timotheus
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Ich bitte um Nachsicht, daß ich dies nicht eher aufgreifen konnte, aber wenn wir den Bogen hier dementsprechend epochenübergreifend schlagen wollen...
Anm.: Wen die Ausführungen zum Mittelalter nicht weiter interessieren, kann diesen Beitrag überlesen :fs:
Wir sollten - gerade im mittelalterlichen Kontext - doch zwischen Lehensabhängigkeit, Leibeigenschaft und Unfreiheit genauer differenzieren, auch wenn sich dabei einige Dinge mitunter überlagerten.
Ursi hat es ja bereits beschrieben:
Hier die entsprechend relevanten Passagen aus - wieder einmal - Wilhelm Volkert "Adel bis Zunft: Ein Lexikon des Mittelalters" - C.H. Beck, München 1991:
Dem gegenübergestellt noch so kurz wie möglich der Lehenskontext:
Anm.: Hervorhebung durch Unterstreichungen in den zitierten Textpassagen durch mich.
Ansonsten bitte ungeachtet dessen weiter im neuzeitlichen Thema... :fs:
Anm.: Wen die Ausführungen zum Mittelalter nicht weiter interessieren, kann diesen Beitrag überlesen :fs:
Eher hatte der Lehnsherr gewisse Verpflichtungen. So waren Leibeigene vom Kriegsdienst befreit (kann Timo besser erklären), während freie Bauern ggf. zur Waffe greifen mussten.Lehnsabhängige hatten doch auch immer irgendein Recht gegenüber dem Lehnsherren.
Wir sollten - gerade im mittelalterlichen Kontext - doch zwischen Lehensabhängigkeit, Leibeigenschaft und Unfreiheit genauer differenzieren, auch wenn sich dabei einige Dinge mitunter überlagerten.
Ursi hat es ja bereits beschrieben:
... während ich mir zu versuchen erlaube, etwas Off Topic noch den mittelalterlichen Kontext etwas geradezuziehen, damit wir eine Art Gesamtüberblick erhalten.Im deutschen Recht des Mittelalters war Leibeigenschaft eine Form persönlicher Abhängigkeit von einem Leibherrn im Unterschied zu der dinglichen Abhängigkeit der Hörigen von einer Grundherrschaft. Der Begriff Leibeigene wurde kam erst im Spätmittelalter auf und wurde durch die Geschichte, die Ethnologie und die Soziologie auch für andere Völker und Kulturen übernommen.
Ich überspringe mal die Geschichte des frühen Mittelalters und gehe gleich zur Neuzeit über...
Hier die entsprechend relevanten Passagen aus - wieder einmal - Wilhelm Volkert "Adel bis Zunft: Ein Lexikon des Mittelalters" - C.H. Beck, München 1991:
Unfreie schrieb:Im Mittelalter ist die Schicht der Menschen, welche nur reduzierte Persönlichkeitsrechte besaßen, sehr stark differenziert gewesen. Als allgemeines Kennzeichen einer geminderten Freiheit kann gelten, daß der Unfreie keine Freizügigkeit besaß (also auf den Besitzungen des Herrn wohnen und wirtschaften mußte) und bei der Eheschließung den Partner nur innerhalb des Haus- und Hofverbandes suchen durfte (also kein freies Konnubium hatte).
[Hier ist jedoch hinzuzufügen, daß es dennoch sehr wohl die Möglichkeit gab, eine Frau aus einem anderen Herrschaftsgebiet zu ehelichen, wofür dann jedoch eine Art Ablösesumme für die jenem Gebiet verlorengegangene Arbeitskraft zu entrichten war - Anm. von mir]
Ausgangspunkt für diese gesellschaftliche Gliederung ist die... Hausherrschaft des voll rechts- und waffenfähigen Freien (dieser Begriff erhielt ab dem 12./13. Jh. infolge der durch Städte und deren Bürger erlangten personenrechtlichen Unabhängigkeit von der älteren Stadtherrschaft dann noch einen neuen, jedoch anderen Inhalt - Anm. von mir), der über die Abhängigen persönliche und sachliche Herrschaft ausübte. Das bedeutete für die Unfreien Dienstleistung für den Herrn und Unterwerfung unter dessen hausherrliche Anordnungs- und Gerichtsgewalt, für den Herrn Eintreten in Schuld- und Haftungsverhältnisse des Abhängigen nach außen. Dienst des Mannes und Treue des Herrn bedingten einander... Der dem Hofrecht unterworfene Unfreie war nach Landrecht nicht oder nur beschränkt handlungsfähig. Außerhalb des Hofverbandes mußte der Herr den Abhängigen vertreten und für ihn einstehen...
...
... Die unterste Schicht der Abhängigen waren die Angehörigen des unfreien Gesindes; ihre lateinische Bezeichnung "mancipia" besagt, daß sie sich völlig in der Hand (manus) des Herrn befanden. Sie waren zu ungemessenen Leistungen jeder Art bei der Bewirtschaftung der Fronhöfe verpflichtet. Da es in herrschaftlichen Villikationen (Verband von bäuerlichen Anwesen mindestens einer größeren Dorfsiedlung - Def. nach Volkert an anderer Stelle des Buches) auch Bauernwirtschaften und gewerbliche Handwerksbetriebe in größerer Entfernung vom Herrenhof gab, wirtschafteten Abhängige oft recht selbständig. Damit konnten die eine bessere Rechtsstellung, häufig die personenrechtliche Unabhängigkeit, erlangen. Solche Rechtsverhältnisse kamen auch dann vor, wenn sich freie Bauern mit ihrem Gut in die Schutzherrschaft eines weltlichen oder geistlichen Herrn begaben (hin zur Grundherrschaft, später in Süddeutschland zur Rentengrundherrschaft, in Nord- und Ostdeutschland zur Gutsherrschaft - zusammengerafft von mir, um die weiteren Ausführungen Volkerts abzukürzen)...
Die der Leibeigenschaft unterworfenen Leibeigenen waren zur Leistung von Leibzins und, sofern sie ein selbständiges Gut bewirtschafteten, zu Grundzins verpflichtet. Zu den Eigenleuten gehörten auch diejenigen Personen, die nur Grundzins zu entrichten hatten. Das waren die persönlich freien, aber sachenrechtlich an ein Gut gebundenen Grundholden. Sie waren rechtlich besser gestellt, so daß sie auch als Minderfreie bezeichnet werden...
...
Grundsätzlich wurde die Zugehörigkeit zu den Unfreien durch die Abstammung von unfreien Eltern bestimmt, wobei der Grundsatz galt, daß bei Ehen zwischen freien und unfreien Partnern die Kinder "der ärgeren Hand " folgten, d.h. unfrei wurden; es erscheint jedoch fraglich, die Freien und Unfreien als Geburtsstände zu bezeichnen, weil diese nicht scharf geschieden waren und häufig der Übergang von der einen in die andere Gruppe möglich war.
Dies gilt insbesondere für die ritterlichen Dienstleute großer Herren, die Ministerialen (ministerialis). Unfreie Bedienstete, die militärische Dienste als Berittene leisteten, gab es schon in karolingischer Zeit. Durch diese Art der Dienstleistung im Heerbann, bei der Burghut (Verwaltung von festen Häusern und Burgen) und in der Hofhaltung der Herren waren sie aus der Masse der Unfreien herausgehoben. Seit dem 11. Jh. kam es zur Aufzeichnung von Dienstrechten für diese Personengruppe. Da nun ihre Lehensfähigkeit anerkannt war und sie im normierten Lehensrecht des 12. Jh. einen Heerschild erhielten, näherten sich die ursprünglich unfreien Ministerialen dem Adelsstand...
Die geburtsständische Vereinheitlichung des Ministerialenstandes wurde seit dem 12. Jh. offensichtlich auch dadurch gefördert, daß sich Edelfreie (Uradelige - Anm. von mir) in Dienstverhältnisse zu Hochadligen begaben. Dies mag mit eine der Voraussetzungen dafür gewesen sein, daß die Rechtswirksamkeit der Standesminderung durch unfreie Herkunft an Bedeutung verlor und schließlich zum Ende des Mittelalters ganz unterging.
Die unmittelbaren Folgen der Leibeigenschaft waren rückläufig, seit die Auflösung der großen Herrenhofverbände (Fronhöfe) voranschritt und durch das rechtlich lockere Grundherrschaftssystem von Adel und Kirche abgelöst wurde (vgl. oben - Anm. von mir); diese Entwicklung beschleunigte sich seit den allgemeinen Umwälzungen, die das 13. Jh. brachte (Interregnum, Stärkung der landesfürstlichen Territorialherrschaften etc. - Anm. von mir). Die stärkeren persönlichen Lasten der Eigenleute traten zunächst in den unfreien Leiherechten der Grundherrschaften in Erscheinung; die unfreien Grundholden waren stärker belastet als die Besitzer freier Leiherechte. Sie mußten neben den anderen Grundherrschaftsabgaben auch noch den Leibzins entrichten. Außerdem war die Freizügigkeit der Eigenleute beschränkt. Die unmittelbare rechtliche Auswirkung des Hofrechts war jedoch rückläufig, je mehr sich dieser Rechtsbereich dem allgemein verbindlichen Landrecht annäherte, so daß auch die Folgen der unfreien Leiherechte gegen Ende des Mittelalters denen der freien Leihe ziemlich ähnlich waren...
Dem gegenübergestellt noch so kurz wie möglich der Lehenskontext:
Lehenswesen schrieb:...
Schon in frühmittelalterlicher Zeit begaben sich Freie unter den Schutz Mächtiger; durch diese Kommendation an einen Herrn waren sie zu Treue, Dienst und Gehorsam verpflichtet; sie erhielten dafür Schutz und Unterhalt. Dieses persönliche Beziehungssystem hieß Vasallität. Vasallen bildeten das Heeresaufgebot der großen Herren... Um die mit dem Herrendienst verbundenen Kosten aufzubringen, erhielten Vasallen häufig zu ihrem bei der Kommendation eingebrachten Eigengut weitere Liegenschaften nach dem Recht der Landleihe. Für die Nutzung der dem Vasallen überlassenen Güter hatte dieser ursprünglich Abgaben zu leisten, die auch erlassen werden konnten. Das stellte eine Wohltat, ein Benefizium dar; daher kommt die Bezeichnung des vasallitischen Leihegutes als Benefizium. Diese dingliche Seite... wird Benefizialrecht genannt.
Der entscheidende Schritt zum mittelalterlichen Lehenswesen liegt in der Verbindung von Vasallität und Benefizialrecht. Der Eintritt in das Vasallenverhältnis mit dem personenbezogenen Dienst- und Treueverband und die Überlassung eines Benefiziums zur wirtschaftlichen Sicherstellung wurden kausal miteinander verknüpft...
...
Der König stand an der Spitze der Lehenshierarchie. Das bedeutete aber nicht, daß es nur ein auf den König bezogenes Lehenssystem gegeben hätte. Das Leihewesen prägte vielmehr weite Teile des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Adel und Kirche, die zusammen den überwiegenden Teil von Grund und Boden besaßen, traten ebenfalls seit alters als Leiheherren auf...
[Diese Darstellung ist jedoch eine aufs deutsche Gebiet zentrierte Charakterisierung, gilt also so nur für das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation); das Lehenswesen bspw. in Frankreich oder England war durch die sog. Ligesse tatsächlich stark auf den König bezogen - Anm. von mir]
...
Das Lehenswesen prägte den feudalen Teil der Gesellschaft, den rittermäßig lebenden Adel. Grundleihe gab es jedoch seit alters auch im bäuerlichen Bereich; daraus entwickelte sich der für weite Bevölkerungskreise höchst wichtige Lebensumkreis der Grundherrschaft. Auch für die Nutzung von Grund und Boden in den Städten waren Leieheverhältnisse von großer Bedeutung.
Anm.: Hervorhebung durch Unterstreichungen in den zitierten Textpassagen durch mich.
Ansonsten bitte ungeachtet dessen weiter im neuzeitlichen Thema... :fs: