Verstehe ich nicht, mein einfaches Ingenieursgemüt kann nur Nullen und Einsen interpretieren. Bitte beantworte mir also die folgende Frage mit Ja oder Nein:
Wir sind hier nicht vor einem amerikanischen Filmgericht mit seltsamer Gerichtspraxis, die auf unterkomplexe Antworten seitens der Antagonistenseite hinausläuft.
Enthält irgendeine der Quellen zur Varusschlacht Informationen über einen 400 m langen und in der damaligen Zeit als germanische Schlachtfeld-Vorbereitung äußerst ungewöhnlichen wenn nicht gar einzigartigen Wall?
Man überstrapaziert die Quellen, wenn man Forderungen an sie stellt wie, das jedes Detail, welches wir im archäologischen Befund finden, den Quellen auch 1:1 entsprechen muss und wehe es findet sich darin nicht wieder...
Fakt ist, dass
keine der Quellen die Schlacht wirklich ausführlich und minutiös beschreibt. Deine Frage setzt aber voraus, dass sie genau das täten. Sie geht damit von falschen Prämissen aus und das, obwohl man doch eigentlich annehmen müsste, dass du die Quellen nach mehreren Jahren Forenmitgliedschaft, in denen du dich fast ausschließlich im Bereich der römischen Okkupationszeit in Germanien bewegst, mittlerweile selber rauf und runter gelesen hast und es besser wissen müsstest.
Wenn du dir die Schlachtbeschreibungen mal kritisch anschaust, sind es wenig Sätze:
Velleius Paterculus: 7 Sätze, Inhalt:
- Hinterhalt ohne Möglichkleit des Entrinnens
- Eingeschlossen in Wälder und Sümpfe
- Varus' Feigheit
- die unterschiedlichen Handlungsweisen der Lagerpräfekten
- Verrat des Numonius Vala und der Reiterei an den Fußtruppen
- Leichenschändung des Varus
Tacitus:
- Begehung des Schlachtfeldes sechs Jahre nach der Schlacht
- erstes Lager/(letzes) Lager
- Beschreibung des desolaten Zustandes des Schlachtfeldes mit Waffenbruchstücken und skelettierten menschlichen Überresten
- klimakterischer geraffter Bericht des Schlachtgeschehens gegenüber Germanicus
- hier fielen die Adlerträger
- hier fielen die Legaten
- hier erdolchte sich Varus
- Folterungen nach Schlacht
- Rede des Arminius von einer Tribüne aus
- Bestattung sechs Jahre danach
Florus:
- Überfall im Lager (3 Sätze)
- Gemetzel mit all seinen Abscheulichkeiten (4 Sätze)
Cassius Dio beschreibt eine viertägige Marschschlacht... da ist ein 400 m langer Wall wohl kaum von Bedeutung, er legt seinen Fokus auf:
- Landschaftsbeschreibung
- Wetterlage
- das Leiden der durch einen Tross gebremsten Römer
- die Schwerelosigkeit der Germanen
Das sind die vier erhaltenen Autoren, die mehr tun als die Schlacht nur zu erwähnen. Alle anderen erhaltenen Autoren erwähnen sie lediglich oder deuten sie nur an. Keiner dieser vier Autoren gibt wirklich Informationen über Schlachtgeschehen, Strategie und Taktik der Römer und Germanen während der Schlacht.
Der Wall selbst als Teil des Befundes ist auch eine Quelle.
Und der halb zerstörte Wall des Tacitus kann durchaus, je nachdem als Fehlinterpretation, jenen Wall meinen.
Schlüter meint das ja seit Jahren. Ich halte von der Hypothese eher wenig.
Mir geht es um die Fundarmut germanischer Waffen bei Kalkriese, die ja auch von einigen damit begründet wird, dass auf beiden Seiten überwiegend mit römischen Waffen gekämpft worden sein soll.
Es gibt Hinweise darauf, dass Arminius als Führer cheruskischer Hilfstruppen entsprechende Kontingente anführte. Allerdings nichts, worauf man sich wirklich als Faktum stützen könnte. Dank Velleius wissen wir, dass er beim "letzten Feldzug" dabei war, wobei einige das als einen Feldzug in Germanien andere als einen in Pannonien interpretieren und dass er den Rang eines römischen Ritters erlangte, von Tacitus wissen wir, dass der cheruskische Adel bereits ins römische Herrschaftssystem eingebunden war, Segimundus als Priester des Kaiserkultes, Arminius und sein Bruder Flavus als Soldaten, letzterer auch über die Varusschlacht hinaus in offener Feindschaft zu seinem Bruder. Es ist denkbar, dass viele der kämpfenden Germanen römisch bewaffnet waren. Aber man muss auch folgendes Bedenken: An Militaria sind in Kalkriese wenig Waffen gefunden, ein paar Bolzen, Lanzenteile, Pionierswerkzeug, Pilumspitzen, Pfeilspitzen und Lanzenschuhe, Schleuderbleie, Schwert- und Schildfragmente... kein ganzes Schwert... Vieles vom Fundmaterial ist noch gar nicht eindeutig identifiziert. Das meiste, was man an Militaria hat, sind die Panzerschließen und die Helmknöpfe, also Spuren des gewaltsamen Entreißens der Uniformteile. Der Schluss ist einfach: Die Waffen hat man als allererstes vom Schlachtfeld abgeräumt, um bloß kein Schwert und keinen pugio irgendwo herumliegen zu haben, falls sich ein Römer nicht doch noch totgestellt hat und nun später vielleicht den ein oder anderen Plünderer etwas abseits vom Hauptgeschehen erwischt. Hinzu kommen die Holzwaffenfunde aus Damme, knapp zehn Kilometer von Kalkriese entfernt, die auf einen Zeitraum von 50 v. Chr. - 15 n. Chr. datiert wurden (Peter Pieper,
Die taciteischen Annalen und die Holzfunde vom Bohlenweg XXV zwischen Damme und Hunteburg; in Schlüter/Wiegels,
Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, S. 509 ff., hier S. 521). Sie legen zumindest nahe, dass wenigstens in Teil der germanischen Waffen vollorganisch war und somit - außer eben unter Sauerstoffabschluss - wenig Chancen auf Erhaltung hatte.
Der jüngste Verlauf der Verschrottungsdiskussion irritiert mich. Ein römischer Schrottplatz in dem von römischer Infrastruktur und römischen Siedlungenplätzen abseitigen Kalkriese ist eine ziemlich abwegige Idee.