Aber wenn wir diese Diskussion weiterführen wollen, sollten wir sie vielleicht verlegen lassen, denn hier sind wir ja nicht mehr bei Odin.
wir könnten aber wieder im weitesten Sinn zu Odin und den Wikingern zurück kommen, ohne das makabre Thema der Menschenopfer zu verlassen:
- Adam von Bremen, gewiß kein Freund der Nordmänner, berichtet von greulichen Ritualen (Menschenopfer für die Götter)
Nun könnten wir sagen: jaja, der Kirchenmann bedient sich literarischer Topoi, um die erschröcklichen Nordmannen möglichst erschreckend darzustellen.
- - aber da gibt es auch den Ibn Fadlan: und dessen Beschreibung der Vorgänge beim Begräbnis eines warägischen Häuptlings enthalten die "Opferung" von allerlei Getier und eben auch von einer Sklavin.
...ich kann nicht beurteilen, ob eine Diskussion über die Glaubwürdigkeit von Ibn Fadlan zielführend ist - aber mir ist aufgefallen, dass seriöse Fachliteratur zur Religion der Nordgermanen den Bericht des kultivierten arabischen "Diplomaten" ernst nimmt (stellvertretend für viele: Hans-Peter Hasenfratz, "die religiöse Welt der Germanen. Ritual, Magie, Kult, Mythus" Herder Verlag - der Autor ist emeritierter Professor für Religionsgeschichte) - zwar fanden im 19. Jh. die Brüder Grimm diesen Bericht ganz schlimm und weigerten sich, in den beschriebenen Warägern/Rus edle Germanen zu sehen, aber das scheint sich seitdem geändert zu haben :grübel::winke: - - unklar bleibt, ob das von Ibn Fadlan beschriebene Menschenopfer beim Begräbnis des Nordmanns-Häuptling nun dezidiert dem Odin gilt oder nicht, aber diese Unklarheit scheint relativ typisch zu sein: die an allerlei europäischen Wasserstraßen zeitweise auftrumpfenden "Wikinger" bauten keine Tempel und hinterließen keine religiösen Schriften. Wir haben also nur spärliche direkte Quellen (Bildsteine der Wikinger mit ihren Bildprogrammen, welche eben auch religionshistorisch diskutiert werden) und ansonsten entweder "Fremdquellen" oder deutlich spätere (Edda) - damit wird leider unscharf, was man über die Religion und die religiösen Rituale der Wikinger wissen kann. Hinzu kommt noch, dass "die Wikinger" keine geschlossene homogene Gruppe waren.
Möglicherweise war die Religion der Nordmänner "exklusiv" und Fremden gegenüber verschlossen - so ähnlich beschreibt Herwig Wolfram das wenige, was man über die gotische Stammesreligion vor der arianischen Christianisierung zusammentragen kann.
Verblüffend aber bleibt, dass insgesamt in den (nie neutralen!) Quellen zu germanischen Religionen im weitesten Sinn immer wieder "menschenopferähnliches" auftaucht, z.B. bei Tacitus (Nerthus-Kult) und bei Agathias (Alemannen in der Sätphase der ital. Gotenkriege, welche in Norditalien ihre Gefangenen den Flußgöttern opferten)