Weiß jemand Konkreteres zu Pythagoreer-Pogromen bzw. -verfolgungen z.B. aus dem Bereich auch lokaler (Politik?)Forschung?
Es gibt bei Iamblichus, "De vita Pythagorica", eine überaus konkrete Legende um die Pythagoräerin Timycha. Es geht dabei zwar nicht um einen Pogrom, aber in eindrucksvoller Weise um die Standfestigkeit der Pythagoräer, wenn ihre Prinzipientreue auf dem Spiel stand.
Der Tyrann von Syracus, Dionysos, hatte vergeblich versucht, die Freundschaft von Pythagoräern zu gewinnen, da sie seine politischen Praktiken strikt ablehnten. Also befahl er dem Truppenführer Eurymenes, den Pythagoräern zwischen Tarentum und Metapontum aufzulauern, wo sie sich jahreszeitbedingt vorwiegend aufhielten, und sie lebend gefangenzunehmen. Den zahlenmäßig weit unterlegenen Pythagoräern wird auf der Flucht der Weg durch ein blühendes Bohnenfeld versperrt, das sie aber nicht betreten, weil der körperliche Kontakt mit Bohnen ein pythagoräisches Tabu ist. Also versuchen sie die Angreifer mit Steinen abzuwehren, was natürlich misslingt und mit dem Tod aller Pythagoräer endet.
Auf dem Rückweg nach Syrakus begegnet Eurymenes, der das Problem hat, entgegen der Order des Königs keine lebenden Gefangenen gemacht zu haben, dem Pythagoräerpaar Millias und Timycha, beide aus Sparta stammend, die hinter der Hauptgruppe zurückgeblieben sind, weil Timycha im 6. Monat schwanger ist. Sie werden gefangengenommen und vor Dionysos gebracht, der über den Tod der Hauptgruppe sehr betrübt ist und dem Paar - aus einem Schuldgefühl heraus - die Beteiligung an seiner Regierung anbietet. Millias und Timycha aber lehnen ab.
Daraufhin fragt Dionysos nach dem Grund für die Entscheidung der Pythagoräer, lieber im Kampf zu sterben als ein Bohnenfeld zu betreten. Millias antwortet, lieber würde er ein Bohnenfeld betreten als Dionysos den Grund für jene Weigerung zu verraten. Der erzürnte König lässt ihn wegbringen und Timycha foltern, um an das Geheimnis zu gelangen. Statt aber zu reden, beißt sie ihre Zunge ab und spuckt sie dem Tyrannen ins Gesicht.
Die Legende belegt u.a., wie schwierig es für Außenstehende war, die Freundschaft von Pythagoräern zu gewinnen.
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Der bekannteste tatsächliche Pogrom gegen Pythagoräer fand in Kroton (Sizilien) statt, wo Pythagoras und seine Gruppe in der Stadtpolitik kräftig mitmischten, allerdings wohl kaum in dem Ausmaß, wie Diogenes Laertius es behauptet, der Pythagoras als Regenten der Stadt hinstellt. Jedenfalls wurde der Aristokrat Kylon eines Tages von Pythagoras abgewiesen, als er um Aufnahme in den Orden bat. Gedemütigt begann Kylon seine gewalttätigen Anhänger gegen die Pythagoräer aufzuhetzen, woraufhin Pythagoras um 510 BCE nach Metapont übersiedelte. Kroton blieb aber unter (zumindest weitgehender) pythagoräischer Herrschaft, was eine aristokratische Regierungsform implizierte, die den Freunden der Demokratie widerstrebte. So kam es - nach dem Bericht des Philosophen Aristoxenos - um 450 BCE in Kroton zu weiteren Unruhen, bei denen das Haus des Milon während einer Pythagoräerversammlung abgefackelt wurde, was nur zwei junge Pythagoräer überlebten, Archippos und Lysis.
Diogenes Laertius dichtet Pythagoras fälschlich jenen Tod am Bohnenfeld an, den die obengenannte Legende für eine ganz andere pythagoräische Gruppe schildert. Er vermischt diese mit einer antipythagoräischen Satire, die ein gewisser Hermipp verfasst hatte. Archippos und Lysis sind, der zweifelhaften Diogenischen Version gemäß, dem Massaker am Bohnenfeld entkommen statt dem Brand in Milons Haus.
Aus Diogenes Laertius, "Leben und Lehren berühmter Philosophen"; VIII, 1:
Man habe bemerkt, wie Pythagoras sich von der Unheilsstätte entfernte; vor einem Bohnenfelde angekommen, blieb er stehen mit den Worten: "Besser, sich gefangen geben als die Bohnen niederzutreten, und besser, ermordet zu werden als sich auf Unterhandlungen einzulassen;" und so sei er von den Verfolgern niedergemacht worden.
Ebenso sei auch die Mehrzahl seiner Genossen umgekommen, an die Vierzig; nur ganz wenige seien entkommen, zu denen der Tarentiner Archippos gehörte und der oben genannte Lysis.