Senatorische Geschichtsschreibung hin oder her aber was bezweckt denn ein Patrizier, ein Fabier oder wer auch immer, wenn er den Kaiser über alle Maßen mit Dreck bewirft und ihn abnorme Perversitäten andichtet? Bringt ihm das die Macht zurück? Nein, sondern man fragt sich doch eher, welches Problem der Diffamierer denn bloß mit dem Machthaber hat. Und wenn diese Gerüchte erst nach dem Tod des Potentaten verbreitet werden, dann machen sie ja noch sehr viel weniger Sinn.
Sich auf Ereignisse und Persönlichkeiten in der Vergangenheit zu beziehen, kann natürlich erstmal dabei helfen gewisse zensorische Spielregeln zu umgehen.
Vielleicht konnte man einen amtierenden Kaiser und seine Dynastie nicht offen kritisieren, aber natürlich konnte man z.B. einen griechischen Tyrannen oder einen Kaiser der Vorgängerdynastie Kritisieren und dieser Tyrann oder Kaiser konnte innerhalb des literarischen Werks natürlich rein zufällig ähnliche Ticks und Eigenschaften aufweisen, für die amtiernde Kaiser bekannt waren oder die ihnen nachgesagt wurden, so dass den Zeitgenossen klar sein musste, wer eigentlich gemeint war.
Es sei denn, diese Diffamierungen, Caligula sei das abscheulichste und abartigste Scheusal der Menschheitsgeschichte führt dazu, dass der Senat darüber übereinkommt, dass das Kaiserhaus wegen seiner Machtkonzentration keinen Bestand haben darf.
Es ist wenig sinnvoll den Senat als homogene Interessengemeinschaft zu betrachten. Die senatorischen Familien, hatten natürlich insofern zum Teil ähnliche Interessen, als das sie der sozialen Oberschicht angehörten, aber für einen Teil der senatorischen Familien war es wesentlich interessanter sich auf die eine oder andere Weise mit dem jeweiligenn Kaiserhaus zu verbinden, als es stürzen zu wollen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der Senat bestrebt war, die überbordende Machtauswüchse der julisch-claudischen Familie einzuhegen.
Die führenden, reichsten, angesehensten und am besten vernetzten unter den Senatoren/Senatorischen Familien mögen Interessen in diese Richtung gehabt haben, die Aufsteiger unter den Senatoren und die weniger bedeutenden senatorischen Familien eher nicht.
Für die war ein mächtiger Kaiser mit dem sie sich gegen die bedeutenderen Senatoren verbünden konnten wesentlich attraktiver, als ein ein schwacher oder gar kein Kaiser und ein mächtiger Senat, in dem sie dann als minderbedeutende Akteure von den mächtigeren senatorischen Familien marginalisiert worden wären.
Bei einem starken Kaiser hingegen, der mächtig genug war, sich mit den größeren sentaorischen Familien anlegen zu können, konnten sie das Zünglein an der Wage sein mächtiger werden, als ihre ökonomischen Möglichkeiten und ihr Ansehen es sonst zugelassen hätten.
Doch die haben die Prätorianergarde und zusätzlich die Germanische Leibwache.
Das ist falsch ausgedrückt. Es gab die Prätorianergarde. Wem gegenüber die gerade loyal war, ist eine ganz andere Frage.
Es ist einmal eine problematische Eigenschaft, von stehenden (Elite)Formationen, die sich im Zentrum der Macht befinden, dass sie sehr gerne ein Eigenleben entwickeln, dazu neigen Palastrevolutionen anzuzetteln und sich in Nachfolgefragen einzumischen.
Das war bei den Prätorianern so und das war auch bei anderen Formationen, die in der Geschichte ähnliche Rollen hatten, wie bei den Janitscharen im Osmanischen Reich oder den Strelizen im vorpetrinischen Russland so.
Auf den Unterschied zwischen Prätorianergarde und Germanischer Leibwache ist bereits hingewiesen worden. Prätorianer als in der Regel Einheimische hatten sicherlich größere Hemmungen gegen Römer vorzugehen, mit denen sie einiges verband, als die Germanen, die keine nähere Verbindung damit hatten.
Wie viel tatsächliche Loyalität die Angehörigen der germanischen Leibwache tatsächlich für den Kaiser empfanden, wird schwierig zu beurteilen sein, wahrscheinlich wird ein Gutteil der Loyalität auf regelmäßiger und guter Besoldung beruht haben, schlechterdings waren die senatorischen Familien in der Regel sehr zahlungskräftig und sicherlich in der Lage, der germanischen Leibwache den Sold zu erhöhen, wenn sie dafür ihre Loyalität wechselte.
Insofern sind das Gruppierungen, die im komplexen Machtgefüge des Kaiserreiches durchaus ein Eigenleben hatten und einen eigenen Machtfaktor darstellten, oder deren Loyalität möglicherweise zu kaufen war (Germanen und andere Söldner).
Ein anderer Machtfaktor sind natürlich die Legionen.
Grundsätzlich ja, aber weniger, was die Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und den senatorischen Familien angeht, als im Hinblick auf Kommandeure die auf die Idee kommen konnten sich selbst zum Kaiser zu machen, wofür sie allerdings die Mittel benötigten ihre Truppen zu bestechen um da mit zu machen, was enorme Summen oder Beuteversprechen erforderte.
Die Möglichkeit solche Mittel im Voraus aufzubringen hatten die Wenigsten (und schon gar nicht ständig) und wer seinen Truppen erlaubte Italien zu plündern um sie bezahlen zu können, machte sich natürlich bei sämtlichen führenden Familien Roms, die da ihre Besitzungen hatten, nicht unbedingt beliebt.
Was wäre denn, wenn Tiberius oder der jüngere Germanicus (Letzterer war wohl nicht in der Thronfolge aber wer die Macht hat, der bestimmt) es nicht abwarten können, bis Augustus endlich stirbt, sondern sie brechen mit Billigung des Senates etwaige Feldzüge in Germanien, Pannonien oder wo auch immer ab, um in Rom einzumarschieren und den Kaiser abzusetzen?
Warum hätten die Senatoren auf die Idee kommen sollen sowas zu unterstützen? Wenn man einem Feldherren erlaubt hätte in Rom einzumarschieren und sich selbst auf den Thron zu setzen, vielleicht wäre der ja auf die Idee gekommen, dass der Senat eigentlich eine überlebte Institution sei, der es eigentlich nicht mehr bedürfe und wo die Truppen ohnehin schon einmal da sind und man sie mit irgendwas bezahlen muss, weil die sich für die Intrigen auch nicht umsonst hergeben...........
Mal davon abgesehen, dass das erstmal vorausgesetzt hätte die Truppen überhaupt dazu zu bewegen dem zu Folgen.
Feldzüge in Pannonien und anderswo an und vor allem außerhab der Reichsgrenze bedeutete, die Truppen mussten kämpfen, sie durften anschließend aber auch alles plündern, was sie vorfanden, so dass es sich auch lohnte.
Einen solchen Feldzug mal eben "umzuleiten" hätte vorausgesetz den Truppen einen Ersatz für die entgangene Chance auf Plünderungen in Aussicht zu stellen.
Heißt der entsprechende Feldherr hätte den Truppen erlauben müssen Italien und Rom zu plündern.
Über ein solchs Ansinnen wären die Senatoren nicht unbedingt amused gewsen und vor der römischen Bevölkerung wäre dass sicherlich auch kein gelungener Amtsantritt eines Kaisers gewsen, sie als erste Amtshandlung zunächst mal ausrauben zu lassen.
Keine gute Idee.
Da war es für Senatoren, die mit dem Gedanken spielten einen missliebigen Kaiser loswerden zu wollen, wesentlich simpler, sicherer und billiger zu versuschen die Prätorianer oder die Germanische Leibwache zu bestechen oder zu versuchen sonstige Bedienstete, die direkten Zugang zum Kaiser hatten "umzudrehen", oder eben das römische Stadtvolk gegen den Kaiser aufzubringen.
Aber keinen Militärführer, den sie nicht kontrollieren konnten und der womöglich mehrere Legionen mitbrächte, die Hauptsächlich auf Beute aus sein würden.