Ja. Ein Beispiel ist der Feuerräderlauf von Lügde. Dieser uralte Brauch wurde im Zuge der Christianisierung zwar zum Osterräderlauf umdeklariert, besteht aber bis heute fort. Allerdings dürfte diese Tradition älter sein als der Cheruskername.
Oder es handelt sich einfach um einen christlichen Brauch, der, nur weil er archaisch wirkt, willkürlich zurückdatiert wird? So wie der 1919 uraufgeführte Volkstanz, der Himmler beinahe als urgermanisch vorgeführt worden wäre?
Wenn man mal die Quellen, welche die Seite des für den Osterfeuerräderlaufs zuständige Vereinigung in Lügde zusammengetragen hat, um ihre lange Tradition zu behaupten sich anschaut, ließt man zunächst etwas von der Göttin Ostara, die ist uns allerdings nur aus Beda Venerabilis bekannt und es dürfte sich um eine pseudoetymologische, also falsche Rekonstruktion des bereits verchristlichten Monatsnamen (Eosturmonath-Ostermonat) handeln.
Dann wird etwas von Höhlenmalereien gefaselt (die möchte ich sehen, das wäre eine Revolution der Geschichtsschreibung und der Erfindung des Rades!)
Dann diese Behauptung:
784 feiert Karl der Große in Lügde das Weihnachtsfest. Der Überlieferung nach, soll er den heidnischen Brauch, den Feuerräderlauf zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara, nun zur Auferstehung Christi angeordnet haben. Nun spricht man vom -Osterräderlauf-.
Da Ostara nur in einer einzigen Quelle überhaupt genannt wird, nämlich Beda, welcher starb bevor Karl geboren wurde, kann es schon mal keine Quellen geben, in welcher Karl diese Lauf zu Ehren dieser Göttin anordnet.
Zum zweiten kann man a priori ziemlich sicher ausschließen, dass Karl der Große einen Brauch zu Ehren irgendeiner heidnischen Gottheit anordnete. Im Ggt.:
Wenn überhaupt könnte man ein Verbot erwarten, etwa in den Capitularien.
Tatsächlich ist zu seinem Aufenthalt in Lügde nur folgendes überliefert:
Et celebravit natalem Domini iuxta Skidrioburg in pago Waizzagawi super fluvium Ambra in villa Liuhidi - Und er feierte die Geburt des Herren bei (der) Schieder(burg) im (Gau) Weißgau über dem Fluss Emmer im Dorf Lügde.
In einer anderen Quelle heißt es leicht abweichend: In castris super Ambram fluvium in pago Huettagoe iuxta castrum Saxonum, quod dicitur Skidroburg. In den Lagern über dem Fluss Emmer im (Gau) Weißgau, bei der sächsischen Burg, welcher Schieder(burg) genannt wird.
(Wobei das interessantes hieran noch der sprl. Befund ist, nämlich dass der Weißgau einmal altniederdeutsch und einmal althochdeutsch benannt wird.)
Von irgendwelchen Volksbräuchen ist hier weder positiv noch negativ die Rede.
Und so relativiert sich ganz allmählich das angeblich so hohe Alter der Osterfeuerräder.
Dann wird die Zerstörung des Kloster Lorschs im Jahre 1090 durch vom Berg heruntergerollte Feuerräder behauptet.
Soviel kann ich sagen: Von Lorsch bis zu den nächsten Bergen sind es ca. 3 km und die Feuerräder hätten zudem noch einen Altarm des Neckar überqueren müssen.
Wenn man sich die Stelle mal anschaut ließt man von einem anderen Brauch, der 1090 erstmals dokumentiert ist: Dem sogenannten Scheibenschlagen.
In den Lorscher Annalen ließt sich das so:
Anno etenim dominicae incarnationis 1090, evolutis ab exortu monasterii ipsius plus minus 326 annis, 12°. Kalendas Aprilis, repentino ac miserabili incendio tota Laureshamensis ęcclesia conflagravit, illasque regum ac principum nobiles et veteres operas et impensas, parietes auro argentoque pretextos, fornices marmore, ebore gemmisque interstinctos, preciosam purpurae copiosamque subpellectilem, omne denique quod pulchrum erat visu, cum circumpositis aedificiis edax flamma favillatenus absorbuit. Quae calamitas qualiter aut unde processerit, comperta a maioribus rerum fide, castigata brevitate succingamus.
Ipsa quam prediximus die vergente iam in vesperum, postquam exemplo carnalis Israel sedit populus manducare et bibere, et surrexerunt ludere, forte inter cetera ludorum exercitia discus, in extrema marginis hora ut solet accensus, militari manu per aera vibrabatur; qui acriori impulsu circumactus, orbicularem flammae speciem reddens, tam ostentui virium quam oculis mirantium spectaculi gratiam exhibet. Is a quodam non tam perniciter quam infeliciter tandem intortus, ad summum ęcclesiae fastigium imprudenti iactu evolavit, ubi inter tegulas et cariosos asseres artius insidens, animante vento fomitem incendio prebuit. Quid multa? Primo castellum, mirabili dolatura fabrefactum, in quo signa ęcclesiae dependebant, funibus exustis ne quis sonitu excitari posset, arripuit; dehinc totam superiorem fabricam, turres quoque cum porticibus flamma victrix obtinuit; ad extremum bulliente plumbi deliquio, cuius materiae omne tectum fuerat, subveniendi, ingrediendi vel quippiam exinde eruendi omnimodam abstulit facultatem. Erat tunc miseranda rerum facies, tot preclara tam ęcclesiae quam totius monasterii aedificia, tot insignia ornamenta repentina flammarum vastitate devorari, et plurimis absumptis pauca admodum vel manu collecta vel securi et ascia deiecta, summo sudore et periculo ex ipsis incendii globis vix liberari. Qualis tum calamitas, quae miseria, qui clamor, qui luctus, qui gemitus, quae suspiria lamentaque omnium fuerint, facilius est tacendo conicere, quam multa dicendo parum dicere .
Zunächst wird über die Zerstörung der Kirche lamentiert und der Verlust der Kunstschätze durch das "gefrässige Feuer", welches alles "bis zur Asche" zerstörte, bedauert, dann wird der Sachverhalt geschildert, wie es zu der Zerstörung kam und wie diese ablief und am Ende über das dem folgende Wehklagen berichtet. Von Feuerräderrollen ist hier nicht die Rede, sondern das Scheiben durch "kriegerische Hand" in die Luft geschleudert wurden. Das ganze im Rahmen eines Gelages, welches den Bericht von Exodus 32, 6 (Tanz um das Goldene Kalb) aufgreift.
Wir reden von zwei Heiligenbergen und zwei Kapellen. Eine Ruine am rechten Weserufer und eine erhaltene Michaelskapelle auf der anderen Seite, deren Errichtung am Ort eines heidnischen Kultplatzes durch Corveyer Mönche im 11. Jh. dokumentiert ist.
Dass sie am Ort eines heidnischen Kultplatzes errichtet wurde, ist eben nicht dokumentiert. Das rekonstruierst du durch Analogiebildung. Ich halte Analogiebildung für eine legitime Methode zur Hypothesenbildung aber das macht noch keine Fakten.