Antwort auf eine off-topic-Entwicklung in
http://www.geschichtsforum.de/f82/u...chen-feindschaft-23613/index2.html#post363592
EQ:
Ist doch ganz einfach: Nach den Erfahrungen der Ereignisse von 1938/39 (Sudetenland, Anschluss Österreichs, Zerschlagung der Tschechslowakei) gaben F und GB Polen die Zusage, es vor einem deutschen Angriff zu schützen. Eine Zusage gegen die SU gab es nicht.
Dieser alte Hut (als übliche Antwort auf die Frage, wo denn die Kriegserklärung, oder zumindest die merklichen Konsequenzen, der Westmächte an die SU blieb) ist dennoch Haarspalterei:
Wenn die Garantieerklärung tatsächlich pro-polnisch gewesen sein soll, also die Existenz Polens hätte schützen sollen, dann hätten sie zwangsläufig auch die SU in ihre Schranken weisen müssen. Denn dann wäre es unerheblich,
wer sich an diesem Land vergreift. Es ist ja nicht so, dass ausschließlich Deutschland sich expansionistisch bezüglich der nach dem ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete gab und im Westen keiner ahnen konnte, dass auch Stalin sich da nicht lumpen lassen würde, wo er doch bekanntermaßen immer so ein Engelchen war. Zumal die polnischen Beziehungen in den Zwanzigern und frühen Dreißigern zur Sowjetunion erheblich schlechter waren als zu Deutschland und die Polen bereits in den Zwanzigern sowjetische Griffe nach ihrem Land abgewehrt hatten.
Dass man Polen
nur gegen Deutschland eine Garantieerklärung gab, ist irgendwie mit naiver Blauäugigkeit allein kaum zu erklären. Selbst wenn der reine Wortlaut derart bindend gewesen sein soll, dass der Beistandspakt die SU tatsächlich ausschloss, weshalb hat man dann nicht gegen die SU ein Ultimatum nachgeschoben? Wo eine Garantieerklärung rein passt, ist auch Platz für eine zweite.
Als Standardargument kommt jetzt für gewöhnlich, man hätte einen Krieg gegen
beide Mächte niemals führen können, sei doch schon ein Krieg gegen Deutschland ein großes Risiko gewesen.
Hitlers größte Angst zu diesem Zeitpunkt war, die Westmächte könnten tatsächlich angreifen (er sagte selbst, dann wäre der Krieg verloren) und fast alle Militärhistoriker sind sich einig, dass ein solcher Angriff den Krieg zu diesem Zeitpunkt beendet hätte, da Deutschland den Westmächten kaum etwas hätte entgegensetzen können. Die militärische Situation sah 1939 nach allem andern als einem großen Risiko für die Westmächte aus. Der Erfolg gegen Frankreich 1940 beruhte hauptsächlich auf einer neuartigen Offensivtaktik und -strategie (was man 1939 noch nicht wissen konnte und deshalb als Beweis für ein alliiertes Unterlegenheitsbewusstsein nicht taugt). In der Defensive waren die deutschen Truppen den alliierten nicht merklich überlegen. Und in dieser wären sie 1939 im Westen gewesen, noch dazu weit weniger vorbereitet als ein halbes Jahr später.
Abgesehen davon: Wenn es denn so gewesen wäre, dass man erkannte, dass man seine Forderung nach einem Polen in den Grenzen von 1939 nicht gegen
beide Schuldigen durchsetzen konnte, weshalb hielt man dann die Forderung gegen
einen davon aufrecht? Zumal ja klar war, dass Deutschland allein diese Forderung ja nun gar nicht mehr erfüllen konnte? (Es hätte ja bestenfalls den
Westteil Polens in den alten Grenzen wiederherstellen können) Man hätte konsequenterweise
beiden Ländern mit den gleichen Maßnahmen begegnen müssen. Auch wenn das bedeutet hätte, mit
beiden an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Bleibt nur eine Erklärung: Die Garantieerklärung war zu einem nicht unerheblichen Teil weniger pro-polnisch, als vielmehr anti-deutsch oder möglicherweise besser: anti-Hitlerisch. Warum man gegen Deutschland aktiv wurde, gegen die SU aber nicht, obwohl sich beide das Gleiche zu Schulden hatten kommen lassen, habe ich schon a.a.O. zu vermuten versucht:
Der Grund, weshalb Hitler und mit ihm die Nationalsozialisten nach schon 12 Jahren von der Bühne verschwanden - im Verhältnis zu seiner ursprünglichen Planung ist das ja tatsächlich wenig, gerade mal 12 Promille - ist wohl darin zu suchen, dass er es schaffte, den Westmächten bedrohlicher zu erscheinen als sein Kollege im Osten. (Es gab durchaus Kriegspläne bei den Franzosen und Briten gegen die Sowjetunion, Hitler drängte sich nur ungeschickterweise vor)
Warum er ihnen bedrohlicher schien, kann ich nicht erklären, nur vermuten. Aber selbst diese Vermutungen nähmen genug Platz in Anspruch, um einen extra Thread zu rechtfertigen.
in
http://www.geschichtsforum.de/f66/g...-der-diktatur-adolf-hitlers-21788/#post330758
Es bleibt zu Gunsten der Westmächte anzunehmen, dass sie sich sehr wohl mit der SU befasst hätten, nachdem die Sache mit Deutschland beigelegt worden wäre. Allein der Beweis dafür steht aus. Fakt ist: sie wurden es nicht, eben auch
nachdem die Sache mit Deutschland schließlich beigelegt worden war. Die heutigen Grenzen Polens sprechen eine klare Sprache. Es sind
nicht die von 1939 und niemand sprach oder spricht die Russen darauf an. Es drängt sich der Gedanke auf, dass die polnischen Grenzen von 1939 irgendwie gar nicht so wichtig waren.
Wie dem auch sei, weiter oben frage ich, weshalb man nicht zum Verhandlungstisch zurückkehrte, als man sah, dass man es mit zwei "Räubern" zu tun hatte. Man hält dem entgegen, dass man Hitler nun nicht mehr als vertrauenswürdigen Verhandlungspartner sah, sondern als skrupellosen Hazardeur, der über Leichen ging, sobald es ihm opportun erschien. Entsprechend viel wäre ein weiterer Vertrag mit ihm wert gewesen. Das ist natürlich richtig, ganz im Gegensatz zu dem Sängerknaben in Moskau...
Man konnte und kann nicht wirklich annehmen, eine Verhandlung mit Stalin wäre in der Polenfrage erfolgversprechender gewesen als mit Hitler. So komme ich wieder zu der Frage: Warum nicht die gleiche Medizin für beide?