Zunächst ein Blick auf die mythologische Vorgeschichte der historisch nicht gesicherten Xia-Dynastie:
Es soll eine Reihe von Herrschern gegeben haben, deren Zahl und Zusammenstellung in den sieben bekannten Quellen differieren. Den Anfang macht generell der legendäre Fu Xi, dem die Erschaffung der Menschheit und einige fundamentale kulturelle Geschenke an diese zugeschrieben werden. Als seine Schwester-Gattin gilt die Schamanengöttin Nugua, die ich im Kontext des chinesischen Schamanismus zusammen mit der Schamanengöttin Xi Wang Mu schon erwähnt habe.
Zu Nugua: Mit einiger Sicherheit war sie ursprünglich eine selbständige Gottheit und wurde erst in der späteren Mythologisierung zu Fu Xis Schwester-Gattin umgedichtet. Fu Xi selbst hat ebenfalls schamanische Züge; das angehängte Bild zeigt ihn in einem schamanentypischen Leopardenfell. Auffällig ist die Ähnlichkeit von Fu Xi und Nugua zum sumerischen Götterpaar Enki und Ninki aka Ninhursag). Ähnlich wie die beiden Sumerer erschaffen auch Fu Xi und Nugua die Menschen aus Lehm. Ähnlich wie Enki im Atraharsis-Epos sorgt das chinesische Paar für die Rettung der Menschheit nach der obligatorischen Großen Flut, indem es sie neu erschafft, während Enki den Menschen Atraharsis warnt und veranlasst, ein Schiff zu bauen (Vorbild des Noah-Mythos). Ähnlich wie Enki und Ninki werden auch Fu Xi und Nugua mit Schlangen assoziiert, letztere sogar als körperlich halb Mensch, halb Schlange beschrieben, was bei Fux Xi und Nugua ihr Schamanentum betont. Eine Parallele ist natürlich auch das inzestuöse Verhältnis bei beiden Paaren.
Man hat darüber spekuliert, ob der Fu Xi / Nugua-Mythos teilweise aus von sumerischen Händlern nach China übermittelten Enki-Ninhursag-Mythen entstanden sei, so wie auch andere Verbindungen zwischen Sumer und China zumindest hypothetisch hergestellt werden können. Möglicherweise hat Sumer durch Handelskontakte nach China ab Mitte des 3. Jt. BCE die chinesische Kultur zur Zeit der Xia-Dynastie entscheidend beeinflusst. Zu dieser Auffassung neigt jedenfalls Prof. Milo Kearney. Andere bestreiten einen solchen Kontakt. Ich will mich im Moment in dieser Frage nicht festlegen.
Die anderen legendären Herrscher der Prä-Xia-Periode übergehe ich, um auf Xia selbst zu kommen. Diese Dynastie begann (legendär) mit dem ersten Kaiser Chinas, Yu, der vom letzten (legendären) Herrscher der vorausgehenden Epoche, Shun, die Herrschaft wegen seiner herausragenden Fähigkeiten anstelle von Shuns eigenem Sohn übertragen bekommen hatte. Weil er glaubte, dass die Lebenserwartung mit der Zahl der sexuellen Partner steigt, legte sich Yu einen Harem von mehreren 1000 Konkubinen zu. Allerdings erlangte er Unsterblichkeit erst nach dem Beischlaf mit 1000 Jungfrauen.
Die früheste Erwähnung dieser Gestalt findet sich erst über 1500 Jahre nach seiner angeblichen Regierungszeit in einer Inschrift aus der westlichen Zhou-Periode (ab 1045 BCE).
Was die mögliche Historizität der Xia-Dynastie betrifft, gibt der Umstand, dass die
Shiji, die in der Zeit der Han-Dynastie (94 BCE) vom Hofbeamten Sima Qian verfasste Geschichtsschreibung, Daten über die Shang-Periode liefert, die wissenschaftlich verifiziert werden konnten, Anlass zur Hoffnung, dass die Xia betreffenden Daten gleichfalls (relativ) zutreffend sein könnten. Über die Xia-Kultur berichtet das Werk im einleitenden Teil
běnjì 本紀 mit seinen 12 Kapiteln über Kaiser und Könige.
Siehe auch:
http://www.chinaknowledge.de/Literature/Historiography/shiji.html
sowie auf Chinesisch / Englisch:
http://ctext.org/shiji/ens
(Ist im Original nicht ganz einfach zu lesen, da komme auch ich mit meinen bisher 60 Schriftzeichen nicht weit)