Das ist mir jetzt neu, ...
Du liest ja auch die falschen Bücher. Der Trend geht eindeutig Richtung aktuellem wissenschaftlichen Fachbuch.
Repo schrieb:
... ab 1913 wurde der "Große Ostaufmarsch" von Moltke gar nicht mehr bearbeitet. Demnach müsste diese Vereinbarung älter sein.
Für den 2 Frontenkrieg war ÖU der Einsatz "starker" deutscher Truppenteile für den 40. Mobilmachungstag zugesagt.
Die Zusage stammte aus der Zeit um die Bosnische Annexionskrise. Conrad ließ sich jedoch
Jahr für Jahr die Moltkeschen Zusagen bestätigen. Dabei ging es Conrad weniger um Einzelheiten (Truppenstärke, Zeitpunkt der massiven Verlegung von Verbänden nach dem Osten nach Abschluss der Operationen im Westen, etc.) als vielmehr um die mit diesen Zusagen erreichte Sicherheit, dass ÖU in einem Konfliktfall mit Russland von Anfang an mit einer gemeinsamen Linie militärischen Handelns des Zweibundes rechnen konnte. Der Blankoscheck des 5.07.1914 stellte, so betrachtet, nur noch die politische Sanktionierung des seit Jahrzehnten ins Auge gefassten Konfliktfalls dar.
Quelle: Deist, Militärische Aspekte des Zweibundes, in: Rumpler u.a., "Der >>Zweibund<< 1879, 1996, S. 245, 26.
Repo schrieb:
Kann man so sehen, ist aber sehr umstritten!
Das ist die ganz herrschende Meinung. Die Theorie vom fahrlässigen Hineinschlittern wird heute kaum noch vertreten, abwegig auch Niall Ferguson. Umstritten ist eher das Motiv, wie es zum Kriegsentschluss der Mittelmächte und zum Versagen der "Staatskunst" kam.
Repo schrieb:
Insbesondere wird von den Verfechtern dieser These in aller Regel übersehen, dass zwischen GB und Rus. Gespräche über eine Marinekonvention unmittelbar vor dem Abschluss standen, was die Deutschen zuverlässig wusste, was aber Grey mehrfach gegenüber Lichnowsky (dt. Botschafter in London) und dann auch noch gegenüber Ballin, den er anläßlich eines Abendessen bei Haldane traf, abgestritten hat.
Was für Friedensvermittlungen in dem Fall alles andere als eine Empfehlung war.
Die englisch-russische Marinekonvention wird von Wissenschaftlern wie Hildebrand, Mommesen, etc. nicht übersehen, sondern die lassen das erforschen. Lies mal das Vorwort der 785-Seiten-Diss. von Stephen Schröder "Die englisch-russischen Marinekonvention" aus dem Jahr 2004. Was steht da? "Mein erster und ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Klaus Hildebrand, der die Arbeit angeregt und ihre Entstehung interessiert verfolgt, hilfreich betreut und ermutigend gefördert hat: Ohne seine vielfältige Unterstützung und seinen Einsatz wäre die Studie in dieser Form nicht zustande gekommen". Abgesehen davon hat Hildebrand als junger Wissenschaftler wichtige Vorarbeiten in diesem Bereich der Diplomatiegeschichte geleistet. Und dann schreibst Du, der würde das Ignorieren...
Die Vorstellung, eingekreist zu werden (zB durch die Marinekonvention), stellt für Hildebrand gerade das Motiv für das Entstehen des Kriegsentschlusses der Mittelmächte dar. Kriegsentschluss aus Angst vor den düsteren Zukunftsaussichten (Einkreisung). Unabhängig davon, wie man die Marinekonvention bewertet, das daraus entstehende "lieber jetzt als später" stellt nun mal kein Hineinschlittern in den Krieg dar.
Übrigens ist hinlänglich bekannt, dass das Deutsche Reich seine Verhandlungsbereitschaft nur vortäuschte. Später, als Bethmann Hollweg klar wurde, dass er den Krieg nicht auf Serbien lokalisieren kann, versuchte der seine Strategie Richtung Verhandlungslösung zu ändern: zu spät und zu halbherzig. Da forderte Moltke von Conrad bereits die Mobilmachung bei gleichzeitiger Zusage der deutschen Mobilmachung.