Ja, das Stichwort "Erinnerungskultur" ist goldrichtig! :winke:
Was ist der Fall? Die Wehrmacht greift auf Hitlers Befehl die Sowjetunion an, führt einen Vernichtungskrieg jenseits aller militärischen Konventionen, der 10 oder 15 Millionen Tote kostet, und wird schließlich besiegt. Inwieweit kann diese Ereigniskette in Bezug auf die Angreifer, d.h. die betroffenen deutschen Soldaten, als "Tragödie" bezeichnet werden?
Ich greife das nochmal auf, weil es zum Buch von Ganzenmüller und die Frage der Erinnerungskultur in Deutschland paßt. Hier liegt durchaus ein Problem begraben, was G. damit umschreibt, dass die Nachkriegs-Wahrnehmung in (West-)Deutschland fast durchgehend (nur) durch das Leid der Soldaten geprägt wurde.
Die Grundsatzdiskussion die Ihr hier einfließen lasst, müsst Ihr aber viel Grundsätzlicher beginnen, sonst lauft Ihr ebenfalls in die Irre.
Außer dem Einmarsch in Österreich ist das "Unternehmen Barbarossa" das einzige kriegerische Unternehmen bei dem die Wehrmachtsführung bei ihrem Führer war.
Es gab nichts, keinen Hauch von Opposition oder Widerstand. Auch nicht den Versuch dem Hitler seinen Plan auszureden.
Von den Erfahrungen von 14-17 her, glaubte man es mit einem Gegner zu tun zu haben, den man leicht besiegen konnte.
Auf der anderen Seite, die niedrigeren Dienstgrade, die sind ungefragt verreckt. Dass die Überlebenden sich ihre Erinnerungsliteratur dann aus ihrer Sicht, schufen - wer will darüber einen Stab brechen? Dass es keine objektive Geschichtsschreibung ist, unbestritten. Aber ich glaube dieser Anspruch wird auch nicht erhoben.
Weiter:
Ich habe gestern bei silesia von den 30 Millionen gelesen, die im eroberten Ostraum "zuviel" waren. (Göring nannte es in Nürnberg Unsinn aus Referentenbesprechungen)
Was heißt das? 30 Millionen? Das ist zuerst mal lediglich ein Zahlwort.
Und Ihr behandelt das auch so. Steril.
Vielleicht ist das für den Historiker unumgänglich.
Ich aber, ich muss mich dem anders nähern, so bekomme ich kein Gefühl für die Zahl, für das Ungeheuerliche.
Hier fehlt mir noch der Zugang, suche ich ihn noch. (Ich denke aber, ich finde ihn auch noch)
Vielleicht versteht man mich eher, wenn ich mit einem Beispiel komme, wo ich den Zugang inzwischen gefunden habe.
Im Holocaust kamen zwischen 3,5 und 6,5 Millionen Menschen um, das sind zunächst auch nur Worte, noch unschärfer durch knapp 100% Differenz.
Kann ich nichts mit anfangen.
Wenn ich mir aber verdeutlichen kann, dass gegenüber meinem Geburtshaus, im Haus des Lindenwirts, ein Ehepaar Habakuk wohnte, die mit Aussteuerwaren handelten, denen es unter Opfern noch gelang die beiden Söhne nach England zu schaffen, beide im August 41 umgebracht bei Riga.
Dann plötzlich habe ich das erste Fetzelchen des Zugangs.
Ist die Sterilität verflogen.