also, schwierig, meine frage in eine kurze zeile zu packen. ich möchte erfahren, zu welchem zeitpunkt außenstehende (regierungen, behörden, dienste, etc) die systematik der vernichtung den verschiedenen behörden und abteilungen zuzuordnen vermochten? daran angehängt, stellt sich mir auch die frage, inwieweit zentrale funktionen (verbrechen) personen zugeordnet werden? wann und inwieweit war beispielsweise die rolle eichmanns bekannt?
wäre auch für weiterführende literaturhinweise sehr dankbar.
Ich kann vielleicht ein paar Worte über die sowjetische Perspektive sagen, wenn auch nicht viel.
Es ist üblich, am Ende der sowjetischen Verhörprotokolle aus der Kriegszeit ganze Verdächtigenlisten mit Kurzbeschreibungen zu finden, die folgendermaßen aussahen (aus meinem Blogpost über die sowjetischen Auschwitzberichte
hier):
From the number of traitors among POWs we know: "[nickname unclear]" - served camp commandant and betrayed honest Soviet people.
"[nickname unclear]" - from Western Ukraine, not only denounced Soviet people, but personally strangled many people.
BARANOV Jakov, 26-27 years old, worked at bread dispensation, taunted Russians in many ways, decreased scanty bread ration which they were receiving.
"VAN'KA" - /"SPITZMAUS"/, 2[?] years old, short, Russian, who also denounced honest Soviet people.
"[nickname unclear]" - 27-28 years old, from Western Ukraine, sergeant-major according to rank, active assistant of Gestapo.
All of them were greatly trusted by the Germans.
Die Angaben unterschieden sich natürlich erheblich voneinander je nach Status und Wissensstand der Verhörten.
Während des Kriegs wurden offensichtlich deutsche Kriegsgefangene, Flüchtlinge aus den KL, sowjetische NS-Kollaborateure, usw., und dann, nach und nach, einzelne Kriegsverbrecher, das festgenommene KL-Personal, die befreiten Opfer und Bystander (usw.) verhört. Das muss also eine Riesendatenbank (gewesen?) sein.
Mir sind leider keine zusammenfassenden Studien bekannt, die eine Analyse dieser Verhördaten durchgeführt hätten. Es dürfte jedoch klargeworden sein, dass die Sowjetunion über eine massive Informationssammlung bezüglich der Geschehnisse auf den besetzten Gebieten verfügte, inklusive der Infos über die Holocausttäter - und das relativ frühzeitig.
In der Tat: im späten 1942 verfasste das NKWD (namentlich Sudoplatow) einen Bericht für Molotow, der den Holocaust ziemlich tiefgehend anging und, ausnahmsweise, nur dem gewidmet war (so Besymenskij). (An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die übliche sowjetische Informationspolitik bezüglich des Holocausts dem vermeintlichen sowjetischen Internationalismus unterstand, weswegen es sich im offiziellen Babij-Jar-Bericht nur um "friedliche sowjetische Staatsbürger" handelte und im offiziellen Auschwitzbericht der Untersuchungskommission für Faschistenverbrechen überhaupt keine jüdischen Opfer einer Erwähnung gewürdigt wurden).
In diesem Bericht wurde sogar die Tötung mittels Blausäure erwähnt. Er sollte als Basis einer offiziellen Stellungnahme der Sowjetunion zum Judenmord dienen. Es wurde ein Erklärungsentwurf für Molotow erstellt, der aber nie zum Einsatz kam, da die Sowjetunion sich dann einfach der Alliiertenerklärung über den Judenmord vom 17.12.1942 anschloss.