Ihr schreibt in gewisser Weise naiv und mit der 'Überzeugung des Ingenieurs'.
1. Tacitus hatte genügend Erfahrung als Militär und in der Verwaltung, um sich mit solch einfachen Dingen auszukennen. Sonst wäre er auch in jener Zeit nicht Konsul geworden.
2. Wir wissen nicht, was für fiktive Pfeile und was für fiktive Bögen für fiktive germanische Bogenschützen anzusetzen sind.
- Im Zweifel die einfachsten. Die kann jeder bauen, der eine Sehne besitzt, was in Germanien sicher kein Problem war. Laut immer wiederkehrenden Angaben ist damit die Jagd auf 20 m möglich.
- Im anderen Extremfall vom Römer mitgebrachte militärisch optimierte Kompositbögen. Der Nachschub liefe dann über den Gegner.
- Irgendetwas in der Mitte.
3. Die Werkstatt der beim Zimmern geübten Germanen dürfte ganz sicher ausgereicht haben, um einen Bogen zu bauen. So hoch sind die Voraussetzungen nicht.
4. Es gibt keine "Rekonstruktionen der wenigen Bogenfunde", da es nur einen gefundenen Bogen gibt, wenn seit 1980 keiner dazugekommen ist. Ob dieser nur in Germanien geopfert wurde, oder ob es ein germanischer ist, sind zwei verschiedene Dinge.
5. Die Machbarkeit ist das eine, die Anwendung das andere. Erstaunlich oft folgt das letztere nicht rationalen Erwägungen. Auch heute noch. In älteren Zeiten natürlich wesentlich häufiger.
Anders ausgedrückt: Das etwas effektiv und möglich ist, heißt nicht, dass das auch gemacht wurde.
Und damit entbehrt die Rede von germanischen Bögen der Zeit um Christi Geburt des Rückhalts in den Quellen. Damit gehört sie aber in den Bereich der fiktiven Geschichte: Was wäre, wenn?
Das ist nun nett für Gedankenexperimente, benötigt dann aber zunächst keine Untersuchung von Machbarkeit und Effektivität.
Wenn dem so wäre, müssten wir zunächst einige Quellen verwerfen, die die germanische Bewaffnung beschreiben, was aber ohne Beleg nicht statthaft ist.
Wenn dem so wäre, müssten wir die fehlenden Pfeilspitzen erklären, sonst recht häufige Funde.
Wenn dem so wäre, müsste es der Verlauf der beschriebenen und ausgegrabenen Gefechte wiederspiegeln. Das tun diese aber nicht. Die viel zitierten Pfeile von Kalkriese, auch wenn El Quijote die Zitate ignoriert, müssten zudem verschwunden sein.
Wenn dem so wäre, müsste erst einmal geklärt werden, ob überhaupt eine Notwendigkeit für diese Annahme, die doch recht komplexe Probleme hervorruft, besteht.