Fangen wir nochmal von vorn an:
Wenn keine Kommunikation jenseits "Ihr seid doof, glaubt uns mal schön." stattfindet, braucht sich keiner wundern, wenn Mythenbildung stattfindet.
Habe ich Dich richtig verstanden? Gute Kommunikation verhindert Mythenbildung, schlechte Kommunikation (die den Empfänger nicht argumentativ überzeugt, sondern ankommt wie
"Das ist so und nicht anders, weil wir das als Experten das so sagen und ihr als die Laien das zu glauben habt") hingegen fördert Mythenbildung.
Meines Erachtens ist die Bildung von Geschichtsmythen nicht zu verhindern. Wir schicken doch zu gerne unsere Phantasie auf Zeitreise in die graue Vorzeit, in freier Assoziation kommen uns Ideen "so könnte es gewesen sein"; der eine behält seine Phantasien für sich, der andere meint, seine Phantasien der Öffentlichkeit mitteilen zu müssen. Daran, dass interessante und außergewöhliche Deutungen viel lieber weitererzählt werden als alltägliche und uninteresante Deutungen, wird sich nichts ändern.
Nun habe ich darauf hingewiesen, dass die Mythenbildung bei den Externsteinen schon vor über 200 Jahren eingesetzt hat. Die Story vom vorchristlichen Heiligtum, das Karl der Große zerstört haben soll, wurde von Pastor Hermann Hamelmann in die Öffentlichkeit getragen. Ein anderer Pastor, Christoph Friedrich Fein fabulierte dann anno 1749 (
veröffentlicht 1750) eine These zusammen, in der die Varusschlacht mit den Externsteinen verknüpft wird, woselbst die "Druiden" die Göttin "Oester" an den "Eostrae rupes" genannten Externsteinen verehrt hätten. Diesen und anderen Fabeleien trat Clostermeier argumentativ entgegen. Natürlich konnte er damit nicht verhindern, dass spätere Phantasten diesen Unsinn aufgreifen, variieren, neu zusammensetzen und mit eigenen Erfindungen verrühren. (Auf diversen Internetseiten ist inzwischen zu lesen, die Ostara-Felsen seien "
noch 1750" bezeugt. Das ist noch gar nichts, demnächst werde ich den Beweis liefern, dass die Norben
noch 2023 mit den Externsteinen in Verbindung gebracht werden.)
Im Fall der Externsteine gab es dann in Wilhelm Teudt einen Ex-Pastor, der bis dahin angesammelten Unsinn zu einem monströsen Mythos aufgeblasen hat. Mit gewissen Modifikationen wurde der Germanen-Blabla dann 1933-1945 ganz offiziell propagiert, und Teudt wurde für seinnen Unsinn von Hitler mit einem Professorentitel geschmückt.
Wer auch heute noch glauben will, Gestalten wie Teudt oder Wirth hätten ihre Professorentitel zu Recht erhalten, die Forschung seit 1945 sei von den anglo-amerikanischen Sieger- oder sonstigen bösen Mächten gesteuert und derlei Unfug mehr, wird weder mit guten Argumenten noch mit volksnaher Sprache zu überzeugen sein.
Aus dem Bericht über die Externsteine-Tagung von 2015, auf der es hitzige Diskussionen gab:
"Die Beiträge auf der Tagung spiegelten einerseits den aktuellen Forschungsstand zu den Externsteinen, andererseits machte die Veranstaltung einmal mehr die unüberbrückbare Kluft sichtbar, die zwischen wissenschaftlichen, methodisch abgesicherten Interpretationen auf der einen Seite und alternativen, sich teilweise aus esoterischen Überzeugungen speisenden Deutungen auf der anderen Seite herrscht. In den Diskussionen wurde offenkundig, dass dem Deutungswucher in der Tradition Machaletts, Wirths und Teudts auch mit nachprüfbaren Grabungsergebnissen, Messungen und Quellenkritik nicht beizukommen ist. Verschiedentlich stand der – letztlich unbewiesene – Vorwurf im Raum, dass angebliche ‚Beweise‘ und brisante archäologische Funde zur Geschichte der Externsteine unter Verschluss gehalten und abweichende Interpretationen mit unlauteren Mitteln bekämpft würden."
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5953&view=pdf