah, im Falle eines Zweifrontennkrieges mit den Entente-Mächten die deutschen Grenzen zu verteidigen, ohne Frankreich blitzartig auzuschalten, wenn die russischen Heeresvermehrungen und der Bau der strategischen Bahnen erstmal griffen.

Im Übrigen, wird man hier fairerweise Moltke durchaus zugestehen müssen, dass ihn die deutsche Außenpolitik vor eine zunehmend unmögliche Aufgabe stellte, insofern die sehr lange Grenze gegen Frankreich und Russland tatsächlich nicht zu verteidigen gewesen wäre.
Bereits 1914 mussten weite Teile Ostpreußens preisgegeben werden, v. Prittwitz, der in den ersten Tagen des Weltkriegs die 8. Armee führte, sah nach den Zusammenstößen bei Stallupönen und Gumbinnen keine andere Möglichkeit mhr als den Rückzug und wäre wohl am liebesten hinter die Weichsel zurückgegangen.
Hätte die russische Njemen-Armee nach Gumbinnen konsequent die Verfolgung aufgenommen, wäre Tannenberg sehr wahrscheinlich zum Desaster für die 8. Armee geworden, weil dann massive Gefahr bestanden hätte dass diese von den beiden russischen Armeen ihrerseits eingekreist und aufgerieben worden wäre.
Der Weg für die Russen Richtung Westen wäre dann frei gewesen.

Das war die durchaus brennnzliche Lage im Osten im August/September 1914.
Zwei Jahre später wennn die Russen durch den Ausbau der Eisenbahhn ihren Aufmarsch möglicherweise um mehrere Wochen hätten beschleunigen und noch 1-2 zusätzliche Armeen hätten aufbieten können, hätte es noch weit düstere ausgesehen.
Von dem her durchaus verständlich, dass Moltke Panik schob in absehbarer Zeit völlig matt gesetzt zu werden und die Landesverteidigung nicht mehr garantieren zu können und dswegen losschlagen wollte, auch wenn es die Sache natürlich nicht besser macht und es ein kapitaler Fehler der zivilen Reichsleitung war sich in so ein Szenario einzulassen.

Irgendwelche verqueren Wünsche dem alten Fritz nachzueifern sehe ich persönlich weder bei Schlieffen noch bei Moltke, wobei man das bei Moltke sicherlich zumindest theoretisch verhandeln kann.
 
du meinst vermutlich was anderes: die Logistik etc reichte nicht aus, um an die Front(en) dislozierte Artillerie (& und was alles dazu gehört) in die mächtigen Festungen zu retournieren, ohne dabei überrollt zu werden (man musste nolens volens die Front(en) halten.

Du weißt was gemeint war.
Ohne entsprechend vorhandene Artillerie hätten die Festungenn nicht als Wellenbrecher fungieren, vom weiteren Angriff abschrecken und den eigene Truppen Deckung und Zeit für Erholung verschaffen können und waren von dem her nutzlos.
 
Du weißt was gemeint war.
Ohne entsprechend vorhandene Artillerie hätten die Festungenn nicht als Wellenbrecher fungieren, vom weiteren Angriff abschrecken und den eigene Truppen Deckung und Zeit für Erholung verschaffen können und waren von dem her nutzlos.

Die Festung Metz hat sogar noch 1944 erstaunlich lange gehalten, und das mit anscheinend recht liederlicher Artillerie: taugliche Geschütze waren an den Atlantikwall verlagert worden waren, und man hat behelfsweise einige vorhandene Uraltgeschütze reaktiviert:
Kampf um Metz – Wikipedia
 
Die Festung Metz hat sogar noch 1944 erstaunlich lange gehalten, und das mit anscheinend recht liederlicher Artillerie:

Allerdings insofern unter völlig anderen Umständen, als das der Hauptangriff der Westalliierten ohnehin weiter nördlich über Belgien und die Niederlande lief und ohne, dass die US-Truppen, noch mit schwerer Belagerungsartillerie in dem Sinne versehen gewesen wären, wie das bei der Entente im Herbst 1918 zur Verfügung stand.

Dem Artikel folgend ging man von amerikanischer Seite her zunächst lediglich mit 2 Infanterie Divisionen (5. und 90.) und einer Panzerdivision(7.) gegen Metz vor.

Die Feuerkraft mehrerer Armeen im Herbst '18 wäre eine etwas andere gewesen.

Davon ab, gelang es den Amerikanern offenbar recht problemlos die Festung Metz einfach zu umgehen (klar, wenn die Artillerie fehlt um die Umgebung zu kontrollieren).
Was aber hätte das Halten von Metz bezweckt, wenn man ein Einsickern von Entente-Kräften nach Lothringen hinein an den Festungen vorbei nicht hätte verhindern können und diese Gelegenheit gehabt hätten die Erzgruben zu verwüsten?

Mit Festungen ohne Artillerie um das Umland zu kontrollieren, wäre keine Wellenbrecher-Funktion im größeren Stil mehr möglich gewesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
... die Wehrmacht im November 1944 immerhin noch so weit kampffähig war, dass ihr noch andere Optionen außer dem Rückzug hinter den Rhein offenstanden...

Wären die Festungen 1918 so mit Artillerie versehen gewesen, dass sie effektiv als Wellenbrecher hätten fungieren können, hätte die Armee eine andere Option gehabt, dann hätte es genügt sich in den Schutz der Festungen zurück zu ziehen.
 
Um zum ersten der Weltkriege zurückzukehren, ist es interessant, das der französische Präsiden Raymond Poincare in seinem Tagebuch unter dem Datum des 06.August 1914 sinngemäß notierte, das der Frieden ein Unglück sei und dadurch nichts gewonnen wird, da das Deutsche Reich dann immer noch ein mächtiger Staat sei. Anlass dieses Eintrages war die Mission von Colonel House.

Schon am 30.Juni 1914 hatte vom Zaren die Zusage der Lieferung von 120.000 Gewehren und reichlich Munition gegeben.

Auch ist es nicht uninteressant, das Präsident Poincare Petersburg schon vor dem Weltkrieg, was die Amtsvorgänger sorgfältig vermieden hatten, den Bündnisfall ohne jede Not auf dem Balkan beträchtlich erweiterte. Schon für einen Krieg Russlands gegen Österreich-Ungarn wurde der militärische Beistand Frankreichs zugesagt und das gleich mehrfach. Frankreich war also im Juli 1914 gewissermaßen nicht mehr der eigene Herr, sondern Gefangener der Zusage Poincare und damit Petersburgs. Kein Wunder das die Russen in der Julikrise so agieren konnten, wussten sie doch, das die Franzosen auf jeden Fall hinter Ihnen stehen würden.

Die Balkankriege haben schon Verhaltensmuster gezeigt, die dann in der Julikrise in die Katastrophe führten. Zu Beginn des ersten Balkankrieges waren auch noch die Russen wenig begeistert, aber mit zunehmenden Erfolg der Staaten des Balkanbundes wandelte sich die Einstellung Sasonows. Das ging soweit. das Belgrad sich der militärischen Unterstützung des Zarenreichs so sicher war, das sie damit in ihren Auslandsvertretungen hausieren gingen. Die Russen unterstützen die serbische Begehr nach einem serbischen Hafen an der Adria. Die Gefahr für die Monarchie war, das so ein Handelshafen auch befestigt und zum Kriegshafen ausgebaut werden könnte und dort russische Kriegsschiffe vor Anker gehen würden. Das konnte der Monarchie nicht gut gefallen. Aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen spielten bei Österreich-Ungarns Ablehnung eine erhebliche Rolle. Die Russen trafen ab Ende November 1912 schon die eine oder andere vorbereitende militärische Maßnahme, das man im Bedarfsfall für eine militärische Auseinandersetzung mit Österreich schnell handlungsfähig sei.
Sasonow, der zu Beginn des Krieges noch den größten Wert darauf legt mit Wien gewissermaßen Hand in Hand zu agieren, war nun sehr engagierter Sachwalter der serbischen Interessen geworden.
 
Auch ist es nicht uninteressant, das Präsident Poincare Petersburg schon vor dem Weltkrieg, was die Amtsvorgänger sorgfältig vermieden hatten, den Bündnisfall ohne jede Not auf dem Balkan beträchtlich erweiterte.

Das Thema hatten wir schonmal, da bin ich nach wie vor der Meinung, dass du im Irrtum bist insofern die vorherige Zusage im Falle einer Mobilisation Deutschlands den casus foederis als gegeben zu sehen eine implizite Garantie für den Balkan bereits beeinhaltete, da Österreich-Ungarn Russland militärisch unterlegen war und im Normalfall am Balkan ohne die deutsche Kriegsmacht im Rücken zu haben keinen Krieg vom Zaun brechen konnte.

Insofern war die Übernahme einer förmlichen Garantie für die Verhältnisse am Balkan nur eine andere Formulierung dessen, was aber bereits vorher feststand.
Daraus resultierte keine engere Bindung Frankreichs an Russland, als das zuvor der Fall war.

Frankreich war also im Juli 1914 gewissermaßen nicht mehr der eigene Herr, sondern Gefangener der Zusage Poincare und damit Petersburgs. Kein Wunder das die Russen in der Julikrise so agieren konnten, wussten sie doch, das die Franzosen auf jeden Fall hinter Ihnen stehen würden.

Nein, dass siehst du meiner Meinung nach falsch.

Hätte in den Balkankriegen Berlin nicht mäßigend auf Wien eingewirkt, sondern sich klar hinter Wien gestellt und gegebenenfalls mobilisiert um Wiens Interessen tatsächlich abzustützen und durchzuboxen, wäre Frankreich in der gleichen Lage gewesen, auch ohne die explizite Zusage für die garantie des Status Quo am Balkan.

Die relative Schwäche Österreichs gegenüber Russland garantierte dafür, dass es österreichische Alleingänge am Balkan, die zu einem Krieg hätten führen könen im Grunde nicht geben konnte.*
Ein österreichischer Krieg am Balkan gegen einen von Russland protegierten Staat, also in erster Linie Serbien, war ohne Berlins Rückendeckung und das setzt die Möglichkeit der Mobilisation und des militärischen Eingreifens Deutschlands voraus, unrealistisch.

Etwas anderes wäre es gewesen, wenn Poincarés Zusagen nicht nur den Status Quo auf dem Balkan garantiert sondern Frankreich auch darauf verpflichtet hätten einem eine Änderung dieses Status zu Gunsten des von Russland protégierten Serbien zu unterstützen und sich auch zu einer Teilnahme an einem unprovoziert von Serbien oder Russland verschuldeten Krieg gegen Österreich bedingungslos zu beteiligen.
Aber das taten sie nicht.


Auch ohne die Zusagen Poincarés musste klar sein, dass Frankreich die Tendennz haben würde, Russland so weit irgendwie möglich zu unterstützen, weil es die russische Landmacht für die eigene Absicherung brauchte.

Deutschlands militärische und wirtschaftliche Potentiale waren inzwischen weit größer als Frankreich und ohne Russland hätte die Landmacht Frankreichs derer des Dreibundes potentiell allein gegenübergestanden.
Es gab zwar den Neutralitätspakt mit Italien, aber auf den hätte sich im Fall einer deutschen Agression kaum jemand verlassen können, wäre Berlin auf die Idee gekommen, Italien für Mitwirkung Kosika, Nizza, Savoyen und/oder einen Teil der französischen Kolonien, im Besonderen Tunis anzubieten.
Großbritannien konnte zu Land nur sehr begrenzt helfen.


Frankreich benötigte entweder Russlands oder Österreich-Ungarns Potentiale als Landmacht um die immer größeren Potentiale Deutschlands, die spätstens seit den 1890er Jahren Frankreich deutlich abgehängt hatten, sowohl industriell, als auch demographisch, strategisch auszugleichen.
Und da der Dreibund ein Zusammengehen mit Wien und eine Instrumentalisierung Österreich-Ungarns als potentiellem Bündenispartner gegen Deutschland verhinderte, blieb nur Russland als Möglichkeit Deutschlands Überlegenheit auf stratgischer Ebene auszugleichen.

Das hat nichts mit Poincaré, sondern war ein von seiner Person unabhängiger Sachzwang, maßgeblich hervorgerufen durch das deutsch-österreichische Bündnis, dass die andere denkbare Option, die dem europäischen Frieden möglicherweise zuträglicher gewesen wäre, nämlich eine Allianz Paris-Wien, blockierte.

Das zwang Paris grundsätzlich 1914 genau so wenig die russische Position in jedem Fall zu bedienen, wie in den beiden Balkankriegen.
Demgegenüber wird es aber in Paris die gleiche Tendenz gegeben haben, die Berlin gegenüber Wien hatte, nämlich diejenige der Meinung zu sein, sich den Verlust des eigenen Bündnispartners nicht leisten zu können und ihm deswegen wenigstens hin und wieder bei seinen Interessen nachgeben zu müssen um St. Petersbrug nicht zu verprellen und zum Überdenken der Allianz zu bewegen.



*1908 bei der Annexionskriese handelte Wien zwar einigermaßen autonom, allerdings hatte Aerenthal ja Iswolskys Zusage zur Annexion bereits eingeholt, somit war nicht unbedingt klar, dass das möglicherweise zum Konflikt führen würde.
Abgesehen davon bestätigte die Annexion Bosniens und der Hezegowina letztendlich nur insofern die Verhältnisse, dass die de facto Herrschaft Wiens hier in ein dauerhaftes Rechtsverhältnis überführt wurde, es wurde aber Russlands verbündeten auf dem Balkan dadurch nichts weggenommen, außerdem brauchte Russland noch Zeit um sich von der Niederlage gegen Japan und der Revolution zu erholen, so wie seine Finanzen zu sanieren.

Ein Alleingang Österreichs nach ca. 1910 auf dem Balkan gegen Serbien ohne dass das die Unterstützung Berlins gehabt hätte, war undenkbar.
Das wussten beide Seiten und deswegen band es Frankreich nicht in größeren Maße, dass Poincarés Zusage diesen nur theoretisch denkbaren aber praktisch unmöglichen Fall abdeckte.
 
Insofern war die Übernahme einer förmlichen Garantie für die Verhältnisse am Balkan nur eine andere Formulierung dessen, was aber bereits vorher feststand.
Daraus resultierte keine engere Bindung Frankreichs an Russland, als das zuvor der Fall war.

Dann stellt sich zunächst einmal die Frage, weshalb sich der französische Präsident Poincare dazu veranlasst gesehen hatte, den Bündnisfall eben auf dem Balkan zu erweitern. Sicherlich nicht zum Spaß.

Schon die Balkankriege hatten das Risiko eines Krieges der Großmächte in sich geborgen. Die Russen waren lange entschlossen, Serbien zu dem Hafen an der Adria zu verhelfen; obwohl man den Österreichern zu Beginn der Krise/Krieges doch etwas ganz anderes zugesichert hatte. Und Präsiden Poincare wirkte in Paris auf die Botschafter Österreich-Ungarns aber auch Berlin in diesem Sinne ein, das man Serbien doch bitte den Hafen inklusive eines entsprechenden Landstreifens gewähren solle.

In der Julikrise wurde der französische Botschafter Paleologue nicht müde, den Russen die französische, militärischen Beistand für den Fall des Krieges zuzusichern.

Petersburg stand militärisch 1912/13 und 1914 militärisch, dank der französischen Milliarden, ganz anders da und mit der französischen Zusage der Bündniserweiterung, die ohne jede Not getätigt worden war, konnte man nunmehr auch entsprechend auftreten und agieren.

Poincare wußte in seinem Pokerspiel genau um die deutschen Verpflichtungen und den militärischen Planungen Bescheid und vor allem über das äußerst geringe Zeitfenster, welches durch die russischen Rüstungen weiter reduziert worden war, welches den Deutschen zur Verfügung stand, um den eigenen Plan zu verwirklichen. Poincare wußte, das Deutschland es sich auf gar keinen Fall erlauben konnte, in den militärischen Vorkehrungen Petersburg im Juli 1914 zurückzubleiben.

Poincare wollte seine Heimat, eben Lothringen, das Elsass selbstverständlich auch, für Frankreich zurückgewinnen und dabei hat er äußerst geschickt agiert.

Hätte in den Balkankriegen Berlin nicht mäßigend auf Wien eingewirkt, sondern sich klar hinter Wien gestellt und gegebenenfalls mobilisiert um Wiens Interessen tatsächlich abzustützen und durchzuboxen, wäre Frankreich in der gleichen Lage gewesen, auch ohne die explizite Zusage für die garantie des Status Quo am Balkan.

Berlin rannte immer noch der Illusion hinterher, Flottenrüstwettrüsten hin oder her, mit Großbritannien eine Annäherung und vor allem eine Neutralitätszusage für einen militärischen Konflikt zu erhalten. Die deutsche Außenpolitik erkannte nicht, das mit einem Staatssekretär Sir Edward Grey im Foreign Office dies eben nicht zu bekommen war. Grey ging es weniger um die europäischen Machtfragen, sondern ausschließlich um die Absicherung und den Erhalt des Empires. Und seiner Meinung nach konnte eben diese nur mit Unterstützung und Verständigung mit Paris und Petersburg geschehen. Berlin konnte hier nicht helfend wirken. Dieser Prämisse wurde die britische Außenpolitik seit Greys Amtsantritt konsequent untergeordnet.

Auch ohne die Zusagen Poincarés musste klar sein, dass Frankreich die Tendennz haben würde, Russland so weit irgendwie möglich zu unterstützen, weil es die russische Landmacht für die eigene Absicherung brauchte.

Mit einer festen Zusage in der Tasche eröffnete dies aber ganz andere Möglichkeiten für die russische Außenpolitik.

Deutschlands militärische und wirtschaftliche Potentiale waren inzwischen weit größer als Frankreich und ohne Russland hätte die Landmacht Frankreichs derer des Dreibundes potentiell allein gegenübergestanden.
Es gab zwar den Neutralitätspakt mit Italien, aber auf den hätte sich im Fall einer deutschen Agression kaum jemand verlassen können, wäre Berlin auf die Idee gekommen, Italien für Mitwirkung Kosika, Nizza, Savoyen und/oder einen Teil der französischen Kolonien, im Besonderen Tunis anzubieten.
Großbritannien konnte zu Land nur sehr begrenzt helfen.

Beispielsweise nutzte Deutschland seine größeren personellen Ressourcen gar nicht vollständig aus. In Frankreich wurde die Wehrpflicht viel konsequenter umgesetzt als in Deutschland.
Großbritannien hätte schon Paris nicht im regen stehen lassen; man konnte den Ausfall Frankreichs als Großmacht nicht dulden, weil aus der Sicht von Grey damit die Sicherheit des Empire gefährdert gewesen wäre. Nicht umsonst hatte der britische König Georg V. im August 1914 gegenüber Grey ausgeführt, dieser möge doch bitte einen Grund finden, damit Großbritannien an den Krieg teilnehmen könne.(1)

(1) Diese Info stammt vom Direktor der BBC Adrian Graves, ein Urgroßneffe Greys. Graves hatte im Nachlass seines Vaters Sir Cecil Graves ein entsprechendes Dokumtent Sir Edward Grey gefunden.
 
Dann stellt sich zunächst einmal die Frage, weshalb sich der französische Präsident Poincare dazu veranlasst gesehen hatte, den Bündnisfall eben auf dem Balkan zu erweitern. Sicherlich nicht zum Spaß.

Die Frage stellt sich so eigentlich nicht, wenn man bereit ist, zu akzeptieren, dass es sich eigentlich nicht um eine Erweiterung handelte, weil ein Alleingang Österreichs am Balkan gegen Russland ohnehin nicht möglich war.
Österreich konnte militärisch nur etwas machen, wenn Deutschland das unterstützte und für diesen Fall war Frankreich bereits vor Poincaré auf militärische Unterstützung Russlands verpflichtet.

Demgegenüber war die vorher bestehende Regelung nach der der casus foederis bereits bei deutscher Mobilmachung bestand durchaus nicht ungefährlich, weil sie den Bündnisfall damit bereits in das Vorfeld eines eigentlichen Krieges verlegte und damit einen Automatismus anlegte, der Verhandlungen um einen Krieg in letzter Konsequenz abzuwenden sehr erschwerte.

Ich würde mir da die Frage stellen wollen, ob die Änderung dahingehend den casus foederis explizit an den Status Quo am Balkan zu binden, möglicherweise einfach mit dem Bedürfnis einherging, angesichts der sich häufenden Kriesen, zum Krieg führende Mechanismen etwas zu entschärfen und mehr Zeit für Verhandlungen einzuräumen.

In diesem Sinne wäre es nämlich durchaus klug gewesen, für alle Territorien wegen denen man den casus foederis ohnehin anerkannte, weil es Kriege nur in Konstellationen geben konnte, die eine Beteiligung Deutschlands voraussetzten, explizite Garantien zu übernehmen um von der Konstruktion eines Automatismus, der von der deutschen Mobilmachung zum Bündnisfall und damit zum Abbruch aller diplomatischen Möglichkeiten führen würde abgehen zu können.

So würde ich die Änderungen interpretieren wollen.
Das bedeutete einerseits mehr Sicherheit für Russlands Balkanpolitik, andererseits aber auch, mehr Möglichkeiten noch auf die Bremse zu treten.

Was wäre denn passiert, wenn es zur Krise zwischen Wien und Belgrad gekommen wäre, Deutschland und Russland sich eingeschaltet hätten und Deutschland die Generalmobilmachung angeordnet hätte?

Gemäß der vorherigen Vereinbarung wäre dieser Fall das Ende der Diplomatie gewesen, weil die deutsche Mobilmachung Frankreich dazu verpflichtet hätte Russland im militärischen Sinne beizustehen.

Mit dem Ersetzen/Erweitern dieser Konstruktion durch eine explizite Garantie für den Balkan hätte man dann noch ein kleines Zeitfenster gehabt von Seiten der Westmächte her einen Kompromissvorschlag auf denn Tisch zu legen, und die Sache möglicherweise noch abzuräumen, wenn der casus foederis möglicherweise erst bei Eintritt eines tatsächlichem Krieges im Westbalkan griff.

Außerdem bestand bei der Konstruktion die auf die deutsche Mobilmachung abzielte natürlich auch das Risiko, dass Russland eine solche gegebenenfalls eine Solche durch eine eigene Mobilmachung an der Westgrenze provozieren konnte.
Eine Tendenz dieses Konstrukt durch andere Garantien zu ersetzen, konnte das entschärfen.



In der Julikrise wurde der französische Botschafter Paleologue nicht müde, den Russen die französische, militärischen Beistand für den Fall des Krieges zuzusichern.

Ja, aber der Umstand, dass Paleologue meinte das nochmal explizit tun zu müssen, beweist doch, dass man in St. Petersburg die französischen Zusagen für den Balkan eben nicht als carte blanche betrachtete, die Frankreich von der russischen Außenpolitik abhängig machte.

Poincare wußte in seinem Pokerspiel genau um die deutschen Verpflichtungen und den militärischen Planungen Bescheid und vor allem über das äußerst geringe Zeitfenster, welches durch die russischen Rüstungen weiter reduziert worden war, welches den Deutschen zur Verfügung stand, um den eigenen Plan zu verwirklichen. Poincare wußte, das Deutschland es sich auf gar keinen Fall erlauben konnte, in den militärischen Vorkehrungen Petersburg im Juli 1914 zurückzubleiben.

Komme ich weiter unten noch drauf.

Poincare wollte seine Heimat, eben Lothringen, das Elsass selbstverständlich auch, für Frankreich zurückgewinnen und dabei hat er äußerst geschickt agiert.

Poincaré hatte als Lothringer der dahingehend nochmal gesonderte Interessen hatte sicherlich eine höhere Tendenz sich gegebenenfalls auf einen Krieg einzulassen, als dass ein französischer Präsident aus einem anderen Landesteil möglicherweise gehabt hätte.
Aber Poincaré wusste auch, ein Aufschieben einer Auseinanderstzung, wenn sie die Entente nicht sprengte Frankreichs Chancen wegen der russischen Rüstungen verbessern würde.

Aus Frankreichs Sicht, war es wichtig Russland nicht zu verprellen, was bedeutete ihm jedenfalls die Unterstützung der eigenen Position ein Stück weit zuzusichern, das wäre auch ohne Abänderung des Beistandspaktes so gewesen.
Demgegenüber war ein Krieg zu diesem Zeitpunkt nicht in Frankreichs Interesse, weil man in Paris genau wusste, dass man es selbst zuerst abkriegen würde und selbst wenn Poincaré ein absoluter Kriegstreiber gewesen wäre, wäre er sicherlich dem Argument zugänglich gewesen, dass in 2 Jahren die Gelegenheit günstiger sein würde und es demnach angezeigt wäre zu warten, so lange das die Allianz nicht gefährdete.

Berlin rannte immer noch der Illusion hinterher, Flottenrüstwettrüsten hin oder her, mit Großbritannien eine Annäherung und vor allem eine Neutralitätszusage für einen militärischen Konflikt zu erhalten. Die deutsche Außenpolitik erkannte nicht, das mit einem Staatssekretär Sir Edward Grey im Foreign Office dies eben nicht zu bekommen war. Grey ging es weniger um die europäischen Machtfragen, sondern ausschließlich um die Absicherung und den Erhalt des Empires. Und seiner Meinung nach konnte eben diese nur mit Unterstützung und Verständigung mit Paris und Petersburg geschehen. Berlin konnte hier nicht helfend wirken. Dieser Prämisse wurde die britische Außenpolitik seit Greys Amtsantritt konsequent untergeordnet.

Ich denke nicht, dass das an der Personalie Grey hing.

Mit einer festen Zusage in der Tasche eröffnete dies aber ganz andere Möglichkeiten für die russische Außenpolitik.
Ich bin nicht der Meinung, dass sie das tat.

Beispielsweise nutzte Deutschland seine größeren personellen Ressourcen gar nicht vollständig aus. In Frankreich wurde die Wehrpflicht viel konsequenter umgesetzt als in Deutschland.
Großbritannien hätte schon Paris nicht im regen stehen lassen; man konnte den Ausfall Frankreichs als Großmacht nicht dulden, weil aus der Sicht von Grey damit die Sicherheit des Empire gefährdert gewesen wäre. Nicht umsonst hatte der britische König Georg V. im August 1914 gegenüber Grey ausgeführt, dieser möge doch bitte einen Grund finden, damit Großbritannien an den Krieg teilnehmen könne.(1)

Großbritannien konnte die Ausfall Frankreichs nicht dulden, es konnte aber auch den Ausfall Deutschlands als stärkste europäische Macht nicht dulden, weil der Umstand, dass Deutschland als stärkste Macht des Kontinents Österreichs unterstützte, das einzige war, was die Entente zusammenhielt.

Was mir gerade etwas fehlt, ist dass du die Konsequenz aus deinem eigenen Postulat ziehst, nachdem Frankreich zunehmend in Abhängigkeit Russlands kam.
Ich würde dem in der Absolutheit, wie du das unterstellt hast nicht zustimmen, graduell allerdings schon.

Frankreich zog bereits 80% seiner Wehrpflichtigen ein, wenn man hierbei noch einrechnet, dass immer ein Teil der theoretisch Wehrpflichtigen untauglich oder politisch unzuverlässig ist und man mit diesem Anteil militärisch nicht viel anfangen kann, waren die 80% schon relativ nahe am Maximum, was bedeutet, weitere Heeresvermehrungen wären in Frankreich in absehbarer Zeit nur noch über Verlängerungen der Dienstzeit zu machen gewesen, die einerseits schädlich für die Wirtschaft hätten sein müssen, andererseits die Reserven ausdünnten.

Frankreich hatte zunehmend ein Manpower-Problem bei den Landstreitkräften, dem abgeholfen werden musste und um das tun zu können, war Großbritannien als Bündnispartner zunehmend inadäquat.
Das konnte nur Russland. Oder eben Österreich, was aber ein Ende des Dreibunds vorausgesetzt hätte.

Damit das Frankreich zunehmend mehr auf Russland verwiesen war um die deutschen Potentiale strategisch auzugleichen, nahm Russlands Gewicht innerhalb der Entente gegenüber Großbritannien immer mehr zu und das hätte in the long run in London zu Bedenken führen müssen.
Denn wäre Frankreichs Abhängigkeit von Russland tatsächlich so umfassend geworden, dass es gezwungen gewesen wäre Russlands außenpolitischen Kurs tatsächlich mit zu machen, hätte St. Petersburg diesen Umstand wahrscheinlich genutzt, um den Versuch zu unternehmen die Abmachungen mit den Briten, die man nach dem Krieg gegen Japan in einem Moment der eigenen Schwäche hatte schließen müssen, zum eigenen Vorteil zu korrigieren.
Und das hätte den Wert der Entente für Großbritannien konterkariert.

Auch London musste sich über die Konsequenzen des eigenen Handelns klar sein und die führende Rolle in Europa auf Frankreich oder Russland zu verschieben hätte zwangsläufig zu Konsequenzen führen müssen, die London nicht gefallen konnten, nämlich dazu die eigene Druckposition gegenüber Paris oder die vorteilhaften Abmachungen gegeüber Russland zu verlieren.
 
Die Frage stellt sich so eigentlich nicht, wenn man bereit ist, zu akzeptieren, dass es sich eigentlich nicht um eine Erweiterung handelte, weil ein Alleingang Österreichs am Balkan gegen Russland ohnehin nicht möglich war.
Österreich konnte militärisch nur etwas machen, wenn Deutschland das unterstützte und für diesen Fall war Frankreich bereits vor Poincaré auf militärische Unterstützung Russlands verpflichtet.

Eigentlich sprechen wir von einer Aktion Russlands gegen Österreich-Ungarn.

Ich denke nicht, dass das an der Personalie Grey hing.

Das kannst du selbstverständlich; ist aber kein Gegenargument. Grey war der Chef des Foreign Office und darüberhinaus ein sehr einflussreiches Mitglied im Kabinett. Eine Rücktrittsdrohung reicht von ihm in der Regel aus, um das Kabinett auf dem gewünschten Kurs zu bringen. Im Foreign Office hatte grey die wichtigen, einschließlich des Botschafterpersonals, mit antideutschen Personal besetzt.

Ich bin nicht der Meinung, dass sie das tat.

Auch das ist kein Argument.

Großbritannien konnte die Ausfall Frankreichs nicht dulden, es konnte aber auch den Ausfall Deutschlands als stärkste europäische Macht nicht dulden, weil der Umstand, dass Deutschland als stärkste Macht des Kontinents Österreichs unterstützte, das einzige war, was die Entente zusammenhielt.

Großbritannien konnte nach Lage der Dinge nur das eine oder andere haben. Im Sommer 1914 hatte man sich zugunsten Frankreichs entschieden.

Damit das Frankreich zunehmend mehr auf Russland verwiesen war um die deutschen Potentiale strategisch auzugleichen, nahm Russlands Gewicht innerhalb der Entente gegenüber Großbritannien immer mehr zu und das hätte in the long run in London zu Bedenken führen müssen.

Das hat es ja auch durchaus. Eine Verlängerung der Abmachung mit Petersburg war durchaus nicht sicher.

Denn wäre Frankreichs Abhängigkeit von Russland tatsächlich so umfassend geworden, dass es gezwungen gewesen wäre Russlands außenpolitischen Kurs tatsächlich mit zu machen, hätte St. Petersburg diesen Umstand wahrscheinlich genutzt, um den Versuch zu unternehmen die Abmachungen mit den Briten, die man nach dem Krieg gegen Japan in einem Moment der eigenen Schwäche hatte schließen müssen, zum eigenen Vorteil zu korrigieren.
Und das hätte den Wert der Entente für Großbritannien konterkariert.

Frankreich war von Russland abhängig und es hat unter Poincare den außenpolitischen Kurs Petersburgs mitgetragen.

Ich verweise hier einmal auf das Memorandum von Crowe, welches die britischen Überlegungen gut darlegt.

Dafür war Sir Edward nicht der richtige Außenminister. Er war bereit die dicksten Kröten zu schlucken. Siehe Persien, Tibet. Aber insgesamt war in der Öffentlichkeit, und die war in Großbritannien immer von Bedeutung, den russischen Partner immer kritischer, da die Russen sich in Persien so gar keine Schranken auferlegten und sich auch nicht an die Abmachungen hielten.
 
Ja, aber der Umstand, dass Paleologue meinte das nochmal explizit tun zu müssen, beweist doch, dass man in St. Petersburg die französischen Zusagen für den Balkan eben nicht als carte blanche betrachtete, die Frankreich von der russischen Außenpolitik abhängig machte.

Das kann man auch durchaus anders interpretieren, nämlich als Ermutigung militärisch aktiv zu werden und damit den Krieg auf die Schiene zu bringen, damit Frankreich nun endlich seine Provinzen zurück erobern kann.Auch Russland hatte seine territorialen Ziele; die Meerenden. Die Mittelmächte strebten zunächst keine territorialen Korrekturen an.

Nein, dass siehst du meiner Meinung nach falsch.

Der französische Botschafter in Berlin Jules Cambon vertrat jedenfalls exakt diese Ansicht.
 
Am Abend des 25.Juli 1914 gab der russische Kriegsminister Suchumlinow gegenüber den französischen Militärattaché zu Protokoll, das der Zweck der russischen Mobilmachung sei, "Deutschland die Initiative einer Kriegserklärung an Russland zuzuschieben."

Der französische Botschafter in Berlin Jules Cambon vertrat jedenfalls exakt diese Ansicht.

Zitat Jules Cambon wenige Tage vor Ausbruch des Krieges: "Heute hängt das Schicksal Frankreichs und die Bewahrung des europäischen Friedens von einem fremden Willen ab. Demjenigen des Zaren. Wir sind zum Opfer unserer Allianz mit dem Zarenreich geworden und werden den Russen auf das Schlachtfeld folgen müssen."

Der französische Botschafter in Russland Delcassé äußerte im Frühjahr 1913 hellsichtig aus: "Deutschland kann es sich nicht leisten abzuwarten. Es wird nicht in der Lage sein, den Druck auszuhalten. Seine Lage wird in wenigen Jahren noch schlechter sein als jetzt. Und wenn der Krieg nicht vermieden werden kann, dann wird es jetzt diesem nicht aus dem Wege gehen."

Etwas über ein Jahr später war es denn soweit.
 
Eigentlich sprechen wir von einer Aktion Russlands gegen Österreich-Ungarn.

Inwiefern veränderte denn die Abänderung des französisch-russischen Zweibunds die russischen Aktionsmöglichkeiten gegen Österreich?
Auch Poincaré verpflichtete Frankreich nicht, sich an einem unprovozierten Krieg Russlands gegen Österreich zu beteiligen.
Und ein Angriff Österreichs auf Russland war ohne Mitgehen Deutschlands ohnehin undenkbar, bei einer Involvierung Deutschlands hätte aber auch die vorherige Abmachung gegriffen, die für Frankreich den casus foederis bedeutete, sobald Deutschland mobilisieren würde.

Ich verstehe immer noch nicht ganz, wo du die große Änderung siehst.

Grey war der Chef des Foreign Office und darüberhinaus ein sehr einflussreiches Mitglied im Kabinett.
Und er scheint Deutschland nicht besonders gemocht zu haben, weiß ich.

Die Frage danach, ob man es an der Personalie Grey festmachen kann, ist aber doch diejenige, ob es in den jeweligen britischen Kabinetten besonders starke Strömungen gab, die einen Ausstieg aus der Entente und eine andere Deutschlandpolitik favorisiert hätten.
Ich habe nicht den Eindruck, dass das der Fall gewesen ist. Deswegen bin ich nicht der Meinung, das Grey hier eine überragende Rolle zukommt.

Großbritannien konnte nach Lage der Dinge nur das eine oder andere haben. Im Sommer 1914 hatte man sich zugunsten Frankreichs entschieden.

Großbritannien konnte beides haben, so lange es auf Deeskalation zwischen den Blöcken wirkte und darauf einen Krieg zu vermeiden, was es in den bisherigen Krisen bis einschließlich der Balkankriege auch getan hatte.

Bei näherer Betrachtung profitierte Großbritannien erheblich davon, dass sich die Blöcke auf dem Kontinent gegenseitig belauerten und ihre Budges in die Landrüstung pumpten, was Druck aus den kolonialen Fragen und der Flottensituation nahm.
Und das war auch im Juli 1914 nicht anders.

Auch hat London vergleichen mit den anderen 4 europäischen Großmächten sich im Juli damit Öl ins Feuer zu gießen eher zurückgehalten, so dass ich auch keinen Anlass sehe, dass man annehmen könnte, London habe die Situation anders bewertet und sich für Krieg entschieden, so lange Frieden noch eine Option war.

Frankreich war von Russland abhängig und es hat unter Poincare den außenpolitischen Kurs Petersburgs mitgetragen.

Frankreich war durchaus nicht in dem Maße von Russland abhängig, dass ihm St. Petersburg einen Krieg im eigenen Namen hätte aufzuwingen können.
Wäre es in diesem Ausmaß von der russischen Politik abhängig gewesen, hätte sich Russland wahrscheinlich bereits im Fall der Balkankriege nicht auf einen Kompromiss eingelassen.

Ich verweise hier einmal auf das Memorandum von Crowe, welches die britischen Überlegungen gut darlegt.
Sprichst du von demjenigen von 1907?

Dafür war Sir Edward nicht der richtige Außenminister. Er war bereit die dicksten Kröten zu schlucken. Siehe Persien, Tibet. Aber insgesamt war in der Öffentlichkeit, und die war in Großbritannien immer von Bedeutung, den russischen Partner immer kritischer, da die Russen sich in Persien so gar keine Schranken auferlegten und sich auch nicht an die Abmachungen hielten.

Das ist wieder das Aufhängen an Grey, was ich bei dir nicht so ganz verstehe.

Ja, Großritannien musste einige Kröten schlucken. Das ist aber nichts im Vergleich zu dem, was es hätte schlucken müssen, wenn Frankreich tatsächlich in umfassende Abhängigkeit von Russland geraten wäre und St.Petersburg Frankreich und dssen Positionen am Kanal im Mittelmeeer und in Afrika hätte nutzenn können um im eigenen Sinne die Abmachungen mit London zum eigenen Nutzen zu kippen.

Daran hätte auch ein Grey nichts geändert und das hätte auch einen Grey zum Umdenken gezwungen.

Nur so groß war die Abhängigkeit Frankreichs einfach nicht.

Das kann man auch durchaus anders interpretieren, nämlich als Ermutigung militärisch aktiv zu werden und damit den Krieg auf die Schiene zu bringen, damit Frankreich nun endlich seine Provinzen zurück erobern kann.

Du weißt so gut, wie ich, dass Paris wusste dass Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit gegen Westen losschlagen und das für Frankreich sehr hart werden würde und auch, dass Paris wusste, dass die Situation in 2 Jahren wesentlich günstiger gewesen wäre.
Man hat nicht enorme Kreditvolumina den Russen für die Aufrüstung zur Verfügung gestellt, die man auch in die eigene Armee hätte investieren können um dann zu früh einen Krieg vom Zaun zu brechen, bei dem dass alles noch nicht wirksam sein würde, was die eigenen Chancen verschlechterte.

Selbst wenn der Drang Elsass und Lothringen zurück zu erobern so groß gewesen wäre, der Zeitpunkt passt nicht.

Paris wird davon ausgegangen sein, Berlin vom Tisch bluffen zu können und deswegen St. Petersburg einigermaßen gefahrlos Unterstützung von dessen Position zusichern zu können, ohne wirklich mit eineem Krieg zu rechnen und aus einem ganz ähnlichem kalkül, wie das aus dem Berlin Wien stützte.

Auch Russland hatte seine territorialen Ziele; die Meerenden. Die Mittelmächte strebten zunächst keine territorialen Korrekturen an.

Nauja, nuja, nuja, die Meerengen kamen im 1. Weltkrieg als Ziel ja erst infrage als sich das Osmanische Reich tatsächlich im Krieg beteiligte, also Oktober 1914.
Bis dahin lag allerdings das "Spetemberprogramm" aus Berlin auch schon vor, inklusive der Zielformulierung Longwy-Briey und Ostbelgien mit Lüttich, bei degradierung Restbelgiens zu eindem deutschen Sateliten und inklusive "Polnischer Grenzstreifen".



Zitat Jules Cambon wenige Tage vor Ausbruch des Krieges: "Heute hängt das Schicksal Frankreichs und die Bewahrung des europäischen Friedens von einem fremden Willen ab. Demjenigen des Zaren. Wir sind zum Opfer unserer Allianz mit dem Zarenreich geworden und werden den Russen auf das Schlachtfeld folgen müssen."

[...] oder eben vom Zurückziehen Berlins oder Wiens.
oder eben vom Verhalten von Regierungschef Viviani und den in Frankreich regierenden Sozialisten.

Frankreich war Russland im Kontext der Balkankriege nicht in allem gefolgt es hätte das auch hier nicht um jden Preis tun müssen.
 
nwiefern veränderte denn die Abänderung des französisch-russischen Zweibunds die russischen Aktionsmöglichkeiten gegen Österreich?
Auch Poincaré verpflichtete Frankreich nicht, sich an einem unprovozierten Krieg Russlands gegen Österreich zu beteiligen.
Und ein Angriff Österreichs auf Russland war ohne Mitgehen Deutschlands ohnehin undenkbar, bei einer Involvierung Deutschlands hätte aber auch die vorherige Abmachung gegriffen, die für Frankreich den casus foederis bedeutete, sobald Deutschland mobilisieren würde.

Staatspräsident Falliéres bevorzugte eine ganze andere auswärtige Politik als Poincare. Noch während der Annexionskrise hatte Paris sich kategorisch geweigert, die Position Petersburgs im Konflikt mit Wien zu stützen und klar gemacht, dass man nur dann zu den Bündnisverpflichtungen stehen würde, wenn die lebenswichtigen Interessen Frankreichs und Russlands in Gefahr seien. Etwas später hatte Paris die militärischen Abmachungen zu seinen Gunsten verändert. Nunmehr galt die Beistandspflicht nur noch für den Fall einer deutschen Generalmobilmachung, nicht aber bei einer Teil- oder Generalmobilmachung durch Wien.

Frankreich unter Staatspräsident Falliéres hatte also seinen Verbündeten signalisiert, das man nicht willes war, für die Durchsetzung russischer Interessen auf dem Balkan in den Krieg zu ziehen.

Ganz anders sah das der zu Beginn des Jahres 1913 ins Amt gekommene Präsident Poincare. Die französische Außenpolitik wurde gewissermaßen balkanisiert.

Poincare war sich darüber im Klaren, das Russland nur dann für französischen Interessen, Elsass und Lothringen, einstehen würde, wenn Paris Petersburg nun auf dem Balkan sein Unterstützung zusicherte. So versicherte Poincare beispielsweise gegenüber den russischen Botschafter Iswolski, wenn Österreich-Ungarn gegen Serbien militärische vorgehen sollte und Russland der Auffassung sei, die slawischen Brüder, obwohl null Verpflichtung bestünde und Russland in keinster Weise irgendwie bedroht sei, militärisch gegen Österreich-Ungarn vorgehe, das würde den Bündnisfall mit Berlin auslösen, das würde Frankreich als Bündnisfall betrachten. Poincare hat also schon 1912 diesen Fall als Bündnisfall anerkannt. Das sich mit so einer Zusage eine andere, offensivere, Außenpolitik praktizieren ließ, das liegt doch wohl deutlich auf der Hand. Und diese Zusage blieb in der Julikrise nicht ohne Auswirkungen.

Du weißt so gut, wie ich, dass Paris wusste dass Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit gegen Westen losschlagen und das für Frankreich sehr hart werden würde und auch, dass Paris wusste, dass die Situation in 2 Jahren wesentlich günstiger gewesen wäre.
Man hat nicht enorme Kreditvolumina den Russen für die Aufrüstung zur Verfügung gestellt, die man auch in die eigene Armee hätte investieren können um dann zu früh einen Krieg vom Zaun zu brechen, bei dem dass alles noch nicht wirksam sein würde, was die eigenen Chancen verschlechterte.

Selbst wenn der Drang Elsass und Lothringen zurück zu erobern so groß gewesen wäre, der Zeitpunkt passt nicht.

Was glaubst du wohl, weshalb Frankreich so die Milliarden in den russischen Staatshaushalt gepumpt hatte? Es ging um den Ausbau der Eisenbahnlinien an die deutsche Grenze; vorzugsweise zwei oder gar vierspurig. Es sollten massenhaft Eisenbahnwaggons angeschafft werden etc.etc.. Das alles sollte den russischen Aufmarsch deutlich verkürzen, so das die russischen Armeen deutlich schneller in Ostpreußen einfallen können. Und die Russen waren auch sehr schnell. Und mit dieser konkreten Lage konfrontiert, auch Moltke war sich darüber im Klaren, konnte das Deutsche Reich eben nicht wie Frankreich oder Russland zuwarten. Auch die Franzosen wussten dies, denn sie kannten den Schlieffenplan und seine Implikationen. Das wird schon, siehe oben, aus dem Zitat von Delcasse sehr deutlich.

Ich zitieren hier auch nochmals Jules Cambon:
"Heute hängt das Schicksal Frankreichs und die Bewahrung des europäischen Friedens von einem fremden Willen ab. Demjenigen des Zaren. Wir sind zum Opfer unserer Allianz mit dem Zarenreich geworden und werden den Russen auf das Schlachtfeld folgen müssen."

Großbritannien konnte beides haben, so lange es auf Deeskalation zwischen den Blöcken wirkte und darauf einen Krieg zu vermeiden, was es in den bisherigen Krisen bis einschließlich der Balkankriege auch getan hatte.

Bei näherer Betrachtung profitierte Großbritannien erheblich davon, dass sich die Blöcke auf dem Kontinent gegenseitig belauerten und ihre Budges in die Landrüstung pumpten, was Druck aus den kolonialen Fragen und der Flottensituation nahm.
Und das war auch im Juli 1914 nicht anders.

Auch hat London vergleichen mit den anderen 4 europäischen Großmächten sich im Juli damit Öl ins Feuer zu gießen eher zurückgehalten, so dass ich auch keinen Anlass sehe, dass man annehmen könnte, London habe die Situation anders bewertet und sich für Krieg entschieden, so lange Frieden noch eine Option war.

Großbritannien war die einzige Großmacht die, sofern sie denn wollte, gewissermaßen frei in seiner Entscheidung war. Großbritannien war mit seiner gewaltigen Flotte für die Triple Entente enorm wichtig und deshalb übten sowohl Frankreich als auch Russland großen Druck auf London aus. Paul Cambon drohte sogar mit der Veröffentlichung seine Briefwechsels mit Grey. Es war eine Minderheit der Hardliner im Kabinett, die sich mit fragwürdigen Methoden, wie Rücktrittsdrohung oder schlicht der Lüge oder eigenmächtiges Handeln am Kabinett vorbei, durchsetzte und das Land auf Kriegskurs brachte. Wie schon oben von mir ausgeführt, hat selbst König Georg V. Grey aufgefordert, einen Kriegsrund zu finden und das war nicht schwer. Sowohl Engländer und Franzosen wussten, das die Deutschen durch Belgien mussten, wenn Frankreich zügig niedergerungen werden sollte.

[...] oder eben vom Zurückziehen Berlins oder Wiens.
oder eben vom Verhalten von Regierungschef Viviani und den in Frankreich regierenden Sozialisten.

Das war wohl ohne "Gesichtsverlust", ganz besonders für Wien, nicht mehr möglich. Russland als Monarchie ließ Serbien den Fürstenmord durchgehen und unterstütze Serbien bis zum Äußersten und machte ohne jede Not mobil. Was hätte im Zeitalter des Imperialismus, da waren die Sitten eben sehr, sehr rauh, dagegen gesprochen, die Monarchie bis Belgrad marschieren zu lassen und als "Faustpfand zu nehmen? Grey war so bis Mitte Juli damit durchaus einverstanden, denn Serbien war für ihm nichts weiter als eine Petitesse.
 
Staatspräsident Falliéres bevorzugte eine ganze andere auswärtige Politik als Poincare. Noch während der Annexionskrise hatte Paris sich kategorisch geweigert, die Position Petersburgs im Konflikt mit Wien zu stütze

Die Annexionskrise brachte allerdings auch weder nennenswerte territoriale Veränderungen, noch führte sie in einen Kriag am Balkan zwischen Österreich und Serbien. Außerdem war der Hauptverbündete Russlands auf dem Balkan damals noch Bulgarien und Serbien Nebensache.

Nunmehr galt die Beistandspflicht nur noch für den Fall einer deutschen Generalmobilmachung, nicht aber bei einer Teil- oder Generalmobilmachung durch Wien.

Frankreich unter Staatspräsident Falliéres hatte also seinen Verbündeten signalisiert, das man nicht willes war, für die Durchsetzung russischer Interessen auf dem Balkan in den Krieg zu ziehen.

Ich frage dich nochmal:
Wie hätte denn ein Krieg auf dem Balkan, der den Status Quo zu Gunsten der Zentralmächte veränderte ohne deutsche Generalmobilmachung geführt werden sollen?

Österreich-Ungarn war von seinen Potentialen her Russland normalerweise deutlich überlegen und konnte ohne deutschen Verbündeten im Rücken, der mitmachte überhaupt keinen Krieg gegen das mit Russland verbündete Serbien riskieren.
Der Fall eines machtpolitischen Ausgreifenns der Zentralmächte auf dem Balkan zu Lasten russischer Interessen war also ohne deutsche Mobilmachung nicht möglich.
Und die war für Frankreich auch schon unter Falliéres der casus foederis

Damit war der Balkan zwar expressis verbis nicht erwähnt, de facto hatte Frankreich damit aber bereits vor Poincaré Garantien für den Fall einer Kollision der russischen Balkanpolitik mit den Zentralmächten gegeben. Das hat nicht Poincaré erfunden.
Dennoch ging Frankreich bei den Balkankriegen nicht widerspruchslos mit Russland mit.

Was glaubst du wohl, weshalb Frankreich so die Milliarden in den russischen Staatshaushalt gepumpt hatte? Es ging um den Ausbau der Eisenbahnlinien an die deutsche Grenze; vorzugsweise zwei oder gar vierspurig.

Das weiß ich. Nur du weißt doch so gut wie ich, das der Ausbau nicht fertig war und man, wenn man 1914 beabsichtigt hätte Russland in den Krieg zu treiben die eigene Politik völlig konterkarriert hätte, denn dann hätte man Milliarden in russischen Eisenbahnen versenkt, die nicht zur Verfügung standen, während die Ausrüstung der eigenen Truppen, die das Geld auch hätte brauchen können, durchaus nicht optimal war.

Ich zitieren hier auch nochmals Jules Cambon:
Du kanst ihn zitieren, so oft du möchtest, die Einschätzung wird in meinen Augen dadurch nicht richtiger.

Es war eine Minderheit der Hardliner im Kabinett, die sich mit fragwürdigen Methoden, wie Rücktrittsdrohung oder schlicht der Lüge oder eigenmächtiges Handeln am Kabinett vorbei, durchsetzte und das Land auf Kriegskurs brachte. Wie schon oben von mir ausgeführt, hat selbst König Georg V. Grey aufgefordert, einen Kriegsrund zu finden und das war nicht schwer. Sowohl Engländer und Franzosen wussten, das die Deutschen durch Belgien mussten, wenn Frankreich zügig niedergerungen werden sollte.

Ne.
Mit Verlaub Großbritannien war einmal Garantiemacht Belgiens und damit war zumindest auf Grundlage der bestehenden Verträge der casus foederis gegeben.
Das musste nicht durch Intriegen und Manipulationen herbeigeführt werden, das lieferte Deutschland.

Was du hingegen übergehst ist der Umstand, dass Großrbitannien erst auf Kriegskurs umschwenkte, als der Krieg bereits begonnen hatte.

Das Vorbereitende, was Großbritannien unternahm, war die Mobilisation der Flotte, die sich aus technischen Gründen (Anheizen) nicht unbedingt spontan machen ließ.
Die britische Diplomatie machte aber keine Anstalten Paris oder St. Petersburg zur Eskalation zu treiben, fand sich aber durchaus für die Teilnahme an einer Großmachtskonferenz wegen einer friedlichen Lösung bereit.

London war im Juli 1914 nicht auf Krieg aus.
Man meinte sich aus verschiedenen Gründen dem Krieg, nachdem er einmal da war nicht entziehenn zu können, aber man tat nichts um ihn herbei zu führen.
Eben weil das nicht im eigenen Interesse lag.

Das war wohl ohne "Gesichtsverlust", ganz besonders für Wien, nicht mehr möglich.

Auch bei Marokko 2 konnnte Deutschland nicht ohne Gesichtsverlust einen Rückzieher machen, Russland nicht 1908 und sowohl Russland, als auch Österreich fiel das in den beiden Balkankriegen schwer.
Trotzdem wurden diese Rückzieher gemacht.
Weil sich am Ende die Vernunft durchsetzte. Und letztendlich setzten in der Juli-Kriese beide Seiten darauf, genau so einen Rückzug der Gegenseite zu erreichen.
Bislang hatte immer irgendjemand einen Rückzieher gemacht und damit die Krisen abgeräumt.

Was hätte im Zeitalter des Imperialismus, da waren die Sitten eben sehr, sehr rauh, dagegen gesprochen, die Monarchie bis Belgrad marschieren zu lassen und als "Faustpfand zu nehmen? Grey war so bis Mitte Juli damit durchaus einverstanden, denn Serbien war für ihm nichts weiter als eine Petitesse.
Aus britischer Sicht an sich wahrscheinlich nichts.

Nur das Österreich-Ungarn dazu ohne deutsche Unterstützung nicht in der Lage war und wenn es dazu käme war Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unter Einbeziehung Belgiens wahrscheinlich und damit konnnte Grey und auch kein anderer Außenminister einverstanden sein.

Belgrad als Faustfand zu nehmen, hätte eben vorausgesetzt, dass Österreich-Ungarn dazu aus eigener Kraft in der Lage gewesen wäre, dann hätte GB dagegen wahrscheinlich auch erstmal nichts unternommen.
 
-- ich unterbreche diese Kontroverse mit meinem Laienwissen nicht gerne, denn zur Diplomatie um 1900-14 weiß ich nichts beizutragen, man möge mir das verzeihen. Staunen muss ich aber, wenn ich rosinenpickend ein paar Einzelheiten herausgreife, die mein Festungsfaible betreffen:
Österreich-Ungarn war von seinen Potentialen her Russland normalerweise deutlich überlegen
die österr. Festungen (mit Ausnahme der in günstigem alpinem Spezialgelände installierten Alpenforts) waren in Ausbau und Stärke den russischen nicht überlegen (österr. Przemysl wurde arg gezaust... russ. Osowiec nicht, die kaum verteidigte Anlage in Modlin wies nach massivem Beschuss keine nennenswerten Schäden auf)
denn dann hätte man Milliarden in russischen Eisenbahnen versenkt, die nicht zur Verfügung standen,
die russ. Eisenbahnlinien (wie z.B. Narew-Weichsel entlang der Festungskette und zur Zentralposition Moblin/Warschau) waren 1914 doch vorhanden: ohne diese hätte Russland dort nicht so stramm fortifizieren können (?!)
ich stoppe die Unterbrechung --
 
Ich frage dich nochmal:
Wie hätte denn ein Krieg auf dem Balkan, der den Status Quo zu Gunsten der Zentralmächte veränderte ohne deutsche Generalmobilmachung geführt werden sollen?

Wer wollte denn eigentlich den Status Quo verändern? Serbien hatte Träume, Russland wusste, das die Meerengenfrage im eigenen Sinne nur über Krieg mit Österreich gelöst werden könne, und Frankreich wollte die verlorenen Provinzen .

Es geht hier um eine Aktion Russlands gegen Österreich-Ungarn. Nicht umgekehrt! Siehe Juli 1914, wo diese Wirklichkeit wurde, und die Balkankriege, in der zumindest diese Option in der Luft lag.

Österreich-Ungarn war von seinen Potentialen her Russland normalerweise deutlich überlegen und konnte ohne deutschen Verbündeten im Rücken, der mitmachte überhaupt keinen Krieg gegen das mit Russland verbündete Serbien riskieren.

?? Hervorhebung durch mich.

Das weiß ich. Nur du weißt doch so gut wie ich, das der Ausbau nicht fertig war und man, wenn man 1914 beabsichtigt hätte Russland in den Krieg zu treiben die eigene Politik völlig konterkarriert hätte, denn dann hätte man Milliarden in russischen Eisenbahnen versenkt, die nicht zur Verfügung standen, während die Ausrüstung der eigenen Truppen, die das Geld auch hätte brauchen können, durchaus nicht optimal war.

Sicher war nicht alles fertig; das war so für 1917 vorgesehen. Aber die Krise war eben nun im Juli 1914 und Kriegsminister Suchumlinow hatte mehr als einmal Auskunft darüber gegeben, das die zaristische Armee in jeder Weise kriegsbereit sei. Und das die russische Mobilmachung schon deutlich schneller geworden war, habe Deutsche und Österreicher zu spüren bekommen. Und die damit verbundenen Absichten funktionierten.

London war im Juli 1914 nicht auf Krieg aus.
Man meinte sich aus verschiedenen Gründen dem Krieg, nachdem er einmal da war nicht entziehenn zu können, aber man tat nichts um ihn herbei zu führen.
Eben weil das nicht im eigenen Interesse lag.

Habe ich auch nicht behauptet. Aber ein Grey und seine ganze Truppe Im Foreign Office wollten auf gar keinen Fall draußen bleiben, da man die Gefahren für das Empire, für den Falle eines deutschen Sieges, meinte zu sehen.

Und Belgien war ein Argument welches ins Schaufenster für die Öffentlichkeit gestellt wurde. Das war nur vorgeschoben; mehr nicht. Es ging um um ganz andere Dinge.
Auch bei Marokko 2 konnnte Deutschland nicht ohne Gesichtsverlust einen Rückzieher machen, Russland nicht 1908 und sowohl Russland, als auch Österreich fiel das in den beiden Balkankriegen schwer.
Trotzdem wurden diese Rückzieher gemacht.
Weil sich am Ende die Vernunft durchsetzte. Und letztendlich setzten in der Juli-Kriese beide Seiten darauf, genau so einen Rückzug der Gegenseite zu erreichen.
Bislang hatte immer irgendjemand einen Rückzieher gemacht und damit die Krisen abgeräumt.

Die Julikrise war die Krise zu viel. Die Russen hatten 1908/09 nicht vergessen; das war tief in ihrem Gedächtnis präsent. Und sie haben die ganze Malaise selbst verursacht.
1914 meinte man sich trotz nicht vorhandener Bedrohung oder Gefährdung lebenswichtiger Interessen, dank der schon im Voraus erhaltenen Bündniszusage Poincares, ich hoffe du verstehst das, entsprechend aggressiv und offensiv auftreten. Russland war die Macht, die als erstes mobil machte und den Zweck hatte Suchumlinow benannt; siehe oben.



Du kanst ihn zitieren, so oft du möchtest, die Einschätzung wird in meinen Augen dadurch nicht richtiger.

Er wird es als Akteur der damaligen Zeit wohl doch besser wissen.
 
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