Bismarcks Friedenspolitik

Der Dreibund war keine Erwerbsgemeinschaft; auch wenn Italien es sicher sehr gern so gehabt hätte. Der Dreibund wurde auch nicht auf Betreiben Berlins begründet. Italien suchte und fand schließlich Schutz. Vor wem? Ja, vor Frankreich.

Frankreich hatte von dem Dreibund nichts zu befürchten! Niemand hatte die Absicht Frankreich anzugreifen!

Bismarck war schon 1871 während der Friedensverhandlungen mit Frankreich klar, das dieses nicht die Niederlage niemals vergeben und deshalb man auch die Provinzen aus militärischen Gesichtspunkten nehmen kann. Frankreich würde eh unversöhnlich bleiben und so ist es ja auch schließlich gewesen.

Aber ich frage dich: Weshalb konnte Frankreich nicht einfach anders auf 1871 reagieren? Keine Kooperation, keine Partnerschaft, stattdessen prioritär die militärische Aufrüstung um die Schlagkraft wiederherzustellen. Dabei gab es mehr als genügend Spielplätze für die große Kolonialmacht Frankreich.

Diese ganze Entwicklung ist in der Tat sehr zu bedauern.
 
Z.B. dahingehend, dass die Annexion von Elsaß und Lothringen letztendlich nur der Abschluss einer längeren Kette von gewaltsamen Einverleibungen war, die de facto mit Schleswig und Lauenburg begann und sich über Holstein, Hannover, Kurhessen, Hessen-Nassau, und Frankfurt nach Elsaß und Lothringen fortsetzte.

Das waren gewissermaßen interne deutsche Vorgänge. Die anderen Groß- und Weltmächte waren nun auch nicht gerade zimperlich. Die Einverleibungen sind einem Krieg vorausgegangen, den die von dir genannten Kleinstaaten verloren haben.

Jedem war klar, das der eigentlich Grund des Krieges die Rivalität zwischen Österreich und Preußen verantwortlich war. Die genannten Staaten haben Stellung für Wien bezogen. Am 14. Juni ordnete der Deutsche Bund militärische Maßnahmen gegen Preußen an.

Und die Milde mit der Preußen gegenüber Österreich verfuhr, die hast du nicht erwähnt. Das war für die damaligen Verhältnisse eher ungewöhnlich.

Für eine künftige Reichseinigung, das war ja das erklärte Ziel, war es sicher vorteilhafter, das die genannten Kleinstaaten annektiert worden waren.

Dänemark hatte völkerrechtswidrig gehandelt und dessen war Kopenhagen sich sehr bewusst. Man war bloß naiverweise der Meinung das es Paris aber vor allem London für Kopenhagen schon richten würde; wie beim letzten Krieg gegen Deutschland. Selbst während der Verhandlungen in London haben die Engländer über die Dänen nur noch den Kopf geschüttelt. Niemand war mehr bereit nach so viel Obstruktion für die Dänen ein Finger krumm zu machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber das Bismarcksche System brachte Europa eine lange Friedensphase, das ist ein großer Verdienst, das sollte man nicht einfach hinwegwischen, sondern durchaus auch anerkennen.

Habe ich irgendwo geschrieben, dass ich das bestreite?

Der Punkt ist für mich einfach, dass vom Ende der 1870er Jahre an bis zur Bildung der Triple-Entente sich Frankreich außenpolitisch in einer potentiell gefährlichen Situation befindet.

- Es ist zunehmend klar, dass Deutschlands Entwicklung mittelfristig zu einer militärischen Überlegenheit gegenüber frankreich führen wird.
- Dieses Deutschland ist mit einem Italien verbündet, von dem man weiß, dass es an gewissen französischen Territorien durchaus interessiert ist, somit wäre, je nachdem, was Rom so versprochen wird, möglicherweise sogar ein potentieller Partner Deutschlands für einenn Angriffskrieg vorhanden.
- Österreich-Ungarn fällt als möglicher Partner um ein Gegengewicht zu Deutschland zu schaffen weg, da es mit Deutschland verbündet ist und somit im Ernstfall nicht für einen Krieg gegen Deutschland zu haben sein wird.
Je nach dem was Wien auf dem Balkann oder in Polen so versprochen wird, besteht sogar die Gefahr, dass es sich einem solchen Angriffskrieg anschließt, wenn es dafür erwarten kann an anderer Stelle Unterstützung zu bekommen.
- Großbritannien wünscht keine Machtverschiebung in Europa zu Gunsten Deutschlands auf Kosten Frankreichs hat aber kein erstzunehmendes Landheer, mit dem es in der Lage wäre einzugreifen und das zu verhindern.


Allein dieses Szenario musste die Franzosen schon sehr dazu drängen sich Russland an den Hals zu werfen und alles dafür zu tun, das russische Militär fit für einen Krieg zu bekommen, um potentiell mindestens die Österreicher von einem solchen Szenario abzuschrecken und mit einer zweiten Front gegen Deutschland dessen überlegenes demographisches Potential zu egalisieren.

Ende der 1870er Anfang der 1880er Jahre, als Frankreich von seinen Potentialen her noch zu einem Revanchekrieg in der Lage war, war die Dreibundpolitik friedensfördernd um das einzuhegen.
In dem Augenblick, in dem sich die Kräfte zwischen Deutschland und Frankreich aber massiv verschoben hatten, musste sie das Gegenteil bewirken weil Frankreich sich in seinen Sicherheitsinteressen zunehmend bedroht sehen musste und weil mit dem Aufkommen einer britisch-russischen Verständigungsbereitschaft auf einmal die Möglichkeit eines entsprechenden Gegenbündnisses gegeben war.


Es geht nicht darum, dass Bismarck grundsätzlich falsch gehandelt hätte.
Aber seine Nachfolger hätten erkennen müssen, dass wenn man Frankreich in irgendeiner Form beschwichtigen und kooperativ einbinden wollte, dieses Bündnis, das auf Paris zunehmend als Drohkulisse wirken musste hätte demontiert werden müssen und dass man sich mindestens von einem der beiden Partner hätte trennen müssen um denjenigen Politikern in Frankreich, die zur Verständigung bereit waren auch Luft zu verschaffen.
 
Und Bismarck hat nach 1875 bei zahlreichen Gelegenheiten immer wieder und wieder betont, das Deutschland Frankreich nicht angreifen würde.

Ja, aber was konnte er als Garantien dafür bieten, dass auch seine Nachfolger diese Linie weiter befolgen würden, zumal absehbar, dass Deutschlands militärische Ausgangsposition gegenüber Frankreich mittelfristig immer besser werden würde und damit auch zu erwarten sein musste, dass ein Sieg um so einfacher zu erringen wäre?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das tue ich gern :)
In der 1891 abgeschlossenen Militärkonvention zwischen Russland und Frankreich ist festgelegt, dass bei einem Angriff eines der Dreibund Mitglieder sich beide Länder gegenseitig unterstützen. Die Franzosen haben in dem Vertrag extra aufgenommen, dass der Hauptfeind Deutschland sei. Aus den Unterlagen von General Obrutschew geht hervor, dass Frankreich immer auf die Nennung von Deutschland als Hauptfeind in der Konvention abgestellt hat.
General Obrutschew beklagte, dass Russland bei einem Angriff Österreichs isoliert sei, während Frankreich in jedem Fall bei einem Angriff durch Deutschland sich auf Rußland verlassen könnte.

Hieraus lässt sich doch klar ersehen, dass Frankreich abgesichert war gegen mögliche Aggressionen von Deutschland. Schade, dass die Franzosen die Zeit nicht für eine Verständigung mit Deutschland genutzt haben.


1. Dadurch lässt sich vor allem ersehen dass die Franzosen den Russen nicht recht über den Weg trauten und unterstellten, diese könnten den Vertrag dahingehend auslegen, dass er durch begrenzte, wenig verlustreiche Operationen gegen Russlands eigentlichen Hauptgegner Österreich erfüllt sei.

In dem Fall nämlich hätte Russland seine eigentlich intakten Beziehungen zu Deutschland nicht durch kriegerisches Handeln ruinieren müssen, zeitgleich die Konvention aber in der Auseinandersetzung mit Österreich am Balkan instrumentalisieren können.

2. Damit war die Option einer militärischen Zusammenarbeit auf den Papier gegeben.
Was sie aber tatsächlich wert war, vor allem wenn man bedenkt, dass Russland für die Mobilmachung Zeit benötigen würde, steht aber auf einem ganz anderen Blatt.
Einem tatsächlich kombinierten deutsch-italienischen Angriff hätte Frankreich nicht viel entgegenzusetzen gehabt und sofern im worst case Österreich die Ostflanke des Dreibunds schützen würde, hätte auch auf Basis dieser Konvention damit gerechnet werden müssen, dass erst einmal halb Frankreich total verwüstet würde, bevor Russland effektiv gegen Deutschland würde handeln können.

Unter "Absicherung" würde ich etwas anderes verstehen wollen.
 
Natürlich kann man für jede Position Verständnis haben. Man muss nur aufpassen, dass man für alle Seiten gleich viel Verständnis hat, sonst wird es parteiisch ;)
 
Welche Zugeständnisse?

Wir reden hier immerhin über Zugewinnen durch Preußen in einer Gesamtgrößenordnung, die mit den Zugewinnen Preußens durch denn Wiener Kongress vergleichbar waren.
Tun wir bitte nicht so, als wären das Peanuts oder als wäre es selbstverständlich, dass das von den anderen Großmächten so akzeptiert worden wäre.
Das waren sicherlich keine Zugewinne napoléonischen Außmaßes, aber letztendlich ist in der europäischen Geschichte schon wegen weit geringerer Machtverschiebung erbittert Krieg geführt worden.

Wenn wir mal etwa mal daran denken, dass Preußens Verlangen danach statt der Rheinlande Sachsen vollständig zu schlucken 1814/1815 beinahe in einen allgemeinen Europäischen Krieg ausartet oder wie nah die verglichen damit eher bescheidenen Territorialgewinne- und Ansprüche Serbiens in den 1910er Jahren an einen europäischen Krieg heranführen, war das alles andere als selbstverständlich, dass das mehr oder minder hingenommen wurde.
 
Der Dreibund war keine Erwerbsgemeinschaft;

Ja, das sah Bismarck so.
Nur weder konnten die Franzosen Bismarck in denn Kopf oder seinen Aktenschrank schauen, noch war damit nicht ausgemacht, dass seine Nachfolger nicht auf die Idee kommen könnten, ihn in eine unzufunktionieren.

Der Dreibund wurde auch nicht auf Betreiben Berlins begründet.
Es ging in meinen Beiträgen doch auch ganz klar nicht um die Gründung des Dreibunds, sondern um dessen Fortbestand unter gänzlich veränderten Vorzeichen.

Aber ich frage dich: Weshalb konnte Frankreich nicht einfach anders auf 1871 reagieren? Keine Kooperation, keine Partnerschaft, stattdessen prioritär die militärische Aufrüstung um die Schlagkraft wiederherzustellen. Dabei gab es mehr als genügend Spielplätze für die große Kolonialmacht Frankreich.
Ja, aber alle diese kolonialen Spielplätze änderten nichts an der prekären Sicherheitslage in Europa, in der Frankreich, was seine Sicherheit angeht, darauf angewisen war, dass in Berlin nimand mit Expansionsphantaisen oder der aus innenpolitischen Gründen einfach einen Ablenkungskrieg brauchte, das Ruder in die Hand bekam.

Das man in Paris eine Änderung dieser Situation herbeiführen wollte, ist genau so klar und verständlich, wie dass man in Berlin später unbedingt die Triple-Entente sprengen wollte.

Hier könnte ich diech genau so fragen, warum versuchte man es nicht mit Kooperation und erfüllte einfach die englischen Wünsche die Machtverhältnisse auf See nicht infrage zu stellen?

Ganz einfach, weil man der Meinung war, dass man eine Änderung erzwingen könnte und es daher unnötig sei, möglicherweise nachteilhafte Tatsachen anzuerkennen, was letztendlich aber trotzdem keine Garantien brachte.
 
Wir reden hier immerhin über Zugewinnen durch Preußen in einer Gesamtgrößenordnung, die mit den Zugewinnen Preußens durch denn Wiener Kongress vergleichbar waren.
Tun wir bitte nicht so, als wären das Peanuts oder als wäre es selbstverständlich, dass das von den anderen Großmächten so akzeptiert worden wäre..
Aber warum willst du den Deutschen ihre Nationalstaatsbildung absprechen?
Müsstest du dann nicht auch das gleich bei den Italiener machen?
Letztlich war das ja auch eine Vergrößerung des Hauses Piemonts in einem ungeahnten Ausmaß.
Immerhin hatten sie ab 1860 diverse Königreiche in ihren Machtbereich integriert.
 
Das waren gewissermaßen interne deutsche Vorgänge.

Also die Annexion Schleswigs, Elsaß und Lothringens hat in in ganz Europa niemand für eine innerdeutsche Angelegenheit gehalten.

Mal abgesehen davon dass es ja durchaus gute Tradition unter den großmächten waren, in den innerdeutschen Angelegenheiten hier und da mal mitzureden.

De facto, selbst wenn die anderen Mächte anerkannt hätten, dass das "innerdeutsche Angelegenheiten" waren, die sie eigentlich nichts angingen veränderten diese Angelegenheiten die Machtkonstellation in Europa.
Und spätestens das war keine innerdeutsche Angelegenheit mehr und zwang die anderen Akteure in irgendeiner Form dazu Stellung zu nehmen.

Die Einverleibungen sind einem Krieg vorausgegangen, den die von dir genannten Kleinstaaten verloren haben.
......... deren Bestand im Wiender Frieden von 1815 und in der Deutschen Bundesakte festgeschrieben waren und dem die Signatarmächte des Wiener Friedens, als Garantiemächte zur Seite standen ;-).

Mal davon abgesehen, dass die Kleinstaaten keinen Agressionskrieg gegen Preußen geführt hatten sondern auf Basis der Verletzung der deutschen Bundesakte durch die preußische Besetzung Holsteins reagierten, wenn ich mich da richtig entsinne ;-)

Jedem war klar, das der eigentlich Grund des Krieges die Rivalität zwischen Österreich und Preußen verantwortlich war. Die genannten Staaten haben Stellung für Wien bezogen. Am 14. Juni ordnete der Deutsche Bund militärische Maßnahmen gegen Preußen an.

Ja, letztendlich gab die Bundesakte den Kleinstaaten durch das preußische Vorgehen in Holstein aber das Recht zu diesem Vorgehen.
Wohingegen Preußen allerdings kein Recht hatte, die 1815 garantierte Ordnung einfach mal über den Haufen zu werfen.
Das war ein bisschen mehr als innerdeutsches Geplänkel und Preußens Vorgehen dabei alles andere als legitim, geschweigedenn legal.

Und die Milde mit der Preußen gegenüber Österreich verfuhr, die hast du nicht erwähnt. Das war für die damaligen Verhältnisse eher ungewöhnlich.

Dazu hatte ich mich an anderer Stelle schon ausgelassen, ich halte das Ergebnis für alles andere als milde.

Österreich verlor im Gefolge dieses Krieges Holstein und Ventien ohne Kompensation dafür zu erhalten, was zweifellos weh tat.
Damit Venetien zu verlieren rechnete man ja, als man mit Frankreich wegen dessen Neutralität verhandelte, aber da preiste man ja durchaus Kompensation (wohl im Raum Schlesien) ein.
Außerdem war Österreich damit aus seinen beiden bedeutendsten imperialen Spielplätzen Deutschland und Italien de facto herausgeflogen und musste sich jetzt in seinen imperialen Ambitionen damit begnügen mit Russland über ökonomisch wenig interessante Gebiete auf dem Balkan zu feilschen.

Außerdem schwächte dieser Krieg und Sein Ausgang Wiens Position innenpolitisch nochmal massiv und hatte wohl durchaus auch seinen Einfluss darauf, dass der Österreichisch-Ungarische Ausgleich von 1867 in der Art und Weise ausfiel, wie er eben ausfiel.

Insofern war der Frieden für Österreich auf dem Papier sicherlich noch einigermaßen gnädig.
Seine tatsächlichen Auswirkungen, sowohl auf die imperialen Möglichkeiten, als auch die innenpolitische Stabilität Österreichs aber waren katastrophal.

Dänemark hatte völkerrechtswidrig gehandelt und dessen war Kopenhagen sich sehr bewusst. Man war bloß naiverweise der Meinung das es Paris aber vor allem London für Kopenhagen schon richten würde; wie beim letzten Krieg gegen Deutschland. Selbst während der Verhandlungen in London haben die Engländer über die Dänen nur noch den Kopf geschüttelt. Niemand war mehr bereit nach so viel Obstruktion für die Dänen ein Finger krumm zu machen.

Ja, ändert aber nichts drann, dass das Vorgehen Preußens und Österreichs hier ebenfalls völkerrechtswidrig war.

Man wird sicher sagen können, dass beide Mächte das Recht hatten etwas dagegen zu unternehmen, wenn Dänemark eigenmächtig versuchte den Status von Holstein und Lauenburg als zum Deutschen Bund gehörende Territorien ohne Beschluss des Frankfurter Bundestags zu verändern.

Aber spätestens die Abtrennung des nicht zum Deutschen Bund gehörenden Schleswigs und dessen letztendliche Annexion waren durch nichts mehr gedeckt.

Das jemand durch einen völkerrechtswidrigen Akt einen Krieg vom Zaun bricht, legitimiert ann diesem Krieg beteiligte Mächte nicht dazu sich einfach mal alles unter den Nagel zu reißen, was sie gerne hätten, obwohl darauf kein wie auch immer gearteter Anspruch besteht.
 
a, das sah Bismarck so.
Nur weder konnten die Franzosen Bismarck in denn Kopf oder seinen Aktenschrank schauen, noch war damit nicht ausgemacht, dass seine Nachfolger nicht auf die Idee kommen könnten, ihn in eine unzufunktionieren.

Wo ist denn der Dreibund, sagen wir einmal bis Bismarcks Sturz, aggressiv gegenüber Frankreich aufgetreten? Das hatte man sicher auch in Paris bemerkt.

Ja, aber alle diese kolonialen Spielplätze änderten nichts an der prekären Sicherheitslage in Europa, in der Frankreich, was seine Sicherheit angeht, darauf angewisen war, dass in Berlin nimand mit Expansionsphantaisen oder der aus innenpolitischen Gründen einfach einen Ablenkungskrieg brauchte, das Ruder in die Hand bekam.

Du hast ein sehr großes Verständnis für die angeblich prekäre Sicherlage Frankreichs und gar keines für Deutschland; dieses verurteilst du.

Deutschland stand Frankreich nach 1871 und ganz besonders 1875 nicht feindselig gegenüber. Das übersiehst du bei deiner Einschätzung. 1875 fühlte sich übrigens Deutschland durch Frankreich bedroht.

Expansionsphantasien? Wer hat die bis 1890 gehabt? Frankreich expandierte deutlich aktiver. Auch nach 1890 wollte niemand Frankreich bekriegen. Zeige mir ein Beleg, aus dem klipp und klar hervorgeht, das Berlin Frankreich angreifen wollte.

Das man in Paris eine Änderung dieser Situation herbeiführen wollte, ist genau so klar und verständlich, wie dass man in Berlin später unbedingt die Triple-Entente sprengen wollte.

War überhaupt kein Problem durch eine andere Politik. Nicht militärisch, sondern friedfertig, nicht auf Revanche sinnend.

Hier könnte ich diech genau so fragen, warum versuchte man es nicht mit Kooperation und erfüllte einfach die englischen Wünsche die Machtverhältnisse auf See nicht infrage zu stellen?

Frage mit Gegenfrage zu beantworten ist nicht hilfreich. Zu deine Gegenfrage - diese gehört nicht zum Thema. Und davon abgesehen, habe ich die Flottenpolitik vor kurzem gerade kritisiert!
 
Also die Annexion Schleswigs, Elsaß und Lothringens hat in in ganz Europa niemand für eine innerdeutsche Angelegenheit gehalten.

Du vermengst jetzt zwei Kriege. 1866 war ein deutscher Bruderkrieg. 1870 war ein preußisch-französischer Krieg. Dieser war für Europa relevant. Und Europa war sich einig, das an diesem Krieg Paris die Schuld trägt. Muss ich jetzt darüber referieren, wie Petersburg und London versuchten sich einzumischen?
 
Wir reden hier immerhin über Zugewinnen durch Preußen in einer Gesamtgrößenordnung, die mit den Zugewinnen Preußens durch denn Wiener Kongress vergleichbar waren.
Tun wir bitte nicht so, als wären das Peanuts oder als wäre es selbstverständlich, dass das von den anderen Großmächten so akzeptiert worden wäre.
Das waren sicherlich keine Zugewinne napoléonischen Außmaßes, aber letztendlich ist in der europäischen Geschichte schon wegen weit geringerer Machtverschiebung erbittert Krieg geführt worden.

Was heißt hier Peanuts. Schon 1815 wurden die Hoffnungen auf einen deutschen Staat enttäuscht. Es wurde alles so eingerichtet, so als ob das europäische Konzert nur eine kurze lästige Unterbrechung erfahren hatte. Die Deutschen bleiben schön in kleinen und kleinsten Staaten verteilt, so das die Großmächte hier jederzeit intervenieren konnten. Es gefiel den europäischen Großmächten nicht sonderlich, das nun auch mit reichlicher Verspätung die Deutschen einen eigenen Nationalstaat haben wollten. Und der war mit gutem Zureden wohl nicht zu erreichen.
 
Aber warum willst du den Deutschen ihre Nationalstaatsbildung absprechen?
Wo will ich denn das?

Ich habe nicht behauptet, dass die Deutschen sich nicht auf einen Nationalstaat hätten einigen dürfen, ich habe geschrieben, dass die preußische Annexionspolitik einigermaßen unerhört war, und es nicht selbstverständlich war, dass das so ohne weiteres hingenommen würde.

Preußen ist nicht Deutschland und es hat die Hannoveraner und die Hessen nicht gefragt, ob diese gerne von Berlin aus regiert werden wollten, die Elsässer und die Lothringer schon einmal überhaupt nicht.

Die europäischen Großmächte hätten sicherlich wenig Argumente gehabt, sich über eine Staatsgründung à la 1848 auf Basis des Einvernehmens der Beteiligten zu echauffieren.
Aber eine durch die preußischen Bajonette gebildete Zwangsvereinigung (und nichts anderes war der Norddeutsche Bund), ist da schon ein anderes Thema.
Das war nicht die Umsetzung des Wunsches einer Nationalbewegung, dass war die Machterweiterungspolitik eines Einzelakteurs auf Kosten anderer.

Letztlich war das ja auch eine Vergrößerung des Hauses Piemonts in einem ungeahnten Ausmaß.

Ein maßgeblicher Unterschied besteht einfach darin, dass in den Kleinstaaten die Bevölkerung ihre Monarchen ohne großartiges Zutun des Hauses Savoyen zum Teufel Jagte und von sich aus um Anschluss an Piemont-Sardinien ersuchte und dass den Piemontesischen Zugewinnen in der Lombardei und in Venetien keine eigenständigen italienischen Kleinstaaten gegenüberstanden, die man gegen deren ausdrücklichen Willen annektiert hätte.

Die Trauer dieser Gebiete nicht mehr von Wien aus regiert zu werden, hielt sich ja doch sehr in Grenzen.

Anders etwa in Hannover oder in Elsaß-und Lothringen, wo sich die Bevölkerung mit den Verhältnissen lange so überhaupt nicht abfinden konnte, was denn auch die Reichstagswahlen immer wieder zeigten.
 
Dazu hatte ich mich an anderer Stelle schon ausgelassen, ich halte das Ergebnis für alles andere als milde.

Österreich verlor im Gefolge dieses Krieges Holstein und Ventien ohne Kompensation dafür zu erhalten, was zweifellos weh tat.
Damit Venetien zu verlieren rechnete man ja, als man mit Frankreich wegen dessen Neutralität verhandelte, aber da preiste man ja durchaus Kompensation (wohl im Raum Schlesien) ein.
Außerdem war Österreich damit aus seinen beiden bedeutendsten imperialen Spielplätzen Deutschland und Italien de facto herausgeflogen und musste sich jetzt in seinen imperialen Ambitionen damit begnügen mit Russland über ökonomisch wenig interessante Gebiete auf dem Balkan zu feilschen.

Mit dieser Bewertung dürftest du so ziemlich alleine stehen. Venetien hatte man selbst an Napoleon III. verschachert. Holstein hatte man im Krieg verloren und war per se kein österreichisches Gebiet. Der Verlust hat nicht sonderlich geschmerzt. Allein schon die unglaublich schlechte geographische Lage von Holstein. Österreich war immer noch eine anerkannte Großmacht! Ja, Österreich ist aus Deutschland rausgeflogen, weil dort kein Platz für Preußen und Österreich war. Österreich war nicht bereit, Preußen als gleichberechtigten Partner im Bund anzuerkennen. In Wien hatte man letzten Endes immer Gefolgschaft erwartet.
 
Ich habe nicht behauptet, dass die Deutschen sich nicht auf einen Nationalstaat hätten einigen dürfen, ich habe geschrieben, dass die preußische Annexionspolitik einigermaßen unerhört war, und es nicht selbstverständlich war, dass das so ohne weiteres hingenommen würde.

Diese Ansicht teile ich überhaupt nicht. Was war denn da so unerhört? Dänemark bricht Völkerrecht und wartet darauf das die Großmächte die Kastanien für Kopenhagen aus dem Feuer holen. Das finde ich unerhört. Noch unerhörte war das vollkommen von der Realität verlassene Auftreten der dänischen Unterhändler im Zuge der Londoner Konferenz.

1866 müssen wir nicht wieder durchkauen; genauso wenig wie 1870/71. Zu beiden habe ich hier schon sehr viel geschrieben und dort auch entsprechende Belege präsentiert.

Du hast eine ausgesprochen negative Sicht auf Deutschland und eine sehr verständnisvolle auf die ehemaligen Gegner. Ich glaube nicht, das wir hier zusammenkommen werden.
 
Allein dieses Szenario musste die Franzosen schon sehr dazu drängen sich Russland an den Hals zu werfen und alles dafür zu tun, das russische Militär fit für einen Krieg zu bekommen, um potentiell mindestens die Österreicher von einem solchen Szenario abzuschrecken und mit einer zweiten Front gegen Deutschland dessen überlegenes demographisches Potential zu egalisieren.

Nur verfolgte Frankreich diese Politik ja immer noch, als es schon die Triple Entente gab und sich die Gewichte erneut verschoben hatten.

Es geht nicht darum, dass Bismarck grundsätzlich falsch gehandelt hätte.
Aber seine Nachfolger hätten erkennen müssen, dass wenn man Frankreich in irgendeiner Form beschwichtigen und kooperativ einbinden wollte, dieses Bündnis, das auf Paris zunehmend als Drohkulisse wirken musste hätte demontiert werden müssen und dass man sich mindestens von einem der beiden Partner hätte trennen müssen um denjenigen Politikern in Frankreich, die zur Verständigung bereit waren auch Luft zu verschaffen.

Das finde ich jetzt schon eine etwas merkwürdige Logik, dass Deutschland mutwillig das eigene Bündnis demontieren oder schwächen sollte, um Frankreich zu beschwichtigen. Und wie sollte das denn aussehen, sich von einem Partner zu trennen?

Die Trennung von Österreich-Ungarn kam aus einer Vielzahl von Gründen nicht in Frage. Nicht zuletzt deshalb, weil man dann abgesehen von Italien ganz ohne Bündnispartner dagestanden hätte und welchen Sinn machte ein Bündnis zwischen Deutschland und Italien damals wirklich, ohne dass noch ein weiterer Partner an Bord gewesen wäre?

Und wenn man sich von Italien getrennt hätte, hätte man Italien ja geradezu in die Arme Frankreichs getrieben.

Nach derselben Logik hätte man übrigens auch von Frankreich fordern können, sich in der Triple Entente entweder von England oder von Russland zu trennen, um Deutschland zu beschwichtigen.

Ich denke, letzten Endes war es ganz natürlich, dass sowohl Deutschland und Frankreich sich jeweils nach Bündnispartnern umgesehen haben und nur begrenzt darauf Rücksicht nahmen, dass die andere Seite sich durch ein zu starkes Bündnis bedroht fühlen könnte. Man hätte nur bessere Mechanismen finden müssen, um Konflikte zwischen den Bündnissen oder zwischen einzelnen Mächten der jeweiligen Bündnisse friedlich zu lösen und nicht eskalieren zu lassen.
 
Aber seine Nachfolger hätten erkennen müssen, dass wenn man Frankreich in irgendeiner Form beschwichtigen und kooperativ einbinden wollte, dieses Bündnis, das auf Paris zunehmend als Drohkulisse wirken musste hätte demontiert werden müssen und dass man sich mindestens von einem der beiden Partner hätte trennen müssen um denjenigen Politikern in Frankreich, die zur Verständigung bereit waren auch Luft zu verschaffen.

Schon wenige Jahre später hatte Paris Rom doch eingewickelt gehabt und die "Bedrohung" existierte schon gar nicht mehr.

Paris wollte per se keine partnerschaftliche Politik mit Berlin und das ist des Pudels Kern.
 
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