Agricola
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Jedoch muss ich sagen, dass es sicherlich einen anderen Weg gegeben hätte. Er hätte doch einfach die Res publica im eigentlichen Sinne durchführen sollen. Seine Imperien, also die Provinzen nicht länger als 10 Jahre innehaben sollen und somit das Heer abzugeben. Dann wäre er zwar immer noch ein Machthungriger Despot gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt hätte er wenigstens seine Ziele wirklich erfüllt. Die Wiederherstellung der alten Ordnung, zum Wohle des römischen Volkes.
Ich bezweifle, daß es bereits Augustus gelungen war, eine neue Gesellschaftsordnung einzuführen. Nach nur einer Generation war dieser Wandel noch nicht vollzogen. Und ohne diesen gesellschaftlichen Wandel, wären sofort die Bürgerkriege wieder aufgeflammt.
Augustus ließ ganz bewusst, den senatorischen Adel an der (administrativen) Macht in Verwaltung und Heer. Ohne diese Intelligentia, hätte er nicht genügend qualifiziertes Personal gehabt. Er ergänzte diese neue herrschende Schicht von Beamten und Offizieren von des Princeps Gnaden durch römische Ritter und den römischen Munizipialadel Italiens und der Provinzen, denen er, wo notwendig Karrierepfade zum Ritter und auch Senat anbot. Die römische Tellerwäscherkarriere vom Sklaven zum Kaiser war möglich und passierte (Vespasian), dauerte halt nur einige Generationen. Aber der Römer lebte und arbeitete ohnehin nicht nur für sich, sondern noch stärker für die Zukunft seiner Familie (Klientel).
Dieser Prozess der Bildung einer neuen imperialen Oberschicht die sich anfangs aus Römern und zunehmend römischen Italikern und dann aus spanischen, gallischen und afrikanischen Römern ausbildete, war bei Augustus Tod noch lange nicht abgeschlossen. Diese Entwicklung ging übrigens noch weiter; massiv ab Septimus Severus (Illyrer, Syrer). Am Ende hatte das Imperium Rom erobert.
Vielleicht hatte der Senat nach Nero oder Domitian eine politische Chance, den Princeps durch einen länger gewählten Consul / Dictator zu ersetzen. Vielleicht war diese neue imperiale Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt reif dazu. Die Verfassung konnte dann aber nur eine Art "imperiale Republik" sein. Die städtische Verfassung hatte sich als unfähig erwiesen das Reich zu administrieren und politische Stabilität für ein ganzes Imperium zu gewährleisten, u.a. weil sie eben nicht alle relevanten Gruppen an der Macht beteiligte.
Aber dann wäre auch das zu diesem Zeitpunkt (nach Nero, Domitian) herrenlose riesige Vermögen des Princeps dem Staatsschatz zuzuführen gewesen. Von der herrenlosen Klientel gar nicht zu reden und zu der gehörten alle Legionen :motz:. Für Beides hätte eine "imperial republikanische Lösung gefunden werden müssen.
Nach dem einzigen wirklich erfolgreichen Putsch des Senats, hat man aber den Senator Nerva einfach zum Princeps erklärt. Hier zeigt sich wieder einmal die alte Krankheit des Senats, die bereits zum Untergang der Republik geführt hatte. So wie der republikanische Senat unfähig gewesen war, die 3 augusteischen Reformen durchzuführen - wozu er die Kompetenz gehabt hätte -, so war der imperiale Senat nicht willens und in der Lage die notwendigen Reformen für ein konstitutionelleres republikanischeres System anzugehen, als er die Chance dazu hatte. Am ehesten noch während der Regierungszeit Nervas.
Da war man aber der Meinung, daß das Prinzipat sich gut eignete, ein Imperium zu regieren. Solange denn nur der Senat bestimmte, wer Princeps war und dieser sich einigermassen zivilisiert verhielt. Unter den Adoptivkaisern funktionierte das denn auch noch ganz gut, auch wenn man versäumte, die Nachfolge klar über den Senat zu regeln. Als dann wieder mal ein Vollhorst wie Commodus an die Macht kam, weil dummerweise ein Kaiser auch einen erwachsenen Sohn hatte, brach das Luftschloss in sich zusammen und von da an übernahmen die Legionen die Macht. Und die waren sich nicht einig (Rhein-, Donau-, Euphratlegionen), hatten sich doch in den 2 Jahrhunderten mächtige, provinziale Gesellschaften gebildet.
Aber für die Senatoren lag ein imperiales republikanisches System oder eine konstitutionelle Monarchie wohl wieder einmal jenseits ihrer politischen Vorstellungskraft. Da wäre wohl ein zweites "Triumvirat der Genies" (Octavian, Aggrippa, Maecenas) von Nöten gewesen.
Augustus hat quasi ein dynastisches, wenn auch viel zu labiles System eingeführt, indem er Tiberius sein Vermögen und seine Klientel vererbte; nicht seine Macht, denn das konnte nur der Senat bestätigen / wiedererteilen. Das hat er sicher, wie jedermann getan, um das Erarbeitete für seine Familie / Klientel zu erhalten, wobei Tiberius da nun wirklich dritte Wahl für ihn war. Man könnte aber auch annehmen, daß er dies auch tat, weil er ansonsten das Chaos für die Republik erwartete.
Einfach nur den Staat als Erben einsetzten, die alten Magistrate wieder einsetzen und zum System vor Caesar zurückzukehren hätte nicht funktioniert. Weder nach Augustus, noch später. Augustus war sicher kein "Gutmensch". Andererseits tat er aber nur, was getan werden musste. Heute würde man sagen "alternativlos".
Man kann Augustus nicht vorwerfen, Nichts getan zu haben. Mit der Heeresreform, Steuerreform und Verwaltungsreform, hat er Unglaubliches geleistet. Was man ihm vorwerfen kann ist, daß er die politische Reform unterlassen hat, denn die alte Verfassung blieb weitgehend unangetastet, auch wenn sie zur Makulatur wurde. Und damit hat er es versäumt, dem späteren Senat einen Weg aufzuzeigen.
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