Hannibal: Warum Alpenüberquerung?

Ich bitte, einen Blick auf das historische Umfeld der Zeit zu werfen: Alle, aber auch alle zeitgenössischen Feldherren und Kriegsfürsten maßen sich am Maßstab Alexanders. Wer das unmöglichere, unerhörtere, verwegenere wagt – und wem es gelingt – dem blühte Ruhm, Erfolg, unerhörter Reichtum und ewige Glorie.
rena8:
Endlich, nach allen durchaus berechtigten Gründen aus der Militärstrategie (Vernunftebene) ein Grund, der mich wirklich überzeugt.
Ja, riskante Kriegszüge müssen auch dieses psychologische Moment der Mutprobe haben, alle antiken Sagen sind voller Abenteuer, Mut und Ehre und nicht nur die antiken.
Allerdings muss man bedenken,dass Hannibal von den Geschichtsschreibern der Antike als jemand beschrieben wird,der "auf dem Boden der Tatsachen geblieben" ist und als nicht hochmütig etc. galt.Ein Abenteuer bei dem er das Leben mehrerer tausend seiner Soldaten wagt um sein Ehrgefühl zu steigern und Ruhm zu erlangen,kann ich mir (wie Cato) nicht vorstellen.Da muss es schon wichtigere Beweggründe für ihn gegeben haben.
P.S.:Ein Bespiel,warum ich Hannibal für nicht hochmütig und sich nicht selbst überschätzend (,aber v.a. als tugendhaft)ansehe,ist,dass er nicht wie andere bedeutende Feldherren Vorzüge gegenüber seinen eigenen Soldaten genoss.So soll er genau wie seine Soldaten nachts irgendwo im Dreck geschlafen (und nicht im Zelt),auch gerne mal dem Alkohol zugesprochen,das gleiche wie seine Truppen gegessen haben und immer maßvoll gewesen sein (z.B.er soll nie wie die Römer ausgiebig geschlemmt haben).Ebenso soll er sich auch gern zu den Soldaten gesellt haben.Wer würde denn bei so einem löblichen Verhalten darauf kommen,dass Hannibal aus Ruhmsucht seine Trinkkumpanen einfach so ohne triftigen Grund in den Tod schickt?;)
 
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@Molinarius:
Ich gebe Dir völlig recht, daß persönliche Ruhmsucht bei Hannibal keine große Rolle spielte.
Er wollte in erster Linie Rom besiegen und seinen Vater rächen, da ging es um Effektivität und Erfolg.

Ich würde das aber nicht unbedingt an seinem Verhalten gegenüber den Soldaten festmachen. Auch andere Feldherren kultivierten in ähnlicher Weise Anspruchslosigkeit und leutseliges Verhalten - und waren doch SEHR ruhmsüchtig (mir fiele da zuerst Cäsar ein).

Das ist auch kein wirklicher Widerspruch: Ruhm ist auch bei "einfachen Soldaten" eine wichtige Kategorie, für die Opfer gerechtfertigt sein können.
Was sie dagegen nicht leiden können (verständlicherweise), ist Ruhmsucht gepaart mit Unfähigkeit, so daß es aus Eitelkeit zu unnötigen Opfern kommt.
 
Wer würde denn bei so einem löblichen Verhalten darauf kommen,dass Hannibal aus Ruhmsucht seine Trinkkumpanen einfach so ohne triftigen Grund in den Tod schickt?;)

Dieses psychologische Alexander-Moment, um es irgendwie zu nennen, war von mir überhaupt nicht negativ gemeint.
Für mich ist das eine Erklärung für einen Teil der Faszination Krieg.
Hier im GF und anderswo, wird lang und breit über taktische Vor- und Nachteile von bestimmten kriegsstrategischen Entscheidungen diskutiert, allerdings im nachhinein.
Natürlich gab es auch diese Sachebene bei Hannibals Entscheidung, nur kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht auch das Bauchgefühl gab, diesen letzten Kick, so machen wir es, wir gehen über die Alpen.
Seine Soldaten werden diese Entscheidung mitgetragen haben, auch ihnen winkte Ehre, Ruhm und Beutegut in Italien.
War das bei Alexander nicht ähnlich, warum ist er nach dem Sieg über die Perser nicht umgekehrt?

Antike Kriegsstrategien interessieren mich eigentlich nicht besonders eher die Menschen und ihre vernünftigen und emotionalen Beweggründe.
 
War das bei Alexander nicht ähnlich, warum ist er nach dem Sieg über die Perser nicht umgekehrt?
Bei Alexander würde ich dir zustimmen,dass er ruhmsüchtig war,denn er hatte den Krieg gegen die Perser ja schon gewonnen und wollte dann immer noch weiter Krieg führen.Hannibal allerdings befand sich noch in der Anfangsphase im Krieg gegen die Römer.Er musste sich entscheiden,entweder die römische Armee unter Scipio besiegen und danach sich an der Küste entlang nach Italien an den schwer verteidigten Küstenstädten vorbeikämpfen oder den gefährlichen Weg über die Alpen nehmen.Zurück konnte er nicht, sonst wäre er umsonst unter all den Strapazen unterwegs gewesen und hätte sich nicht wegen seines ausbleibenden Erfolges gegenüber den Landsleuten rechtfertigen können.
 
Um nur einige Punkte aus der Debatte herauszugreifen:

Wenn (außerdem) die Römer eine Alpenüberquerung mit einem Herr für unmöglich hielten, dann impliziert das alleine schon beim ungestörten Marschzu hohe Verluste für ein Heer.

Die Prämisse ist falsch: Es war den Römern bekannt, dass die Überquerung der Alpen einem Heer durchaus nicht unmöglich war. Die Kelten sind ja auch über die Alpen nach Oberitalien eingewandert, wie den Römern nicht entgangen ist, und da handelt sich nicht nur um ein Heer, sondern um ganze Ethnien. Die römische Kenntnis einer solchen Möglichkeit bezeugt uns Polybios (2,22-23) gerade für das Jahr 225 v.Chr., unlängst vor dem Krieg mit Hannibal, als eine keltische Streitmacht aus der Rhonegegend den Kelten Oberitaliens zur Hilfe kam. Das Heer dieser "Gaesatae" gingen über die Alpen und stieß in der Poebene zu den Insubrern und Boiern. Die Römer nun entsandten, "sobald sie hörten, dass die Gallier die Alpen überquert hatten", ihrerseits Truppen nach Norden. So weit Polybios. Demnach waren die Römer über die Möglichkeit, die Alpen mit einem Heer zu überqueren, grundsätzlich im Bilde.
Nur dass sie eben nicht mit diesem Schachzug Hannibals gerechnet haben.
Wenn die antike Literatur dessen Alpenübergang im Nachhinein als eine noch nie dagewesene Sensation darstellt, mit der unmöglich zu rechnen war, dann ignoriert sie die Tatsache, dass den Römern Hannibals Invasion 218/217 beinahe wie eine Wiederholung der Ereignisse von 225 vorkommen musste: Ein feindliches Heer überquert die Alpen und tut sich mit den Kelten Oberitaliens zusammen, um von Norden loszuschlagen; in Rom bricht Schrecken aus; zur Abwehr des Angriffs schicken die Römer ein Heer nach Ariminum (225 unter dem Konsul L. Aemilius, 217 unter dem Konsul C. Servilius) und eines nach Etrurien (225 unter einem Prätor, weil der zweite Konsul abwesend war; 217 unter dem Konsul Cn. Flamininus)...

Außerdem ist die Alpenregion kein gutes Operationsgebiet für Reiter, auch hier wäre südliche Route günstiger gewesen.

Der Küstenweg von der Provence nach Ligurien war "eng und beschwerlich" (G. Walser, Die militärische Bedeutung der Alpen in der Antike, S.26., in: Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit) und daher wohl eben so wenig für die Reiterei geeignet wie die Alpenroute.

An und für sich wäre eine Landung mit Schiffen in Italien sehr viel einfacher gewesen. Die italienische Küste war nicht Omaha Beach und Norditalien (Gallia Cisalpina) war auch von den Römern nicht wirklich kontrolliert. Aber wie hätten die Römer selbst die von ihnen beherrschte Küste oder gar das Meer kontrollieren sollen?

Allerdings schickten die Römer den Konsul Scipio mit einer Armee und einer Flotte nach Spanien, wobei er den Seeweg von Rom entlang der Küste Liguriens in Richtung Massilia nahm. Wäre Hannibal bei seiner Expedition zur See auf die Flotte Scipios getroffen, so kann man sich - angesichts der Seeschlachten im Ersten Punischen Krieg - den Ausgang denken: Hannibal wäre nie in Italien angekommen, sondern im wahrsten Sinn des Wortes untergegangen.
 
Die Prämisse ist falsch: Es war den Römern bekannt, dass die Überquerung der Alpen einem Heer durchaus nicht unmöglich war. Die Kelten sind ja auch über die Alpen nach Oberitalien eingewandert, wie den Römern nicht entgangen ist, und da handelt sich nicht nur um ein Heer, sondern um ganze Ethnien. Die römische Kenntnis einer solchen Möglichkeit bezeugt uns Polybios (2,22-23) gerade für das Jahr 225 v.Chr., unlängst vor dem Krieg mit Hannibal, als eine keltische Streitmacht aus der Rhonegegend den Kelten Oberitaliens zur Hilfe kam. Das Heer dieser "Gaesatae" gingen über die Alpen und stieß in der Poebene zu den Insubrern und Boiern. Die Römer nun entsandten, "sobald sie hörten, dass die Gallier die Alpen überquert hatten", ihrerseits Truppen nach Norden. So weit Polybios. Demnach waren die Römer über die Möglichkeit, die Alpen mit einem Heer zu überqueren, grundsätzlich im Bilde.
Nur dass sie eben nicht mit diesem Schachzug Hannibals gerechnet haben.
Wenn die antike Literatur dessen Alpenübergang im Nachhinein als eine noch nie dagewesene Sensation darstellt, mit der unmöglich zu rechnen war, dann ignoriert sie die Tatsache, dass den Römern Hannibals Invasion 218/217 beinahe wie eine Wiederholung der Ereignisse von 225 vorkommen musste: Ein feindliches Heer überquert die Alpen und tut sich mit den Kelten Oberitaliens zusammen, um von Norden loszuschlagen; in Rom bricht Schrecken aus; zur Abwehr des Angriffs schicken die Römer ein Heer nach Ariminum (225 unter dem Konsul L. Aemilius, 217 unter dem Konsul C. Servilius) und eines nach Etrurien (225 unter einem Prätor, weil der zweite Konsul abwesend war; 217 unter dem Konsul Cn. Flamininus)...

Natürlich war es auch in der Antike für ein Heer durchaus möglich, die Alpen zu passieren. Du nennst das ja am Beispiel der Gallier aber auch die Römer selbst haben die Alpen oft mit großen Truppenkontingenten durchquert. Folglich ist eine Alpenüberquerung bewaffneter Truppen, auch größerer Verbände, durchaus nicht neues oder ungewöhnliches.

Bei Hannibal haben wir hier aber einen besonderen Fall. Denn im Gegensatz zu den Römern und wahrscheinlich auch zu den Kelten (obwohl mir hier keine gesicherten Kenntnisse vorliegen) überquerte er die Alpen nicht im Sommer, sondern im Spätherbst bzw. frühen Winter. Dass eine Überquerung in dieser Jahreszeit mit viel größeren Gefahren verbunden ist kann man sich leicht vorstellen. Neben den räuberischen Bergvölkern muss man zudem mit Lawinenabgängen, versperrten Pässen, hohem Schnee und klirrender Kälte rechnen, die ihren Tribut forderten. Insofern ist weniger diese Tat an sich, sondern eher der Zeitpunkt, den Hannibal dafür wählt, ein Novum.
 
Hannibal wollte, das war seine erklärte Absicht, den Krieg gleich zu Beginn nach Italien tragen und zwar bevor es den Römern gelang ihr Heer in Iberien zu landen. Hannibal musste den Landweg nehmen, weil weder in Karthago noch in Iberien ausreichende Kapazitäten für einen Transport zur See zur Verfügung standen. In Iberien gebot Hannibal nämlich gerade einmal über 50 Penteren, 2 Tetreren und 5 Trieren und von diesen waren auch noch 18 Penteren und die Tetreren unbemannt. (1)

Ein weiterer nicht zu verachtender Aspekt ist, das Rom zu jener Zeit die vorherrschende Seemacht im westlichen Mittelmeer war. Karthago war zu jener Zeit primär eine Landmacht.

Über die Alpen ist Hannibal auch deshalb gezogen, weil er eben nicht zu früh auf die Römer bzw. deren Verbündete treffen wollte und der Weg über die Alpen gleich mit den Kelten, ganz gewiss keine Fans der Römer, in Kontakt brachte, zu denen er bereit im Winter 218/19 v.Chr. Boten geschickt hat.

(1) Huss, Die Karthager, S.211, München 1994
 
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Natürlich gab es auch diese Sachebene bei Hannibals Entscheidung, nur kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht auch das Bauchgefühl gab, diesen letzten Kick, so machen wir es, wir gehen über die Alpen.

Hannibal ging es in diesem Krieg ausschließlich darum, das die Römer Karthago als gleichberechtigte Großmacht im Mittelmeerraum anerkennen. Im Gegnsatz zu den Römern, ging es Hannibal nicht um deren Vernichtung!
 
Ein Aspekt ist mir noch aufgefallen:
Für uns in römisch-griechischer Tradition ist der Alexanderzug natürlich eine vorbildliche Heldentat (bzw. das war sie für alle europäischen Militärs in dieser Tradition).

Ich weiß nicht, ob überhaupt etwas über die Alexanderrezeption in Karthago bekannt ist (wahrscheinlich nicht).
Es ist aber zweifelhaft, ob Alexander in Karthago ähnlich positiv gesehen wurde wie in Rom, ob er also als Vorbild für einen Hannibal überhaupt in Frage kam.
Schließlich sahen sich die Karthager eher auf der Gegenseite der Griechen, sympathisierten wohl eher mit den Eroberten als mit dem Eroberer.

Mal als Vergleich: Attila und Dschingis Khan waren auch ganz überragende Feldherren und Anführer und sind bei ihren Leuten (Ungarn und Mongolen) auch heute noch populär.
Bei uns dagegen werden sie eher negativ gesehen, kaum ein europäischer General hat wohl jemals den Ehrgeiz gehabt, ihnen nachzueifern.
 
Wenn die Römer die Herrschaft über dem Mittelmeer hatten, ist es wesentlich problematischer, über See Truppen anzulanden, als sogar eine Wanderung über Pyrenäen oder die Alpen.

Meines Erachtens nach tat er genau das, was man NICHT von ihm erwartet hätte: Denke dich in den Gegner rein, überlege was er machen würde, und mache dann genau das Gegenteil von dem, was er erwarten würde. Das macht einen guten Feldherren aus, besonders einen wie Hannibal.

Allerdings schickten die Römer den Konsul Scipio mit einer Armee und einer Flotte nach Spanien, wobei er den Seeweg von Rom entlang der Küste Liguriens in Richtung Massilia nahm. Wäre Hannibal bei seiner Expedition zur See auf die Flotte Scipios getroffen, so kann man sich - angesichts der Seeschlachten im Ersten Punischen Krieg - den Ausgang denken: Hannibal wäre nie in Italien angekommen, sondern im wahrsten Sinn des Wortes untergegangen.

Hannibal wollte, das war seine erklärte Absicht, den Krieg gleich zu Beginn nach Italien tragen und zwar bevor es den Römern gelang ihr Heer in Iberien zu landen. Hannibal musste den Landweg nehmen, weil weder in Karthago noch in Iberien ausreichende Kapazitäten für einen Transport zur See zur Verfügung standen. In Iberien gebot Hannibal nämlich gerade einmal über 50 Penteren, 2 Tetreren und 5 Trieren und von diesen waren auch noch 18 Penteren und die Tetreren unbemannt. (1)

Ein weiterer nicht zu verachtender Aspekt ist, das Rom zu jener Zeit die vorherrschende Seemacht im westlichen Mittelmeer war. Karthago war zu jener Zeit primär eine Landmacht.
Das sehe ich auch als die wesentlichen Beweggründe an. Freilich lässt sich über das Vorgehen Hannibals nur spekulieren. Polybius und Livius sind ja keine Karthager gewesen und spätestens in der Hannibalausstellung in Karlsruhe wurde mir bewusst, dass wir über die Karthager in der Tat fast mehr ahnen als wissen.

Wie Beetlebum schon sagte, war der 1. Punische Krieg ein Krieg auch der Flotten gewesen. Deren Debakel und vor allem, dass Karthago damit gegenüber Rom nicht im gewünschten Maß die Oberhand gewann, deutet für mich am allermeisten darauf hin, dass eigentlich der Weg Hannibals zu Lande die einzige Alternative war, wenn er nicht wiederum eine Wiederholung des 1. Punischen Krieges erleben wollte. Hannibal wollte aber mehr, nämlich Rom als gegnerische Macht ausschalten und das konnte nur in Italien geschehen und die Annäherung nach Italien war, da der Seeweg ausschied, jener über die zwei Gebirge. Das mag zwar tollkühn oder nur verwegen erschienen sein, aber war dennoch beinahe die einzige Alternative.

Bei allen Vorteilen eines Eindringens in Italien sehe ich aber auch wie schon manche bemerkten die Stärke der Römer auf eigenem Boden. Die Versorgungswege der Punier wurden ja schon angesprochen.

Der Alexanderzug mag zwar schon damals und vor allem bei den Römern bekannt und berühmt gewesen sein, aber dennoch sehe ich da zwei verschiedene Paar Schuhe. Alexander brach in ein Großreich auf, Rom war erst auf dem Sprung zu einer solchen Stellung. Auch kann man die italienischen Gebiete von der Besiedlung her nicht mit Persien vergleichen. Das Wagnis für Hannibal war aber, wie ich finde, fast ein Größeres. Er war nicht Herrscher eines Reiches in dem Maße wie Alexander zumindest die Makedonen halbwegs zu Gebote standen. Natürlich setzte Alexander in jeder Schlacht sein Leben und die Existenz seiner Armee aufs Spiel, aber er hatte dazu auch einen anderen Hintergrund, zumindest wenn ich mir anschaue wie er dann gezielt die persischen Städte einnahm und die Vorteile der Perser mit ihrer Flotte negierte...

Die wahren Gründe Hannibals für seine Alpenüberquerung werden wir nicht erfahren. Immerhin ist Beetlebums quellenkritische Sichtweise wohl recht nah dran. Wir können ungefähr annehmen, was geschehen ist. Man kann die Alpenüberquerung Hannibals mit jener anderer Feldherren vergleichen und daraus seine Schlüsse ziehen. Gut, über die militärische Potenz der Bergvölker, welche ihn angegriffen haben, wissen wir wenig.

In meinen Augen, auch wenn ich nicht so viel wie vielleicht Turgot, Cato oder Beetlebum dazu je gelesen habe (und Bücher dazu habe ich derzeit nicht mehr parat), spielte ein Hauptaspekt die Überlegung einfach diesen erfolglosen Kampf um die Küsten und Inseln mit Rom aus dem Wege zu gehen und Rom in die Defensive zu zwingen, so dass es nur noch Hannibals Schläge parieren konnte.

Gibt es denn Untersuchungen von Historikern, welche die Zahlen von Polybius hinterfragen und denen vielleicht andere entgegen stellen? Wie hoch war denn die Zahl der Kämpfer, welche nach realistischeren Schätzungen Hannibal in Spanien zusammenbringen konnnte? Waren darunter vielleicht einige, welche besonders anfällig für Unternehmungen wie eine Alpenüberquerung waren? Die Reiterei wurde ja schon erwähnt. Dennoch war es ja gerade diese, welche sich in Italien daraufhin auszeichnete.
 
Es ist aber zweifelhaft, ob Alexander in Karthago ähnlich positiv gesehen wurde wie in Rom, ob er also als Vorbild für einen Hannibal überhaupt in Frage kam.
Schließlich sahen sich die Karthager eher auf der Gegenseite der Griechen, sympathisierten wohl eher mit den Eroberten als mit dem Eroberer.
Mal als Parallele: bei den Iranern heißt Alexander auch nicht "der Große", sondern "der Makedonier". Schließlich hat er Persepolis angezündet/anzünden lassen.
 
Zur Alexanderperzeption in Karthago kann ich ein bisschen was sagen (auf Basis der Karlsruher Ausstellung) -- man bemerkt an Münzen und Sarkophagen dieser Zeit eine weitgehende Hellenisierung, Darstellungen des Gottes Melkart und auch der Barkiden auf den Münzen orientieren sich an hellenistischen Vorbildern. Nicht zuletzt der Einsatz von Kriegselefanten und in der Phalanx kämpfende Bürger: die karthagischen Kriegsherren sahen sich in der Erfolgsschiene der östlichen Reichsgründungen. Damit liessen sie sich von deren Prunk und kurzfristiger Machtentfaltung blenden, aber solche Fehleinschätzungen sind Vorbedingungen fürs Fehlermachen.

Worauf ich ganz gerne mal zurückkommen würde: das Verhältnis Karthagos zu seinen Feldherren/Kriegsherren. Hier vergleichen wir mit römischen Strukturen, weil Rom als Oligarchie mit zwei Consuln eine ähnliche Struktur aufweist wie Karthago mit zwei Suffeten; die Autonomie der Barkiden -- aber auch der vorhergehenden Hannos, Himilkos und Hannibals auf Sizilien im Kampf gegen Griechen -- deutet eher in die Richtung des "Generalunternehmertums" in Kriegsangelegenheiten, ohne die Hundertprozentigkeit des Krieges als Staatsangelegenheit, wie es die Römer gewohnt waren.

Letztlich, Rom als Großmacht. Das kann zum Zeitpunkt des 2. Punischen Krieges nicht mehr bestritten werden. Rom strahlte allerdings keinen Glanz aus -- Glanz jedoch, wie schon oben bemerkt, führt zu Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen.
 
Brissotin schrieb:
Wie hoch war denn die Zahl der Kämpfer, welche nach realistischeren Schätzungen Hannibal in Spanien zusammenbringen konnnte?

Hannibal brach im Mai des Jahres 218 v.Chr. von Carthago Nova mit 90.000 Fußsoldaten, 12.000 Reiter und 37 Elefanten auf. Das war für antike Verhältnisse ein gewaltiges Heer. Wie stark dann noch das verbliebene Rekrutenpotenzial in Iberien war, weiß ich leider nicht.

Als Hannibal im Begriff war in Gallien einzumarschiren, gliederte er sein Heer um. Mit noch ca, 40.000 Mann, 9.000 Reitern und knapp 40 Elefanten drang er nunmehr in Gallien ein. Die restlichen Truppen verblieben unter dem Kommando von Hannibals Bruder Hasdrubal in Iberien.

Angaben der Zahlen nach Livius 21,23.
 
Ob die Kartager Alexander den Grossen auch so benannten weiss ich nicht aber gekannt haben sie ihn mit Sicherheit , schliesslich war er es der ihre Mutterstadt Tyros eroberte ( 332 BC) .
Als die Handelsmacht Nummer 1 im Mittelmeer waren die Kartager wohl das am besten informierte Volk ihrer Zeit mal abgesehen davon das sich in ihren Söldnerheeren auch Griechen befanden wie z.B. Xanthippos im ersten Punischen Krieg.
Der Weg über die Alpen und der Zeitpunkt waren beides Überraschungen für die Römer.
Kartago hatte eine 5- 6 Jahrhunderte alte Seefahrertradition und wenn wir die Mutterstadt Tyros mit einrechnen eine 1.000 Jährige .
Die karatger hätten sowohl eine neue Flotte gebaut haben können als auch Schiffe anderer Völker anmieten können , wie sie es auch mit ihren Truppen machten.
Der Zeitpunkt , Spätsommer / Herbst , war noch entscheidender.
Normaler Weise wurden genau zu dieser Zeit die Kampfhandlungen eingestellt ,Wege wurden unpasssierbar , die Versorgung mit Viehfutter für Kavallarie und Tross aus der Umgebung wurde unmöglich , Nachschub konnte nicht mehr herangeführt werden , Belagerer musten in feuchten kalten Zelten übernachten usw. .
Napoleon und Hitler hielten sich nicht daran und wir wissen wie ihre Russlandfeldzüge ausgingen .
George Washington hielt sich nicht daran und überrannte Weihnachten 1776 die Briten in Trenton.
Ein Beispiel könnte Hanibal gekannt haben , nach der Schlacht von Pteria
rechnete König Krösus nicht mehr mit weiteren Kampfhandlungen für das Jahr , zog sich in seine Haupstadt Sardes zurück und entlies seine Truppen .
Trotz der Jahreszeit setzte der Perserkönig Kyros II nach , belagerte und eroberte die Haupstadt der Lyder 541 BC .
Da sich Tyros ab 568 BC unter persischer Kontrolle befand , dürfte dies den Kartagern bekannt gewesen sein .
Hannibal lies sich auf dieses Vabanque-Spiel ein und erschien so zu einer unmöglich gehaltenen Zeit auf einem unwahrscheinlich gehaltenen Weg in Italien .
 
Der Weg über die Alpen und der Zeitpunkt waren beides Überraschungen für die Römer.

Eine Überraschung, von der die Römer aber noch zeitig genug Kenntnis erhielten. Publius Cornelis Scipio musste in Massilia, seine Soldaten waren überwiegend seekrank geworden, ein Pause einlegen. Dort erfuhr er, sehr zu seiner Überraschung, das Hannibal bereits die Pyrenäen überschritten hat und sich auf dem Vormarsch zur Rhone befand.

Es war aber zu spät, um Hannibals weit landeinwärts vollzogenen Rhôneübergang zu verhindern. Dennoch schickte er seinen Bruder Gnaeus mit einem Teil des Heeres nach Spanien - eine für den ganzen Krieg enorm wichtige Grundentscheidung - und ging selbst mit dem anderen Teil der Armee über Genua zurück nach Norditalien
 
Es war aber zu spät, um Hannibals weit landeinwärts vollzogenen Rhôneübergang zu verhindern. Dennoch schickte er seinen Bruder Gnaeus mit einem Teil des Heeres nach Spanien - eine für den ganzen Krieg enorm wichtige Grundentscheidung - und ging selbst mit dem anderen Teil der Armee über Genua zurück nach Norditalien
Deutet nicht aber genau das ziemlich auf ein Va-banque-Spiel Hannibals hin. In gewisser Weise setzte er ja doch viel auf eine Karte und wenn er wirklich mit 100.000 Mann ab Neu-Karthago startete und nur mit ein paar zigtausend in Italien ankam, hatte er damit nicht auch Karthago selbst einer ziemlichen Streitmacht beraubt? Selbst wenn ein großer Teil in Garnisonen noch vorhanden war, ist das nicht dasselbe wie eine schlagkräftige, große Feldarmee.:grübel:
 
wenn er wirklich mit 100.000 Mann ab Neu-Karthago startete und nur mit ein paar zigtausend in Italien ankam,
WENN!
Oder anders herum: Da man davon ausgehen sollte, daß Hannibal die Lage besser kannte als wir, und auch vom Kriegführen deutlich mehr verstand - dann werden diese hier in der Diskussion auch schon einige Male angezweifelte Zahlen wohl nicht stimmen können.

hatte er damit nicht auch Karthago selbst einer ziemlichen Streitmacht beraubt?
Offenbar nicht.
Denn eine Armee in der Heimat hätte Karthago nicht geholfen, den Krieg zu gewinnen.
Eine solche brauchte Karthago erst, als Scipio wirklich in Afrika landete - und dann wurde Hannibal ja auch zurückbeordert.
 
Beetlebum schrieb:
Die Frage ist, wie realistisch diese horrenden Verlustangaben sind. Polybios bietet ja noch mehr Zahlen: Hannibal sei mit 102.000 Mann von Neukarthago aufgebrochen, mit 59.000 Mann über die Pyrenäen gezogen, mit 46.000 Mann an der Rhone eingetroffen. Kaum zu glauben, wie dieses Heer dahinschmilzt. Selbst wenn man die Kontingente abzieht, die Hannibal entlassen oder als Besatzungsmacht nördlich des Ebro abgestellt haben soll, bleibt nach Polybios ein Minus von 21.000 Mann auf der Strecke zwischen Ebro und Pyrenäen und von weiteren 13.000 Mann zwischen Pyrenäen und Rhone. Eine plausible Erklärung dafür gibt es nicht, abgesehen von einer: Die Zahlen sind Fantasy und haben nichts mit der Realität zu tun. Aus der antiken Literatur ist man das ja gewohnt. Um die angeblich Zwanzigtausend, die beim Alpenübergang umgekommen sein sollen, braucht es nicht anders zu stehen.

Ich verweise zunächst meine obigen Beitrag, den ich hier zitiere:

Hannibal brach im Mai des Jahres 218 v.Chr. von Carthago Nova mit 90.000 Fußsoldaten, 12.000 Reiter und 37 Elefanten auf. Das war für antike Verhältnisse ein gewaltiges Heer. Wie stark dann noch das verbliebene Rekrutenpotenzial in Iberien war, weiß ich leider nicht.

Als Hannibal im Begriff war in Gallien einzumarschiren, gliederte er sein Heer um. Mit noch ca, 40.000 Mann, 9.000 Reitern und knapp 40 Elefanten drang er nunmehr in Gallien ein. Die restlichen Truppen verblieben unter dem Kommando von Hannibals Bruder Hasdrubal in Iberien.

Polybios behauptet sogar, das die Verluste bei der Überquerung der Alpen auf Lebensmittelknappheit zurückzuführen seien. Nur: Polybios schreibt auch selbst, das es in den Alpen ausreichend Lebensmittel gab.

Nach dem Übergang über die Rhone bekam Hannibal mit einem Teil der Allobrogen. Hannibal wurde in einen ineren Konflikt dieses Stammes, es ging um die Frage des Chefsessels, hineingezogen, da ihm angetragen wurde, in dieser Frage zu entscheiden. Hannibal entschied zugunsten von Braenus, der ihm jetzt alle erdenkliche Unterstützung gewährte. Aber der andere Teil des Stammes war Hannibal nunmehr feindlich gesonnen und verfolgten die Karthager. Im Tal des Arc kam es denn zu verlustreichen Kämpfen, wobei die Karthager viele Soldaten, Lastieren und Pferde verloren.

Wenige Tage später wurde das Heer der Karthager von einen anderen Bergstamm heftig angegriffen. Polybios meint das Hannibal hier horrende Verluste erlitten hätte.

Ende September erreichte Hannibal mit 26.000 Mann die Ebene, was bedeuten würde, das Hannibal insgesamt um die 20.000 seit seinem Eindringen in Gallien verloren hat. (1)

(1) Huss, Die Karthager, S.212 ff, München 1994
 
Brissotin schrieb:
Deutet nicht aber genau das ziemlich auf ein Va-banque-Spiel Hannibals hin. In gewisser Weise setzte er ja doch viel auf eine Karte und wenn er wirklich mit 100.000 Mann ab Neu-Karthago startete und nur mit ein paar zigtausend in Italien ankam, hatte er damit nicht auch Karthago selbst einer ziemlichen Streitmacht beraubt?

Wie schon gesagt: Hannibal wollte den Krieg nach Italien tragen und somit gewährleisten, das Italien der Hauptkriegsschauplatz ist. Hannibal wollte das Gesetz des Handelns an sich nehmen und sein Konzept ging eben nicht ganz auf, da sich die Scipionen entschieden, einen nicht gerade unbedeutenden Teil ihrer Truppen nach Iberien zu bringen. Das war für den weiteren Verlauf des Krieges eine sehr wichtige Entscheidung. Hätten Publius und Gnaeus Scipio anders entschieden, diese mutige Entscheidung konnte nicht so ohne weiteres erwartet werden, wäre Hannibal Konzeption voll aufgegangen, denn die Römer riefen den Konusul Tiberius Sempronius mit seinen Legionen, die sich dort nach Afrika einschiffen sollten, schnellstens aus Sizilien nach Norditalien zurück.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hätten Publius und Gnaeus Scipio anders entschieden, ...
... hätten sie es mit ihren Gesamttruppen vielleicht geschafft, Hannibal schon am Ticinus zu erledigen.

Und man kann sich schon fragen, ob die Armee in Spanien Rom wirklich so viel gebracht hat - die nächsten Jahre passierte dort ja nichts Entscheidendes.
 
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