Die Fürsten lebten im Luxus, die Bauern mussten darben!

Sehr interessant zu der Thematik finde ich die Aussage von Barbara Stollberg-Rilinger, welche sagte:
Das 18. Jahrhundert war paradoxerweise ein Jahrhundert des Hungers und zugleich ein Jahrhundert des Konsums: Indem immer mehr Menschen immer stärker über das Marktgeschehen voneinander abhängig wurden, konnten sie zum einen mehr Waren konsumieren, waren aber zum anderen noch mehr als in früheren Zeiten vom Hunger bedroht.
*

Hungerkatastrophen wie in den Jahrhunderten zuvor kamen auch im 18.Jh. vor. Die Spezialisierung sowohl in der Landwirtschaft, als auch in der Herstellung von Fertigwaren im Heimgewerbe oder in den zunehmenden Manufakturen (während in England am Ende des 18. Jahrunderts auch die ersten Fabriken entstanden) verstärkten den Trend der Abhängigkeiten der Menschen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen bzw. Fertigwaren (wechselweise). Hierbei war der Trend aber in den Gebieten der Grundherrschaft ausgeprägter als in denen der Gutsherrschaft, da die Landbevölkerung in den Gebieten der Gutsherrschaft über weniger freie Arbeitskaft verfügte, welche im Westen das Heimgewerbe gefördert hatte.

Vielleicht sind das auch Aspekte zum Stichwort "Darben" der "Bauern".

*
Aus:
Barbara Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung" Reclam, Stuttgart, 2006
Hier: "Ein Jahrhundert des Hungers? - Wirtschaftliche Entwicklungstendenzen und Theorien" S. 54-55
 
Weitaus interessanter fände ich eigentlich einen direkten Vergleich, zwischen durchschnittlichem Einkommen und Steuerbelastung der diversen Stände, um eben ein wirkliches Maß der übermässigen Belastung oder Bevorzugung de einzelnen Stände zu sehen.
Wie schon gesagt wurde: Das ist leider methodisch überaus schwierig.
Darüber hinaus müßte man gegenrechnen, daß Adel und Klerus eine Reihe von Aufgaben erledigten, die später vom Staat übernommen wurden.
 
barocke Feste als "Verschwendung" zu bezeichnen ist nachträglich eine Ohrfeige für alle Künstler die zu diesen Festen Musik oder Poesie schrieben, Kostüme und Dekorationen entwarfen.

Kunst ist niemals Verschwendung


an dieser sogenannten "Verschwendung" erfreuen sich noch Heute Millionen von Menschen.
Das nur mal als kleiner Einwand. ;)
 
barocke Feste als "Verschwendung" zu bezeichnen ist nachträglich eine Ohrfeige für alle Künstler die zu diesen Festen Musik oder Poesie schrieben, Kostüme und Dekorationen entwarfen.

Kunst ist niemals Verschwendung


an dieser sogenannten "Verschwendung" erfreuen sich noch Heute Millionen von Menschen.
Das nur mal als kleiner Einwand. ;)

Ich würde Dir sofort zustimmen, wenn alle in den Genuss dieser Festlichkeiten und damit einer höheren Kunst gekommen wären. Es war aber nunmal nur eine bevorzugte Minderheit.

Heute entscheidet jeder selbst was er hört, oder sieht. Dem "gemeinen Volk" war damals jedoch der Zutritt zu derlei Festivitäten verwehrt (anders als im alten Rom).
Das ist es, was man verwerflich finden kann. Die Einen lebten in Saus und Braus und die Anderen wussten nicht, woher das Brot für die Kinder nehmen. Wenn ich mir überlege wieviele Menschen man mit dem Geld, das allein ein Barockfest (incl. aller Kostüme) kostete hätte ernähren können, dann wird mir als Mensch schlecht, nicht als Kritiker der Zeit oder der Verhältnisse, die man natürlich immer im Zusammenhang sehen muss und nicht mit dem Heute vergleichen kann.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich würde Dir sofort zustimmen, wenn alle in den Genuss dieser Festlichkeiten und damit einer höheren Kunst gekommen wären. Es war aber nunmal nur eine bevorzugte Minderheit.

Heute entscheidet jeder selbst was er hört, oder sieht. Dem "gemeinen Volk" war damals jedoch der Zutritt zu derlei Festivitäten verwehrt (anders als im alten Rom).
Das ist sehr unterschiedlich.

In die Oper in Berlin z.B. durfte sogar ein Teil der Garnison zu Zeiten Friedrich II., der Eintritt war generell frei, wenngleich sich Standespersonen natürlich die besseren Logenplätze reservierten, während manche Gruppen, wie die Akademie, feste Logen hatten, welche die Mitglieder einnahmen.

Dann gab es wiederum Unterschiede bei den großen und kleinen Festlichkeiten. So gab es nachweislich auch Bälle für die Dienstboten, welche von der Herrschaft gegeben wurden (siehe Tagebücher des Grafen Lehndorff!). Bei großen Festlichkeiten nahm das "gemeine Volk" zumeist eine Statistenrolle ein. Das heißt, sie waren beteiligt, aber weniger zu ihrem persönlichen Vergnügen.

Zu den höfischen Festen in Regensburg (z.B. den Hochzeiten des Hauses Thurn und Taxis) in Regensburg:

"Unter den Gästen bei solcherlei Festen suchte man die kleinen Leute vergebens. Ihre Aufgabe war dabei meist eine doppelte. Zum einen hatten sie bei den vielfältigen Vorbereitungen mitzuarbeiten, zum anderen stellten sie die Kulisse, vor der repräsentiert wurde. Direkt miteinbezogen war das "Volk" meist nur durch den kostenlosen Ausschank von Bier, das Aufstellen von Weinbrunnen, die Ausgabe von Essen oder die Preisgabe von Schaugerichten und ähnlichen "Bescherungen". Doch auch das geschah nicht ohne Vergnügen für die Festgesellschaft. Das Beschenken des Volkes und das Betrachten der anschließenden "Geschäftigkeit" der "gemeinen" Leute wurde im 17. und 18. Jahrhundert zu einem ritualisierten Bestandteil vieler Feste. "
*

Neben der Beteiligung an solchen Festlichkeiten, die in der Regel im Charakter so geartet war, wie oben ganz grob zusammen gefasst, gab es noch die Feste in den Städten, v.a. den Reichsstädten, wobei die städtischen oder ständischen, korporativen Ordnungen eine große Rolle spielten. So gab es an Feiertagen die Umzüge der Zünfte. Es gab Aufnahmefeiern, wenn Bürgerliche z.B. der Stadtgarde beitraten, wobei dann wirklich sehr lebhaft die Dienstboten und viele andere Vertreter der Unterschicht genauso wie manche Adelige der Stadt gemeinsam partizipierten.
Ganz abgesehen davon gab es noch Volksbelustigungen verschiedener Art, welche dann aber weniger Berührpunkte zwischen Oberschicht und Unterschicht lieferterten. Wenn man die Messen hinzu nähme, wären diese vielleicht noch eine Betrachtung wert.

Zu höfischen Festen und auch dem Anteil der Unterschicht daran, gibt es schon sehr schöne Publikationen, welche in den letzten 20 Jahren auch in Dtl. herraus kamen.


* Aus: "Reichsstadt und immerwährender Reichstag" Hrsg.: Martin Dallmeier - Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek - Zentralarchiv, Verlag Michael Lassleben, Kallmünz, 2001
Hier: Elisabeth Fendl: "Fürstliche Feste und Volksbelustigungen" S. 129
 
@Brissotin
es ist nun aber ein gewaltiger Unterschied, ob du zum Personal gehörst und als Statist in einem Schaustück zur Belustigung der höheren Stände, oder ob du als Zuschauer teilnimmst.

Wenn ich in meiner Kleinkunst-Stamm-Kneipe bedient hab oder in der Küche stand, bekam ich natürlich auch etwas von den Darbietungen mit, aber das kann man nicht vergleichen.
 
@Brissotin
es ist nun aber ein gewaltiger Unterschied, ob du zum Personal gehörst und als Statist in einem Schaustück zur Belustigung der höheren Stände, oder ob du als Zuschauer teilnimmst.

Wenn ich in meiner Kleinkunst-Stamm-Kneipe bedient hab oder in der Küche stand, bekam ich natürlich auch etwas von den Darbietungen mit, aber das kann man nicht vergleichen.
Da müsste man schauen, wer wie damals die Beteiligung an den Festlichkeiten empfand.
Wenn mancher sich im Block der Statisten hervorheben konnte, dann gefiel er sich vielleicht in der Rolle.

Die Anforderungen an ein Fest, um daran Gefallen zu finden und der Horizont der Unterschicht war ja ein anderer. Wenn man sich zum Vergnügen des Adels besaufen durfte (der Adel schaute zu) und dies gewöhnt war, dass das die Ordnung der Welt war, dann nahm man das vielleicht hin und machte das beste daraus und hatte beim Besaufen noch seinen Spaß. Ich kann mir vorstellen, dass der Flickschuster einfach nur froh war, einen leckeren Braten zu kriegen, wenn mal wieder in Frankfurt eine Kaiserkrönung anstand und bei der Gelegenheit ordentlich Essen für den "gemeinen" Mann ausgegeben wurde. (Wer weiß? Mancher würde sich vielleicht auch noch heute über derlei einen Ast abfreuen... :still: )

Wie auch immer die Rolle bei einer Festlichkeit war, ob als Schauobjekt oder nicht, ist so ein Schmaus zumindest ein kleines Lot in der Waagschale auf der gegenüberliegenden Seite zum Aspekt des "Darbens", der im Titel des Threads vorkommt. Wohlmerklich nahmen wahrscheinlich eher die Städter an solchen Festlichkeiten teil als die "Bauern". Zu Festen auf dem Lande mit einem lebhafteren Anteil der Landbevölkerung am Treiben in den Schlössern des Adels müsste man mal schauen, ob man was findet.
 
Zuletzt bearbeitet:
(Wer weiß? Mancher würde sich vielleicht auch noch heute über derlei einen Ast abfreuen... :still: )

Dankeschön, auf etwas in die Richtung warte ich schon die ganze Zeit, denn es lag mir auch auf der Zunge. Als Moderatorin bin ich jedoch genötigt, stets zu versuchen, mit gutem Beispiel vorangzugehen und nicht selbst aktuell sozialpolitische Diskussionen loszutreten. Also hier Ende derr Diskussion diesbezüglich. ;)
 
Dankeschön, auf etwas in die Richtung warte ich schon die ganze Zeit, denn es lag mir auch auf der Zunge. Als Moderatorin bin ich jedoch genötigt, stets zu versuchen, mit gutem Beispiel vorangzugehen und nicht selbst aktuell sozialpolitische Diskussionen loszutreten. Also hier Ende derr Diskussion diesbezüglich.
Bei soviel modern geprägter Beurteilung der damaligen Verhältnisse konnte ich mich dessen nicht enthalten. Außerdem glaube ich, ist der Gedankengang, jetzt nicht immer von auch heute reichen oder wohlhabenden Menschen als Gradmesser zum Verhalten der Unterschicht auszugehen auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Man muss schon auch an die Leute denken, welche weniger visuelle Reize schlichtweg damals hatten, als wir heute. Die Teilnahme für diese an so einem Fest und sei es nur als von Zuschauern belächelte, ausgelassen feiernde Schar, war für die Beteiligten der Unterschicht sicherlich auch immer mal etwas tolles. Davon redete man noch seinen Enkeln, dass man bei der großen Sause von Fürst XY dabei war. Und? Waren diese Feste nicht genau auch dazu gedacht, nicht nur innerhalb der Oberschicht Reichtum und Macht zu demonstrieren, sondern auch der Unterschicht diese vor Augen zu führen? Ist das nicht hübsches Blendwerk?

Versprochen indes, dass ich auch noch auf ein anderes Thema als die Festlichkeiten komme...;)

Um zur Eingangsfrage zurück zu kommen, würde sich mir die Hauptfrage aufwerfen: "Mussten die Bauern darben, weil es der Aristokratie gut ging?" Das ist natürlich eine sehr ökonomische Frage, wenn man sie sich näher anschaut. Wenn man sie bejaht, käme man leicht dahin anzunehmen, dass die Güter auf der Welt eine starre Zahl ausmachen. D.h., wenn die einen die Güter in ihren Besitz bringen, haben die anderen diese nicht. Ich glaube dieser Gedanke war zur Zeit des Merkantilismus auch noch vorhanden, wenngleich er nicht in unserem Kontext dieses Threads unbedingt betrachtet wurde. In Wahrheit ist es aber anders. Der Lebensstandart des Adels konnte sich vielleicht verbessern, da die Nachfrage nach Nahrungsmitteln durch das Bevölkerungswachstum zunahm. Allein in Frankreich erhöhten sich die Pachterträge um ca. 200 % zwischen 1730 und 1780*. Das ist klar, dass der Adel davon profitierte. Wir wissen ja, dass z.B. in Deutschland der Adel als Besitzer bestimmter Ländereien ganz fest installiert war - Nichtadelige durften z.B. nicht in den Besitz adeliger Grundstücke oder dergleichen gelangen. Es ist ja ganz klar, dass diese Profite eine Zunahme beim luxeriösen Lebensstil förderten.


Insgesamt trat mit der Aufklärung ein gewisser Wechsel der Ansichten über die Ökonomie ein. Man denke an Francois Quesnays "Tableau économique" von 1758 und noch mehr an Adam Smiths "Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth" of Nations von 1776. (Smith ist heute noch wichtig für die Ökonomen.) Aber schon vor beiden Autoren begriffen viele Herrscher, dass eben arme Untertanen schlecht für den Staat sind.
Während noch im 17.Jh. das Grundanliegen war, möglichst viel von den Einnahmen innerhalb des Staates in die fürstlichen Kassen zu lenken, wurde zunehmend erkannt, dass dies der Produktivität schadete. Wichtiger wurde die Wirtschaftsförderung durch den Herrscher, was in der Konsequenz Staat und Untertan gleichermaßen zu Gute kam. Hier sehen wir schon, dass sich der Herrscher zusehends, bei allen dynastischen Fixpunkten der Politik, im Sinne von staatlichen Zielen handelnd in eine neue Praxis einfügen musste, die üblich wurde. Die Staatskassen füllten sich also besser durch wohlhabende Untertanen, umtriebige Händler, alles andere als ruinierte Bauern...

"Die Maxime dieser Wirtschaftspolitik, die in Deutschland "Kammeralismus" genannt wurde, lautete, dass der Wohlstand einer umfangreichen Bevölkerung der sicherste Garant für die Macht des Staates sei, Monarch und Volk folglich identische Interessen hätten."
**

In dem Zusammenhang muss man das angebliche "Darben" der Bauern eben auch sehen. Staatlich und somit vom Fürsten gewünscht, bzw. in Kauf genommen, war es sicherlich bei rational nach diesen Maximen denkenden Herrschern nicht.

* Siehe B. Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung" S. 48
** ebenda: S. 64
 
Zuletzt bearbeitet:
Dazu folgendes, zu den 7 Todsünden:
Todsünden in der Kirchengeschichte

Evagrius von Pontus, ein griechischer Theologe (* 346 - 399/400) stellte erstmals einen Katalog von acht Todsünden und bösen Leidenschaften zusammen:
  1. Stolz,
  2. Ruhmsucht,
  3. geistliche Faulheit,
  4. Zorn,
  5. Traurigkeit,
  6. Habgier,
  7. Völlerei,
  8. Unkeuschheit.
Eine Reihung erfolgt nach der Ichbezogenheit. Stolz ist damit die schwerste Sünde.
Eine Zusammenschau auf 7 Todsünden geht auf Papst Gregor I., den „Großen“ (590-604) zurück. Er faßte Ruhmsucht und Stolz, sowie Traurigkeit und Faulheit zusammen und fügte den Neid hinzu. Ergebnis einer neuen Reihung war ein jahrhundertelang gültiger Katalog der Todsünden:
  1. Stolz,
  2. Neid,
  3. Zorn,
  4. Traurigkeit,
  5. Habgier,
  6. Völlerei,
  7. Unkeuschheit.
Im 7. Jh. wurde die Traurigkeit durch die Trägheit ersetzt.

Gegenwärtig listet die katholische Kirche folgende sieben Tod- bzw. Hauptsünden auf :Stolz,
  1. Habsucht,
  2. Neid,
  3. Zorn,
  4. Unkeuschheit,
  5. Unmäßigkeit,
  6. Trägheit oder Überdruß.

Mir erschließt sich noch nicht ganz, welchen Zweck diese Auflistung erfolgt. Könnte mir das bitte jemand darlegen?
 
Mir erschließt sich noch nicht ganz, welchen Zweck diese Auflistung erfolgt. Könnte mir das bitte jemand darlegen?
Vielleicht ein Vergleich der Handlungsweisen der Adeligen in einer Welt christlicher Maxime. Ich hätte dazu auch was von August dem Starken, aber das passt hier schlechter als in dem Mätressenthread nebenan. Jedenfalls orientierte sich die Rechtsprechung ja durchaus an christlichen Werten (in den Kontext gehören wohl Sünden), während diejenigen, welche diese Normen aufstellten, bestätigten, darauf achteten, dass sie eingehalten wurden, sich selbst bisweilen nicht daran hielten.

Aber wie Du damit vielleicht auch andeuten wolltest, würde das hier vielleicht zu weit führen... Und ich überlasse auch gern Caro1 ein Erklärungsmodell für ihr eigenes Handeln aufzustellen.:fs:
 
Ja, bin in dem Fall wirklich in erster Linie auf eine Erläuterung von Caro aus. Sie muss sich ja was dabei gedacht haben, als sie das so zusammenhanglos in den Pfad stellte. :)
 
Ja, bin in dem Fall wirklich in erster Linie auf eine Erläuterung von Caro aus. Sie muss sich ja was dabei gedacht haben, als sie das so zusammenhanglos in den Pfad stellte. :)
Oh, es diente nur der Beweisführung, dass seit jeher Völlerei bzw. Unmässigkeit und Trägheit bzw. Faulheit zu den Todsünden gehören, die die Kirche anprangerte. Das gemeine Volk sollte also für ein Handeln im christlichen Sinne büssen, das für den Adel quasi zum guten Ton gehörte?

Gerade für die zweiten und dritten Söhne des Adels und die Töchter (wenn ausschliesslich druch Primogenitur vererbt wurde) stellte sich die Frage nach dem finanziellen Auskommen.

Zumindest in England war es so, dass man mit einer Tätigkeit ausserhalb des Hofes, der Kirche oder des Militärs/Marine gleichzeitig seinen Status verlor. Ein Gentleman lebte nicht von seiner Hände Arbeit, auch seine Frau oder Tochter, oder sein Sohn nicht. War man gezwungen sich z.B. als Gesellschafterin zu verdingen, verlor man den Status. Das wird im übrigen Europa nicht viel anders gewesen sein.

Du durftest schlichtweg nicht arbeiten! Eine Dame der höheren Gesellschaft durfte sich auch im Haushalt nicht betätigen. Da lässt zum Beispiel Jane Austen einen Pfarrer die Mahlzeit loben und fragen, welcher der fünf Töchter er dafür gratulieren dürfe. Die Mutter weist das entrüstet von sich: "Meine Töchter betätigen sich nicht in der Küche". Damit unterstreicht sie deren Status, bzw. fühlt sich von dem Pfarrer beleidigt.

Es war keine Frage des Wollens, und ein Sitz im Parlament, also im House of Lords oder House of Commons galt nicht als "Arbeit" oder Profession im landläufigen Sinn.

Und darin sehe ich eine gewisse Diskrepanz, Ungerechtigekit, Unausgewogenheit, Unlogik.

Zumal gerade diese "Untätigkeit" die Herren in die Spielhöllen, Hurenhäuser etc. trieb. Was soll man denn auch tun, will man sich nicht langweilen? Wein, Weib und Gesang ...
Der Herrschaften, die aus purer Langeweile und Launenhaftigkeit heraus Haus und Hof verspielten und "verhurten"(wie man sagt) gab es viele. "Hätte ich eine sinnvolle Beschäftigung gehabt, ich wäre nicht auf eine solche Narretei verfallen..." ist ein Zitat, aus einem Buch der Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Oh, es diente nur der Beweisführung, dass seit jeher Völlerei bzw. Unmässigkeit und Trägheit bzw. Faulheit zu den Todsünden gehören, die die Kirche anprangerte. Das gemeine Volk sollte also für ein Handeln im christlichen Sinne büssen, das für den Adel quasi zum guten Ton gehörte?

Dankeschön für die Ausführungen. Aber was ist damit konkret gesagt? Es handelt sich bei Auflistungen wie den sieben Todsünden um etwas normatives, und damit geht einher, dass sich jede Zeit eine passende Auslegung davon macht. Sündenverständnis ist nichts statisches, selbst wenn uns manche Kirche das vormachen möchte. Grenzbereiche werden ausgetestet und überschritten, bis man man eine neue Definition für einen Sachverhalt findet, die den gewandelten Umständen enspricht - selbstredend mit einer gewissen Zeitverzögerung und nicht immer manifestiert, sondern auch im allgemeinen Umgang miteinander. Wenn man die sieben Todsünden im strengen Sinne auf die heutige Gesellschaft anwenden würde, schmorten wir wohl alle - wenn überhaupt purgatio und nicht gleich inferno - bis zum Jüngsten Gericht im Fegefeuer.

Wo konkret ist der Vorwurf deinerseits? Dass der Adel offensichtlich, und in diesem Punkt hast du meine vollste Zustimmung, sich ebenso wie viele Menschen der unteren Schichten nicht immer konform mit normativen Regeln zeigten, versteht sich eigentlich von selbst.
 
Ich würde Dir sofort zustimmen, wenn alle in den Genuss dieser Festlichkeiten und damit einer höheren Kunst gekommen wären. Es war aber nunmal nur eine bevorzugte Minderheit.

Heute entscheidet jeder selbst was er hört, oder sieht. Dem "gemeinen Volk" war damals jedoch der Zutritt zu derlei Festivitäten verwehrt (anders als im alten Rom).



das ist ein Irrtum.

In die Oper durfte jeder gehen, da gab es keinerlei Vorschriften, dass der 3. Stand das hätte nicht sehen und hören dürfen.
Ein Opernhaus hätte sich niemals alleine vom Adel ernähren können.

Venedig war eine Republik, und hat genau solche Feste veranstaltet ist dass dann auf einmal wieder o.K. ?!

Die großen Feste unter Louis XIV waren auch der allgemeinen Bevölkerung zugänglich, genauso wie das Schloss Versailles jeden Tag für jeden offen stand, solange er anständig gekleidet war.
Und wenn man eben kein geld für Degen, Perücke etc. hatte, so konnte man sich das für wenig Geld am Eingang leihen.


Es gab im 17. Jahrhundert öffentliche Konzerte und Theateraufführungen die jeder besuchen konnte.
(Im 18. Jh. erst recht)
Das diese Sachen allein der Oberschicht vorbehalten wären ist einfach eine Behauptung die nicht zutrifft.

Allein ein Blick in die Musikgeschichte beweist das schon.
Die meisten Opern wurden in öffentlicen Häusern gespielt, nur wenige enstanden exklusiv für Feste - und selbst diese wurden dann ganz normal öffentlich aufgeführt.

Malerei, auch da gab es nicht nur adlige Kunden. Ein gang durch das nächste Museum zeigt das schon.

Ich weiß ehrlich nicht wie Du dieses Urteil begründest.
Den Rand der Bevölkerung alleine zu betrachten halte ich allerdings für einen Fehlgriff, die Gesellschaft im Barock bestand nicht nur aus armen Bauern die Schlamm nach etwas essbarem suchten.


Das ist es, was man verwerflich finden kann. Die Einen lebten in Saus und Braus und die Anderen wussten nicht, woher das Brot für die Kinder nehmen. Wenn ich mir überlege wieviele Menschen man mit dem Geld, das allein ein Barockfest (incl. aller Kostüme) kostete hätte ernähren können, dann wird mir als Mensch schlecht, nicht als Kritiker der Zeit oder der Verhältnisse, die man natürlich immer im Zusammenhang sehen muss und nicht mit dem Heute vergleichen kann.

Das Problem hat sich aber bis Heute nicht geändert und deshalb ist es verfehlt da mit dem erhobenen Finger zu urteilen.

Wenn jeder so denken würde, dann gäbe es überhaupt keine Kunst mehr, denn Kunst kostet eben Geld und das nicht zu knapp.
Sollte man deshalb darauf verzichten ?
Nach Nietzsche ist der Mensch ein Wesen das ohne Kunst nicht existieren kann.

Genauso gut könnte man das auch Heute anführen. Für die 50.000 Euro die eine Operninszenierung kostet, was hätte man da alles tun können.... da wird mir als Künstler allerdings schlecht.
Da sehe ich keinen Grund warum man das Heute anders sehen soll, als damals, das Elend Heute ist noch genauso groß.
Sorry, aber mit diesem Statement sprichst Du mir z.B. das Existenzrecht ab....
Aber ich werde da nicht weiter drauf eingehen, das ist ja eh diesbezüglich nicht gern gesehen, aber das musste einfach mal gesagt werden *schnaub*
 
Das ist sehr unterschiedlich.

In die Oper in Berlin z.B. durfte sogar ein Teil der Garnison zu Zeiten Friedrich II., der Eintritt war generell frei, wenngleich sich Standespersonen natürlich die besseren Logenplätze reservierten, während manche Gruppen, wie die Akademie, feste Logen hatten, welche die Mitglieder einnahmen.

das ist ein Irrtum.

In die Oper durfte jeder gehen, da gab es keinerlei Vorschriften, dass der 3. Stand das hätte nicht sehen und hören dürfen.
Ein Opernhaus hätte sich niemals alleine vom Adel ernähren können.
Passt doch sehr schön zusammen. :)

Man sieht es am Geist der Opern, dass eben der Geschmack einer breiteren Zuschauerschicht getroffen werden musste, wenn eine Oper erfolgreich werden sollte und man nicht bloß auf eine gebildete und vielleicht im Geschmack kultiviertere Oberschicht die Stücke zuschneiden durfte.
 
Nach Nietzsche ist der Mensch ein Wesen das ohne Kunst nicht existieren kann.
Ja, Nietzsche hat auch gesagt, "wenn du zum Weibe gehst, nimm die Peitsche mit". :motz:

Mir ging es auch nicht darum, ob der Zugang zur Kunst grundsätzlich möglich war, sondern WER es sich überhaupt leisten konnte, wenn z.B. die Salzsteuer allein schon so hoch war, dass Menschen verhungerten.

Wer ist denn tatsächlich in die Oper gegangen oder in Ausstellungen? Das Bürgertum und der Adel. Für das gemeine Volk, das gemäss Einkommen&Steuern die höchste Last zu tragen hatte, gab es die billigen Vergnügungen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
und ein Sitz im Parlament, also im House of Lords oder House of Commons galt nicht als "Arbeit" oder Profession im landläufigen Sinn.
Das wurde ja auch nicht bezahlt ...

Und darin sehe ich eine gewisse Diskrepanz, Ungerechtigekit, Unausgewogenheit, Unlogik.
Die ist nicht wirklich da.
Trägheit etc. im kirchlichen Sinne läßt sich ja nicht nur durch bezahlte Erwerbsarbeit vermeiden.
Vor allem wenn manche dieser Tätigkeiten zwar bezahlt wurden, aber in kirchlicher Sicht nicht wirklich als wertschöpfende Arbeit anerkannt wurden (Geldverleiher, Fernhändler ...).

Die höheren Stände waren ja schon beschäftigt, und zwar ehrenamtlich für eine Reihe staatlicher Aufgaben.

In erster Linie eben indem sie die militärischen Führungsfunktionen besetzen (in geistiger Nachfolge der alten Folgschaftspflichten der Ritter). Offiziere erhielten zwar Sold, aber der reichte nicht für einen angemessenen Lebensunterhalt - in erster Linie lebte man vom ererbten Familienbesitz.

Dann übte der Niederadel die niedere Gerichtsbarkeit aus, meist auch ohne Bezahlung ("Lord of the Manor" in England), auch die Parlamentstätigkeit gehört zu den staatlichen Ehrenämtern, und diverse andere staatliche Ämter.
 
Nietzsche hat vieles gesagt. Auch viele andere weise Männer (was nicht unbedingt heißen soll, dass ich Nietzsche für weise halte..).

Aber es stimmt schon, dass Opern für ein breiteres Publikum gedacht waren. Wenn man sich alte Opernhäuser mal genauer ansieht, dann weiß man, dass unten im Parkett eben die "unteren Schichten" saßen - oder manchmal sogar standen, wenn ich mich nicht irre - während die Höherrangigen ihre Logen im oberen Stockwerk hatten.

Weshalb übrigens auch heute noch im Kino und Theater zwischen "Parkett"- und "Logenplätzen" unterschieden wird (auch preislich). Weil die sogenannten Logenplätze die beste Sicht und den besten Klang des Saales bieten.
In alten Opernhäusern, wo das Parkett nicht hinten nach oben hin gebaut ist, hat man immernoch in den Logen die beste Sicht. Wenn man da im Parkett sitzt, sagen wir in der fünften Reihe, hört man zwar vielleicht was vorgeht, aber mit Sehen ist da nicht mehr viel.

Bei Theatern war es dasselbe, die niederen Stände standen oder saßen direkt vor der Bühne, die Höherrangigen und Reicheren in Logen mit einer gewissen Distanz zur Bühne, wo man das Geschehen besser verfolgen kann.

Hätte man den unteren Schichten das Theater bzw. die Oper nicht zugänglich gemacht, wären diese zum einen mit Sicherheit eine brotlose Kunst geworden und zum anderen hätten wohl die Armen/unteren Schichten weit früher revoltiert als im 18. Jahrhundert.
 
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