Mehrere Anklagen vernehme ich im Spiegel-Artikel. Über den Schlußsatz, vom Volke, dass 1914 zum großen Teil jubelte, braucht wohl wenig erwähnt werden. Diese These gilt als längst obsolet, für alle Großmächte zutreffend. Es gab bei der "Kriegsbegeisterung" große regionale Unterschiede, wobei Städter eher als Dörfler zu eben genannter "Freudigkeit" tendierten.
Ansonsten ist der Artikel wie stets germanozentrisch. Damit die richtige Botschaft auch ankommt, mag die Froschperspektive der des Vogels auch vorzuziehen sein. Aber dennoch gut, dass du ihn bringst. Denn darum ging es mir ja. Eine Verdoppelung der Rüstungsausgaben 1900 - 1914 auf 2,4 Mrd RM und damit auch fünf Prozent des Volkseinkommens, die für die Rüstung verwendet wurden, lt. Spiegel online. So und nun können wir den für mich eben entscheidenden Schritt tun: Wir vergleichen mühsam mit anderen Großmächten; besser noch traditionelle Landmächte und hier suche ich eben die Quellen, die -wenn wir uns nunmal exemplarisch der Rüstung zuwenden- bei Einbeziehung div. Friktionen oder vorübergehender Kolonialkriege oder intern. Krisen, die in gewissen Jahren Höhen und Tiefen implizieren mögen, einen generellen Trend aufweisen, dass Deutschland weit mehr Prozente des Volkseinkommens in die Rüstung gesteckt hat, als etwa Frankreich.
...Das dt. Militär hingegen wird wie eh und je zu einer Karikatur gezeichnet. Ein Treppenwitz der Geschichte mag es sein, dass entgegen der Bildnisse vom tumben Empfehlsempfänger, der unfähig ist, seine eigenen Entschlüsse zu ziehen, dies angesichts der Doktrinen bei Briten und Franzosen der Fall war, selbst noch 1918, während die militärische Überlegenheit des Heeres u. a. darauf gründete, dem selbstständigen Entschluss, ab 1917 noch radikaler bis auf unterster Ebene, neben der Institutionalisierung des Generalstabs. Zugegeben, dies wäre eine militärische Widerlegung. Da auf diesem Gebiet mit einem milit. Forschungsamt zwischen Modegeschäften und Friseurläden im beschaulichen Freiburg kalkulierter Notstand herrscht, beziehen sich diese Anwürfe im Zuge des Zeitgeistes im postheroischen Zeitalter mittlerweile eher darauf, warum diese Waffenträger sich überhaupt für etwas in den Ring geworfen haben, was nicht unter Begriffen subsumiert oder Zielen anhängt wie "pluralistisch demokratische Meinungsvielfalft", auf so einer Diskussionsgrundlage mag man aber schwerlich voran schreiten.
Ich habe im Moment nichts zur Hand, kann ab Donnerstag gerne belegen, dass im Kaiserreich der Soldat besser behandelt wurde als in Frankreich oder auf der Insel. Es ist nachgewiesen, wie empört die Deutschen waren, als sie mit Briten gemeinsame Flottenmanöver (Mitte des ersten Jahrzehnts) machten, da sie so brutal drangsaliert wurden. Es ist auch nachweisbar, dass dieses berühmte "nach unten buckeln" in anderen Armeen stärker ausgeprägt war, dass die Briten und Franzosen zudem ihren Soldaten legal brutalste Folterungen zukommen ließen bei kleinen Verstößen, was auf dt. Seite längst vergangen war. Vor allem lässt sich sicher am Besten nachweisen, wie restriktiv oder brutal auch eine militärische Institution sich gerierte, wenn man sieht, wie viele Todesurteile sie im Kriege a) verhängt und b) auch ausführt. Vorab: Auch da kommt das Kaiserreich am Besten weg.
Nochmal eingangs zum Spiegel-Artikel: Es geht nicht darum, zu zeigen, dass die Verhältnisse bei der soldatischen Ausbildung im Reich hart waren oder die Rüstungsausgaben hoch -dies steht alles quasi in der Luft.
Sondern nochmals, um den umunstößlichen Fakt des Militarismus in Deutschland dieser Zeit zu unterstreichen, im Vergleich Bezeichnendes herauszustellen. Und da diese "militaristische" Ader des Reiches weit über die Fachgrenzen hinaus ein anerkanntes Exklusivitätsmerkmal eben jenes Deutschland war, welches sofort aufhörte, zu existieren, sobald nur die Grenze -gleich in welche Himmelsrichtung- überschritten wurde, gibt es sicher auch harte Fakten und Statistiken, die beste Währung in diesen Fällen. Sonst läuft man Gefahr, gewisse Zustände plausibel zu beschreiben, -der Köpenicker darf nicht fehlen- und auf einer Basis zu diskutieren, wo nicht widerlegt werden kann, alles über Gefühlswelten plausibel erscheint, aber die Gewaltigkeit des Anwurfs und die Konstanz, mit der er sich hält, kann mir nicht weiß machen, es gäbe für die Militarismus-Theorie nicht auch einige, richtig dicke Zahlen. Also bitte gehaltvoll und nicht Quellen (Spiegel) die in wenigen Dekaden eher als Quellen für bundesdeutsche Vergangenheitsbewältigungshybris herhalten könnten, denn für realistische Betrachtungsmuster einer zentraleuropäischen Großmacht zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert.