Kann das Thomasevangelium der erste christliche Text sein?

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Du wolltest doch eigentlich beweisen, dass dem koptischen Text des Thomasevangeliums ein semitischer Urtext zugrundeläge, kein griechischer? Dies - also ein semitischer Urtext - wäre doch, wenn ich deine Argumentation richtig verstanden habe, ein Indiz für das hohe Alter das Thomaseangeliums? Stattdessen weist du darauf hin, dass Jesus wohl Aramäisch gesprochen hat (was wohl communis opinio ist) und behauptest, er habe das laut den kanonischen Evangelisten am Kreuz noch getan. Du meinst damit wohl die bei Markus und Matthäus wiedergegebenen Worte ελωι ελωι λαμμα σαβαχθανι/ηλι ηλι λαμα σαβαχθανι, die ja ein Zitat aus der Talmud sind und zwar aus dem hebräischen Teil. Es ist daher wohl plausibler, dass mit diesen beiden griechischen Trabskriptionen semitischer Worte wohl der hebräische Text gemeint ist, als jüdische Ritualsprache, ohne, dass das etwas über die Alltagssprache Jesu aussagen könnte.

Bisher weist du also griechische Wortfetzen im koptischen Text des Thomasevangeliums nach und semitische Wortfetzen in den griechischen Texten der kanonischen Evangelien. (Ich ergänze noch Johannes und seine elfmalige Verwendung des Begriffs Rabbi, die er mit διδασκαλος ('Lehrer') übersetzt).
 
Oder muss das Thomas-Evangelium als frühes Zeugnis einer selbständigen Entwicklungslinie der Jesusüberlieferung neben der Logienquelle angesehen werden, so dass es als wichtige Quelle des 1. Jh. n.Chr. zu gelten hat (so J.M. Robinson/H.Koster)? Während die amerikanische Forschung vorwiegend dieser These zuneigt, votiert die europäische Forschung für ein differenziertes Erklärungsmodell, das für einzelne Logien des Thomasevangeliums Eigenständigkeit und hohes Alter annimmt, zugleich aber einer sehr frühen Ansetzung des gesamten Evangeliums und der These seiner traditionsgeschichtlichen Eigenständigkeit skeptisch gegenübersteht.
Meine Theorie verbindet die beiden Extreme. Gathercole und Goodacre, so etwas wie die Enkel von Schrage, haben Recht, wenn sie sagen, dass das Thomasevangelium angesichts der frappierenden Übereinstimmungen mit den Synoptikern nicht unabhängig von diesen sein kann. Andererseits haben Koester und Robinson Recht, wenn sie sagen, dass das EvTh bei den meisten Parallelen die ursprünglichere Version liefert. Die Lösung ist sehr einfach: Die Synoptiker sind vom Thomasevangelium abhängig, nicht aber als getreue Kopisten, sondern als Gegner. Sie haben nach Paulus' Tod und dem verheerenden Ersten Jüdischen Krieg die Sprüche aus dem EvTh übernommen und umgedeutet, um sie kompatibel zur Lehre des Paulus zu machen. Das kann auch die komplizierten Abhängigkeiten unter diesen 3 Evangelien erklären und auch ihre Zahl. Daurch wurde ein Übergewicht zum EvTh erreicht. Außerdem erklärt das, warum die Synoptiker Paulus nicht zitierten, sie wollten sich ja auf Jesus selbst berufen. Zusätzlich erklärt mein Modell, warum Q "verloren" gegangen ist. Es wäre doch ungeheuerlich, wenn die Spruchsammlung Jesus', das kostbarste Werk des Christentums, vernichtet worden wäre. Ist es aber nicht. Es ist nur feindlich übernommen worden.
 
Du wolltest doch eigentlich beweisen, dass dem koptischen Text des Thomasevangeliums ein semitischer Urtext zugrundeläge, kein griechischer?
Das kann man nicht beweisen, wie gesagt. Es bleibt aber die Möglichkeit. Ich bin weit davon entfernt, jedes Detail meines Modells beweisen zu können. Ich kann damit nur fast alle Ungereimtheiten erklären.

Dies - also ein semitischer Urtext - wäre doch, wenn ich deine Argumentation richtig verstanden habe, ein Indiz für das hohe Alter das Thomaseangeliums?
Ein Indiz, ja, aber auch kein Beweis. Es hätte trotzdem, wie manche behaupten, im 2. Jhdt in Syrien geschrieben worden sein können.

Stattdessen weist du darauf hin, dass Jesus wohl Aramäisch gesprochen hat (was wohl communis opinio ist) und behauptest, er habe das laut den kanonischen Evangelisten am Kreuz noch getan. Du meinst damit wohl die bei Markus und Matthäus wiedergegebenen Worte ελωι ελωι λαμμα σαβαχθανι/ηλι ηλι λαμα σαβαχθανι, die ja ein Zitat aus der Talmud sind und zwar aus dem hebräischen Teil. Es ist daher wohl plausibler, dass mit diesen beiden griechischen Trabskriptionen semitischer Worte wohl der hebräische Text gemeint ist, als jüdische Ritualsprache, ohne, dass das etwas über die Alltagssprache Jesu aussagen könnte.
"Diese Worte werden im griechischen Text der Evangelien als Transkription der aramäischen Übersetzung des 22. Psalms (Ps 22,2 EU) im Evangelium nach Markus mit ελωι ελωι λαμμα σαβαχθανι eloi eloi lamma sabachthani beziehungsweise im Evangelium nach Matthäus mit ηλι ηλι λαμα σαβαχθανι eli eli lama sabachthani (eigentlich אֵלִי אֵלִי לְמָה שְׁבַקְתָּנִי ’eli, ’eli, lema schewaktani oder ܐܹܝܠ ܐܹܝܠ ܠܡܵܢܵܐ ܫܒܲܩܬܵܢܝ ’il, ’il, lmana schwaktan, im hebräischen Original des Psalms אֵלִ֣י אֵ֭לִי לָמָ֣ה עֲזַבְתָּ֑נִי ’eli, ’eli, lama ‘asawtani) wiedergegeben"
sagt Wikipedia unter "Sieben letzte Worte". Ich beherrsche weder Hebräisch noch Aramäisch, aber: Netter Versuch!
 
Es wäre doch ungeheuerlich, wenn die Spruchsammlung Jesus', das kostbarste Werk des Christentums, vernichtet worden wäre. Ist es aber nicht. Es ist nur feindlich übernommen worden.
Halleluja (und das so kurz vorWeihnachten!)
Und das hast du entdeckt (dass das EvTh das kostbarste Werk des Christentums ist) samt seiner feindlichen Übernahme, welche du hiermit aufgedeckt hast.
...es begab sich aber zu der Zeit, da Jesu Worte in einem Geschichtsforum auftauchten...
Amen.

(pardon, aber da kann ich nicht ernst bleiben)
 
Halleluja (und das so kurz vorWeihnachten!)
Und das hast du entdeckt (dass das EvTh das kostbarste Werk des Christentums ist) samt seiner feindlichen Übernahme, welche du hiermit aufgedeckt hast.
...es begab sich aber zu der Zeit, da Jesu Worte in einem Geschichtsforum auftauchten...
Amen.

(pardon, aber da kann ich nicht ernst bleiben)
Wolltest Du nicht etwas Inhaltliches beisteuern?
Das sieht aus wie trolling.
 
Judas Phatre was sagst du denn nun zu der Sache, dass das Thomas-Evangelium erst ab 230 n. Chr. bei den Kirchenvätern auftaucht.
 
Judas Phatre was sagst du denn nun zu der Sache, dass das Thomas-Evangelium erst ab 230 n. Chr. bei den Kirchenvätern auftaucht.

Das habe ich doch schon beantwortet:

Das ist einfach: Weil das Thomas-Evangelium das wahre Evangelium war, war es überaus weit verbreitet.
Und weil es so weit verbreitet war, musste es gut getarnt werden, damit man das nicht bemerkt.
Darum taucht es nur unter allerlei Decknamen wie "Hebräerevangelium" oder "Matthäusevangelium" auf.

Wahrscheinlich hast Du es für einen Witz gehalten, aber:

Das klingt ironisch, ist aber genau meine Meinung.
 
Werter Judas Phatre, mir sei - nur interessehalber - eine Anmerkung gestattet:
Nehmen wir einmal rein hypothetisch an, Deine Aussagen ließen sich wissenschaftlich untermauern. Welche Konsequenz zögest Du daraus, die Diskussionsgegenstand eines Geschichtsforums wäre?
 
Das habe ich doch schon beantwortet:

Das ist einfach: Weil das Thomas-Evangelium das wahre Evangelium war, war es überaus weit verbreitet.
Und weil es so weit verbreitet war, musste es gut getarnt werden, damit man das nicht bemerkt.
Darum taucht es nur unter allerlei Decknamen wie "Hebräerevangelium" oder "Matthäusevangelium" auf.

Wahrscheinlich hast Du es für einen Witz gehalten, aber: Judas Phatre
Das klingt ironisch, ist aber genau meine Meinung.

:rofl:Wenn dies zu seiner "Wahrheit" dazugehört ist diese Diskussion endgültig ad absurdum geführt.
 
"Diese Worte werden im griechischen Text der Evangelien als Transkription der aramäischen Übersetzung des 22. Psalms (Ps 22,2 EU) im Evangelium nach Markus mit ελωι ελωι λαμμα σαβαχθανι eloi eloi lamma sabachthani beziehungsweise im Evangelium nach Matthäus mit ηλι ηλι λαμα σαβαχθανι eli eli lama sabachthani (eigentlich אֵלִי אֵלִי לְמָה שְׁבַקְתָּנִי ’eli, ’eli, lema schewaktani oder ܐܹܝܠ ܐܹܝܠ ܠܡܵܢܵܐ ܫܒܲܩܬܵܢܝ ’il, ’il, lmana schwaktan, im hebräischen Original des Psalms אֵלִ֣י אֵ֭לִי לָמָ֣ה עֲזַבְתָּ֑נִי ’eli, ’eli, lama ‘asawtani) wiedergegeben"
sagt Wikipedia unter "Sieben letzte Worte". Ich beherrsche weder Hebräisch noch Aramäisch, aber: Netter Versuch!

Wieso "netter Versuch"?

Fakt ist doch: Wir haben einen Psalmentext, der auf Hebräisch vorliegt und zwei Fassungen eines semitischen Textes, der den hebräischen Psalmentext zitiert, aber auf griechisch niedergeschrieben worden ist. Das kann man drehen und wenden, wie man will, die Transkription wird immer defektiv sein.

Augenfälligster Unterschied dabei ist, dass der eine Text für das /e/ Epsilon, der andere Eta wählt.

Aber beide Texte schreiben lama (bzw. lamma) was dem Hebräischen לָמָ֣ה (lamed-kamets-mem-kamets-ha [kamets = a:]) entspricht, wohingegen das Aramäische laut deinem Wikipedia-Zitat lmana (ܠܡܵܢܵܐ) (Lamedh-mem-zqofo-nun-zqofo-alap [zqofo=o:]) verlangt. Also eigentlich sogar lmonoh.

Insofern sprechen beide Transkriptionen - entgegen der Behauptung des Wikipedia-Artikels - eher für Hebräisch als für Aramäisch.

Trotzdem noch mal die Frage: Du meinstest, der Text des Thomasevangeliums sein älter als die Synoptiker und Johannes. Bisher hast du aber nur auf Gräzismen im koptischen Text hingewiesen, nicht auf Semitismen. In zweien der Synoptiker und bei Johannes finden wir im griechischen Text Semitismen. Wenn nun die Semitismen tatsächlich ein Altersmerkmal sind: An welchem Umstand hängst du deine Behauptung auf, das Thomasevangelium sei älter?
 
Andererseits haben Koester und Robinson Recht, wenn sie sagen, dass das EvTh bei den meisten Parallelen die ursprünglichere Version liefert.
Woran genau wird das festgemacht? Mit Behauptungen und Namedropping kann ich nichts anfangen, ich will Argumente! Ad fontes!

Die Lösung ist sehr einfach: Die Synoptiker sind vom Thomasevangelium abhängig, nicht aber als getreue Kopisten, sondern als Gegner. Sie haben nach Paulus' Tod und dem verheerenden Ersten Jüdischen Krieg die Sprüche aus dem EvTh übernommen und umgedeutet, um sie kompatibel zur Lehre des Paulus zu machen. Das kann auch die komplizierten Abhängigkeiten unter diesen 3 Evangelien erklären und auch ihre Zahl. Daurch wurde ein Übergewicht zum EvTh erreicht. Außerdem erklärt das, warum die Synoptiker Paulus nicht zitierten, sie wollten sich ja auf Jesus selbst berufen.
Du übersiehst dabei, dass der Verfasser des synoptischen Luksevangeliums auch der Verfasser der sehr pauluszentrierten Apostelgeschichte ist.
 
Judas Phatre was sagst du denn nun zu der Sache, dass das Thomas-Evangelium erst ab 230 n. Chr. bei den Kirchenvätern auftaucht.
Wie erwähnt halte ich das zwar für das erste Zitat, das den uns bekannten Namen nennt, aber nicht für das erste Zitat aus dem Thomasevangelium. Paulus, die synoptischen Evangelien und einige kanonische Briefe, Clemens von Rom und Clemens von Alexandria, Justin der Märtyrer und viele mehr zitieren das Thomasevangelum ohne es zu nennen. Nach meinem Modell war es das "Du-weißt-schon-wer" unter den Schriften.
So muss man auch das völlig verfälschte Zitat von Th 4 bei Hippolyt einordnen.
 
Wieso "netter Versuch"?
Vielleicht habe ich Dich falsch verstanden? Es sah so aus, als wolltest Du behaupten, die Bibel ließe Jesus Hebräisch sprechen.

Fakt ist doch: Wir haben einen Psalmentext, der auf Hebräisch vorliegt und zwei Fassungen eines semitischen Textes, der den hebräischen Psalmentext zitiert, aber auf griechisch niedergeschrieben worden ist. Das kann man drehen und wenden, wie man will, die Transkription wird immer defektiv sein.
Augenfälligster Unterschied dabei ist, dass der eine Text für das /e/ Epsilon, der andere Eta wählt.
Aber beide Texte schreiben lama (bzw. lamma) was dem Hebräischen לָמָ֣ה (lamed-kamets-mem-kamets-ha [kamets = a:]) entspricht, wohingegen das Aramäische laut deinem Wikipedia-Zitat lmana (ܠܡܵܢܵܐ) (Lamedh-mem-zqofo-nun-zqofo-alap [zqofo=o:]) verlangt. Also eigentlich sogar lmonoh.
Insofern sprechen beide Transkriptionen - entgegen der Behauptung des Wikipedia-Artikels - eher für Hebräisch als für Aramäisch.
Meine Kenntnisse beider Sprachen sind sehr begrenzt. Ich empfehle Dir, den Wikipedia-Artikel zu ändern und wir warten auf die Antwort. Ich habe schon an vielen Stellen gelesen, dass das Aramäisch sei.

Trotzdem noch mal die Frage: Du meintest, der Text des Thomasevangeliums sei älter als die Synoptiker und Johannes. Bisher hast du aber nur auf Gräzismen im koptischen Text hingewiesen, nicht auf Semitismen. In zweien der Synoptiker und bei Johannes finden wir im griechischen Text Semitismen. Wenn nun die Semitismen tatsächlich ein Altersmerkmal sind: An welchem Umstand hängst du deine Behauptung auf, das Thomasevangelium sei älter?
Ich glaube, wir missverstehen uns. "Aramaismen" sind hier keine erhaltenen Wörter auf Aramäisch wie im NT, sondern zweifach übersetzte Gruppen aus Worten, wie sie typischerweise im Aramäischen verwendet werden. Ich habe das Beispiel "Vögel des Himmels" gebracht. Im EvTh steht das dort auf Koptisch "NHALATE NTPE" (incl. Verbesserung). Nur ist das im Koptischen und Griechische ungewöhnlich. Viele dieser Aramaismen, die besonders Perrin aufführt, sind umstritten. Sie bleiben aber ein Indiz für den semitischen Ursprung. Ich hoffe, das hilft dabei, eine gemeinsame Diskussionsbasis zu finden.
 
Vielleicht habe ich Dich falsch verstanden? Es sah so aus, als wolltest Du behaupten, die Bibel ließe Jesus Hebräisch sprechen.

Nein. Du hast behauptet, Jesus spreche Aramäisch. Das ist soweit in Ordnung und entspricht der communis opinio.
Dann hast du dies versucht mit der Kreuzigungsszene zu belegen. Und gegen diese methodische Unsauberkeit habe ich Einspruch eingelegt.
Bei der Kreuzigungsszene bei Markus und Matthäus haben wir einen semitischen Text in griechischer Schrift, die den semitischen Text nur defektiv wiedergeben kann. Das Griechische kennt kein <'ayn> und kein <šīn> und kann dementsprechend auch die semitschen Laute nicht korrekt wiedergeben.
Hebräisch war die Kultsprache der Juden, Jesus, bzw. die dies wiedergebenden Evangelisten zitieren hier aus den Psalmen, die im Talmud, der ja auch Aramäische Portionen beherbergt, Hebräisch niedergelegt sind. Aus diesem Grund und auch aus sprachlichen Überlegungen zu dem griechisch wiedergegebenen semitischen Text muss man hier ein hebräisches Zitat zugrundelegen. Daher kann diese Stelle nicht als Beleg für die Alltagssprache Jesu herangezogen werden.
Die Stelle richtet sich demnach sowohl an die Juden(christen) als auch an die Heidenchristen
Den Juden(christen) soll hier noch mal vermittelt werden, dass Jesus seinen Talmud kannte, den Heidenchristen muss der semitische Text aber übersetzt werden.

Meine Kenntnisse beider Sprachen sind sehr begrenzt. Ich empfehle Dir, den Wikipedia-Artikel zu ändern und wir warten auf die Antwort. Ich habe schon an vielen Stellen gelesen, dass das Aramäisch sei.
Ich bin kein Semitist, nur ein Hispanist, der mal Arabisch gelernt hat, sich dann dank der Arabischkenntnisse mit wenig Aufwand das Hebraicum erworben hat und im Aramäischen noch mehr dilettiert (sowohl im alten positiven als auch im neuen pejorativen Sinne von dilettieren). Aber transkribieren das geht.

Ich habe das Beispiel "Vögel des Himmels" gebracht. Im EvTh steht das dort auf Koptisch "NHALATE NTPE" (incl. Verbesserung). Nur ist das im Koptischen und Griechische ungewöhnlich.

Zumindest kennt die kanonische Bibel das auch: εἰς τὰ πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ - "sehet die Vögel des Himmels" (Mt. 6, 26)
Dagegen bei Lukas: "Erinnert euch der Raben": κατανοήσατε τοὺς κόρακας
Viele dieser Aramaismen, die besonders Perrin aufführt, sind umstritten. Sie bleiben aber ein Indiz für den semitischen Ursprung.
Kann denn Perrin überhaupt für deine Hypothese als Gewährsmann herangezogen werden? Der meinte doch, dass das Thomasevangelium auf Tatians Diatessaron basiere und das Diatessaron versuchte nun mal, die echten und scheinbaren Widersprüche der vier kanonischen Evangelien miteinander in Einklang zu bringen. Wenn also das Thomasevangelium auf dem Diatessaron basiert, wie dein Gewährsmann Perrin glaubt, dann erübrigt sich doch die Frage, ob das Thomasevangelium älter als die kanonischen Evangelien sei, weil es schlechterdings unmöglich ist. Ganz im Gegenteil würde es die textlichen Parallelen zwischen den kanonischen Evangelien und dem Thomasevangelium auch ohne die Logienquelle Q erklären.
 
Judas Phatre
Andererseits haben Koester und Robinson Recht, wenn sie sagen, dass das EvTh bei den meisten Parallelen die ursprünglichere Version liefert.

Woran genau wird das festgemacht? Mit Behauptungen und Namedropping kann ich nichts anfangen, ich will Argumente! Ad fontes!
Die Liste ist lang. Ich schlage den Spruch 36 (pOxy 655) vor:
"[FONT=&quot]Jesus spricht: Sorgt euch nicht vom Morgen bis zum Abend und von der Abendzeit bis zum Morgen, weder um eure Nahrung, nämlich was ihr essen sollt, noch um eure Kleidung[/FONT][FONT=&quot], nämlich was ihr anziehen sollt. Ihr seid doch viel besser als die Lilien, die keine Wolle krempeln und auch nicht spinnen..."[/FONT]
Wenn Du in die Bibel schaust, dann findest Du Lk 12,27
"Beachtet wohl, wie die Lilien wachsen; sie mühen sich nicht ab, noch spinnen sie."
Robinson hat in "A written Greek Saying Cluster Older than Q", HTR 92, 1999, 61-77 dargestellt, dass die Texte des NT auf einem Lesefehler im Griechischen beruhen und, wie im EvLk sichtbar, versuchen zu verbessern (Einschub von "sie mühen sich nicht ab", um das "entweder oder" zu retten). Der Papyrus aus Oxyrhynchus trägt den Urtext ("weder krempeln noch spinnen"), der den Sinn perfekt wiedergibt. Robinson schließt daraus, dass pOxy655 nicht auf das NT, sondern auf eine ältere unabhängige Quelle zurückgeht. Ich würde sagen: "Eine ältere unabhängige Quelle darstellt".

Für weitere Belege habe ich einen Abschnitt aus "Nordsieck, Das Thomasevangelium, 2006, 9f" gescannt:
"[FONT=&quot]Besonders bemerkenswert ist schließlich, dass im EvThom auch noch eine Reihe von Parallelen zu Doppelüberlieferungen vorliegen, die unabhängig voneinander in Mk und Q vorhanden sind und diesen vorausliegen. Nämlich die Sprüche vom Haus des Starken (EvThom 35 = Mk 3,27 = Lk [Q] ll,21f), von der Sünde wider den heiligen Geist (EvThom 44 = Mk 3,28f = Lk 12,10), vom Licht unter dem Scheffel (EvThom 33 S.2/3 = Mk 4,21 = Lk 11,33), von der Offenbarung des Verborgenen (EvThom 5/6 S.5 = Mk 4,22 = Lk 12,2), vom Haben und Empfangen (EvThom 41 = Mk 4,25 = Lk 19,26), vom Senfkorn (EvThom 20 = Mk 4,30fF= Lk 13,18f), von der Aussendung der Jünger zur Krankenheilung (EvThom 14 = Mk 6,12 = Lk 10,9), von der Kreuzesnachfolge (EvThom 55 = Mk 8,34 = Lk 14,26f), von den Ersten und Letzten (EvThom 4 = Mk 10,31 = Lk 13,30), vom bergeversetzenden Glauben (EvThom 48/106 = Mk 11,23 = Lk 17,6), von der Spaltung unter Verwandten (EvThom 16 = Mk 13,12 = Lk 12,53), vom Kommen des Reichs Gottes (EvThom 113 = Mk 13,21 = Lk 17,23) und vom Vergehen der Welt (EvThom 11,111 = Mk 13,31 = Lk 16,17). Auch diese Parallelen, die mehr als die Hälfte aller überhaupt vorhandenen Doppelüberlieferungen von Mk und Q betreffen, belegen nachhaltig den hohen traditionellen Wert der Überlieferungen des EvThom (zu den ersteren s. auch R. LAUFEN, Doppelüberlieferungen, 1980, 81 ff und H.T. FLEDDERMANN, Mark and Q, 1995, 21f)."[/FONT]

Du übersiehst dabei, dass der Verfasser des synoptischen Luksevangeliums auch der Verfasser der sehr pauluszentrierten Apostelgeschichte ist.
Nein, tue ich nicht, ich habe mich nicht spezifisch genug ausgedrückt: "... Paulus in den Evangelien nicht zitieren". Soweit ich weiß, zitiert Lukas Paulus aber auch nicht in der Apg, oder? Die Apg stellt aber auf hervorragende Weise dar, dass die Synoptiker sich in der Tradition dieses "Apostels" sahen und nicht in der eines der echten Schüler des Jesus von Nazareth.
NB: Ich halte das "Matthäusevangelium" für eine Pseudoepigraphie, wie viele andere auch.
 
Daher kann diese Stelle nicht als Beleg für die Alltagssprache Jesu herangezogen werden.
Alles, was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass selbst das NT davon ausgeht, dass Jesus Aramäisch sprach.

Die Stelle richtet sich demnach sowohl an die Juden(christen) als auch an die Heidenchristen.
Den Juden(christen) soll hier noch mal vermittelt werden, dass Jesus seinen Talmud kannte, den Heidenchristen muss der semitische Text aber übersetzt werden.
Genau. Ob auch Juden angesprochen werden sollten, lasse ich offen, aber die Texte richten sich an dieselbe Zielgruppe wie Paulus: an die "Nationen".

Zumindest kennt die kanonische Bibel das auch: εἰς τὰ πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ - "sehet die Vögel des Himmels" (Mt. 6, 26)
Dagegen bei Lukas: "Erinnert euch der Raben": κατανοήσατε τοὺς κόρακας
Ich sagte bereits (vielleicht etwas zu knapp), dass das Gegenargument gegen den aramäischen Urtext die Tatsache ist, dass diese "Aramaismen" auch nur die Übernahme der Wendungen aus dem AT darstellen könnten.

Kann denn Perrin überhaupt für deine Hypothese als Gewährsmann herangezogen werden? Der meinte doch, dass das Thomasevangelium auf Tatians Diatessaron basiere
Niemand kann in diesem Sinne als Gewährsmann für meine Hypothese herangezogen werden, weil sie neu ist. Deshalb schallt doch das Gelächter der Trolle durch den thread.
Ich benutze die Aussagen und Hilfen der Gegner und partiellen Unterstützer, nicht deren generelle Meinung. Peter Nagel und Stephen Emmel haben mir auch geholfen, obwohl sie anderer Meinung waren.
Soweit ich das übersehe, könnte man Aramäisch, Syrisch und Hebräisch mit Vorbehalten ein Dialektkontinuum nennen, oder? Wir können also bei übersetzten Ausdrücken nicht sagen, aus welcher dieser Sprachen der Begriff stammt (mit wenigen heftig umstrittenen Ausnahmen). Deshalb kann ich auch Perrin ausbeuten. Er führt das EvTh auf das Diatessaron zurück, wegen der enormen Menge an Parallelen. Zeitlich ist das aber kaum vorstellbar. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die Abhängigkeit umgekehrt ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alles, was ich damit ausdrücken wollte, ist, dass selbst das NT davon ausgeht, dass Jesus Aramäisch sprach.

Ich verstehe das selbst nicht. Aber eigentlich macht das NT überhaupt gar keine Angaben zu seiner Alltgassprache.

Niemand kann in diesem Sinne als Gewährsmann für meine Hypothese herangezogen werden, weil sie neu ist. Deshalb schallt doch das Gelächter der Trolle durch den thread.
Ich habe noch kein Trollgelächter gelesen. Widerspruch, auch solcher in ironischer Form, ist keine Trollerei.

]Soweit ich das übersehe, könnte man Aramäisch, Syrisch und Hebräisch mit Vorbehalten ein Dialektkontinuum nennen, oder?
Syrisch ist eine Form des Aramäischen. Mit dem Begriff Dialektkontinuum tue ich mich ein wenig schwer, da dies eine Kenntnis der Isoglossen des vorderen Orients in der Zeit vor dem Aussterben des Hebräischen als Alltagssprache in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends vor Christus voraussetzen würde. Wenn man annimmt, dass Aramäisch die aus der Euphratregion stammende den kanaanitischen Gegenden übergestülpte Sprache ist, dann kann man eher nicht von einem Dialektkontinuum ausgehen.

Deshalb kann ich auch Perrin ausbeuten. Er führt das EvTh auf das Diatessaron zurück, wegen der enormen Menge an Parallelen. Zeitlich ist das aber kaum vorstellbar. Es ist viel wahrscheinlicher, dass die Abhängigkeit umgekehrt ist.
Warum ist das zeitlich kaum vorstellbar?
 
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