Bismarcks Friedenspolitik

Poincarés nationalistische und gewisse nicht deutschfreundliche Politik wurde von der radikalen Linken, der nationalistischen Mitte und der nationalistischen Rechten unterstützt.

Wieso von der "radikalen Linken"? Ich bin inhaltlich jetzt nicht im Thema drin, um die einzelnen Positionen auf der Linken in 1914 zu kennen. Aber, Jaures war nicht mit der Option zufrieden, Krieg zu führen.

Jean Jaurès - Wikipedia .
 
Stimmt, Jaures wurde 1914 von einem franzöischen Rechtsradikalen erschoßen, der Jaures als Vaterlandsverräter tituliert hatte.

Zitat:
Als einer der profiliertesten Verfechter des Reformsozialismus auf humanistisch-pazifistischer Grundlage setzte sich Jaurès am Vorabend des Ersten Weltkrieges leidenschaftlich für die Sache des Pazifismus und gegen den drohenden Krieg ein. Bei Friedensdemonstrationen und im Parlament trat er für eine politische Verständigung mit Deutschland ein. Dafür war er bei der politischen Rechten verhasst.
Jean Jaurès – Wikipedia

steht auch in de Frz. Wiki:
Il consacre les dernières années de sa vie à tenter d'empêcher le déclenchement de la Première Guerre mondiale, se liant aux autres partis de l'Internationale ouvrière et faisant planer la menace de grève générale au niveau européen. Ces positions pacifistes lui valent d'être assassiné par le nationaliste Raoul Villain à la veille du conflit.

Jaures wollte einen Generalstreik der Arbeiter auf europäischer Ebene herbeiführen um den Krieg zu verhinden. Er wurde von dem Nationalisten Vallain erschoßen.
 
Den Hinweis habe ich bei Krumreich, Aufrüstung und Innenpolitik S.28 gefunden. Dort heisst es, das die außenpolitischen Programmatik gebilligt wurde.
 
Den Hinweis habe ich bei Krumreich, Aufrüstung und Innenpolitik S.28 gefunden. Dort heisst es, das die außenpolitischen Programmatik gebilligt wurde.

Hi, vielen Dank für die Info. In der englischen Übersetzung, die ich nur habe, ist es auf S. 31 zu finden. Er führt es aber in dem Kapitel aus, welche Unterschiede bestehen (S. 40 ff)

Aus der Sicht der Rechten war die Politik von Poincare dazu angetan, die Republik zu überwinden. Andererseits gin Jaures davon aus, dass das etablierte "Block-System", also auch die Allianz mit dem nicht "geliebten" zaristischen Russland, eine Politik zur Garantie des Friedens bilden würde.

Dabei basierte die Zustimmung zu Poincare aus den unterschiedlichen Lagern auf seiner "populistischen" Politik, wie beispielsweise bei Compere-Morel ausgeführt (ebd. S. 41) "The entire press was favorable to Poincare and public opinion was on his side. ..... The petite bourgeoisie in particular was grateful to him for having declared that war would be desastrous and that he would do all he could to prevent it". (S. 41).

Vor diesem HIntergrund wirkte Poincare wie eine Projektionsfläche, wie das so bei Populisten ist, auf die die unterschiedlichen Erwartungen projiziert wurden. Aber für die Linke war er ein akzeptabler Kandidat, weil sie in ihm den Politiker sahen, der den Frieden aufrechterhalten wollte. So die Argumentation von Krumeich, soweit ich das in der Kürze sehen konnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf welcher Grundlage bist du zu dieser Einschätzung gelangt? Immerhin haben über 40 Jahre hierzu nicht ausgereicht.

Auf Grund eben dieser verschiedenen demographischen und industriellen Entwicklung der beiden Länder. Die seit Bismarck betriebene Politik Frankreich in Kontinentaleuropa so weit als möglich zu isolieren hat sicherlich auch nicht dazu beigetragen, die ganze Situation zu entschärfen.

Zuerst hieß Revanche pour Sadowa
Was ja aber in diesem Sinne nichts damit zu tun hatte irgendwelche Territorien zurückgewinnen zu wollen.

"Revanche pour Sadowa" zielte doch überhaupt nicht daraus ab, irgendwelche eigene Niederlagen zu rächen, sondern darauf die Machtpolitischen Veränderungen in Norddeutschland, ohne eine entsprechende Kompensation in Westeuropa nicht hinnehmen zu wollen.

Das führt uns letztendlich wieder auf die Frage zurück, ob die Annexion Elsaß-Lothringens 1871 ein schwerwiegender politischer Fehler war, der eine Einigung zwischen Berlin und Paris dauerhaft blockierte oder ob das Grundsätzliche Problem aus französischer Sicht die Machtverschiebung in Zentraleuropa und damit die Reichsgründung an und für sich war.

Ich meine, sowohl dass Schlagwort "Revanche pour Sadowa", als auch die Art und Weise wie der Krieg von 1871 überhaupt entsteht, als auch so manche Phantasien, die später seitens Clemenceau, Foch etc. im Kontext des Weltkriegs erörtert werden, derenn Umsetzung auf die Rückabwicklung der Reichsgründung und die Abtrennung Süddeutschlands hinausgelaufen wären, sprechen eher für letzteres.


Frankreich hätte im Bewusstsein seiner demographischen und industriellen Unterlegenheit ja auch einen ganz anderen Weg wählen können; den der Kooperation, den der Partnerschaft.
Das hätte allerdings vorausgesetzt, dass man sich von diesem mächtigeren Nachbarn nicht bedroht fühlte und davon ausging, dass dieser an einer dauerhaften Kooperation interessiert sei.
Ich möchte Sagen, dass einiger in Berlin fabrizierter Lärm und die Dreibund-Politik (obwohl der zunächst keine annähernd gleichwertige Macht gegenüberstand), werden da nicht unbedingt als vertrauensbildende Maßnahmen gewirkt haben.
Gerade das italienische Bündnis vor dem Hintergrund der italienischen Wünsche Tunesien, möglicherweise auch Korsika in die Hände zu bekommen und möglicherweise auch nochmal Nizza und Savoyen zurück zu gewinnen, musste in Paris doch so wirken, als wenn man sich in Berlin die Option für einen Raubkrieg offen halten wollte.

Das österreichische Bündnis ließ sich sicherlich als Absicherung gegen etwaige Wiener Revanchegelüste und Einhegung der Revanchisten in Österreich verstehen.
Auch als Rückversicherung, dass Österreich nicht mit Frankreich zusammengehen würde und als machtpolitische Absicherung gegen ein Frankreich, dass sich damals in Sachen Industrie- und Militärpotential noch annähernd auf Augenhöhe mit Deutschland bewegte.
Das italienische Bündnis lässt sich aber in ganz anderen Kontexten deuten.

Und vor allem auch die Tatsache, dass man es in Berlin dabei belies.
Zwischen dem Dreibundvertrag und der Triple-Entente liegen immerhin an die 25 Jahre Zeit.
Als Bismarck den Dreibund und vor allem das Bündnis mit Wien aushandelte, Deutschland und Frankreich noch in etwa gleichstark waren, bestand ja durchaus noch die reale Gefahr eines französischen Revanchekrieges auf eigene Faust.
25 Jahre später besteht die nicht mehr, weil Frankreich dafür im Verhältnis zu Deutschland überhaupt nicht mehr stark genug und vollständig von seinem russischen Alliierten abhängig war, dessen Handlungsfähigkeit nach 1905 zunächst mal in Zweifel stand.

Bis zur Herausbildung der Triple-Entente unterhielt man seitens Berlin ein wesentlich stärkeres Bündnis als zur eigenen Verteidigung notwendig gewesen wäre.
Und das ließ sich in Frankreich, selbst wenn es sich de facto nur um ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis seitens Berlin gehandellt haben mag, durchaus dahin ausdeuten, dass man sich in Deutschland noch andere, weniger friedliche Optionen offen halten wollte.


Stattdessen wählte man die militärische Komponente. Militärische Aufrüstung und ganz wichtig den Ausweg aus der Isolation heraus zu finden. In der Praxis, Allianzpartner gegen Deutschland zu finden. Und man wurde fündig.

Ja, nur verdrehst du Ursache und Wirkung.
Die Tatsache, dass deutschland industriell und militärisch zunehmend überlegene Potentiale entwickelte, darüber hinaus einen bis dahin beispiellos mächtigen Bündnisblock in Europa de facto anführte, machte Aufrüstung und die Bildung eines Gegenbündnisses aus sicherheitspolitischen Erwägungen schlicht notwendig.

Frankreich stellte Russland gewaltige finanzielle Mittel für die Aufrüstung und den Eisenbahnbau, Zweck war die Beschleunigung der Mobilisierung, zur Verfügung.

Während Deutschland massiv in den Ausbau ökonomisch unsinniger Eisenbahnlinien im Raum um Aachen investierte und somit für alle Militärs sichtbar schonmal den Einmarsch in Belgien und Luxembrug zwecks Umgehung der französischen Befestigungen vorbereitete.

Ich weise noch einmal darauf hin, Deutschland zu de facto an die 50% seiner theoretisch Wehrpflichtigen jungen Männer ein, Frankreich musste an die 80% einziehen um dagegenhalten zu können.
Frankreichs Manpower-Reserven waren damit nahezu ausgeschöpft, vor allem, wenn man bedenkt, dass es in jedem Jahrgang natürlich auch einen gewissen Prozentsatz an körperlich untauglichen oder charakterlich ungeeigneten Personen gibt.
Deutschland hatte Möglichkeiten seine militärischen Potentiale durch Heeresvermehurungen zu erweitern. und nehmen wir mal an, dass 5-10% eines Jahrgangs aus verschiedenen Gründen zum Dienst an der Waffe nicht taugen, konnte Frankreich durch Ausweitung seiner Wehrpflicht vielleicht noch dagegen halten, wenn Deutschland auf 60% gehen sollte, aber nur wenn es alles rekrutierte, was bei 3 nicht auf den Bäumen war.

Ansonsten blieb Frankreich als einziges Mittel hier in Zukunft noch Gegenrüstung zu betreiben die Dienstzeit der Wehrpflichtigen zu verlängern.
Nur musste diese Maßnahme zum einen die Wirtschaft belasten in der das Personal dann um so sehr gefehlt hätte, außerdem bedeutete es letztendlich eine Stärkung des Friedensheeres auf Kosten der eigenen Reserven.

Das konnte ein Mittel sein um sich für einen kurzen Krieg besser aufzustellen, musste bei längerfristigen Auseinandersetzungen aber zu Problemen führen.

Manpower ist eine der Ressourcen, die Frankreich nicht über die Maßen zur Verfügung stand.
Der Schritt das durch die Manpower der eigenen Verbündeten potentiell zu substituieren war daher naheliegend.


Frankreich betrieb eine aktive Kriegsvorbereitungspolitik, statt die einer Kooperation mit Deutschland.
Ich sehe da ehrlich gesagt keine aktive Kriegsvorbereitungspolitik.
Ich sehe da eine Sicherheitspolitik, die darauf abzielte in einem potentiellen Wettrüsten, dass man mit eigenen Ressourcen nicht gewinnen konnte, irgendwie konkurrenzfähig zu bleiben.

Kriegsvorbereitung würde in diesem Sinne ja andeuten, dass man sich in Paris in der Lage wähnte einen Krieg auch nach dem eigenen Willen herbeizuführen.
De facto halfen die französischen Maßnahmen für den Fall eines Krieges sicherlich diesen gegen die Zentralmächte effektiver führen zu können.
Genau so war Paris de facto aber nicht dazu in der Lage London und St.Petersburg in einen Krieg hinein zu treiben, sondern letztendlich war Frankreich der schwächste Partner der Triple-Entente und sicherheitspolitisch im Besonderen von St. Petersburg abhängig.


Beide Marokkokrisen haben ihren Ursprung in Paris. Gerade bei der 1.Krise, weil man es bevorzugte den Nachbarn schlicht zu ignorieren. Das konnte nach den Gepflogenheiten des Zeitalter des Imperialismus nicht gut gehen.

Geschenkt.

Poincarés nationalistische und gewisse nicht deutschfreundliche Politik wurde von der radikalen Linken, der nationalistischen Mitte und der nationalistischen Rechten unterstützt.
Ja und die beschlossenen Heeresvermehrungen in Deutschland am Vorabend des Weltkriegs, bzw. deren Finanzierung, letztendlich von den Sozialdemokraten abgenickt, auch wenn sie gewiss nicht pazifistisch und freundschaftliche Gesten gegenüber den Nachbarn darstellten.

An dieser Stelle verwechselst du mMn die Zustimmung zu Schritten, die als für die nationale Sicherheit notwendig erachtet werden, mit einer ideolgoischen Grundgesinnung.
 
Lieber Shinigami,
das ist ja alles schön und gut und trifft doch nicht den Kern. Seit der Krieg in Sicht Krise war klar, dass Frankreich bei einer möglichen Bedrohung die Unterstützung anderer Länder gehabt hätte. Deutschland wäre ein kriegerisches Vorgehen nicht gestattet worden. Von daher kann man die Politik Frankreichs nicht als rein passiv, sondern durchaus als aktiv beurteilen.
 
das ist ja alles schön und gut und trifft doch nicht den Kern. Seit der Krieg in Sicht Krise war klar, dass Frankreich bei einer möglichen Bedrohung die Unterstützung anderer Länder gehabt hätte. Deutschland wäre ein kriegerisches Vorgehen nicht gestattet worden. Von daher kann man die Politik Frankreichs nicht als rein passiv, sondern durchaus als aktiv beurteilen.

Kann man, man kann das allerdings auch differenzierter betrachten.

Z.B. dahingehend, dass die Annexion von Elsaß und Lothringen letztendlich nur der Abschluss einer längeren Kette von gewaltsamen Einverleibungen war, die de facto mit Schleswig und Lauenburg begann und sich über Holstein, Hannover, Kurhessen, Hessen-Nassau, und Frankfurt nach Elsaß und Lothringen fortsetzte.

Man kann es auch einfach dahingehend interpretieren, dass anno 1875 die internationale Meinung schlicht dahin ging, dass man Berlin jetzt wirklich genug Zugeständnisse gemacht und genug Ausbau der eigenen Macht erlaubt habe und das mal ausgebremst werden müsse.


Es besteht auch so absolut kein sinnvoller Anlass Sichtweisen, die anno 1875 vielleicht mal aktuell waren, einfach mal bis 1914 fortzuinterpretieren.
De facto war in der Fortestzung keine einzige europäische Macht dazu bereit einen französischen Agressionskrieg mit dezidierten Eroberungszielen zu decken.
Nicht Russland, nicht Großbritannien, noch Österreich-Ungarn.
 
Aber das Bismarcksche System brachte Europa eine lange Friedensphase, das ist ein großer Verdienst, das sollte man nicht einfach hinwegwischen, sondern durchaus auch anerkennen.
 
Aber das Bismarcksche System brachte Europa eine lange Friedensphase, das ist ein großer Verdienst, das sollte man nicht einfach hinwegwischen, sondern durchaus auch anerkennen.

Das Problem, das man/frau im GF immer wieder sehen, dass es ein schmaler Grat ist zwischen einem "Anerkennen" und positiv beurteilen und der aktiven Parteinahme für ein Land oder einen historischen Akteur.

Bei Revisionisten kommt zusätzlich hinzu, dass sie Politiken verteidigen, die als nicht akzeptabel angesehen werden, weil sie gegen Vorstellungen zu den allgemeinen Menschenrechten gerichtet sind, wie z.B. in Bezug auf Stalin oder Hitler.

Vor diesem Hintergrund glaube ich, soweit ich Shinigami bisher verstanden habe, dass er die historische Leistung von Bismarck anerkennt, aber gleichzeitig auch die notwendige kritische Distanz zu ihm hat, da er auch die Sichtweise der anderen europäischen Mächte mit denkt. Was ich persönlich positiv finde.
 
Auf Grund eben dieser verschiedenen demographischen und industriellen Entwicklung der beiden Länder. Die seit Bismarck betriebene Politik Frankreich in Kontinentaleuropa so weit als möglich zu isolieren hat sicherlich auch nicht dazu beigetragen, die ganze Situation zu entschärfen.

Eben diese Entwicklung hätte Frankreich auf eine kooperative, partnerschaftliche Politik verweisen müssen. Paris wählte einen anderen Weg und Bismarck richtete seine Außenpolitik entsprechend aus.

Und Bismarck hat nach 1875 bei zahlreichen Gelegenheiten immer wieder und wieder betont, das Deutschland Frankreich nicht angreifen würde. Es gäbe nichts zu gewinnen und Frankreich würde als Großmacht benötigt werden; schon gegenüber der englischen Flotte.

Für die Politik Bismarcks gab es aber doch gute Gründe.

Der französische Außenminister äußerte sich gegenüber seinen Kabinettskollegen Kriegsminister Freycinet:
"Wir dürfen nicht einen Augenblick den Krieg aus den Augen verlieren, den wir eines Tages gegen Deutschland zu führen haben werden und der für lange Zeit das Schicksal Europas entscheiden wird. (1)

Diese Äußerungen sind kurz nach einem Bericht vom 11.August 1891 des französischen Botschafters Laboulaye, in dem er über ein Gespräch mit Giers informierte. Laboulaye wollte zügig eine Militärkonvention zwischen Frankreich und dem Zarenreich unter Dach und Fach bringen.

Ein weiteres Zitat, diesmal von Lamsdorff:
"Offenbar wollen die Franzosen mit der ganzen Ungezwungenheit aufdringlicher Freunde über uns verfügen. Sie haben immer denselben heimlichen Hintergedanken - uns durch ebenso nutzlose wie unvorsichtige öffentliche Bekundungen zu kompromittieren; sie schicken sich auch an, uns mit Vorschlägen über gemeinsame militärische Operationen beider Mächte im Falle eines Angriffs [gemeint ist Deutschland; Anmerkung von mir] irgendeiner dritten Seite zu belagern. Und wenn wir uns dann völlig in ihren Netzen verheddert haben, werden wir bei der ersten Gelegenheit verraten und verkauft." (2)

Noch einmal Lamsdorff nach einem Gespräch mit Giers, der über ein Gespräch mit den neuen französsichen Botschafter Montebello berichtete:

"[...] die Verpflichtung, die sie von uns fordern, gäbe den Franzosen carte blanche, Konflikte und Abenteuer zu provozieren, bei denen es schwierig wäre, den wahren Anstifter zu erkennen. [...] Allein die Tatsache einer solchen Verpflichtung stellt uns unter die Verfügungsgewalt der französischen Regierung, die jede Stunde wechseln kann."

Was ja aber in diesem Sinne nichts damit zu tun hatte irgendwelche Territorien zurückgewinnen zu wollen.

"Revanche pour Sadowa" zielte doch überhaupt nicht daraus ab, irgendwelche eigene Niederlagen zu rächen, sondern darauf die Machtpolitischen Veränderungen in Norddeutschland, ohne eine entsprechende Kompensation in Westeuropa nicht hinnehmen zu wollen.

Ganz Frankreich und selbstverständlich auch die Staatsführung und insbesondere der Kaiser haben dies als Demütigung empfunden. Frankreich betrachtete sich nicht nur als Großmacht, sondern als Vormacht Europas und war soeben von Bismarck vorgeführt worden.

(1) DDF, Band 8, Dokument Nr. 485
(2) Lamdsdorff, Band 2, S.262
(3) Lamsdorff, Band 2, S. 298
 
Kann man, man kann das allerdings auch differenzierter betrachten.

Das tue ich gern :)
In der 1891 abgeschlossenen Militärkonvention zwischen Russland und Frankreich ist festgelegt, dass bei einem Angriff eines der Dreibund Mitglieder sich beide Länder gegenseitig unterstützen. Die Franzosen haben in dem Vertrag extra aufgenommen, dass der Hauptfeind Deutschland sei. Aus den Unterlagen von General Obrutschew geht hervor, dass Frankreich immer auf die Nennung von Deutschland als Hauptfeind in der Konvention abgestellt hat.
General Obrutschew beklagte, dass Russland bei einem Angriff Österreichs isoliert sei, während Frankreich in jedem Fall bei einem Angriff durch Deutschland sich auf Rußland verlassen könnte.

Hieraus lässt sich doch klar ersehen, dass Frankreich abgesichert war gegen mögliche Aggressionen von Deutschland. Schade, dass die Franzosen die Zeit nicht für eine Verständigung mit Deutschland genutzt haben.
 
Ich sehe da ehrlich gesagt keine aktive Kriegsvorbereitungspolitik.
Ich sehe da eine Sicherheitspolitik, die darauf abzielte in einem potentiellen Wettrüsten, dass man mit eigenen Ressourcen nicht gewinnen konnte, irgendwie konkurrenzfähig zu bleiben.

Kriegsvorbereitung würde in diesem Sinne ja andeuten, dass man sich in Paris in der Lage wähnte einen Krieg auch nach dem eigenen Willen herbeizuführen.
De facto halfen die französischen Maßnahmen für den Fall eines Krieges sicherlich diesen gegen die Zentralmächte effektiver führen zu können.
Genau so war Paris de facto aber nicht dazu in der Lage London und St.Petersburg in einen Krieg hinein zu treiben, sondern letztendlich war Frankreich der schwächste Partner der Triple-Entente und sicherheitspolitisch im Besonderen von St. Petersburg abhängig.

Siehe hierzu meine vorigen Beiträge. Andere Nationen militärisch aufzurüsten und ganz bestimmte militärische Verpflichtungen aufzuerlegen, das sehe ich als Kriegsvorbereitungspolitik.

Warum konnte sich Frankreich nicht einfach mit dem verlorenen Krieg und Provinzen abfinden? Warum konnte Paris nicht den friedlichen Weg der kooperation und Partnerschaft beschreiten? Ich denke, auch den Staatsmännern in Paris war wohl klar, das die Provinzen auf friedlichen Wege nicht zurück zu erlangen waren.
 
Siehe hierzu meine vorigen Beiträge. Andere Nationen militärisch aufzurüsten und ganz bestimmte militärische Verpflichtungen aufzuerlegen, das sehe ich als Kriegsvorbereitungspolitik.

Das beschreibt ja den Prozess des Wettrüstens. Und aus diesem Prozess heraus, den wir ausführlich diksutiert haben in der paradigmatischen "Offensivausrichtung" (vgl. Wallach: Das Dogma der Vernichtungsschlacht), dem in allen Ländern vorhandenen Willen zur offensiven Kriegsführung, resultierte dann doch auch wieder der Abschreckungsgedanke. Der dann 1914 versagte, weil keine ausreichende Kommunikation vorhanden war und Fehleinschätzungen auftraten.

Eine Überlegung, die sich Tirpitz ja auch mit der Vorstellung einer "Risikoflotte" im navalen Bereich zu eigen gemacht hatte und die Flotte als politisches Instrument nutzen wollte.

In diesem Sinne bildete die "Balance of Power" in 1914 im Prinzip doch die rationale Grundlage eines im Grunde irrationalen Verhaltens, ein Wettrüsten zur Grundlage des Friedens zu machen. Das war wohl 1914 nicht anders wie 1961 in der "trivialen" Logik.
 
wobei sich hieraus zwangsläufig ergibt, dass Frankreich letztlich eine Entspannung ab 1891 hätte herbeiführen müssen.
Das Land war abgesichert gegen einen Angriff Deutschlands und hätte nun eine Entspannungspolitik mit seinem Nachbarn beginnen können. Es ist wirklich schade, dass die Möglichkeit nicht ergriffen wurde.
 
Man kann es auch einfach dahingehend interpretieren, dass anno 1875 die internationale Meinung schlicht dahin ging, dass man Berlin jetzt wirklich genug Zugeständnisse gemacht und genug Ausbau der eigenen Macht erlaubt habe und das mal ausgebremst werden müsse.

Welche Zugeständnisse?
Aha, galt das auch für die anderen europäischen Großmächte?
Es war für die anderen Großmächte ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke, das in der Mitte Europas nicht mehr der Spielplatz Frankreich, Russlands oder Österreichs war. Stattdessen war dort nunmehr eine Großmacht, mit den wohl stärksten Heer Europas getreten.
 
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