Nichtsdestotrotz befindet sich die Offenbarung des Johannes in jüdisch-apokalyptischer und evangelien-apokalyptischer Tradition.
Die Zahl 12 (Strahlenkranz) hat im Judentum die Bedeutung des Volkes Israel mit den 12 Stämmen (...) Selbstverständlich gibt/gab es auch immer Einflüsse anderer Kulturen, aber warum ausschließlich auf einen anderen Kontext verweisen?
Hast du meinen Beitrag
#71 vom 28. Januar 2016 nicht gelesen, wo ich ausführlich auf die Israel-Symbolik der Himmelsfrau eingegangen bin und auch in Beziehung zur Isis-Symbolik gesetzt habe, in dem Sinne, dass die Himmelsfrau Israel ´bedeutet´, zugleich der Isis aber ´nachempfunden´ ist, um die Himmelsfrau in einem Umfeld (Provinz Asia), das mit der Isis-Symbolik gut vertraut war, phänomenologisch aufzuwerten? Bevor wir das weiterdebattieren, bitte ich dich also, den Beitrag #71 in diesem Kontext zur Kenntnis zu nehmen.
Zwei Zitate daraus:
Vielmehr deutet sie zunächst auf Israel hin: Das einführende Bild (Offb 12,1) zeigt sie bekleidet mit der Sonne auf dem Mond stehend und mit einer Krone mit 12 Sternen auf dem Haupt. Diese Merkmale verweisen J´s Publikum auf den Traum Josephs in Gen 37,9, in welchem seine 11 Brüder, zusammen mit Joseph die Väter der 12 Stämme Israels, als 11 Sterne und Josephs Eltern Jakob und Rachel als Sonne und Mond erscheinen.
(...)
Dass die Frau visuell der Himmelsgöttin Isis nachempfunden ist, deren astrale Piktorialisierung mit Sternen, Sonne und Mond in Asia wohlbekannt war, wird in der internationalen Fachliteratur seit Gunkel und Bousset allgemein akzeptiert. Diese Bezüge widersprechen der Israel-Deutung nicht, da die Frau Isis nicht ´bedeutet´, sondern phänomenologisch (visuelle Attribute) und theologisch (Isis = Mutter des Horus) mit ihr konkurrieren soll.
Apokalyptische Texte jüdisch-christlichen Ursprungs haben in der Regel etwas mit geschichtlicher Auseinandersetzung zu tun: Sind die äußeren Umstände suboptimal, findet der Mensch Gerechtigkeit im Jenseits über JHWH und im Christentum zusätzlich über Jesus. Das war mE der Beweggrund für das Verfassen apokalyptischer Texte: Sie machten Hoffnung auf bessere Zeiten im Jenseits, die über im Sinne des Glaubens rechtschaffenes Verhalten zu erlangen waren.
Guter Ansatz, aber ausbaufähig.
Im einzelnen:
1)
"Suboptimale äußere Umstände" ist zu vage ausgedrückt. Die Umstände, unter denen die apokalyptische Literatur entstanden ist, sind relativ genau bekannt. Ich habe zu diesem Zweck in ´Antikes Griechenland´ den bislang jungfräulichen Thread "Hellenisierung Judäas bis zum Makkabäeraufstand" eröffnet, wo ich auf die hellenisierenden Tendenzen im Judäa des 2. Jh. BCE eingehe, die mit einem Konflikt zwischen der Tobiaden-Partei (die eine Vollhellenisierung Judäas und eine Minimierung der jüdischen Religion wünschte) und der Oniaden-Partei (die einen hellenistischen Lebensstil unter Beibehaltung der jüdischen Religion wünschte) einhergingen. Ein Aufstand des Oniaden Jason gegen den von Antiochus IV. favorisierten tobiadischen Hohepriester Menelaus führt zu einem Verbot jüdischen Rituale und Sitten durch den Seleukidenkönig (167 BCE), was die makkabäische Widerstandsbewegung hervorrief, die 165 BCE durch militärische Siege die Herrschaft über Judäa erlangte und das Judentum reinstallierte. Das jüdische Chanukka-Fest erinnert in dieses Ereignis.
In der Ära der Makkabäer/Hasmonäer, die bis zur römischen Eroberung 63 BCE durch Pompeius reichte, entstehen die ersten umfassend apokalyptischen Konzepte. "Umfassend" heißt, dass nach dem Endgericht die erwünschte Gottesherrschaft
global errichtet wird und nicht nur, wie bei Ezechiel (6. Jh. BCE) - an den Sepiola dankenswerterweise erinnert hat - , im Land der zwischenzeitlich von Jahwe schwer bestraften Israeliten. Bedeutende in der Makkabäer-Zeit entstehende Texte sind z.B. die apokalyptischen Teile des Daniel-Buches und des Jesaja-Buches (Kap. 24-27).
Die Apokalyptik ist also nicht unmittelbar in bedrängten Zeiten entstanden, sondern in einer Zeit der durch Kriege wieder errungenen politischen Souveränität Judäas. Gleichwohl waren viele Chassidim nicht davon überzeugt, dass durch die Makkabäer das endgültige Heil für Israel erreicht worden sei, wie z.B. Daniel 11,34 zeigt, wo der Makkabäeraufstand nur als "kleine Hilfe" bezeichnet wird. Den wahren geschichtlichen Umschwung kann nur ein Eingriff Jahwes in die Weltgeschichte bringen. Darauf bin ich vor einigen Tagen im Beitrag #88 eingegangen:
Die futurische Strömung basiert auf der Erwartung eines geschichtlichen Bruchs, der von der unheilvollen ´sündigen´ Gegenwart (altes Äon) in ein von Jahwes Herrschaft geprägtes heiliges Zeitalter (neues Äon) überleitet. Finstere Mächte beherrschen die Welt des alten Äons. Jahwe steht wie im präsentischen Weltbild unerreichbar hoch über den Menschen, doch nicht eine Priesterschaft ist das vermittelnde Glied, sondern zunächst die Propheten, denen Jahwe vermeintliche Botschaften übermittelt, sowie, nachdem die Prophetie ihre Bedeutung einbüßt, übermenschliche Wesen, die Engel, die als Gegenspieler der Dämonen und als Boten Jahwes den Menschen erscheinen und geschichtlich intervenieren.
Wir können das gerne noch vertiefen.
2)
Was das von dir angesprochene "Jenseits" betrifft: Es gibt in der jüdischen Apokalyptik keine Jenseits-Erwartung, so wie sich das Christentum ein Jenseits vorstellt. Es geht der jüdischen Apokalyptik vielmehr um die Errichtung des Gottesreichs auf Erden, d.h. um den Anbruch eines neuen Äons, in dem der Satan keine Macht mehr hat und alle Toten, die das Endgericht für würdig befunden hat,
körperlich wiederauferstehen, während die Verdammten auf ewig in der Hölle schmoren.
Möglicherweise hast Du auch diesmal die inzwischen geschriebenen Beiträge nicht gelesen.
Ich bekenne mich schuldig, wird hoffentlich nicht mehr vorkommen.
Was da in mehrfacher Hinsicht nicht passt, hat El Quijote (noch einen Beitrag vor meinem) geschrieben; ich brauche das nicht zu wiederholen.
Es geht gar nicht darum, ob etwas passt oder nicht passt, es geht vielmehr darum, ob der Verfasser der Offb von der Farbsymbolik römischer Pferderennen zur Farbsymbolik der apokalyptischen Pferde
grundsätzlich angeregt wurde. Das habe ich in #104 so ausgedrückt:
Vielmehr scheint er die Idee einer symbolischen Farbmarkierung der Pferde von den Römern (auch wenn es dort die Fahrertuniken sind) übernommen zu haben.
Das liegt um so näher, als es - wie schon gesagt - auf Patmos ein Hippodrom mit Rennveranstaltungen gab, die dem J vermutlich entweder direkt als Zuschauer oder über detaillierte Berichte bekannt waren. Es wäre sicher falsch, sich J als weltabgewandten Eremiten vorzustellen, dem es nie in den Sinn gekommen wäre, eine römische Veranstaltung zu besuchen. Alles spricht dafür, dass er hochintelligent, gebildet und offen für Eindrücke (z.B. ägyptische Symbolik) war, die er in seiner Literatur kreativ verarbeitete. Die komplexe Struktur seines Werks und ihr reiches Geflecht an symbolischen Bezügen lassen kaum einen anderen Schluss zu.
Eher haben die Römer bei der Gestaltung ihrer Wagenrennen Sacharja vor Augen gehabt. Denn bei Sacharja gibt es immerhin vier Wagen.
Netter Scherz. Nein, die Reduzierung von fünf Wagen bei griechischen Wagenrennen (seit Homerzeit) auf vier Wagen bei den Römern hängt mit der geringeren Größe der römischen Arenen zusammen. Die Anfänge römischer Rennen fallen spätestens in das 6. Jahrhundert BCE, als das Sacharja-Buch frühestens entstand (vielleicht auch im 5. Jh. BCE).
Auf den Rest deines Beitrags gehe ich später ein.