Also zunächst einmal sei vorweggeschickt, dass Horkheimer und Harari mit der Hufeisentheorie (der schon vor 25 Jahren mein Deutsch-LK-Lehrer anhing) nix zu tun haben. Der Titel ist dem Umstand geschuldet, dass ich irgendwie die verschiedenen Richtungen unterbringen wollte und die Alliteration die sich zufälligerweise ergab, bot sich dann an.
Vor einigen Wochen stieß ich auf folgenden älteren Beitrag, der die Hufeisentheorie bejahend anspricht. Ich bin kein Freund der Hufeisentheorie und zufälligerweise kam mir dann wieder der kürzlich gelesene Harari in den Sinn. Ich weiß nicht, ob er die Hufeisentheorie kennt (ich glaube, sie ist vor allem im deutschsprachigen Raum recht präsent) aber er bietet ein anderes mit der Hufeisentheorie unvereinbares Erklärmodell an, das wiederum im Widerspruch zum marxistischen Erklärmodell steht und zwar sowohl des orthodoxen/dogmatischen Marxismus als auch des unorthodoxen Marxismus.
Was nun folgt, habe ich im Wesentlichen schon vor Wochen geschrieben, sprich, die Einleitung und das nun folgende sind unabhängig voneinander entstanden. Nur die marxistische Sichtweise und Horkheimer als Stellvertreter eines unorthodoxen Marxismus habe ich erst gestern dazugesetzt (da wusste ich aber auch noch nicht, dass ich diese Einleitung schreiben würde).
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Ja, ja, die "gute" alte Hufeisentheorie. Die war immer mehr ein politisches Wahlkampfmittel, als eine auch nur annähernd wissenschaftliche Beschreibung der Unterschiede und Gemeinsamkeit der Totalitarismen.
Noah Harari sieht das anders. Dazu muss ich ein wenig ausholen. Harari unterscheidet nicht zwischen Ideologie und Religion. Für ihn ist Ideologie Religion und Religion Ideologie. Den Humanismus definiert Harari als die Religion, welche die Götter oder den monotheistischen Gott durch den Menschen ersetzt, wobei er betont, dass eine Ideologie/Religion selten in Reinform vorkommt. So sieht er z.B. im Monotheismus dualistische Elemente (die durchaus auch notwendig seien, bis hin zu polytheistischen Reminiszenzen- vor allem im Katholizismus (man kann sicher darüber streiten, ob Harari hier richtig liegt)), für den sozialistischen und liberalen Humanismus sieht Harari das Christentum als grundlegend an.
Also, der Humanismus ist die Religion, welche den Menschen ins Zentrum setzt und Gott ersetzt oder zumindest entthront.
Nun nennt Harari verschiedene Strömungen des Humanismus, zum einen den liberalen Humanismus, zum anderen den sozialistischen Humanismus.
Natürlich ist diese Humanismus-Definition nicht unangegriffen gelieben. Die meisten von uns werden den Begriff Humanismus als etwas Positives sehen, wohingegen die harari‘sche Definition eher irritierend wertneutral ist.
Michael Schmidt-Salomon von der sich selbst als evolutionär-humanistisch begreifenden Giordano-Bruno-Stiftung, die mit Humanismus ‚Atheismus‘ meint, kann natürlich mit der hararischen Lesart von Humanismus als "Religion" schon mal gar nichts anfangen. Zudem versteht er natürlich als Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung etwas völlig anderes unter "evolutionärem Humanismus", als Harari, der damit die sozialdarwinistischen/biologistischen Spielarten des Rassismus beschreibt. Sie benutzen dieselben Worte, meinen damit aber ganz unterschiedliche Dinge (hierin liegt auch der Grundfehler in Schmidt-Salomons Kritik an Harari, weil es Schmidt-Salomon in seiner Kritik an Harari nicht gelingt, seine ideologische Brille abzusetzen). Sowohl Harari, als auch die Giordano-Bruno-Stiftung verstehen allerdings unter Humanismus wiederum etwas ganz anderes, als der im humanistischen Bildungssystem aufgewachsene Mensch Bzw. eigentlich verstehen Schmmidt-Salomon und seine Mitstreiter unter Humanismus weitgehend dasselbe, wie die meisten, nur dass sie diesen positiv besetzten Begriff kapern und für ihre atheistische Agenda semantisch auf ihren Atheismus reduzieren.
Harari ist natürlich wiederum nicht mit kompatibel mit dem, was Philosophen und orthodoxe Marxisten dachten, die eine Wesensverwandtschaft von Faschismus und Kapitalismus sahen. In den 1920er und 1930ern versuchten orthodoxe Marxisten, mit dem von Marx nicht vorhergesehenen Faschismus und Nationalsozialismus konfrontiert, diesen in den Historischen bzw. Dialektischen Materialismus (HistoMat/DiaMat) einzubauen, kompatibel mit der Marx‘schen und marxistischen Theorie zu machen: Sie erklärten ihn zum letzten Aufbäumen des Kapitalismus vor dem Sieg des Proletariats, sahen also schon die kommunistische Morgenröte. Ob Marx seinen Anhängern hierin gefolgt wäre, steht auf einem anderen Blatt, denn der Faschismus mit seinen vertikalen Hierarchien vertrug sich eigentlich nicht sehr gut mit der liberalen kapitalistisch orientierten Gesellschaft, die zwar vertikal organisiert war, aber eben nicht nach völkischem Prinzip zusammengefasst. Einem scharfen Analytiker wie Marx wäre das wahrscheinlich nicht entgangen. Seinen Epigonen schon. Und gerade diese vertikal-hierarchisierte völkische Zusammenfassung war ein Bremsklotz für eine kapitalistische Wirtschaft, ohne dabei aber Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Doch auch der Philosoph Max Horkheimer vertrat die Auffassung, dass, wer vom Kapitalismus nicht reden wolle, doch gefälligst vom Faschismus schweigen solle.
Also:
Im wirtschaftsliberal-konservativen, im Kalten Krieg sozialisierten Milieu wird die Hufeisentheorie propagiert, um es mit meinem damaligen Deutschlehrer zu sagen: "Manche sind soweit links, dass sie schon wieder rechts sind."
Der relativ wertneutral argumentierende Harari sieht mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Wertesystem als zwischen diesen beiden und dem Biologismus.
Die marxistische Linke - egal ob dogmatisch oder unorthodox - sieht den Faschismus, die orthodoxe Linke, weil sie den HistoMat erfüllt sehen will, als Konsequenz des Kapitalismus.
Vor einigen Wochen stieß ich auf folgenden älteren Beitrag, der die Hufeisentheorie bejahend anspricht. Ich bin kein Freund der Hufeisentheorie und zufälligerweise kam mir dann wieder der kürzlich gelesene Harari in den Sinn. Ich weiß nicht, ob er die Hufeisentheorie kennt (ich glaube, sie ist vor allem im deutschsprachigen Raum recht präsent) aber er bietet ein anderes mit der Hufeisentheorie unvereinbares Erklärmodell an, das wiederum im Widerspruch zum marxistischen Erklärmodell steht und zwar sowohl des orthodoxen/dogmatischen Marxismus als auch des unorthodoxen Marxismus.
Was nun folgt, habe ich im Wesentlichen schon vor Wochen geschrieben, sprich, die Einleitung und das nun folgende sind unabhängig voneinander entstanden. Nur die marxistische Sichtweise und Horkheimer als Stellvertreter eines unorthodoxen Marxismus habe ich erst gestern dazugesetzt (da wusste ich aber auch noch nicht, dass ich diese Einleitung schreiben würde).
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Der Hauptunterschied [zwischen Faschismus und Kommunismus] ist, das man im Kommunismus nicht nach Ethnien unterscheidet.
Ja, ja, die "gute" alte Hufeisentheorie. Die war immer mehr ein politisches Wahlkampfmittel, als eine auch nur annähernd wissenschaftliche Beschreibung der Unterschiede und Gemeinsamkeit der Totalitarismen.
Noah Harari sieht das anders. Dazu muss ich ein wenig ausholen. Harari unterscheidet nicht zwischen Ideologie und Religion. Für ihn ist Ideologie Religion und Religion Ideologie. Den Humanismus definiert Harari als die Religion, welche die Götter oder den monotheistischen Gott durch den Menschen ersetzt, wobei er betont, dass eine Ideologie/Religion selten in Reinform vorkommt. So sieht er z.B. im Monotheismus dualistische Elemente (die durchaus auch notwendig seien, bis hin zu polytheistischen Reminiszenzen- vor allem im Katholizismus (man kann sicher darüber streiten, ob Harari hier richtig liegt)), für den sozialistischen und liberalen Humanismus sieht Harari das Christentum als grundlegend an.
Also, der Humanismus ist die Religion, welche den Menschen ins Zentrum setzt und Gott ersetzt oder zumindest entthront.
Nun nennt Harari verschiedene Strömungen des Humanismus, zum einen den liberalen Humanismus, zum anderen den sozialistischen Humanismus.
Während der liberale Humanismus die größtmögliche Freiheit für die größtmögliche Zahl von Menschen anstrebt, wollen die sozialistischen Humanisten die Gleichheit für alle Menschen. Nach Sicht der Sozialisten ist die Ungleichheit die größte Sünde gegen die Menschheit, da sie nicht wesentliche Eigenschaften über das universelle Wesen der Menschen stellt. Wenn zum Beispiel die Reichen mehr Privilegien genießen, als die Armen, stellen wir Geld über die menschliche Natur, die für Arme und Reiche gleich ist.
Wie der liberale Humanismus basiert auch der sozialistische Humanismus auf einem monotheistischen Fundament. Der Gedanke der Gleichheit aller Menschen ist eine Wiedergeburt der monotheistischen Vorstellung, dass alle Seelen von Gott gleich geschaffen wurden. Die einzige humanistische Sekte, die sich vom traditionellen Monotheismus losgesagt hat, ist der evolutionäre Humanismus, dessen bekannteste Vertreter die Nationalsozialisten waren. Die Nationalsozialisten unterscheiden sich von den übrigen Humanisten in ihrer Definition der Menschen […] wurden stark von der Evolutionstheorie beeinflusst. Im Gegensatz zu den anderen beiden humanistischen Splittergruppen hielten sie die menschliche Natur nicht für universell, vielmehr sahen sie den Menschen mehr als eine wandlungsfähige Art, die sich zum Guten oder zum Schlechten weiterentwickeln könne
Wie der liberale Humanismus basiert auch der sozialistische Humanismus auf einem monotheistischen Fundament. Der Gedanke der Gleichheit aller Menschen ist eine Wiedergeburt der monotheistischen Vorstellung, dass alle Seelen von Gott gleich geschaffen wurden. Die einzige humanistische Sekte, die sich vom traditionellen Monotheismus losgesagt hat, ist der evolutionäre Humanismus, dessen bekannteste Vertreter die Nationalsozialisten waren. Die Nationalsozialisten unterscheiden sich von den übrigen Humanisten in ihrer Definition der Menschen […] wurden stark von der Evolutionstheorie beeinflusst. Im Gegensatz zu den anderen beiden humanistischen Splittergruppen hielten sie die menschliche Natur nicht für universell, vielmehr sahen sie den Menschen mehr als eine wandlungsfähige Art, die sich zum Guten oder zum Schlechten weiterentwickeln könne
Natürlich ist diese Humanismus-Definition nicht unangegriffen gelieben. Die meisten von uns werden den Begriff Humanismus als etwas Positives sehen, wohingegen die harari‘sche Definition eher irritierend wertneutral ist.
Michael Schmidt-Salomon von der sich selbst als evolutionär-humanistisch begreifenden Giordano-Bruno-Stiftung, die mit Humanismus ‚Atheismus‘ meint, kann natürlich mit der hararischen Lesart von Humanismus als "Religion" schon mal gar nichts anfangen. Zudem versteht er natürlich als Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung etwas völlig anderes unter "evolutionärem Humanismus", als Harari, der damit die sozialdarwinistischen/biologistischen Spielarten des Rassismus beschreibt. Sie benutzen dieselben Worte, meinen damit aber ganz unterschiedliche Dinge (hierin liegt auch der Grundfehler in Schmidt-Salomons Kritik an Harari, weil es Schmidt-Salomon in seiner Kritik an Harari nicht gelingt, seine ideologische Brille abzusetzen). Sowohl Harari, als auch die Giordano-Bruno-Stiftung verstehen allerdings unter Humanismus wiederum etwas ganz anderes, als der im humanistischen Bildungssystem aufgewachsene Mensch Bzw. eigentlich verstehen Schmmidt-Salomon und seine Mitstreiter unter Humanismus weitgehend dasselbe, wie die meisten, nur dass sie diesen positiv besetzten Begriff kapern und für ihre atheistische Agenda semantisch auf ihren Atheismus reduzieren.
Harari ist natürlich wiederum nicht mit kompatibel mit dem, was Philosophen und orthodoxe Marxisten dachten, die eine Wesensverwandtschaft von Faschismus und Kapitalismus sahen. In den 1920er und 1930ern versuchten orthodoxe Marxisten, mit dem von Marx nicht vorhergesehenen Faschismus und Nationalsozialismus konfrontiert, diesen in den Historischen bzw. Dialektischen Materialismus (HistoMat/DiaMat) einzubauen, kompatibel mit der Marx‘schen und marxistischen Theorie zu machen: Sie erklärten ihn zum letzten Aufbäumen des Kapitalismus vor dem Sieg des Proletariats, sahen also schon die kommunistische Morgenröte. Ob Marx seinen Anhängern hierin gefolgt wäre, steht auf einem anderen Blatt, denn der Faschismus mit seinen vertikalen Hierarchien vertrug sich eigentlich nicht sehr gut mit der liberalen kapitalistisch orientierten Gesellschaft, die zwar vertikal organisiert war, aber eben nicht nach völkischem Prinzip zusammengefasst. Einem scharfen Analytiker wie Marx wäre das wahrscheinlich nicht entgangen. Seinen Epigonen schon. Und gerade diese vertikal-hierarchisierte völkische Zusammenfassung war ein Bremsklotz für eine kapitalistische Wirtschaft, ohne dabei aber Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Doch auch der Philosoph Max Horkheimer vertrat die Auffassung, dass, wer vom Kapitalismus nicht reden wolle, doch gefälligst vom Faschismus schweigen solle.
Also:
Im wirtschaftsliberal-konservativen, im Kalten Krieg sozialisierten Milieu wird die Hufeisentheorie propagiert, um es mit meinem damaligen Deutschlehrer zu sagen: "Manche sind soweit links, dass sie schon wieder rechts sind."
Der relativ wertneutral argumentierende Harari sieht mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Wertesystem als zwischen diesen beiden und dem Biologismus.
Die marxistische Linke - egal ob dogmatisch oder unorthodox - sieht den Faschismus, die orthodoxe Linke, weil sie den HistoMat erfüllt sehen will, als Konsequenz des Kapitalismus.