Die hohe Rate ist der Maximalwert der vorhandenen Schätzungen; die Annahmen variieren ebenso stark wie die zur vorhandenen Bevölkerung vor Kolumbus. Bei den Schätzungen zu den Bevölkerungszahlen gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen sogen Low Countern und High Countern; die Ersteren gehen von einer Bevölkerung von insgesamt nur 10 Millionen Menschen für beide Kontinente aus, die Letzteren nennen Zahlenschätzungen von 100 bis 150 Millionen Menschen ( siehe zb
Population history of indigenous peoples of the Americas - Wikipedia, the free encyclopedia ).
Zum anderen ist die Situation nicht mit der Pest in Europa zu vergleichen, da es sich um mehrere Erkrankungen handelt (siehe oben), die nacheinander oder teils gleichzeitig in einer Region oder überregional ausbrachen. In diesen Fällen kommt es nicht nur darauf an, eine Infektion zu überleben, also die Krankheit erfolgreich zu überstehen und danach immun zu sein. Die Überlebenden der ersten Erkrankung sind im Folgenden dann noch Bakterius/Virus 2 - 12 ausgesetzt, die sie auch überleben müssen.
Zum weiteren gab es bei den Epidemien auch weitere Todesopfer, die nicht unmittelbar an der Krankheit starben. Dies sind zum einen Kinder, deren Familien erkrankt sind, so daß Kleinkinder unversorgt blieben. Oder auch ältere Menschen, die von den erkrankten Verwandten nicht mehr versorgt werden konnten.
Diese Erkrankungen trafen ja auf sogen "virgin soil" Bedingungen, dh auf eine Bevölkerung, in der keiner oder nur seltene Ausnahmen (zb Erkrankung woanders bereits durchgemacht) immun waren. Aufgrund dieser Bedingungen war der Krankheitsverlauf zum einen sehr schnell (teils starben die Menschen an Pocken, Scharlach, Masern noch *vor* Ausbildung von Hautsymptomen, sogar innerhalb weniger Stunden nach Einsetzen erster Krankheitssymptome) und zum anderen konnte er auch ungewöhnlich heftiger verlaufen. Ich habe gerade gesucht, finde aber die Stelle nicht mehr wieder: aus erhaltenen Beschreibungen (ich meine, diese stammen aus dem 18./19. Jahrhundert) über TBC-Erkrankungen bei Indianern in Kanada geht hervor, daß die Infizierten auch Symptome an weiteren inneren Organen zeigten, wie sie in Europa bei der TBC völlig unbekannt waren. Erst nach mehreren "Durchläufen" der TBC zeigte sich ein Krankheitsverlauf wie in Europa, also nur auf die Lunge begrenzt.
Ferner schlossen sich an Epidemien häufig Hungersnöte an, weil zb Aussaat- oder Erntearbeiten durch eine Epidemie be- oder ganz verhindert wurden oder kollektive Jagden oder Sammelaktionen entfielen. Diese Verluste an Nahrungsmitteln waren anschließend nicht oder nicht in vollem Umfang zu ersetzen, so daß es zu Hungersnöten mit weiteren Toten kam.
Außerdem kommt die Demoralisierung der überlebenden Bevölkerung als weiterer Effekt mit dazu - auch in Europa reagierte die Bevölkerung auf die Pestepidemien entsprechend, und auch dadurch kommt es zu weiteren Todesfällen, zb durch Selbstmord von Überlebenden, deren Familien gestorben waren.