Besiedlung Amerikas: solutréische Hypothese, Beringia, oder Südpazifik?

NB: Die Zeitungsartikel, die du eingestellt hast, sind ja auch Lachnummern für Magazine, die sich immerhin mit Wissenschaft befassen wollen, wenn auch allgemeinverständlich.... Das Spektrum der Wissenschaft füllt mit dem Artikelchen nicht mal ne halbe Seite und reiht Allgemeinplätze, dafür wird bezüglich der erwähnten Untersuchung weder Roß noch Reiter benannt.

Der Artikel aus dem Bild der Wissenschaft ist die Härte --- zum einen gelingt es der Autorin auch in einem längenmäßig gut überschaubaren Artikel nicht, diesen sprachlich unfallfrei über die Bühne zu bringen. Zum anderen führt sie einen Hamburger Prähistoriker Hans Ziegert an. Allerdings ist der kein Prähistoriker, heißt nicht Hans und das prähistorische Amerika ist auch nicht sein Fachgebiet. Der in Hamburg vorhandene Ziegert wird vermutlich angesichts des 'Allgemeinzustands' dieses Artikels keine Korrektur eingefordert haben...


Liebe Ingeborg, ich will mich hier nicht in Medienkritik üben. Der Umstand, dass die Texte aus dem Spiegel oder aus Bild der Wissenschaft journalistisch nicht gehobenen Ansprüchen genügen, sehe ich allerdings auch nicht als Beweis an, dass die in den Texten behaupteten archäologischen Daten sämtlich falsch sind oder auf Messfehlern oder Ungenauigkeiten oder Verunreinigungen beruhen. Journalistische Unsauberkeiten stellen sicher nicht den archäologischen Befund in Frage. Zum Beispiel der Wiki-Beitrag über Pedra Furada, den ich ebenfalls verlinkt hatte, geht unter anderem auch auf diese Kritik ein. Am Ende steht aber, dass die Funde trotzdem sehr viel älter sind als sie sein dürften, wenn die Einwanderung über die Beringbrücke erfolgt wäre – gleichgültig ob sie über Land oder durch küstennahe Seefahrt erfolgt wäre.


Damit sind wir wieder bei dem zentralen Punkt: Die Diskussion wird so geführt, weil es einfach ein Paradigma ist, dass Menschen damaliger Zeit unmöglich mehr als küstennahe Seefahrt zustandegebracht zu haben können. Ich habe jetzt mehrfach auf Kreta verwiesen, wo Quarz-Werkzeuge gefunden wurden, die möglicherweise älter als 100.000 Jahre sind. Ich habe auf Australien verwiesen, wo erste Besiedlungsspuren mindestens 30.000 Jahre alt sind. Und selbst wenn der Meeresspiegel in der Eiszeit 120 Meter tiefer gelegen hat: Weder Kreta noch Australien waren zu erreichen, indem man durch flaches Wasser watete. Wer Australien erreichen wollte, musste zum Beispiel den Timor-Graben überwinden. Und der ist über 3000 Meter tief und an die 100 Kilometer breit. Keine Eiszeit hat diesen Graben überbrückt und keine Eiszeit hat ihn für „küstennahe Seefahrt“ passierbar gemacht. Weder Kreta noch Australien waren je vom nächsten möglichen Siedlungsgebiet aus mit bloßem Ausge sichtbar.


Das Gegenargument, dass hier Messfehler oder Differenzen zwischen kalibrierten und unkalibrierten Messungen die Ursache sind, ist einfach zu dünn.


Noch zwei kurze Anmerkungen zu den Thesen, dass zwischen Solutreen und Clovis eine nachweisbare und deutliche Lücke klafft und dass die Ähnlichkeit zwischen beiden Kulturen nur in der Tatsache bestehe, dass beide Stein bearbeitet haben:


Es war ja wohl etwas mehr als nur die Tatsache, dass Steine bearbeitet wurden, die zu der Idee führten, Solutreener und Clovis-Leute könnten Kontakt gehabt haben. Und in dem folgenden Text wird auf Funde aus Amerika verwiesen, die angeblich deutlich älter sind als alles, was bislang zu „Clovis“ gerechnet wird. Da ist von 19.000 Jahren die Rede. Wenn die Zahlen stimmen, waren die Solutreen-Leute Zeitgenossen der Bewohner von Meadowcroft.


Meadowcroft ? Wikipedia


Ist alles natürlich kein Beweis für seefahrende Solutreener. Es legt nur den Verdacht nahe, dass Seefahrt bei den Leuten nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.


MfG
 
Da Du von @Dieter sprichst: Er hat in Beitrag 102 aus Wikipedia zitiert, in Beitrag 98 hat er den Wiki-Beitrag verlinkt, zwischendurch in mehreren Beiträgen summarisch den Diskussionsstand zusammengefasst.
Das Problem ist, dass Dieter sich auf einen einzigen Satz in der deutschen Wikipedia beruft. Dummerweise ist dieser Satz durch nichts belegt.
Keine Fußnote, kein Hinweis auf eine wissenschaftliche Arbeit.

Darum frage ich die ganze Zeit: Welche Wissenschaftler sagen denn was genau?

Ich betrachte es nach den von @Dieter in die Diskussion gebrachten Beiträgen lediglich als Tatsache, dass es Leute gibt, die Ähnlichkeiten zwischen Kennewick-Mann und Ainu sehen. Das ist die einzige "Tatsache", von der ich sprechen wollte. Und diese Tatsache ist in unserer Diskussion belegt worden. Wie ich dem englischsprachigen Wiki-Beitrag entnehmen konnte, ist der Anthropologe Joseph Powell von der Universität von New Mexico einer der Vertreter dieser These.

Bei Powell zählen die Ainu zum Kreis der ostasiatisch-südostasiatisch-pazifischen Völker, mit denen der Kennewick-Man eine gewisse Ähnlichkeit hat.

Powell behauptet nicht, der Kennewick-Man sei ein Ainu gewesen.
Powell behauptet nicht, die Vorfahren des Kennewick-Mans seien aus Japan ausgewandert.
Diese Behauptungen hat Dieter aufgestellt, nicht Powell.
 
Cavalli-Sforza hat folgende genetische Distanzen zwischen amerikanischen und nordostasiatischen Populationen ermittelt (je kleiner die Zahl, desto näher verwandt):

Eskimo - Ainu: 175
Eskimo - Japaner: 148
Eskimo - Koreaner: 140

Na-Dene - Ainu: 168
Na-Dene - Japaner: 149
Na-Dene - Koreaner: 143

Nordamerikaner - Ainu: 174
Nordamerikaner - Japaner: 121
Nordamerikaner - Koreaner: 129

Südamerikaner - Ainu: 200
Südamerikaner - Japaner: 195
Südamerikaner - Koreaner: 177

Und die Distanzen zwischen Ainu und ihren Nachbarn:

Ainu - Japaner: 34
Ainu - Koreaner: 57

Da hätte ich auch noch eine Frage: Welcher Quelle hat Du diese Zahlen entnommen?
 
Das Problem ist, dass Dieter sich auf einen einzigen Satz in der deutschen Wikipedia beruft. Dummerweise ist dieser Satz durch nichts belegt.
Keine Fußnote, kein Hinweis auf eine wissenschaftliche Arbeit.

Darum frage ich die ganze Zeit: Welche Wissenschaftler sagen denn was genau?
Naja, Powell ist ja genannt worden. Der Name taucht auch schon in dem ersten Wiki-Beitrag auf, den @Dieter verlinkt hat. Da steht dann auch etwas mehr zu Hintergründen als nur ein Satz.

Außer der Reihe: Hochinteressant fand ich die dort angeführte Information, dass menschliche Schädel, die auf den nordamerikanischen Kontinent gefunden wurden, um so mehr Unterschiede aufweisen, je älter sie sind. Da wird ein Zeithorizont von 8000 Jahren BP genannt, ab dem die Unterschiede immer mehr abnahmen. Kann man das so interpretieren, dass ursprünglich eher heterogene Gruppen Amerika besiedelt haben und im Laufe der Jahrtausende dann immer mehr zusammengewachsen sind?

Wenn ja, dann müsste man davon ausgehen, dass die Population der ersten Siedler eher klein war und über große Entfernungen Kontakt halten musste, um Inzuchtprobleme zu vermeiden.

Powell behauptet nicht, der Kennewick-Man sei ein Ainu gewesen.
Powell behauptet nicht, die Vorfahren des Kennewick-Mans seien aus Japan ausgewandert.
Stimmt. Ich behaupte das auch nicht. Ich halte es nur für möglich, dass der Kennewick-Mann und die Ainu die gleichen Vorfahren hatten.

Diese Behauptungen hat Dieter aufgestellt, nicht Powell.
Da tust Du ihm Unrecht. Tatsächlich hat er die folgende Behauptung aufgestellt:

Die ethnische Zuordnung des Kennewick-Man ist umstritten, wobei häufig eine Verwandtschaft mit japanischen Ainu vermutet wird.
Wie gesagt: Verwandschaft kann auch Vetternschaft sein.

MfG
 
Außer der Reihe: Hochinteressant fand ich die dort angeführte Information, dass menschliche Schädel, die auf den nordamerikanischen Kontinent gefunden wurden, um so mehr Unterschiede aufweisen, je älter sie sind. Da wird ein Zeithorizont von 8000 Jahren BP genannt, ab dem die Unterschiede immer mehr abnahmen. Kann man das so interpretieren, dass ursprünglich eher heterogene Gruppen Amerika besiedelt haben und im Laufe der Jahrtausende dann immer mehr zusammengewachsen sind?

Die Trennungshypothese ist oben erklärt worden, ebenso die Überlagerung mehrerer Wellen, die stattgefunden haben muss.
 
Naja, Powell ist ja genannt worden. Der Name taucht auch schon in dem ersten Wiki-Beitrag auf, den @Dieter verlinkt hat. Da steht dann auch etwas mehr zu Hintergründen als nur ein Satz.
Ja, behauptet denn Powell das, was Dieter geschrieben hat, nämlich:
dass die japanische Urbevölkerung an der Einwanderung über die Beringstraße beteiligt war.


Da tust Du ihm Unrecht. Tatsächlich hat er die folgende Behauptung aufgestellt:
Die ursprüngliche Behauptung war:
Der Kennewick-Man, der ein Alter von 9500 Jahren aufweist und angeblich ein zugewanderter Europäer sein soll, hat sich längst als Ainu erwiesen
Erst nachdem ich diese Behauptung kritisiert hatte, hat er eingeräumt, dass das "umstritten" sei.
Aber auch "umstritten" setzt voraus, dass es mindestens eine wissenschaftliche Untersuchung gibt, in der diese These vertreten wird.

Also: Welcher Anthropologe sagt, die Vorfahren des Kennewick-Mans seien aus Japan ausgewandert?


Ich halte es nur für möglich, dass der Kennewick-Mann und die Ainu die gleichen Vorfahren hatten.
Ich halte das nicht sogar für ziemlich sicher! :winke:

Unsicher ist nur, wo diese gemeinsamen Vorfahren zu suchen sind:
In Sibirien?
In Japan?
In Südostasien?
In Afrika?

Wie gesagt: Verwandschaft kann auch Vetternschaft sein.
Pass auf, was Du schreibst.
Der Hinweis auf meine Tante hat mir schon einen Rotbommel gebracht.:still:
 
Pass auf, was Du schreibst.
Der Hinweis auf meine Tante hat mir schon einen Rotbommel gebracht.:still:
Ich kenne Deine Tante nicht und werde zu dem Thema auf keinen Fall irgendeine Meinung äußern. :engel:

Ich halte das nicht sogar für ziemlich sicher! :winke:

Unsicher ist nur, wo diese gemeinsamen Vorfahren zu suchen sind:
In Sibirien?
In Japan?
In Südostasien?
In Afrika?
Ich tippe auf Sibirien. Afrika wäre zu einfach. Von da kamen ja vermutlich alle Menschen.

Nicht alles auf die Goldwaage legen. ;)


Die Trennungshypothese ist oben erklärt worden, ebenso die Überlagerung mehrerer Wellen, die stattgefunden haben muss.
Ja, schon klar. Mehrere Siedlungswellen mussten neues "Genmaterial" (nicht biologistisch gemeint!) hinzufügen. Das erklärt, warum in einer frühen Phase der Besiedelung relativ viele unterschiedliche Merkmale bei den Menschen auftraten. Es erklärt aber nicht, warum vor etwa 8000 Jahren ein Prozess einsetzte, bei dem die Zahl der Unterschiede nach und nach abnahm - und zwar über den ganzen Doppelkontinent hinweg. Angesichts der Größe des Landes hätte ich eher erwartet, dass sich in einzelnen Regionen einzelne "Ethnien" festsetzen und dass man über längere Zeit deutlichere Unterschiede zwischen den Bewohnern von weit voneinander entfernten Wohngebieten feststellen kann. Als Erklärung fällt mir auf Anhieb nur ein, dass die einzelnen Siedlergruppen zu klein waren, um als eigenständige Gemeinschaften dauerhaft zu existieren. Das wirft dann aber wieder die Frage auf, wie es den Menschen gelungen ist, über derart große Distanzen hinweg Kontakt zu einander zu halten. Dauernde Wanderungsbewegungen? Vielleicht den wandernden Herden von Wildtieren folgend? Die Frage führt natürlich an unserem eigentlichen Thema vorbei...

MfG
 
Ich finde die Frage, wer hier wann was an Ungenauem und Unbelegtem geschrieben hat, für den Moment hinreichend behandelt.

Kann folgendes als Zusammenfassung Zustimmung finden:

1. Zu einer Verwandtschaft Ainu/Kennewick gibt es keinen DNA-Beweis, da zumindest nach bisherigen Anläufen keine brauchbaren DNA-Daten aus dem Kenwick-Skelett entnommen werden konnten.

-- Hinsichtlich Verwandtschaftsbestimmungen auf Grund der Schädelform ist jedenfalls für mich noch nicht deutlich geworden, eine wie genaue Aussage man da treffen kann. Wir sprechen bei Kennewick doch von einem Individuum und nicht von zig Schädeln, richtig?

2. Eine Beziehung Solutreen-Clovis aus den Speerspitzen zu schließen, klingt eher gewagt, weil die Ähnlichkeiten wohl nicht wirklich signifikant erscheinen.

3. Es gibt zahlreiche Besiedelungsspuren sowohl in Nord- als auch in Südamerika, die offenbar wesentlich älter sind als Clovis.

4. Die älteren Spuren gibt es in Südamerika.

Ich habe hierzu nichts zusätzliches gelesen, will hier nur mal zusammenfassen. Habe ich das also soweit richtig verstanden?
 
Kann folgendes als Zusammenfassung Zustimmung finden:

1. Zu einer Verwandtschaft Ainu/Kennewick gibt es keinen DNA-Beweis, da zumindest nach bisherigen Anläufen keine brauchbaren DNA-Daten aus dem Kenwick-Skelett entnommen werden konnten.
Ja. Das haben wir wohl ausgiebig erörtert.


-- Hinsichtlich Verwandtschaftsbestimmungen auf Grund der Schädelform ist jedenfalls für mich noch nicht deutlich geworden, eine wie genaue Aussage man da treffen kann. Wir sprechen bei Kennewick doch von einem Individuum und nicht von zig Schädeln, richtig?
Auch richtig.
Aber er ist nicht das einzige Individuum. Siehe z. B. http://www.geschichtsforum.de/679539-post118.html
Oder:
Luzia Woman - Wikipedia, the free encyclopedia

Wie genau sind die Aussagen?
Zu einem anderen Individuum heißt es z. B.
"She doesn't fit into any modern group but is most similar to today's Polynesians."
Und:
"the skull's morphology is similar to that of American Indian and East Asian populations."
Buhl Woman - Wikipedia, the free encyclopedia
http://archive.archaeology.org/9811/newsbriefs/buhl.html
 
2. Eine Beziehung Solutreen-Clovis aus den Speerspitzen zu schließen, klingt eher gewagt, weil die Ähnlichkeiten wohl nicht wirklich signifikant erscheinen.
Das kann man so nicht unterschreiben. Die Methode der Steinbearbeitung der Clovisleute ist sehr charakteristisch. Das gab es in keiner anderen Kultur - außer eben Solutreen. Vor allem gab es entlang des Weges, auf dem die Besiedelung Amerikas gemäß der Clovis-First-Hypothese erfolgt ist, keine Spuren solcher Bearbeitungsmethoden oder möglicher Vorläufer. Ähnlichkeiten hinsichtlich ritueller Werkzeugniederlegungen hat @ElQ in Beitrag 17 angesprochen. Hier ein Text, der weiter oben schonmal verlinkt worden ist:
Google-Ergebnis für http://www.spektrum.de/fm/912/thumbnails/cloviswerbe.jpg.1197606.jpg

MfG
 

Für mich ist das der Knackpunkt:
Mit wachsendem Knowhow bei der Navigation des Eismeers seien die Fahrten der Küstenbewohner immer ausgedehnter geworden. Bis sich schließlich einige darauf verlegt hätten, den Wanderungen der Seehunde entlang der Packeisgrenze folgend in den Atlantik vorzudringen: tagsüber unterwegs in fellbespannten Segelbooten, nachts in Lagern auf dem Eis.
Dabei sei es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis einzelne Gruppen in der Gegend von Neufundland den amerikanischen Kontinent erreichten und nun dort ihre Sommerquartiere einrichteten, wenn das Packeis wieder schmolz. Nach Meinung der beiden Wissenschaftler riss der Kontakt zwischen West und Ost niemals vollends ab.
Jäger, die Jagdausflüge von mindestens 4000 km Reichweite unternehmen, bis sie ihre "Sommerquartiere erreichen? (4000 km Luftlinie, tatsächlich geht das ja im Zick-Zack zwischen Eisschollen und Eisbergen durch.) Und dann auch noch unter extremsten Bedingungen?
Wo gibts das denn sonst auf dieser Welt?

Dass Menschen unabhängig voneinander ähnliche Techniken entwickelt haben, soll ja schon öfter vorgekommen sein. Warum nicht auch bei der Herstellung von Speerspitzen?
 
Die Solutreenfunde in Südfrankreich und Spanien werden meist als relativ übergangslose Erscheinung betrachtet. Diese spezielle Bearbeitungsmethode ist weder schon an Spitzen des früheren Gravettien noch am späteren Magdalénien so ausgeprägt festgestellt worden.
Diesen Umstand kann man wahrscheinlich mit den eiszeitlichen Kälteschüben erklären, die Nordeurasien bis auf die Mittelmeerküsten immer wieder entvölkerten. Die Meeresspiegel sanken, so dass Spuren und Klingen an den eiszeitlichen Küsten heute überwiegend im Meer liegen. In Nordamerika müssen die klimatischen Verhältnisse ähnlich gewesen sein. Die eiszeitlichen Jäger waren hochspezialisiert auf die Jagd, wahrscheinlich verfolgten verschiedene Gruppen jeweils ein bevorzugtes Jagdwild. Die Pferdereste an der französischen Klippe sind doch auch aus dem Solutreen, einer trockenen Kaltphase.
Spezialisten können schnell erfolgreich sein, wenn sie optimale Methoden gefunden haben, aber genauso schnell aussterben, wenn sich die Umwelt nur minimal ändert.
Nach meiner Vorstellung waren in den Eiszeitgebieten nur wenige Spezialisten unterwegs, die sich vermehrten, wenn es wärmer wurde und die dezimiert wurden und nach Süden auswichen, wenn es kälter wurde. Die Masse der globalen Bevölkerung vor ca 20000 Jahren hielt sich wahrscheinlich weiter südlich auf und an den Küsten. Dazu paßt die frühe Besiedlung Australiens und die Besiedlung Amerikas entlang der Pazifikküsten, der genetische Mt-DNA-Strom aus Südostasien ist einfach breiter.
Ich will damit sagen, dass die Besiedlung Amerikas von Europa aus, mir schon deshalb unwahrscheinlich vorkommt, weil Besiedlung ja mehr ist, als eine zufällig überlebte Atlantiküberquerung entlang des Packeises.
Selbst in Europa hat die Solutreenkultur ja nicht überlebt, sondern Europa wurde danach noch viele Male neu besiedelt. Das auf das Solutreen folgende Magdaleen wird nicht als Nachfolgekultur betrachtet.

Woher kamen eigentlich die Menschen, die in Südfrankreich und Spanien diese besonderen Speerspitzen herstellten?
 
Woher kamen eigentlich die Menschen, die in Südfrankreich und Spanien diese besonderen Speerspitzen herstellten?

Sie gingen aus den Menschen des Gravettiens hervor, das etwa 35 000 Jahre vor heute einsetzt und hinsichtlich von Jagdwaffen und künstlerischen Ausdrucksformen (Gravetteklinge, Harpune, Höhlenmalerei usw.) bereits einen hohen Entwicklungsstand aufwies.

Bei den Menschen des Solutréen könnte es sich um eine neue Zuwanderung handeln, allerdings glaube ich das nicht. Ich denke, dass sich die Kultur des Solutréen organisch aus dem Gravettien entwickelt hat, wobei die Menschen neue Erfindungen machten und ihre Geräte verfeinerten.

Dass Menschen des Solutréen von Europa nach Asien wanderten und von dort aus entlang des Packeises nach Nordamerika gelangten, halte ich für eine gewagte und unwahrscheinliche Hypothese. Sie macht sich allein an ähnlich bearbeiteten Pfeilspitzen fest, ansonsten gibt es keinerlei Belege. Die amerikanischen Ureinwohner haben genetischen Analysen zufolge eindeutig asiatische Wurzeln und entstammen nordostasiatischen Populationen.
 
@Rena: Gute Hinweise, danke dafür!

Bei der Passagediskussion gibt es übrigens ungeklärte Probleme im Hinblick auf eingeschleppte Parasiten bzw. Bakterien, auch für die herrschende Meinung zur Bering-Passage.

@Maelonn:
Die wahrgenommene "Annäherung" muss den Stand der Forschung berücksichtigen, dass man hier von bis zu 4 Wellen ausgeht. Die Masse der Fundanalysen ist auf 10000-12000 BP konzentriert. Im Zeitpunkt der Überlagerung in der Besiedlung durch eine Welle sind Abstände am größten, noch dazu überschneiden sich einige Wellen, und Abstände reduzieren sich dann durch die Überlagerung. Das ist der Effekt, den man als "Annäherung" interpretieren könnte, der aber nicht einer Durchmischung oder gemeinsamen Entwicklung entsprechen muss.

Bzgl. der morphologischen Feststellungen ist weiter zu berücksichtigen, dass diese Untersuchungen die größten Abstände produzieren (Salzano).

Die mtDNA ist auch ein Ausschnitt, Blutgruppen, X/Y, Bakterien etc. kommen hinzu. Hier die Zusammenstellung der wichtigsten Studien zur mtDNA, wobei das frühe Datum als Untergrenze anzusehen ist, dass obere ein theoretischer Wert, und der Bezug zu den "Wellen" (Salzano, in: Anthropological Genetics):
 

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Die amerikanischen Ureinwohner haben genetischen Analysen zufolge eindeutig asiatische Wurzeln und entstammen nordostasiatischen Populationen.

Das hat ja in der Sache niemand bezweifelt. Sogar die Solutréer-Hypothese geht ja davon aus, dass die Solutréer in der uramerikanischen Bevölkerung aufgegangen ist.
Ich möchte allerdings noch einmal hierauf hinweisen:

Es dürfte überhaupt schwierig sein, angesichts des Umstandes, dass von den Indigenen im Gebiet der USA die größte Gruppe von den Bewohnern der Wüsten des Südwestens gestellt werden und gerade im Nordosten, auch über die kanadische Grenze hinüber, wo - wenn überhaupt - solutréische Einwanderer gelandet sind, die meisten Indianer vertrieben, ermordet oder assimiliert wurden, eine solutréische Zufuhr festzustellen.

Und wo ich diesen Beitrag zitiere, fällt mir auf, dass diese Frage noch offen geblieben ist:

Was ist denn unter Nord- bzw. Südamerikaner zu verstehen? Indigene Bevölkerung oder ein Querschnitt aus der Bevölkerung nach 1492?
 
Für mich ist das der Knackpunkt:
Das ist zweifellos ein Knackpunkt. Allerdings einer, über den man erst im nächsten Schritt diskutieren muss. Mit dem Link wollte ich zunächst nur der Bewertung entgegentreten, dass es zwischen den Steinwerkzeugen der Clovis- und der Solutreen-Kultur nur ganz oberflächliche Ähnlichkeiten gegeben habe - so im Sinne von: Beide sind sich nur dadurch ähnlich, dass beide Stein bearbeitet haben. So ist es nicht. Wir reden über eine sehr spezielle Bearbeitungstechnik, die bei diesen beiden Kulturen in so ähnlicher Weise auftrat, bei allen anderen Kulturen hingegen überhaupt nicht.

Jäger, die Jagdausflüge von mindestens 4000 km Reichweite unternehmen, bis sie ihre "Sommerquartiere erreichen? (4000 km Luftlinie, tatsächlich geht das ja im Zick-Zack zwischen Eisschollen und Eisbergen durch.) Und dann auch noch unter extremsten Bedingungen?
Das ist dann der zweite Schritt, von dem ich oben sprach. Aber der wird in der Diskussion regelmäßig vor dem ersten getan: Man bezeichnet sowas als unmöglich, schließt es von vornherein aus und diskutiert gar nicht mehr über die Ausgangsfrage: Wie ist es möglich, dass zwei Kulturen einer ähnlichen Zeitstellung eine so "einmalige" Methode der Steinbearbeitung entwickelt haben?

Wo gibts das denn sonst auf dieser Welt?
Von den 4000 Kilometern abgesehen, gibt es sowas bei den Eskimos. Die leben die Hälfte des Jahres unter extremsten Bedingungen im Packeis. Das tun sie tatsächlich mit Fellbooten.

Die mehrfach von mir angesprochene Tatsache, dass auch Teile dieser Welt, die mit Fellbooten einfach nicht erreichbar sind (jedenfalls nicht für größere Siedlergruppe), in sehr frühen Stadien besiedelt worden sind, legt nun aber den Verdacht nahe, dass Menschen schon zu sehr frühen Zeiten mehr besessen haben müssen als Fellboote - auch wenn wir das nicht für möglich halten.

Die Frage, warum Menschen entschieden haben, sich mit so zwangsläufig geringen Mitteln auf so waghalsige Dinge wie Seereisen einzulassen, ist dann eine dritte interessante Frage. Und die lässt sich noch weniger mit dem "Paradigma" beantworten, dass sie das nicht getan haben weil sie es gar nicht konnten. Es ist erwiesen, dass sie es gemacht haben. Also müssen sie es auch gekonnt haben.

Dass Menschen unabhängig voneinander ähnliche Techniken entwickelt haben, soll ja schon öfter vorgekommen sein. Warum nicht auch bei der Herstellung von Speerspitzen?
Das ist ja der interessante Punkt: Menschen in aller Welt sind ganz unabhängig von einander auf die Idee gekommen, aus Stein Speerspitzen herzustellen. Aber nur zwei Gruppen haben das auf eine ganz bestimmte Weise getan, die derart aufwändig ist, dass man sich fragen muss, ob dieser Aufwand noch "sinnvoll" war. Neben dem reinen Zweck gab es für diese beiden Gruppen offenbar noch (einander ähnliche) ästhetische und vielleicht kultische Gründe, so zu arbeiten.

Nebenbei: Die Solutreen-Hypothese steht gar nicht in Konkurrenz zur These, dass es Besiedlungswellen über die Beringbrücke gab. Niemand behauptet, dass der amerikanische Doppelkontinent ausschließlich oder auch nur überwiegend per Schifffahrt von Osten aus besiedelt worden sei.

MfG
 
Die wahrgenommene "Annäherung" muss den Stand der Forschung berücksichtigen, dass man hier von bis zu 4 Wellen ausgeht. Die Masse der Fundanalysen ist auf 10000-12000 BP konzentriert. Im Zeitpunkt der Überlagerung in der Besiedlung durch eine Welle sind Abstände am größten, noch dazu überschneiden sich einige Wellen, und Abstände reduzieren sich dann durch die Überlagerung. Das ist der Effekt, den man als "Annäherung" interpretieren könnte, der aber nicht einer Durchmischung oder gemeinsamen Entwicklung entsprechen muss.
Du meinst "Überlagerung" in dem Sinne, dass - vereinfacht gesagt - die Siedler der ersten Welle weitergezogen waren, die Siedler der nächsten Welle nachrückten und einfach mehr Spuren hinterließen? Okay, das klingt plausibel.

Dafür müsste es dann einen genetischen Beleg geben, der meines Wissens fehlt.
Wenn ich @Silesia richtig verstehe, könnte der genetische Beleg deshalb fehlen, weil genetische Merkmale der Solutreer "statistisch" nicht relevant waren. Selbst wenn Solutreen-Jäger den amerikanischen Kontinent erreicht haben sollten, wäre es denkbar, dass es nur so wenige Individuen waren, dass man eindeutige Genspuren von ihnen nicht mehr finden kann, weil ihre Hinterlassenschaften von nachfolgenden Siedlern überlagert wurden. Steinklingen sind nunmal haltbarer als Haplogruppen.

Den Hinweis von @rena8, dass ehemalige Siedlungsgebiete inzwischen auch unter Wasser liegen könnten, finde ich auch interessant.

MfG
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist zweifellos ein Knackpunkt. Allerdings einer, über den man erst im nächsten Schritt diskutieren muss. Mit dem Link wollte ich zunächst nur der Bewertung entgegentreten, dass es zwischen den Steinwerkzeugen der Clovis- und der Solutreen-Kultur nur ganz oberflächliche Ähnlichkeiten gegeben habe - so im Sinne von: Beide sind sich nur dadurch ähnlich, dass beide Stein bearbeitet haben. So ist es nicht. Wir reden über eine sehr spezielle Bearbeitungstechnik, die bei diesen beiden Kulturen in so ähnlicher Weise auftrat, bei allen anderen Kulturen hingegen überhaupt nicht.
Also, nun gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1. Beide Kulturen haben diese Technik unabhängig voneinander entwickelt.
2. Es gab einen Austausch über riesige Distanzen. Und da sind wir bereits am Knackpunkt.

Das ist dann der zweite Schritt, von dem ich oben sprach. Aber der wird in der Diskussion regelmäßig vor dem ersten getan: Man bezeichnet sowas als unmöglich, schließt es von vornherein aus und diskutiert gar nicht mehr über die Ausgangsfrage: Wie ist es möglich, dass zwei Kulturen einer ähnlichen Zeitstellung eine so "einmalige" Methode der Steinbearbeitung entwickelt haben?
Ich lande auf jeden Fall wieder bei Möglichkeit 1, auch wenn ich Möglichkeit 2 erst im zweiten Schritt ausschließe.

Von den 4000 Kilometern abgesehen, gibt es sowas bei den Eskimos. Die leben die Hälfte des Jahres unter extremsten Bedingungen im Packeis.
Die 4000 km sind aber der Knackpunkt. Wie weit entfernt sich ein Eskimo in einem halben Jahr von seinem Stammquartier?

Die Frage, warum Menschen entschieden haben, sich mit so zwangsläufig geringen Mitteln auf so waghalsige Dinge wie Seereisen einzulassen, ist dann eine dritte interessante Frage
Eine Seereise ist doch was anderes als die Robbenjagd im Packeis.

Die mehrfach von mir angesprochene Tatsache, dass auch Teile dieser Welt, die mit Fellbooten einfach nicht erreichbar sind (jedenfalls nicht für größere Siedlergruppe), in sehr frühen Stadien besiedelt worden sind,
Welche Gebiete sind mit Fellbooten nicht erreichbar?

Und was heißt "nicht für größere Siedlergruppen"? :grübel:
Ein Umiaq kann gut und gern 30 Personen transportieren.
Zwei Umiaqs können 60 Personen transportieren.
Drei ...


Aber nur zwei Gruppen haben das auf eine ganz bestimmte Weise getan, die derart aufwändig ist, dass man sich fragen muss, ob dieser Aufwand noch "sinnvoll" war.
Was bringt die Frage? Sie müssen das Ergebnis sinnvoll gefunden haben.


Die Solutreen-Hypothese steht gar nicht in Konkurrenz zur These, dass es Besiedlungswellen über die Beringbrücke gab.
Hab ich auch nicht behauptet.
 
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