Eine Inventur offener Fragen:...
4. Zusammenhang zwischen Kriegslage Kaukasus und Deportationen der Armenier?
Die russisch-osmanische Front im ersten Weltkrieg ist ein wenig beachtetes Thema. So wird bei Oguz in Enzyklopädie Erster Weltkrieg beispielsweise das Jahr 1915 für die Kaukasische Front überhaupt nicht behandelt.
Bzgl. der Opferzahlen des Osmanischen Reiches (>326.000 Tote Soldaten, ca. 2.000.000 Tote der Zivilbevölkerung[*] bei einer Ausgangsbevölkerung von 17 Mio. im Bereich etwa der heutigen Türkei) stehen die Hungerkatastrophen durch Ernteausfälle, oder die Landungsoperation der Westalliierten bei den Dardanellen im Vordergrund.
Die Vorgänge an dieser Front haben jedoch wegen der großen Tragweite ebenso wie die Invasion im Westen (Dardanellen) das Handeln des Triumvirats entscheidend beeinflusst. Gust stellt in seinem Aufsatz (-> Enzyklopädie, siehe oben, S. 342) heraus, dass ursprüngliche jungtürkische Absichten zur "Eliminierung antitürkischer Elemente" sich nur auf den Westen (Griechen) und den äußersten Osten (Armenier) bezogen. In diesem Kontext sind einerseits die Auswirkungen der osmanischen Niederlage um die Jahreswende 1914/15 wie auch die späteren tiefen Vorstöße 1917/18 in das russische Kaukasusgebiet zu beachten, die jeweils mit dem Genozid an der armenischen Bevölkerung in Verbindung stehen.
Die wesentlichen Vorgänge an der osmanisch-russischen Front können hier kommentiert werden. Zur Einführung:
Kaukasusfront (Erster Weltkrieg) ? Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Sarıkamış
[*] davon die Masse Armenier, weiterhin Griechen und türkische Bevölkerung
Vorbereitungen beider Seiten:
Im Verlauf des September 1914 hatten wesentliche Ereignisse die Lage der Mittelmächte verschärft: Der Vormarsch Ö-U wurde durch Serbien aufgehalten, die russische Armee errang in Galizien einen Sieg, und der deutsche Vormarsch wurde an der Marne gestoppt. Mehrere Depeschen der Mittelmächte meldeten dem Triumvirat den laufenden Abzug russischer Truppen aus dem Kaukasus, die an die Ostfront verlegt wurden. Damit erledigten sich auch anfängliche Überlegungen, osmanische Truppen in Bessarabien zu landen.
Die Zielsetzung des Triumvirats war ohnehin auf die osmanisch-russisch-persische Grenze gerichtet, während die Mobilisierung der Armee im September vorangetrieben wurde. Der angestrebte Vormarsch in den Kaukasus sollte dabei mit einer Erhebung islamischer Kräfte in der Region zusammenfallen. Das gleiche Vorgehen war für Nordpersien geplant. Mitte September waren 36 osmanische Divisionen verfügbar, mit 350.000 Mann und 1000 Geschützen. Enver Pascha verteilte diese wie folgt:
I./II./III. und VI. Armeekorps zur Verteidigung der Dardanellen und Istanbul
IV./V. AK auf dem asiatischen Teil der Marmara-Küste
IX./X./XI. AK an der russischen Grenze (rd. 125.000 Mann)
VIII. AK Damaskus
XII. AK Mosul
XIII. AK Bagdad
VII. AK im Jemen.
Anfang Oktober war diese Mobilisierung abgeschlossen, dennoch gab man dem Drängen aus Berlin und Wien zum Losschlagen nicht nach: die pan-islamischen und pan-turanischen Vorbereitungen seien nicht abgeschlossen. In der Nacht vom 29./30.10.1914 wurden dann russische Häfen von der osmanischen Marine beschossen. Von der Kaukasusfront wurde angenommen, dass die russische Armee zu keinen größeren Operationen 1914 in der Lage sein würde.
Die russischen Vorbereitungen an der armenisch-kaukasischen Front waren tatsächlich durch Abzüge zur Westfront mit den Mittelmächten beeinträchtigt. Es verblieben rund 100.000 Mann, die 1914/15 durch weitere Einziehungen von 150.000 im rückwärtigen Kaukasus verstärkt (Konzentration der Einziehungen um Tiflis) werden sollten. Anfang November 1914 waren nur das I. Kaukasische und II. Turkestan AK vorhanden, dazu einige provisorische Landeseinheiten und 4 armenische Bataillone (mit rd. 4.000 Mann). Nach der Planung sollten einige strategisch wichtige Täler im Vorfeld der Grenze besetzt werden (insb. das Eleskirt-Tal, zur Absicherung der Aras-Flusslinie), da ab November 1914 ein Winterfeldzug größeren Umfanges im armenischen Hochland für unmöglich gehalten wurde. Diesen begrenzten Vormarsch weitete General Bergmann nun aber auf den nördlichen Bereich aus. Die osmanischen Verbände (IX./XI. Korps, rd. 75.000 Mann) waren seit Ende Oktober von Enver Pascha rückwärtig um Erzurum konzentriert, um in jede gewünschte Richtung vorrücken zu können. Das X. Korps lag an der Schwarzmeerküste um Samsun - sehr wahrscheinlich als Geste gegenüber den Mittelmächte, um Optionen Bessarabien/Krim aufrecht zu erhalten.
Am 2.11.1914 überschritten die russischen Truppen die Grenze in einigen Kolonnen entlang der Talverläufe und stießen bis zur Linie Ardos-Horsan vor, damit rd. 20-25 Kilometer in die Tiefe, ohne auf größeren Widerstand zu stoßen. Auch die osmanischen Verbände rückten vor. Bei Köprüköy stießen am 6.11. größere osmanische und russische Verbände aufeinander.
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