Hinrichtungen unter Varus in Germanien

naja, das Recht zu Zeiten Tacitus kennen wir nicht. Nur Stammesrechte aus Karolingischer Zeit ...
Und da sind Körperstrafen kaum/nicht vorhanden und es gibt eigentlich auch keine "Offizialdelikte" und auch kein staatliches Gewaltmonopol.

Da sind dann Sachleistungen als Sühne und das Beitreiben der selben durch "den Staat" schon grausame Maßnahmen. Wenn ein "Armer" einem "Reichen" eine bestimmte Menge Vieh stiehlt/raubt und der dann die doppelte Menge zurückgeben soll, also seinen gesamten Viehbestand verliert, ist das in Germanens Augen schon echt grausam
 
Dass es unmöglich für die Römer war, die Germanen zu beherrschen ist ein Fehlschluss. Chauken und Friesen blieben trotz aller Dreistigkeit des Varus und des Arminius treu unter römischer Oberherrschaft. Tacitus überliefert sogar, dass die Friesen Rinderhäute als Tribut/Steuer an Rom lieferten. Erst als sie Frauen und Kinder als Tributzahlung in die Sklaverei liefern sollten, soll es zum Aufstand gekommen sein.

Frauen und Kinder? Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass der Friesenaufstand losbrach, weil die Römer darauf bestanden, Rinderhäute mit einer bestimmten Mindestgröße als Tribut geliefert zu bekommen - und zwar einer Größe, die die Friesen einfach nicht liefern konnten, weil ihre Rinder erbärmlich klein waren. Um zu beweisen, dass ihre Rinder nicht groß genug sind, um Häute der geforderten Größe abzuliefern, sollen die Friesen lebende Rinder nach Rom getrieben haben. Erst als auch das nicht fruchtete, erhoben sie sich und machten alle Römer in ihrem Gebiet nieder. Stand das bei Tacitus? Germania?

MfG
 
naja, das Recht zu Zeiten Tacitus kennen wir nicht. Nur Stammesrechte aus Karolingischer Zeit ...
Und da sind Körperstrafen kaum/nicht vorhanden und es gibt eigentlich auch keine "Offizialdelikte" und auch kein staatliches Gewaltmonopol.
Wir können allerdings aus den Tacitus-Berichten schließen, dass sich römisches und germanisches Recht stark unterschieden haben. Ein Beispiel aus der Germania:

"Übrigens hat weder zum Strafen, noch zum Binden, noch auch zum Züchtigen irgend jemand die Befugnis außer den Priestern, und auch diese nicht wie zur Strafe oder auf des Anführers Geheiß, sondern gleichsam auf Befehl des Gottes, von dem sie glauben, dass er den Kämpfenden zur Seite steht..."

Dass Tacitus dies im Zusammenhang mit seinen Schilderungen über die Befugnisse von germanischen "Königen" für erwähnenswert hält, kann man nur so auslegen, dass es ihm ungewöhnlich erschien. Daraus wiederum muss man schließen, dass die Römer solches Strafen, Binden und Züchtigen für ganz normal hielten. Wir wissen ja auch aus anderen Quellen, dass die Römer ziemlich drakonische Bestrafungen "mochten".

MfG
 
Frauen und Kinder? Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass der Friesenaufstand losbrach, weil die Römer darauf bestanden, Rinderhäute mit einer bestimmten Mindestgröße als Tribut geliefert zu bekommen - und zwar einer Größe, die die Friesen einfach nicht liefern konnten, weil ihre Rinder erbärmlich klein waren. Um zu beweisen, dass ihre Rinder nicht groß genug sind, um Häute der geforderten Größe abzuliefern, sollen die Friesen lebende Rinder nach Rom getrieben haben. Erst als auch das nicht fruchtete, erhoben sie sich und machten alle Römer in ihrem Gebiet nieder. Stand das bei Tacitus? Germania?
Annales 4,72-73

Von nach Rom getriebenen Rindern steht dort allerdings nichts, hingegen tatsächlich von Frauen und Kindern.
 
Wir können allerdings aus den Tacitus-Berichten schließen, dass sich römisches und germanisches Recht stark unterschieden haben. Ein Beispiel aus der Germania:

"Übrigens hat weder zum Strafen, noch zum Binden, noch auch zum Züchtigen irgend jemand die Befugnis außer den Priestern, und auch diese nicht wie zur Strafe oder auf des Anführers Geheiß, sondern gleichsam auf Befehl des Gottes, von dem sie glauben, dass er den Kämpfenden zur Seite steht..."

Dass Tacitus dies im Zusammenhang mit seinen Schilderungen über die Befugnisse von germanischen "Königen" für erwähnenswert hält, kann man nur so auslegen, dass es ihm ungewöhnlich erschien.
zumal es sich ja nicht mit der Praxis der Blutfehde reimte, welche vermutlich recht weit verbreitet war (wenn ich mich richtig erinnere, erwähnte Tacitus irgendwo solche Fehden)
 
Annales 4,72-73

Von nach Rom getriebenen Rindern steht dort allerdings nichts, hingegen tatsächlich von Frauen und Kindern.

Und wieder einmal waren es die Publicani, wahrscheinlich zusammen mit korrupten lokalen römischen Beamten, die ihr Vorgehen deckten, die mit überzogener Steuereintreibung (doppelte Größe/Anzahl an Rinderhäuten bzw. alternativ Sklaven) den Aufstand auslösten, und nicht die ungewohnte römische Rechtssprechung.

Was war eigentlich die Ursache beim späteren Bataveraufstand? Steuerlich genossen die Bataver ja eine Sonderbehandlung. Sie zahlten keine Steuern, mussten dafür aber ein größeres Kontingent an Hilfstruppen stellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Annales 4,72-73

Von nach Rom getriebenen Rindern steht dort allerdings nichts, hingegen tatsächlich von Frauen und Kindern.
Du hast Recht. Ich konnte mich nur noch dumpf erinnern, dass dass die Friesen sich bei irgendeiner höheren Stelle beschwerten und lebende Rinder ablieferten, um zu beweisen, dass die Viecher einfach nicht größer waren. Aber sie werden sie kaum bis Rom getrieben haben.


Und wieder einmal waren es die Publicani, wahrscheinlich zusammen mit korrupten lokalen römischen Beamten, die ihr Vorgehen deckten, die mit überzogener Steuereintreibung (doppelte Größe/Anzahl an Rinderhäuten bzw. alternativ Sklaven) den Aufstand auslösten..., und nicht die ungewohnte römische Rechtssprechung.
Tacitus schreibt nichts von Publicani. Seiner Darstellung nach dienten die Häute direkt der Versorgung der Legionen in dem Gebiet. Eingetrieben wurden sie von einem Primipilar namens Olennius. Mit Rechtsprechung dürfte der allerdings auch nichts zu tun gehabt haben.

Was war eigentlich die Ursache beim späteren Bataveraufstand? Steuerlich genossen die Bataver ja eine Sonderbehandlung. Sie zahlten keine Steuern, mussten dafür aber ein größeres Kontingent an Hilfstruppen stellen.
Da sind mehrere Erklärungen denkbar. Tacitus berichtet von ziemlich mutwillig erscheinenden Drangsalierungen durch hochrangige Römer. Unter anderem, dass Jünglinge "geschändet" worden seien und dass bevorzugt alte Männer, die nicht mehr kriegstüchtig waren, zum Dienst in den Hilfstruppen gezwungen worden seien (vermutlich mit dem Ziel, die Bestechungsgelder zu kassieren, mit denen sich die Leute vom Militärdienst freikaufen konnten).

Die Vorgänge können aber auch bereits im Zusammenhang mit den innerrömischen Konflikten um die Nero-Nachfolge gestanden haben. Die Bataver wurden da hineingezogen und gerieten zwischen die Fronten. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass sie sich weder auf die Seite der Nero-Anhänger noch auf die der Galba-Fraktion schlagen wollten. Möglicherweise hatte hier aber auch schon der spätere Kaiser Vespasian die Finger im Spiel.

Jedenfalls wurden irgendwann im Verlauf dieser Konflikte der Bataver-Praefekt Civilis und sein Bruder in Ketten gelegt und unter Anklage gestellt. Civilis kam durch Winkelzüge frei, sein Bruder wurde hingerichtet. Die Übergriffe gegen Civilis und seine Sippe und die bereits genannten willkürlichen Drangsalierungen der Bevölkerung dürften Auslöser des Bataveraufstands gewesen sein. Hinzu kamen diverse blutige Zusammenstöße zwischen Legionssoldaten und germanischen Hilfstruppen während der römischen Bürgerkriege um die Macht (Otho-Vitellius, Vitellius-Vespasian).

MfG
 
Tacitus schreibt nichts von Publicani. Seiner Darstellung nach dienten die Häute direkt der Versorgung der Legionen in dem Gebiet. Eingetrieben wurden sie von einem Primipilar namens Olennius. Mit Rechtsprechung dürfte der allerdings auch nichts zu tun gehabt haben.

In jedem Fall, waren es mal wieder die lieben Steuern.

Diesen dämlichen Primipilar hat der Kaiser hoffentlich zum Beneficarius degradiert, mit dem Auftrag sich mitten in Friesland ein nettes Zollhäuschen zu zimmern. Das aus naheliegenden Gründen niemals fertig wurde. Den zuständigen Statthalter hätte ich wegen seltener Dummheit auf eine nette Insel verbannt. Solche Vollidioten findet man leider laufend in der römischen Geschichte.
 
Diesen dämlichen Primipilar hat der Kaiser hoffentlich zum Beneficarius degradiert, mit dem Auftrag sich mitten in Friesland ein nettes Zollhäuschen zu zimmern.
Ich denke, Degradierungen hätten den "Adressaten" nicht mehr erreicht. Das "Problem" hatte sich sozusagen "biologisch" gelöst. Ist wieder nur eine "dumpfe Erinnerung", aber ich meine, bei Tacitus ist die Rede davon, dass alle "freilaufenden" Römer gekreuzigt worden seien und dass sämtliche Angehörigen einer belagerten Kohorte sich aus "Angst vor Verrat" ins eigene Schwert gestürzt hätten. Das Feilschen um Rinderhäute in Auerochsenformat scheint rückblickend betrachtet kein gutes Geschäft gewesen zu sein. Aber wie gesagt: Hat letztlich wohl nichts mit römischem Recht zu tun.

Allerdings: Der hingerichtete Bruder von Civilis lässt schon den Rückschluss zu, dass die Römer die Todesstrafe "freizügig" genutzt haben. Selbst bei so privilegierten Stämmen wie den Batavern. Freilich war da nicht Varus der "Täter".

MfG
 
Zwischenruf:

naja, das Recht zu Zeiten Tacitus kennen wir nicht. Nur Stammesrechte aus Karolingischer Zeit ...
Und da sind Körperstrafen kaum/nicht vorhanden und es gibt eigentlich auch keine "Offizialdelikte" und auch kein staatliches Gewaltmonopol.

Richtig.
Ich habe den "Pactus legis Alamnnorum" im Kopf gehabt als ich freimütig auf das germanische Stammesrecht zu sprechen gekommen bin.

Entschuldigt bitte dass ich damit nicht nur vom Thread abgewichen, sondern auch noch falscherweise Ausgesagt hatte.

Gruß
WW
 
Ich denke, Degradierungen hätten den "Adressaten" nicht mehr erreicht. Das "Problem" hatte sich sozusagen "biologisch" gelöst. Ist wieder nur eine "dumpfe Erinnerung", aber ich meine, bei Tacitus ist die Rede davon, dass alle "freilaufenden" Römer gekreuzigt worden seien und dass sämtliche Angehörigen einer belagerten Kohorte sich aus "Angst vor Verrat" ins eigene Schwert gestürzt hätten. Das Feilschen um Rinderhäute in Auerochsenformat scheint rückblickend betrachtet kein gutes Geschäft gewesen zu sein. Aber wie gesagt: Hat letztlich wohl nichts mit römischem Recht zu tun.

Allerdings: Der hingerichtete Bruder von Civilis lässt schon den Rückschluss zu, dass die Römer die Todesstrafe "freizügig" genutzt haben. Selbst bei so privilegierten Stämmen wie den Batavern. Freilich war da nicht Varus der "Täter".

Interessant wäre gewesen, hätte Tacitus beschrieben, wie sich die Anführer der Friesen an den zuständigen Statthalter und Vorgesetzten gewandt haben und dort abgeblitzt sind. Das wäre der Rechtsweg gewesen und hätte was mit römischem Recht zu tun gehabt.

Ich kann mir auch gut vorstellen, daß es oft so ablief. Das größte Problem, das die Germanen mit dem römischen Recht hatten, könnte gewesen sein, daß es im Ernstfall nur für korrupte Römer galt.
 
Könnte es nicht das größte Problem für die Germanen gewesen sein, daß da plötzlich eine Macht von Aussen kam und Recht sprechen wollte?
Eine fremde Macht wollte plötzlich über Leben und Tod entscheiden.

Eine Frage die lt. Tacitus wohl selbst für die Germanen schwierig war. Eine Frage, die sie immer unter sich selbst ausgemacht haben. Der Tod war ein wirklich schweres Urteil, für schwerwiegende Verbrechen, z.B. Verrat, Feigheit oder Unzucht.
Eine solche Entscheidung wurde lt. Tacitus nur in der Volksversammlung (Thing) getroffen.
(Vergl. Germania 11,12).

Plötzlich waren da Fremde, welche über diese wichtigen Fragen entschieden haben...

Diese Frage ist sicherlich entscheidend.
 
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