Auch wenn der Glorious 1st of June im Jahr 1916 versagt blieb. Jellicoe war der Mann, der den Krieg hätte abkürzen können. Auch er versagte.
Magst Du mir hier einmal auf Pferd helfen? Gesetzt dem Fall, die Grand Fleet hätte die Hochseeflotte geschlagen. (Realistisches Worst Case Szenario: 4-5 der deutschen Schlachtkreuzer weg, alle sechs Vor-Dreadnoughts, bummelig ein Drittel bis die Hälfte der Nach-Dreadnoughts und ein Drittel der leichten Kräfte, der Rest ziemlich zerfleddert: Wie hätte das den Krieg abkürzen sollen? Die Rolle der Hochseeflotte für das weitere Durchhalten des DR nach dem Juni 1916 halte ich für marginal, die Briten kontrollierten die Nordsee und hätten auch bei einer Eliminierung der deutschen Schlachtflotte keine Not gehabt, dichter unter der deutschen Küste zu operieren. Da sich die Heere dieser Welt traditionell einen Dreck um ihre jeweiligen Marinen scheren, hätten die Infanteristen in ihren Gräben wahrscheinlich nach einem "wen wundert's" weitergemacht mit Tagesdienst.
Oder gibt es irgendwo Indizien für einen möglichen Zusammenbruch von Regierung oder Front nach einer desaströsen Niederlage der Hochseeflotte? Ein paar Rücktritte, der ein oder andere Kaiser vielleicht, aber sonst? Wohlgemerkt, ich halte die Skagerrakschlacht trotz taktischer Erfolge der Hochseeflotte für einen strategischen Erfolg der Briten oder vielmehr eine strategische Schlappe der deutschen Seite: Die Schlacht änderte nichts an der militärischen Situation, die Briten hielten unangefochten den Deckel auf der Nordsee und dem Überseeverkehr von und nach Deutschland und selbst dem doofsten deutschen Admiral (und Politiker) war nach dem Sieg vom Skagerrak klar, dass man sich nicht der Hoffnung hingeben sollte, mit der Hochseeflotte die Grand Fleet oder gar die Royal Navy zu schlagen. Versagt hat in meinen Augen nicht Jellicoe, sondern Scheer. In meinen Augen hatter der ein Mordsschwein, dass ihm Hipper und die Konstrukteure und Besatzungen der Schlachtkreuzer den Tag (und seinen Ruf) gerettet haben. Damit ist das Skagerrak tatsächlich ein veritabler "Anti-Glorious First of June": 1794 ging ein taktischer Erfolg mit einer strategischen Niederlage einher, 1916 ein taktischer Mißerfolg mit einem strategischen Erfolg.
Im übrigen: Hätte es nach dem 1. Juni 1916 keine Schlachtflotte mehr gegeben, dann hätte es auch keinen Kieler Matrosenaufstand gegeben und ohne diesen Dolchstoß hätte Ludendorf spätestens am 24.12.1918 ohne jeglichen Zweifel mit der Potsdamer Wachparade Paris, London und Washington im Handstreich genommen ... :devil:
Noch ein Nachgedanke zur Ausgangsfrage und zu Zanangas Vorschlag des 1:1 Vergleiches: es gehört meines Erachtens zu den eklatanten historischen Schwächen des "deutschen" Kriegswesens aus, dass man nie oder nur selten in der Lage war, seine Kriege politisch so gut vorzubereiten, dass man in einem starken Bündnis agierte, anstatt sich nach Schweijk und dem Sprichwort "Viel Feind, viel Ehr" stets einen Schlag zuviel der Ehre aufzuladen. (Die Kriege Bismarcks bilden m. E. eine positive Ausnahme aus dieser Regel, die spätestens der olle Fritze begründet hat.) Deswegen möchte ich die oben genannten Aspekte noch um einen Clausewitz erweitern: Man kann taktisch und operativ die tollsten Seydlitzens, Ludendorffs und Mansteins haben: wenn die Politik ihren Krieg diplomatisch (und wirtschaftlich und industriell) mies aufsetzt und die militärischen Anstrengungen der Truppe politische nicht vernünftig flankiert werden, ist das ganze kurzfristige Rumgesiege schon mittelfristig für die Katz. Damit würde insbesondere die deutsche Militärmacht in meinen Augen in der historischen Gesamtbetrachtung einen großen Schritt nach achtern tun.
Noch eins? Nachschubwesen und Logistik wurden traditionell in den deutschen Streitkräften sträflich vernachlässigt. (Wieder mit der Ausnahme der Kriege des Duos Bismarck-Moltke und der Nutzung der Eisenbahn.) Was bringen mir die tapfersten Kämpen, der mutigsten Zieten, der frechste Rommel und der stürmischste Guderian, wenn der Truppe früher als dem Feind Transportraum, Sprit, Mun, Fresschen und schließlich fronttaugliche Kämpfer ausgehen und der Gegner mit alldem immer ein bisschen besser versorgt ist. Im Panzerthread klingt das z. B. mächtig an. Auch hier haben die Deutschen vor lauter sagenhaften germanischen Helden im heroischen Einzelkampf (m. E. bis heute!) nicht begiffen, das Krieg eine Mannschaftssportart ist. Da waren andere erfolgreicher...