Hermann weist aufgrund der vorhandenen Quellen auf Eigenarten und Unterschiede hin.
Ja, generell in seiner Untersuchung tut er das. Im Falle des bei Iosephus erwähnten Eides sind ihm jedoch deutlich etwas die Hände gebunden. Denn da Iosephus nicht den Wortlaut mitteilt, kann man wenig mit den anderen Kaisereiden vergleichen. Der einzige Vergleich, den Herrmann anstellt/ anstellen kann, findet sich in Anm. 29 auf S. 98.
Dort teilt er zum Wort εὐνοήσειν ("gewogen/wohlgesonnen sein" im Futur) mit, dass im Text des Iosephus eigentlich εὐνοῆσαι überliefert ist, welches man aber in den Textausgaben in die Futur-Form ändere, denn: "Die Analogie aller ähnlichen Eide legt aber das Futur nahe". (Und schaut man in den griechischen Text der Kaisereide im Anhang Herrmanns, so findet man dort auch die Futur-Form.)
Das klingt doch ein wenig so, als sähe Herrmann im Falle des Eides bei Iosephus einen Kaisereid vor sich. Das tut er aber nicht. Die Begründung, warum das kein Kaisereid sei, läuft dann ziemlich unabhängig von Vergleichen mit anderen Eiden.
Was Herrmanns Begründung angeht, spielt jetzt tatsächlich die Frage, ob man die Eide im 15. Buch und im 17. Buch der antiquitates als nur ein Ereignis oder als zwei verschiedene auffasst, eine ganz wesentliche Rolle. Da hast Du recht. Herrmann scheint wie W. Otto davon auszugehen, dass es ein und dasselbe Ereignis ist, was nur an zwei Stellen verschieden geschildert wird. Weil nun Herodes im 15. Buch den Eid auf seine königliche Person aus eigenem Interesse einfordert, so gewinnt Herrmann "den Eindruck, daß hier [im selben Eid im 17. Buch] die Treueverpflichtung gegenüber Augustus aufgrund der bestehenden politischen Abhängigkeit in einen von Herodes im eigenen Interesse verlangten Eid mit hineingenommen wird". Dieser Eindruck basiert voll und ganz auf der Annahme, dass in Buch 15 und 17 von ein und demselben Ereignis berichtet wird.
In Klammern verweist Herrmann noch auf S. 30, wo eine Art Parallelfall zu finden sei: Die Soldaten von Magnesia und die benachbarten Bürger von Smyrna schlossen um 246 v. Chr. einen Freundschaftsvertrag miteinander. Die Magnesier werden in die Bürgerschaft der Smyrnäer aufgenommen und schwören ihr Wohlwollen gegenüber dem König Seleukos II. und der Stadt Smyrna; die Smyrnäer schwören ihr Wohlwollen gegenüber dem König und den Magnesiern. Die Parallele also muss die sein, dass die Smyrnäer die neu aufgenommenen Bürger nicht nur sich selbst Treue schwören lassen, sondern diese neuen Bürger auch dem König Treue schwören lassen, dem die Smyrnäer selbst treu ergeben waren. Ich verstehe, dass Herrmann dieses Beispiel aus 246 v. Chr. zur Verdeutlichung anführt, aber ein Argument dafür, dass Herodes rund 240 Jahre später eigenmächtig den Eid auf den Kaiser, dem er persönlich ergeben war, nur der ohnehin stattfindenden Eidesleistung auf ihn als König angehängt hat, kann das natürlich nicht sein.
Auch der Satz "[...] Gefolgschaftseid für Augustus [...], bei dem es kaum denkbar wäre, daß Herodes 'in die übliche Formel nur seine Person mit eingeschoben' hätte" basiert wieder ganz auf der Annahme, das Ereignis im 17. Buch der antiquitates sei das selbe wie im 15. Buch.
Und weil mir diese Annahme ganz fremd war, hat mich Herrmanns Begründung, warum es sich bei Iosephus nicht um einen von Augustus geforderten Eid handeln soll, nicht überzeugt. Jetzt kann ich diese Begründung wenigstens nachvollziehen. Aber mir scheinen die Eid-Ereignisse im 15. und 17. Buch immer noch verschiedene zu sein.