Das wurde sicher erst nach der Varusschlacht praktiziert. Welchen Sinn sollte die Zerstörung eigener Infrastruktur in einer vermeintlich befriedeten Provinz haben?
In Oberaden lässt sich der Abzug (nach dem u.a. z.B. die Brunnen unbrauchbar gemacht wurden) ins Jahr 8 v. Chr. datieren. Wie gesagt: auch wenn heute anerkannt wird, dass es Provinzialisierungsbestrebungen in Germanien gab, so lässt sich nicht präzisieren, welche Gebiete ab wann als pazifiziert betrachtet wurden. In der frühen Phase ist es eher unwahrscheinlich, da die ersten Feldzüge im Lipperaum auch nach den schriftlichen Quellen darauf abzielten, die Sugambrer als Gefahr rechts des Rheins zu zerschlagen. Viele Sugambrer wurden am Ende der Operationen auf die linke Rheinseite umgesiedelt, was für mich auch ein wenig dagegen spricht, dass das Lippetal schon dauerhaft besetzt werden sollte.
Die bisher aufgefundenen rechtsrheinischen Römerlager scheinen sich zeitlich in zwei Gruppen aufteilen zu lassen:
1. jene, die während der Drusus-Feldzüge entstanden (Oberaden, Rödgen, frühe Lager in Limburg und Holsterhausen, Hedemünden, Olfen, Beckinghausen, Dangstetten etc.)
2. jene, die nach 0 enstanden (Hauptlager Haltern, Anreppen, Marktbreit, jüngere Lager in Limburg und Holsterhausen).
Aus unbekannten Gründen scheinen sämtliche Lager der ersten Phase aufgegeben worden zu sein.
Aufgrund der günstigen Lage ist anzunehmen, dass auch Fritzlar zumindest als Dorf schon bestand, als die Römer erstmals hier eintrafen. Die günstige Lage könnte auch den Römern gefallen haben, und die Entfernung eines Dorfes wird sicher zu den leichteren Aufgaben einer römischen Armee gehört haben.
Theorien kann man natürlich viele aufstellen. In der archäologisch gut erforschten Umgebung von Friedberg fehlt aber jeder Hinweis auf eine längere römische Präsenz auch nur in Form eines Marschlagers.
Damit muss man sich erstmal zufrieden geben. Die Entdeckung des Lagers von Hedemünden fordert natürlich die Idee geradezu heraus, dass es irgendwo eine Verbindung zwischen dort und dem in südwestlicher Richtung nächst gelegenen und 170 Kilometer in Rödgen gegeben habe - es sei denn, man nimmt an, dass die Heere im Lippe-Raum und Süden unabhängig von einander operierten und unterschiedliche Ziele hatten.
Letztere Variante halte ich auch eher für unwahrscheinlich, zumal Hedemünden nicht wesentlich näher zur Lippe-Linie lag. Auch wird ja erwähnt, dass Drusus bei einem seiner Feldzüge ins Land der Chatten zog.
Im ersteren Fall wären natürlich römische Heere durch die im vorgeschichtlichen Nordhessen bedeutendste Siedlungskammer des Fritzlarer Beckens gezogen. Ohne archäologische Befunde bleibt jedoch alles Spekulation.