Luxemburg ist eine intelligente und geistreiche Frau gewesen. Ihre Bedeutung für die russische Revolution kann man aber wohl eher als gering einschätzen.
Deutlich spannender wäre es gewesen, neben den üblichen "Verdächtigen", wie Lenin oder Stalin, sich vor allem mit Trotzki zu beschäftigen (vgl. die engagierte Darstellung bei Deutscher)
Noch interessanter, weil in Deutschland nahezu nicht zur Kenntnis genommen, die Person von Bukharin und seine Rolle als "Parteiideologe". Vor allem seine Arbeiten zum Verhältnis von Proletariat und der Bauerschaft. Ein extrem ideologisch belastetes und spannungsreiches Verhältnis. (vgl. Cohen)
Ebenfalls interessant, weil in der Wahrnehmung der Russischen Revolution fast völlig untergegangen, die "utopischen" Ansätze für neue Lebensformen in der postrevolutionären Phase (vgl. Stites)
Und dann natürlich eine der Standardtexte zur Entwicklung des Stalinismus von Kotkin, der den Modernisierungsprozess beschreibt. Und damit auch die Hoffnungen der "Moderniserungsgewinner" der Revolution und auch die Schattenseiten einer brachialen menschenverachtenden Industrialisierungspolitik.
und die deshalb meinte, daß es folgerichtig sei, daß nur die Bolschewiki die Macht letztlich ergreifen konnten - ....
Ist das so? Lief es denn quasi automatisch auf die Bolschewiki, die ja eigentlich eine Minderheit waren, hinaus, nur weil die anderen Kräfte inkonsequent waren, oder hätte sich nicht auch auf der strukturellen Ebene das bürgerliche Lager durchsetzen können?
Zwei so unterschiedliche Autoren wie Hildermeier oder Hobsbawm verweisen auf den hohen Organisationsgrad, der den Erfolg der Bolschewiki erklärt.
Und ein weiterer Punkt ist wichtig, der gerne übersehen wird, weil er quer steht zur "normalen" Argumentation. Es ist der russische Nationalismus, der die Kooperation von Teilen des ehemaligen zaristischen Offizierskorps ermöglicht und was noch wichtiger war, die Kooperation der ehemaligen zaristischen Administration. Unter dieser Perspektive bewahrten die Bolschewiken die nationale Einheit, so explizit Hobsbawm.
War die Entwicklung der Sowjetmacht in ihrem letztlich doch verhängnisvollen Verlauf ein Ergebnis des Bürgerkrieges, oder war diese Entwicklung bereits von Anfang an in der Logik der Radikalisierung der Bolschewiki vorhanden?
Ja, und die Logik ist, dass zur Revolution die "Soldaten" gebraucht werden. Die benötigt man aber nach der Revolution nicht mehr, sondern Personen die integrieren können und die andere Formen des Diskurses beherrschen wie über "Kimme und Korn". Bedauerlicherweise ist die Eitelkeit dieser "Revolutionäre" dann jedoch zu groß, um dann zur Seite zu treten und "Nicht-Soldaten" den Platz zu räumen.
Fairerweise wird man jedoch konzidieren müssen, dass die Militarisierung der Innenpolitik durch den Bürgerkrieg begünstigt wurde. Erschwerden kam die Isolation der UdSSR hinzu, die eine "Einkreisungs-Psychose" bei Stalin erzeugt hatte. Und nach 1932, ein Jahr in dem Stalin explizit mit Bezug auf den Faschismus bereits den Konflikt mit dem DR in ca. 10 Jahren vorhergesagt hatte.
Vor diesem Hintergrund verstand sich die Planwirtschaft als friedenmäßige Kriegsproduktion und man ging davon aus, dass diese Form der Wirtschaftsplanung anderen überlegen sei. Man befand sich somit seit 1932 bereits mental im Krieg. Und das steigerte sich im Jahr 1936, der Bürgerkrieg in Spanien, soweit, dass die Stimmung in Moskau sehr angespannt war (vgl. Schlögel)
In diesem Sinne, eine Revolution, die Gewalt einsetzt als Mittel zur Systemüberwindung, verhindert, dass die positiven Anliegen der Revolution sich friedlich durchsetzen können.
Diese Dynamik der Militarisierung der Innenpolitik kann man sehr gut historisch nachzeichnen in Kuba, nach der Schweinebucht.
Cohen, Stephen F. (1980): Bukharin and the Bolshevik Revolution. A political biography, 1888-1938. With a new Introduction by the Authro. Oxford, New York: Oxford Univ. Press.
Deutscher, Isaac (2015): The prophet. The life of Leon Trotsky. The one-volume edition. London, New York: Verso.
Hildermeier, Manfred (1989): Die Russische Revolution. 1905-1921. Frankfurt a.M.: Suhrkamp
Hobsbawm, Eric J. (2014): Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. 12. Aufl. München: Dt. Taschenbuch-Verlag
Kotkin, Stephen (1997): Magnetic mountain. Stalinism as a civilization. Berkeley, Calif. [etc.]: University of California press.
Schlögel, Karl (2016): Terror und Traum. Moskau 1937. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.
Stites, Richard (1991): Revolutionary dreams. Utopian vision and experimental life in the Russian revolution. 1. issued as an pbk., 1. print. New York [u.a.]: Oxford Univ. Press.