The Great Illusion (Die Falsche Rechnung)
Dass Moltke d.Ä., Bloch, wie auch Angell den Krieg aus rationalen Überlegungen ablehnten, macht sie nicht zu Pazifisten, die Krieg aus ethischen Gründen ablehnen.
Moltke wird dieses
Zitat zugeschrieben:
"
Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner, und der Krieg ist ein Glied in Gottes Weltordnung. In ihm entfalten sich die edelsten Tugenden des Menschen, Mut und Entsagung, Pflichttreue und Opferwilligkeit mit Einsetzung des Lebens. Ohne den Krieg würde die Welt im Materialismus versumpfen."
Norman Angell zitiert Moltke genau so in seinem Buch, auch mit gleicher Quellenangabe „
The Great Illusion“.*
Die Auseinandersetzung mit dem Sozialdarwinismus samt damit verwobenem Militarismus, ist in der Friedensbewegung dieser Zeit durchgehend abgebildet.
Angell argumentiert sehr zutreffend, dass ein Krieg eben nicht „survival of the fittest“ bedeutet, sondern das Gegenteil. Denn man versuche sich doch vorzustellen was, im Sinne des Darwinismus, geschehen würde wenn eine Generation junger gesunder Männer nach der anderen, geopfert werden würde.
Das unterfüttert er mit vielen genauen Beispielen.
Und hier verläuft eine klare Trennlinie zwischen den Pazifisten dieser Zeit, und den Militaristen die als solche durch ihre Vorstellung charakterisiert sind, dass Krieg eine evolutionäre Notwendigkeit sei.
Für Angell, und auch Bloch, ist Pazifismus ein wissenschaftliches Thema.
Beide sind davon überzeugt, dass das Verhältnis der Staaten zueinander realitätsfern ist, und die Gefahr eines Krieges, nie gekannten Ausmaßes, wächst.
Beide setzen ihre Kraft dafür ein, jene Katastrophe zu verhindern, die schließlich eintrat.
Welche Gründe, außer ethischen, sollten sie gehabt haben dies zu tun?
*)
https://archive.org/details/in.ernet.dli.2015.88977
(Diese Ausgabe des fast schon revolutionären Bestsellers ist die Auflage von 1913, mit Ergänzungen im Anhang 1933. Dem Jahr in dem
Angell den Friedensnobelpreis erhielt.)
Erstauflage Ende 1909, Reprint 1910, und rasch steigende Neuauflagen danach und Übersetzungen in 11 Sprachen, die japanische eingeschlossen.
Tuchman (August 1914) schreibt es sei dieses Buch ein „regelrechter Kult“ geworden. An den Universitäten des Vereinigten Königreichs bildeten sich „mehr als vierzig Studiengruppen aufrichtiger Anhänger, ...“.
„Der Präsident des War Committee, Viscount Esher, hält Vorlesungen in Cambridge und an der Sorbonne in denen er die These Angell's vertritt,
die wirtschaftliche Vernetzung der rivalisierenden Mächte sei soweit fortgeschritten, dass keine gewinnbringende territoriale Eroberung mehr möglich, sondern eine solche Eroberung stets den Eroberer mehr schädigen müsse, als eine Aussicht auf Gewinn versprechen könnte. Der Viscount Esher lässt das Buch dem Kaiser Wilhelm II überreichen.
Es entstehen
Angell-Klubs:
„Nicht nur in England entstanden Hunderte von Angell-Gesellschaften und Angell-Klubs. Der „Norman-Angellismus“ verdammte den Krieg nicht von einem moralischen Standpunkt aus, sondern schaltete sich mit rationalen Argumenten in die politische Debatte ein.“
….da ist eine weitere Trennlinie zwischen Pazifisten und Militaristen: Die einflussreichen Pazifisten dieser Zeit argumentieren weit rationaler und wissenschaftlicher als die Widersacher.