die Wunder mal außen vor gelassen
Mit Geschichtswissenschaft hat das ja augenscheinlich erst einmal nichts zu tun. Bei genauerer Betrachtung schon.
Die meisten Wunder Christi Jesu sind Metaphern, Symbole, Parabeln. Das kann man ganz klar so sagen. Kein Katholik, der noch ganz bei Verstand ist, glaubt, dass Jesus wirklich über das Wasser gelaufen ist oder dass er einen Toten (Lazarus) tatsächlich von den Toten aufgeweckt hatte.
Das kann ich ganz kurz sagen: Aus exegetischer Sicht ist das erste Beispiel so zu deuten, dass Jesus den Glauben seiner Jünger testen wollte, und dass nicht Jesus zu ihnen ging, sondern eher sein Auftrag bzw. seine Idee.
Das zweite versteht man allgemeinhin so, dass Lazarus seinen Glauben verloren hat (also im Glauben tot war). Jesus kam zu ihm, hat ihm neuen Glauben "geschenkt" und ihn somit wieder zum Leben erweckt. Gleiches dürfte auch für die Auferstehung Christi gelten.
Aber das ist – wie gesagt – Exegese.
Die Geschichtswissenschaft kommt vor allem in der Torah zu tragen, z. B. in den Sieben Plagen, die sich durchaus logisch beweisen lassen.
Als das Volk Israel "40 Jahre" lang in der Wüste war und es verhungerte, starben entkräftete Zugvögel, die genau an dieser Stelle ihre Route hatten und vielen vom Himmel. Ein Wunder! Dass diese Vögel nämlich genau dort entlang geflogen sind, das Volk genau dort entlang gewandert ist und die entkräfteten Tiere tot nach unten fielen.
Genauso wie das Himmelsbrot, Manna. Dabei handelt es sich um ein essbares Sekret einer Blattlaus, das in getrocknetem Zustand Papier (oder eben Brot) ähnelt. Auch ein Wunder.
Wenn ich das zusammennehme, dann komme ich zu dem - freilich rein hypothetischen - Schluss, dass in den ersten Jahrzehnten nach dem Tod der beiden, eine gewisse Konkurrenz zwischen zwei messianischen Bewegungen bestanden hat und es Anliegen der stärkeren dieser beiden messianischen Bewegungen war, für die übrigen Anhänger der schwächeren der beiden messianischen Bewegungen sinnstiftend eine Brücke zu bauen, ihnen quasi zu sagen: Ihr seid schon dem richtigen gefolgt, aber er war halt nur ein Prophet, der den eigentlichen Messias angekündigt hat.
Das kann ich mir auch so vorstellen, wie du es sagst. Ich bin kein absoluter Bibelprofi, aber ich denke, dass dies durchaus so gewesen sein könnte.
Es kann aber durchaus auch sein, dass die Johannes-Gemeinde sich der Christus-Gemeinde angeschlossen hatte, da sie von der Messiasrolle Christi überzeugt wurden und zwar von Gott und von Johannes. Dabei beziehe ich mich auf Joh 1,29-34:
"Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekanntzumachen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes."
Ebenso Joh 1,36: "Seht, das Lamm Gottes!"
Johannes gibt also bereitwillig seine Rolle als Prophet ab, sieht seinen Auftrag als erfüllt und den Messias als erschienen an. Wenn er also sagt, dass er keinerlei Ansprüche stellt und seiner Gemeinde (die, wie ich denke, eher aus einzelnen Pilgern bestand denn aus einer fest etablierten Gemeinde wie die Pharisäer) Jesus als den Messias vorstellt, dann dürfte auch eigentlich keine Konkurren entstehen.
Von Gottes Seite, die ich bereits erwähnte, steht etwas in Lk 3,22: "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden."
lediglich auf die Texte, die von ihnen berichten.
Entschuldigung, ja. Das wollte ich damit sagen
Nun gut, Joseph Ratzinger ist aufgrund seiner prominenten Stellung, die er in den letzten Jahren und Jahrzehnten innerhalb des Katholizismus eingenommen hat, eben verpflichtet zu einer theologischen Ausdeutung der überlieferten Schriften. Uns hier interessiert - auch aus Gründen der Intersubjektivität, Ratzinger muss nicht einmal unbedingt innerhalb des Katholizismus intersubjektiv argumentieren - das ganze mehr aus historischer Sicht, als aus theologischer.
Papst Benedikt XVI. hat dies zwar während seines Pontifikates geschrieben, allerdings verlangt er für sein Werk keine Lehrautorität, womit diese Schriften nur seine persönliche Meinung als gläubiger Katholik und nicht als Papst darstellen dürften.
Die Forderung, die du stellst, ist in einem Geschichtsforum legitimiert, allerdings beleuchtet dieses Buch mit seinen Abhandlungen den historischen Kontext der Stationen im Leben Jesu und gibt Einblicke in die gesellschaftliche und politische Historie bzw. Situation zu Zeiten Jesu.
Ich habe mich jetzt auch nur auf dieses Buch bezogen, da dort die Lage meines Erachtens nach am deutlichsten geschildert wird.
Eben, laut den Evangelien. Es handelt sich eben nicht um neutrale Überlieferungen dessen, was Johannes wollte, sondern durch Überlieferungen von Christen, also einer interessierten Partei. Nur durch deren Brille sind uns Aussagen des Täufers überliefert.
Das kann man jetzt auch wieder so und so sehen. Ich sehe es durch die Brille der Christen, du wahrscheinlich durch jene eines objektiven Geschichtswissenschaftlers.
Johannes wird zum Glaubenszeugen für Christus durch die Evangelisten vereinnahmt. Wenn er dieses Glaubenszeugnis wirklich abgelegt hätte, dann hätte er wahrhaft prophetische Fähigkeiten gehabt. Das mag man als gläubiger Mensch vertreten. Für die historische Diskussion ist das aber nicht geeignet.
Ich wäre gespannt, was für dich "prophetische Fähigkeiten" sind.
Ich kann das mal eben sagen: Prophetie hat nichts mit Hellseherei oder Magie zu tun. Propheten sind nach christlichem Verstnändnis auserwählte Menschen, die von Gott einen Auftrag erhalten. Diese Menschen gehen in eine Stadt (z. B. Iona) oder in ein Land, wo sie die Missstände anprangern. Diese Kritik enthält immer einen kultkritischen Teil, dass also Gott nicht mehr der gebührende Respekt entgegengebracht wird, und einen sozialkritischen (du kannst dir sicherlich etwas darunter vorstellen).
Dabei beziehen sie sich vor allem auf die Zehn Gebote, den Dekalog, der aus dre (nach anderen Meinungen vier) theonomen und sechs bzw. sieben autonomen Geboten besteht und somit auch wieder Kult und Gesellschaft beinhaltet.
Tatsächlich kann man Johannes den Täufer nach dieser Definition als Propheten bezeichnen, denn er übt ja gerade diese Kritik, ruft zu einer Umkehr auf, will eine Beichte und ein Sündenbekenntnis. Was aber sonst Gott tut (also der Stadt/dem Land vergeben), tut Johannes selbst, indem er die Sünder tauft und sie somit von ihrer Sünde reingewaschen sind.