Was mir persönlich immer etwas zu kurz kommt ist die Rolle von Dr. Sorge.
Stalin war ja bekanntermaßen sehr misstrauisch, aber Marschall Schukow gelang es in Vorfeld der Schlacht um Moskau Stalin auf Grund der Informationen von Dr. Sorge zu überzeugen, dass Japan nicht wie befürchtet die Sowjetunion im Osten angreifen wird. Marschall Schukow konnte dann noch rechtzeitig Kampfverbände von Sibirien abziehen und nach Moskau bringen.
Für diese Aussagen hätte ich doch gerne eine einigermaßen belastbare seriöse Literaturstelle.
Ansonsten die Fakten soweit bekannt: Sorge hatte direkten Kontakt zu Botschafter Ott in der deutschen Botschaft in Tokyo in 1941. Von Juli bis September informierte er Sorge über die Verschiebung des japanischen Angriffs in Richtung Süden. Dieser leitete es nach Moskau weiter. Was Stalin wirklich sah von diesen Berichten ist m.E. unklar und auch wie er diese Berichte beurteilt hat. Teilweise wird von Historikern darauf hingewiesen dass Stalin ihn nicht für glaubwürdig hielt.
Bis Mitte 41 wurde Sorge sehr kritisch in seiner Glaubwürdigkeit durch das RU-Hauptquartier respektive Golikov eingestuft, was obige These untermauert.
Das änderte sich erst durch eine Beurteilung von Panfilov (RU-HQ), der ihn ca. September 1941 als glaubwürdig einstufte. Fraglich ist, ob Stalin seine Beurteilung in diesem Tempo ebenfalls anpaßte.
Fakt ist auch: Im Oktober / November 1941 wurden aus dem Fernöstlichen Militärbezirk ca. 8 bis 10 Infantrie-Div. abgezogen (ca. 400.000 Soldaten), 1000 Tanks und 1000 Flugzeuge (vgl. Murphy S. 88/89) und in den Westen verlegt.
What Stalin Knew: The Enigma of Barbarossa - David E. Murphy - Google Books
Welche Rolle diese Informationen von Sorge als Ursache letzlich gespielt haben in der Entscheidung von Stalin, dürfte schwer zu beurteilen sein. Vielleicht war es ein Mosaikstein unter mehreren.
Definitiv hat Schukow damit nichts zu tun, da derartige Geheimdienstberichte, mit den Hinweisen von Sorge, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Auge von Schukow sahen. Spionageberichte waren "Chefsache" und es gab eine sehr hohe "Geheimniskrämerei" im System "Stalin".
In seinen Erinnerungen geht Schukow auch nicht auf das Thema ein und auch Besymenski erwähnt es nicht in "Zähmung des Taifuns".
Insgesamt bleibt es leicht nebulös, auf welche Quellen sich die Entscheidung von Stalin gestützt hat. Man kann jedoch mit Sicherheit annehmen, dass es eine "Kreuzvalidierung" der Berichte gab und das Risiko, die Truppen nicht nach Westen zu verlegen, deutlich höher war.
Und dieser letzte Aspekt war für Stalin wesentlich bedeutsamer wie alle Agentenberichte zusammen, da er alles in Fern Ost verlieren konnte, aber möglichst nicht Moskau!