Bei aller Beharrlichkeit deinerseits musst du dir doch auch mal die Frage stellen, wie wahrscheinlich ein solches Szanrio ist, demzufolge die Kulturtechnik des Feuermachens nur auf einen beengten Personenkreis beschränkt war. Die Gruppen waren sozial noch kaum hierarchisiert (zumindest gibt es davon keine Spuren), eine Einengung der Kulturtechnik wäre dem Überleben der Gruppe nicht förderlich gewesen - was freilich für den Menschen kein Hindernis ist irgendetwas zu tun oder zu lassen. Vor allem aber ist Feuer in der Kulturgeschichte des Menschen immer auch ein ganz zentraler Ort der Zusammenkunft gewesen. (In verschiedenen frühgeschichtlichen Kulturen sind Säuglings- und Fötenbestattungen häufig in der Nähe der Feuerstelle untergebracht, Säuglings- und Fötenbestattungen unterscheiden sich dabei von den regulären Bestattungen, die meist nicht im engeren Siedlungskontext stattfanden, teilweise sogar durch die Unterscheidung Körperbestattung zu Brandbestattung.) Wir waren bei der Feuerstelle als Ort der Zusammenkunft.Aber natürlich kann eine Gruppe diese Fähigkeit verlieren. Wenn ich weiter oben lese, Feuer machen sei wie Fahrrad fahren, solch eine Fähigkeit könne man nicht verlieren, so muss ich da doch deutlich widersprechen. Zunächst einmal habe ich nicht von Individuen gesprochen, die eine Fähigkeit verlieren, sondern von Gruppen. Dazu reicht es ja, dass nur einzelne die Fähigkeit besaßen Feuer zu machen und gerade diese Personen gleichzeitig ausfallen. Dazu kann ich mir eine ganze Menge Szenarien vorstellen. Nach Murphys Gesetz geht alles schief, was schief gehen kann: irgendwann, irgendwo.
Wie stellst du dir also das Szenario vor, wenn die frierende oder hungernde Gruppe ein Feuer entzünden will... der angenommene Geheimnisträger sagt zu seinen Leuten: "Jetzt verlasst alle mal unsere Hütte, damit ich hier in Ruhe unser Feuerchen entzünden kann?" Hältst du das für tatsächlich realistisch? Darauf würde dein Beharren nämlich hinauslaufen.
Warum immer wieder die Vorstellung wie eine Monstranz vor sich her getragen wird, Menschen heute seien grundsätzlich anders als Menschen vor ein paar zigtausend Jahren, erschließt sich mir nicht. Oder doch: Vor dem Hintergrund religöser Vorstellungen und des Prinzips das nicht sein kann, was nicht sein darf. Das ist aber nicht wissenschaftlich und damit für unsere Diskussion unzulässig. Ich sehe keinen, gar keinen Grund zu dieser Annahme, außer vielleicht dem Umstand, dass es vor diesen paar zigtausend Jahren keine Kultur gab, die Steinbauwerke hinterlassen und eine Technik entwickelt hätte, wie wir sie heute normal finden.
Nein, da gibst du etwas falsch wieder. Niemand hat behauptet, dass Feuer zu machen eine einfache Tätigkeit war. Es war eine zeit- und kraftraubende Tätigkeit, die Energie (Joule) verbrauchte. Deswegen trug Ötzi neben Materialen zum feuermachen auch glühende Asche mit sich rum (so zumindest die archäologische Interpretation des in Ahornblätter gewickelten Ascherestes), deswegen gab es bis weit in die Neuzeit Regeln, dass ein Bauer einem anderen nicht die Glut verwehren durfte, um seinen Ofen wieder zu entzünden. Niemand hat behauptet, dass feuerzumachen plötzlich "einfach" gewesen sei. Der Punkt ist ein völlig anderer: Wir reden hier nicht über den Homo Sapiens Sapiens sondern über Habilis, Erectus etc. Mal angesehen von der Frage der sozialen Differenzierung in diesen Gruppen, die auf relativ flachen und auch veränderlichen Hierarchien beruht haben dürfte, wurde mit der Ausbreitung des Menschen in kühlere Klimazonen, mit seiner fortschreitenden Haar- und Wehrlosigkeit und der Rückbildung seines Gebisses Feuer immer wichtiger. Die Menschen konnten es sich einfach bei Gefahr des Aussterbens der Gruppe nicht erlauben, diese Fertigkeit wieder aufzugeben. Da war die Evolution knallhart!Weiter oben im Thread schien noch große Einigkeit darüber zu herrschen, wie schwierig es sei, Feuer zu machen; wie besonders und großartig diese Erfindung sei. Nun, wo die Frage im Raum steht, ob Menschen das Feuer wieder verloren und trotzdem weitergelebt haben könnten, ist es plötzlich eine so einfache Fertigkeit, dass es jeder gekonnt haben muss und es undenkbar sein soll, dass eine Kultur diese Fähigkeit verloren haben könnte.