Konnte Napoleon 1813/14 Frieden schließen?

excideuil

unvergessen
Als Napoleon nach der Niederlage in Rußland wieder in Paris war, berief er sofort den Kronrat zur Beratung ein.
Talleyrand riet ihm: „Verhandeln Sie! Sie haben jetzt Pfänder in der Hand, die Sie aufgeben können; morgen können Sie sie verloren haben, und dann ist die Möglichkeit zu verhandeln, ebenfalls verloren.“ [1] Talleyrand schwebten bei seinem Vorschlag die Grenzen des Vertrages von Lunéville vor.
Napoleon hielt ihn zurück und bot ihm anschließend das Außenministerium an:
„Das kann ich nicht“, antwortete Talleyrand. „Ich bin mit Ihren Angelegenheiten nicht vertraut.“
„Sie kennen sie gut genug!“, schrie Napoleon wütend, „aber Sie versuchen, mich zu hintergehen.“
„Nein, Sire. Aber ich will dieses Amt nicht annehmen, weil ich glaube, dass Ihre Ansichten allem zuwiderlaufen, was nach meiner Überzeugung dem Ruhm und dem Glück meines Vaterlands dient.“ [2]
Das letzte Zitat entstammt den Memoiren einer Freundin Talleyrands, Aimée de Coigny, wir dürfen daher am Wortlaut zweifeln; zweifellos hingegen ist, dass T. abgelehnt hat und er zwischen den Interessen Frankreichs und denen des Kaisers unterschieden hat.

Betrachtet man vor allem die die Kriegsziele Russlands, Österreichs und Englands, dann wird deutlich, dass die „natürlichen Grenzen“ Frankreichs realistisch waren. In den Augen Talleyrands für Frankreich auch völlig ausreichend.
Aber konnte Napoleon diesen Frieden schließen?

Ich meine: nein.

In den Schilderungen zu den Kriegen 1813 und 14 wird Napoleon als uneinsichtig geschildert. Nach dem Gewinn einer Schlacht war er weniger bereit, zu verhandeln etc.
Es gibt die Argumentation, dass er keinen Frieden mit weniger Staatsgebiet wollte, als er 1799 übernommen hat.
Aber ist ein uneinsichtiger Napoleon wirklich der Weisheit letzter Schluss?
Bei Metternich findet sich folgendes:
„Nun gut, was will man denn von mir?“ fuhr mich Napoleon an, „dass ich mich entehre? Nimmermehr! Ich werde zu sterben wissen, aber ich trete keine Hand breit Bodens ab. Eure Herrscher, geboren auf dem Throne, können sich zwanzig Mal schlagen lassen, und doch immer wieder in ihre Residenzen zurückkehren; das kann ich nicht, ich, der Sohn des Glückes. Meine Herrschaft überdauert den Tag nicht, an dem ich aufgehört habe, stark und folglich gefürchtet zu sein.“ [3]

Ich denke, die Gefahr von den europäischen Fürsten abgesetzt zu werden, bestand nicht, außer Alexander I. hatte keiner diese Absicht. Mit dem Ausland wäre ein Frieden wohl möglich gewesen, zumal davon ausgegangen werden kann, dass es unter den Verbündeten dann ähnliche Interessenkonflikte gegeben hätte, wie auf dem Wiener Kongress offenbar wurden. Die Legitimität als Argument greift meiner Ansicht nach nicht.

Im letzten Satz des Zitates liegt wohl die Wahrheit.

Eine Begründung habe ich bei Eynard in einem Gespräch vom 9. November 1814 beim Wiener Kongress zwischen dem Genfer Bevollmächtigten von Pictet, Eynard selbst und Talleyrand gefunden:

„Wie kommt es aber, Durchlaucht, dass man Frieden mit ihm schließen wollte?“
„… Es hing jedoch nur von ihm ab, ihn zu schließen, und ich kann Ihnen sogar sagen, dass Herr von Metternich ihm zwei Tage nach dem Abbruch der Verhandlungen in Chatillon nochmals einen Kurier sandte, um noch zu vorteilhaften Bedingungen abzuschließen.“
„Wie können Ew. Exzellenz sich erklären, dass er das abgeschlagen hat?“ fragte Herr von Pictet.
„In seiner Lage konnte er nicht anders handeln“, antwortete Talleyrand, „und darin hat er ein ausgezeichnetes Urteil bewiesen. Der Friede war vorteilhaft für die Verbündeten, aber nicht für ihn. Bonaparte hatte die Gunst des Volkes verloren. Nur große Erfolge und ein mächtiges Reich hätten ihn stützen können. Er konnte sich nach seiner Rückkehr in Frankreich nicht halten mit einem König von Rom ohne einen Zollbreit Landes in Italien, mit Brüdern ohne Königreich, mit erschöpften Finanzen.“
„Und ohne die Dotationen seiner Marschälle“, fügte ich hinzu.
Herr von Talleyrand erwiderte:
„Ja, die Marschälle, dotiert mit sieben- bis achthundert Tausend Franken, waren ihm ergeben, solange sie bezahlt wurde; aber sobald sie sich ihrer Einkünfte beraubt gesehen hätten, würden sie in ihm nur noch den Kameraden gesehen haben. Bonaparte konnte also keinen Frieden schließen zu Bedingungen, die ihm nur Frankreich ließen.“ [4]

Die natürlichen Grenzen als Friedensergebnis wären für Frankreich vorteilhaft gewesen. Nicht aber für Napoleon. Das Staatsgebiet wäre begrenzt gewesen und damit auch die finanziellen Möglichkeiten durch den Wegfall der Ausplünderung ehemals abhängiger Staaten. Eine Art „Empire auf Sparflamme“ wäre die Folge. Wäre das vorstellbar? Ich glaube nicht. Viel mehr müsste davon ausgegangen werden, dass in Friedenszeiten eine große Armee nicht gebraucht, ja, nicht finanziert werden hätte können. Damit wäre Napoleon das spätere Problem der Bourbonen, große Teile der Armee auf Halbsoll zu setzen, auf die Füße gefallen. Ist das vorstellbar? Hätte er das politisch überlebt? Nach der Affäre Malet und der Opposition, die spätestens seit 1808 bestand und den nicht zu unterschätzenden royalistischen Kräften wohl eher nicht!

Und so kann es nicht wirklich wundern, dass Napoleon sogar einen Bürgerkrieg in Frankreich in Erwägung zog und erst aufgab, als die Marschälle ihm den Gehorsam verweigerten.

Grüße
excideuil

[1] Orieux, Jean: „Talleyrand – Die unverstandene Sphinx“, Societäts-Verlag, Frankfurt, 1972, Seite 480
[2] Bernard, Jack F.: „Talleyrand – Diplomat, Staatsmann, Opportunist“, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1989, Seite 322
[3] Metternich: „Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren“ Erster Teil, 1773-1815, Wilhelm Braumüller, Wien 1880, Bd. 1, Seite 151
[4] Eynard, Jean Gabriel: „Der tanzende Kongreß“, Tagebuch, berecht. Übersetzung von Dr. Karl Soll, Hafen Verlag, Berlin, 1923, Seite 89
 
Ich glaube nicht das es einen Frieden hätte geben können weil Napoleons macht schwand und um alle Faktoren mit einzubeziehen sollte man mal schauen wer aus der Zerschlagung von Napoleon Reich vorteile ziehen würde mir fällt da schon mal *Wilhelm Friedrich Prinz von Oranien-Nassau* ein die Niederlande profitierte extrem nach 1815 von Napoleons Ende Willhelm wollte unbedingt den Staat nicht nur wiederherstellen sondern auch vergrößern ein Burgfrieden wäre absolut das gegenteil was man sich vorstellte in den Niederlanden.
 
Und so kann es nicht wirklich wundern, dass Napoleon sogar einen Bürgerkrieg in Frankreich in Erwägung zog und erst aufgab, als die Marschälle ihm den Gehorsam verweigerten.

Das zeigt meines Erachtens, dass Napoleon die politische und militärische Lage falsch einschätzte oder aber - wie häufig - vabanque spielte.

Ein territorial ungeschmälertes oder nur leicht beschnittenes Frankreich hätten alle großen betroffenen europäischen Fürstenfamilien nicht akzeptiert und massiv auf Restitution gedrängt. Seien es Preußen, das nahezu die Hälfte seines Gebiets verloren hatte, die Borbonen in Süditalien (und Frankreich?), die Österreicher, die wertvolle Gebiete eingebüßt hatten, England, das Kurhannover zurückforderte und Frankreichs gewaltigen Einfluss auf dem Kontinent beschränkt sehen wollte. Länder wie Bayern oder Baden waren zwar territoriale Nutznießer der napoleonischen Neuordnung, doch ob sie sich im Hinblick auf einen status quo durch einen entsprechenden Friedensvertrag europaweit hätten durchsetzen können, ist mehr als fraglich.

Angesichts der eklatanten Schwäche Napoleons nach seiner verheerenden Niederlage in Russland war sicher allen mächtigen Gegenspielern klar, dass nun der ideale Zeitpunkt einer Entmachtung des Korsen und einer zumindest teilweisen territorialen Restitution gekommen war.

Geht man in einer anderen Version davon aus, dass Frankreich lediglich in den Grenzen des Friedens von Lunéville existieren sollte, so hätten sich Restitutionsforderungen der großen Dynastien zwar weitgehend erledigt. Doch ob das Vertrauen seiner Gegner in einen haltbaren Frieden ausgereicht hätte, ist zweifelhaft. Ganz abgesehen davon, dass Frankreich bis zum Rhein gereicht hätte, was sicherlich bei einigen Staaten Proteste ausgelöst hätte. Es bleibt dabei: Die Gelegenheit, Napoleon zu entmachten und ihm alle eroberten Territorien abzunehmen, war nach der russischen Katastrophe einfach zu verlockend, um sie - Friedensvertrag hin oder her - nicht wahrzunehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage für mich ist: in welcher Hinsicht?

Außenpolitisch gab es ja schon Verhandlungsbereitschaft. Die Beispiele führst Du ja selber an, excideuil.

Ich denke auch, dass Österreich zwar mit Preußen zusammen unter den Großmächten am meisten und wenn man allein die Zeitspanne der Kriege anschaut, auch am längsten unter dem revolutionären und napoleonischen Frankreich zu leiden hatte, aber eben deswegen Krieg wenn nicht vermeiden, so zumindest möglichst abkürzen wollte.
Mich würde gerade bei dem Aspekt der österreichischen Verhandlungsbereitschaft interessieren, ob den Österreichern klar war, dass ein Friedensschluss mit Frankreich doch letzten Endes bloß einen Waffenstillstand bedeutete?

Ob sich innenpolitisch ein auch nur halbwegs günstiger Frieden hätte verkraften lassen, ist natürlich recht eng mit Spekulation verbunden. Vielleicht hätte Napi dann ja auch noch mehr Zeit dafür gehabt, jegliche Opposition in Frankreich niederzuwerfen. Die Zeit des Consulat hatte er ja auch bis hin zum Kriegsausbruch 1805 für eine innere Konsolidierung genutzt.
Da er ansonsten ohnehin wenige Prämissen gehabt hätte, hätte er an eine Reorganisation des Militärs nach der russischen Katastrophe gehen können. Die Truppen, welche 1813 ins Feld geworfen worden waren, hatten ja nicht mehr die Qualität jener von 1805/06, schlicht weil die Veteranen fehlten. Zur Zeit der Napoleonischen Kriege kam das Perkusionsschloss auf, wäre wohl auch was für Napi gewesen...

Die Fragen sind immer unter Ausschluss des Faktors Spekulation zu beantworten. Man kann nur zeitgenössische Aussagen von den entsprechenden Führungsköpfen (Metternich, Franz I., Friedrich Wilhelm III. etc.) hernehmen.

Dann muss man sehen, wann genau dieser Frieden geschlossen worden wäre. Nehmen wir den Jahreswechsel 1813/14: Da war schon alles so ziemlich verloren. Selbst wenn es zu ernsthafteren Verhandlungen gekommen wäre, die Briten klopften mehr als nur hörbar an die Pforte der Pyrenäen, der Rheinbund war im Oktober 1813 zusammen gebrochen. Die Zerbrechlichkeit desselben hatte Napi m.E. wahrscheinlich auch unterschätzt. Österreich mag friedenswillig gewesen sein. Preußen hatte aber auch ziemliche Dickköpfe wie Blücher im Boot. Und eine russisch-britisch-preußische Allianz hätte notfalls den Krieg auch ohne Russland gegen das erschöpfte Frankreich weiterführen können. Es scheint mir fraglich, was am Verhandlungstisch um die Jahreswende von Preußen und Russland für Konzessionen zu erreichen gewesen wären.
 
Ein Frieden 1813, vor Leipzig und dem Eingreifen Østerreichs, wære fuer N sicherlich "ideal" gewesen. Er stand noch weit im Osten, die Rheinbundtruppen noch bei ihm.
Die Erwartungen fuer einen solchen Frieden waren auf napoleonischer Seite aber sicher zu hoch, was hætte er aufgeben kønnen?

Interessanter finde ich aber die Fragestellung: War ein solcher Frieden ueberhaupt gewuenscht von alliierter Seite? Und wenn, wie hætte er aussehen kønnen?
Hauptgegner und Initiator waren zunæchst Russland, Preussen und England.
Die Landkarte Europas war "napoleonisch" ---> wie hætte man alle Wuensche und Forderungen der Alliierten unter einen Hut bringen wollen?
Ich glaube einfach, dass die verschiedenen Interessen zu unterschiedlich waren, als dass man einen gemeinsamen, fertigen Friedensplan hætte vorbringen kønnen. (Wir wissen ja, wie lange die Verhandlungen auf dem Wiener Kongress gedauert hatten)
Und wenn, hætte er das Ende des Rheinbundes bedeutet. Diese Staaten waren aber zum damaligen Zeitpunkt sicherlich noch nicht bereit, die grossen Gebietszuwæchse, die sie bekommen hatten, aufzugeben.
(Einige Staaten hingen ja auch gænzlich am napoleonischen Tropf)

Bei England ist es zudem fraglich, ob es weiterhin einem franzøsischem Belgien zugestimmt hætte.
Und da sind wir dann bereits am "Eingemachten": wie hætte ein Napoleon einem Frankreich zustimmen kønnen, dass kleiner geworden wære, als er es vorgefunden hatte?
Preussen hatte sicherlich grosse Erwartungen, was Gebietszuwæchse anbelangt. Nur, in welche Richtung und auf welche Kosten?
Russland bzw. Alexander war sich schon lange sicher: "Napoleon oder ich, fuer beide ist kein Platz in Europa"
Also, was die Alliierten einte, war der gemeinsame Feind - beide Seiten wussten, dass es eine endgueltige Entscheidung geben musste und eine Friedensordnung ohne ihn.
Eine Art "Wiener Kongress" mit Napoleon ist nicht vorstellbar, und ohne ihn nur, wenn er eben ganz von der Bildflæche verschwunden war.

Gruss, muheijo
 
Interessanter finde ich aber die Fragestellung: War ein solcher Frieden ueberhaupt gewuenscht von alliierter Seite? Und wenn, wie hætte er aussehen kønnen?
Warum hätte man allerdings zu dem Moment Frieden schließen sollen? Bonapartes Berlinarmee unter Oudinot und dann Ney waren nach den Schlachten bei Großbeeren und Dennewitz geschlagen worden. Die Boberarmee wurde an der Katzbach vernichtend geschlagen. Selbst er Erfolg bei Dresden wurde dann in durch die nachfolgenden Ereignisse bei Kulm und Nollendorf durch die Hauptarmee wettgemacht. Vandamme wurde gefangen. Das Zwischenkorps Girard wurde bei Hagelberg zurück geworfen. Auch im Norden vermochte Davout keine ausschlaggebenden Siege zu verzeichnen.
Was hätte also die Alliierten verhandlungswillig stimmen sollen? Jetzt waren sie am Drücker. Der Marsch an die Elbe war nach den Siegen gerade der Nordarmee und Schlesischen Armee durchführbar. Napoléon stand schon so ziemlich mit dem Rücken zur Wand, keine seiner strategischen Ziele hatte er erreichen können. Vielmehr hatte er sich in seinem Hin- und Herlavieren zwischen der Boberarmee und seinen Hauptkräften verzettelt. Unterm Strich ähnelt ein bisschen die Campagne derjenigen später in Frankreich, wo er auch überlegene Kräfte parieren musste, insgesamt nur mit dem Unterschied, dass die Übermacht der Verbündeten 1814 dann noch erdrückender war.
 
1814 gab es durchaus Bestrebungen zu verhandeln. Besonders Metternich baute ihm eigentlich goldene Brücken, während Schwarzenberg mit seiner Hauptarmee in Frankreich zunächst ziemlich untätig blieb. Nur, Napoleon konnte keinen Frieden machen, das hätten seine zwar kriegsmüden, aber stolzen Landsleute ihm nicht verziehen und ihn zum Teufel gejagt. Talleyrand hatte eh schon ganz andere Pläne. Dabei hätte Frankreich vermutlich zu jener Zeit noch Belgien und das linke Rheinufer komplett behalten können.
 
1814 gab es durchaus Bestrebungen zu verhandeln. Besonders Metternich baute ihm eigentlich goldene Brücken, während Schwarzenberg mit seiner Hauptarmee in Frankreich zunächst ziemlich untätig blieb. Nur, Napoleon konnte keinen Frieden machen, das hätten seine zwar kriegsmüden, aber stolzen Landsleute ihm nicht verziehen und ihn zum Teufel gejagt.

Napoleon war ganz offensichtlich ein Hasardeur, der weder nach der verheerenden Russlandkatastrophe noch nach Leipzig einsichtig war und die militärischen und bündnispolitischen Realitäten einfach nicht zur Kenntnis nahm.

So ergeht es Politikern, die in wenigen Jahren höchste Stufen erklimmen, von Erfolg zu Erfolg eilen, aber außerstande sind, Anzeichen des Niedergangs wahrzunehmen und sich mit einen status quo zu begnügen. Dahinter stecken gewiss auch Allmachtsfantasien und eine gehörige Portion Größenwahn.
 
1814 gab es durchaus Bestrebungen zu verhandeln. Besonders Metternich baute ihm eigentlich goldene Brücken, während Schwarzenberg mit seiner Hauptarmee in Frankreich zunächst ziemlich untätig blieb.
Wie sah das denn der preußische Hof, wie sah das der König?

Wie wollte man die Verhandlungsbereitschaft strategisch erklären? Wie wollte man begründen, dass ein Friedensschluss notwendig war?
 
1814 gab es durchaus Bestrebungen zu verhandeln. Besonders Metternich baute ihm eigentlich goldene Brücken, während Schwarzenberg mit seiner Hauptarmee in Frankreich zunächst ziemlich untätig blieb.

Das muss ich mir / muessen wir uns nochmal næher anschauen, ob das tatsæchlich "Weisung von oben" war, um Friedensverhandlungen zu ermøglichen, oder um die Truppen zu erhalten, falls der Feldzug nicht wie gewuenscht verlaufen wuerde, oder ob es schlichtweg militærische Unfæhigkeit/Angst vor dem immer noch gefuerchteten Napoleon war.

Dabei hätte Frankreich vermutlich zu jener Zeit noch Belgien und das linke Rheinufer komplett behalten können.

1814? Das glaube ich nicht mehr, der Zug war abgefahren.

Gruss, muheijo
 
Metternich drohte sogar mit einem Rückzug Österreichs über den Rhein, würden Russland und Preußen nicht seiner Linie (Bestreben nach sofortigen Friedensschluß in den Grenzen von 1792) nicht folgen. Napoleon lehnte freilich alle diesbezüglichen diplomatischen Vorstöße ab. Hätten die Alliierten eine größere Schlappe mit ihrer Hauptarmee erlitten, sich geschlagen zurückgezogen und Napoleon dann verhandelt, halte ich das von mir erwähnte Szenario einer durchgehenden Rheingrenze für denkbar. Ludwig XVIII. schloß genau zu den zuerst Napoleon angebotenen (für Frankreich sehr moderaten) Bedingungen dann Frieden. Sogar die überall zusammengeklauten Kunstschätze (u.a. die Quadriga) durften in Paris bleiben.
Erster Pariser Frieden (1814)

Weitere Quellen:
Helmert H. & H. Usceck (1976): Europäische Befreiungskriege 1808 bis 1814/15 - Militärverlag der DDR
Klein, T. (1913): Die Befreiung 1813.1814.1815. Urkunden, Berichte, Briefe - W. Langenwiesche&Brandt, Ebenhausen
 
Mein Eingangsbeitrag begann nicht umsonst mit der Niederlage in Rußland.

Ein realistischer Monarch hätte genau an dem Punkt verhandelt. Indien war unerreichbar geworden, der Weltmachtstraum war ausgeträumt.
Frieden!
Ein Wort, das Europa ersehnte.
Einer Friedensinitiative Frankreichs hätte sich keine Großmacht entziehen können. Diese Friedensinitiative hätte aber nur Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn sie ein Maß für ein Gleichgewicht in Europa gehabt hätte. Das heißt, dass sich Frankreich auf ein Gebiet etwa der "natürlichen Grenzen" hätte zurückziehen müssen.

Dieser Frieden wäre ein Schritt gewesen, den ein Eroberer wohl nicht gehen kann, solang er sich stark genug fühlt. Sprich, militärisch stark genug, dadurch allerdings ohne Berücksichtigung der Interessen der einzelnen Mächte, die machtpolitisch auszunutzen dadurch nicht möglich ist.

Talleyrand musste daher das Angebot, wieder Außenminister zu werden, ablehnen, "denn er wusste, dass Napoleon sich seiner nur deshalb besann, weil er ihm zutraute, am besten die gegenerischen Mächte manipulieren zu können, ohne dass er sich andererseits bereit fände, den Ratschlägen des Außenministers zu folgen." [1]

Ein Frieden zu besten Bedingungen war zu diesem Zeitpunkt möglich, da es noch keine neue Koalition gegen Frankreich gab, Frankreich noch stark genug war, da abzutretende Gebiete noch besetzt waren und nicht unwichtig, Frankreich nicht besetzt war.

Aber darum geht es nicht. Es geht nicht darum, ob Alexander oder Metternich friedenswillig waren, sondern darum, ob Napoleon Frieden schließen konnte.

Und diese Frage läßt sich wohl nicht außenpolitisch beantworten.
Es wird gern behauptet, dass Frankreich nach der Machtübernahme Napoleons befriedet war oder befriedet wurde. Stimmt denn das? Wohl nicht. Dagegen spricht, dass Fouché wieder das Polizeiministerium übernahm und etliche royalistische Erhebungen niederschlug, damit die royalistischen Bewegungen zwar eindämmte aber zu keinem Zeitpunkt "erledigte".

Ein weiteres Problem stellte das Empire selbst dar. Die Großzügigkeit Napoleons gegenüber seinen Vasallen war nur durch die Ausbeutung eroberter Staaten möglich. Ergiebige Pfründe wie z. B. Benevent oder Ponte Corvo, um 2 Beispiele zu nennen, wären weggefallen. Wie hätte er den "Besitzern" den Verzicht erklären können? Millionen-Zuwendungen an Marschälle, Minister und Familie wären fraglich, vllt. nicht mehr möglich gewesen.
In der Summe Maßnahmen, die einem Eroberer auf die Füße fallen, wenn der Erfolg ausbleibt.

Hält ein Eroberer dies durch? Ein Eroberer, der so ganz nebenbei die Genialität seiner militärischen Fähigkeiten nicht mehr ausspielen kann und damit auch ganz nebenbei den Nimbus des Besonderen einbüsst?

Wohl eher nicht, zudem die dann mit einem verkleinerten Staatsgebiet zu lösenden politischen und wirtschaftlichen Probleme eben nicht mit einer möglichst hohen Anzahl von Bataillonen zu lösen gewesen wären.

Grüße
excideuil

[1] Willms, Johannes: Talleyrand Virtuose der Macht 1754-1838, C.H. Beck, München, 2011, Seite 197
 
Aber darum geht es nicht. Es geht nicht darum, ob Alexander oder Metternich friedenswillig waren, sondern darum, ob Napoleon Frieden schließen konnte.

"Zum Frieden gehøren immer Zwei, zum Krieg genuegt Einer."

Was nuetzte die grøsste Friedenswilligkeit, wenn zu mindest Russland und Preussen jetzt "tabula rasa" machen wollten?
Wo hætte Napoleon Anzeichen finden kønnen, dass eine Friedensinitiative fruchtbar gewesen wære?
Direkt nach dem Rueckzug aus Russland ganz sicher nicht.

Um wieder in eine Verhandlungsposition zu kommen, musste er erst zeigen, dass er ueberhaupt noch bzw. wieder eine Armee hatte. Die war ihm næmlich in Russland gænzlich abhanden gekommen...

Gruss, muheijo
 
Zuletzt bearbeitet:
@Muheijo: Die war ihm næmlich in Russland gænzlich abhanden gekommen...
Aja. Und womit kämpfte er (und siegte öfters) 1813? Bevor sich Österreich nach dem Waffenstillstand erklärte, war die Sache keineswegs klar. Die russische Armee war im Grunde genauso geschröpft, Preussen ohne Generalmobilmachung ein Zwerg.
 
Aja. Und womit kämpfte er (und siegte öfters) 1813? Bevor sich Österreich nach dem Waffenstillstand erklärte, war die Sache keineswegs klar.

Ich hatte exci so verstanden, dass er direkt nach dem Russlandfeldzug hætte Frieden schliessen sollen.
Die Armee, mit der er 1813 kæmpfte, musste ja erst einmal aufgestellt werden. Da waren viele blutjunge Rekruten dabei.

So wie du sehe ich auch das beste Zeitfenster fuer Friedensverhandlungen nach dem "Zusammenkratzen" der neuen Armee und den ersten Schlachten und vor der Kriegserklærung Østerreichs - eben weil die Sache nicht klar war.

Gruss, muheijo
 
@exc.: Ein realistischer Monarch hätte genau an dem Punkt verhandelt. Indien war unerreichbar geworden, der Weltmachtstraum war ausgeträumt.
Das betr. Ziel Indien hatten wir doch schonmal, ohne uns wirklich geeinigt zu haben. Aber kurzum: Eigentlich hatte der Zar gar nicht vor, bis Paris zu marschieren, der Abwehrsieg genügte. Wenn da nicht die "doofen Preussen" gegen ihren eigenen Monarchen auf einmal antinapoleonisch aufmuckten. Napoleon war gar nicht in der Lage, nach einer Niederlage Frieden zu schliessen. Er war es gewohnt zu diktieren. Ein interessanter Fall für Psychoanalytiker.
 
Zuletzt bearbeitet:
Woraus schliesst du das?
Grusss, muheijo
Warum sollten sie? Es war ja zunächst unklar, wie sich Preussen (und Österreich) verhalten würde. Dazu kam, dass Kutusow im April 1813 starb.
Und wie gesagt, auch die russische Armee war nach dem Winter 1812/13 ausgeblutet und nicht wirklich einsatzfähig. Bei den langen Versorgungslinien mussten sie zum Teil aus dem Land leben, weshalb viele Deutsche ihre "Befreier" als schlimmer denn Napoleon empfanden.
 
"Zum Frieden gehøren immer Zwei, zum Krieg genuegt Einer."

Was nuetzte die grøsste Friedenswilligkeit, wenn zu mindest Russland und Preussen jetzt "tabula rasa" machen wollten?
Wo hætte Napoleon Anzeichen finden kønnen, dass eine Friedensinitiative fruchtbar gewesen wære?
Direkt nach dem Rueckzug aus Russland ganz sicher nicht.

Um wieder in eine Verhandlungsposition zu kommen, musste er erst zeigen, dass er ueberhaupt noch bzw. wieder eine Armee hatte. Die war ihm næmlich in Russland gænzlich abhanden gekommen...

Gruss, muheijo

Der Frieden hätte nicht 2 benötigt, sondern mindestens 5: Frankreich, Rußland, Preußen, Österreich und England.
Und alle wären sie eingestiegen, schon aus Eigeninteresse und um den anderen nicht den größeren Brocken zu lassen.

Was den Zaren angeht, hatte ich mal einen Thread eröffnet:

http://www.geschichtsforum.de/f16/alexander-i-37660/

Daraus geht hervor, dass der Zar Polen wollte und dazu Napoleon hinter den Rhein drängen musste.

Ein Ziel, was zumindest Österreich nicht schmecken konnte. Den Briten mit der "ballance of power" wohl auch nicht.

Nicht nur Napoleon hatte eine Armee verloren, den anderen ging es doch nicht wirlich besser. Sie hatten im weiteren Verlauf des Krieges nur die besseren Reserven/Ressourcen.

Also war nach meiner Sicht nach der Niederlage in Rußland der beste Zeitpunkt.

Frieden! Ganz Europa sehnte sich danach. Welcher Monarch hätte da weiter auf Krieg setzen können?
Und bei den unterschiedlichen Zielen der anderen Mächte, die ja schon während des Krieges deutlich wurden, kann getrost davon ausgegangen werden, dass diese auch bei einem zu schließenden Frieden zutage getreten wären. Da hätte sich Frankreich viel besser einbringen können als beim 1. Pariser Frieden oder dem Wiener Kongress.

Ein langes Warten oder gar Wiederaufrüstung hätte nicht nur kein Vertrauen bedeutet sondern auch die Tatsache, dass die anderen zunehmend stärker werden und damit natürlich viel weniger Verhandlungsbereitschaft gezeigt hätten.

Grüße
excideuil
 
@ exci:

Jetzt drehen wir uns im Kreis, die Antwort auf deinen Beitrag ist der Beitrag # 5 dieses Threads. :)

Interessant finde ich die Untersuchung, ob Alexander wirklich "genug" hatte, nachdem Ney bekanntlich als letzter die heilige russische Erde verlassen hatte, so jedenfalls die Legende.

Und ob ueberhaupt irgendjemand Ende 1812/ Anfang 1813 Friedensvorstellungen hatte, und wenn ja, welcher Art.

Gruss, muheijo
 
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