Spartacus Anhänger : Leben nach dem Sklavenkrieg

Und wieder der Schwenk zum römischen Imperium. Aber in den größeren Städten sollte doch ein "Untertauchen" als fahrender Händler, Künstler, Gaukler und Co schon möglich gewesen sein?!
Fahrender Händler ohne Ware? Anderen Händlern unbekannt (aber der Wagen und die Ware, das ist doch der Kram von Secundus Gentilius Cognomius?)? Künstler ohne Können?
 
Ja gut, das sagt ja nicht viel über die tatsächlichen Zahlenverhältnisse zwischen Sklaven und Sklavenhalter aus.

Schon in einer Gesellschaft mit 10% Sklaven werden nach ein paar Generationen fast alle nem Sklaven als Vorfahre gehabt haben.

Die Anzahl der Verwandten wächst nunmal an Hand der Formel 2 hoch x pro Generation.
Geht man nur 30 Generationen zurück, hat man schon 1 Milliarde Vorfahren.

Streng genommen sind auch wir hier im Forum alle miteinander verwandt.
Du gehst da aber von einer Gesellschaft ohne rassistische Separation aus. In einer Sklavenhaltergesellschaft, kann sich der (in der Historie Jamaikas weiße) männliche Sklavenhalter jede (in der Historie Jamaikas i.d.R. farbige) Sklavin nehmen, für Frauen war das i.d.R. umgekehrt nicht der Fall. D.h., in der schwarzen Gemeinschaft gab es Kinder von Sklavenhaltern, aber in der weißen Gemeinschaft keine Kinder von Sklaven. Sprich: die weiße Gemeinschaft blieb homogen. Nun wurde zwar 18xx die Sklaverei in GB und seinen Kolonien abgeschafft, aber dennoch wirkten die rassistischen Stereotype nach. Und i.d.R. sind kleine Gemeinschaften und Auswanderergemeinschaften konservativer als Große bzw. als die Muttergesellschaft, vor allem dann, wenn sie Privilegien aufgeben mussten oder an Entwicklungen im Mutterland nicht teilnehmen. Ergo dürften in der weißen Community auf Jamaika rassistische Stereotype bis heute festgefahrener sein, als im britischen Mutterland.
Und man darf nicht vergessen, dass auch in der schwarzen Community Jamaicas Mulatten nicht immer wohl angesehen waren. Bob Marley z.B., dessen Vater ein Weißer war, ist gerade deswegen oft angefeindet worden, bevor er seinen Durchbruch als Musiker hatte.
 
Ich habe mal von ein paar Jahren über eine Parallele zwischen Sklavenhaltung im antiken Rom und Sklavenhaltung in den USA-Südstaaten gelesen:

Solche Überlegungen mögen auf den ersten Blick interessant erscheinen, ergeben aber auf den 2. meist wenig Sinn.
In beiden Fällen betrug das numerische Verhältnis von Freien zu Sklaven 2/3 zu 1/3.
Auf zwei Freie kam also ein Sklave.

Das halte ich für eine steile These, schon allein, weil mir im Fall Rom völlig schleierhaft ist, wie man das abschätzen sollte.

Es gibt ja nicht einmal für die Stadt Rom zu ihrer antiken Blütezeit gesicherte Angaben zu ihrer Einwohnerzahl, schon da stößt man je nachdem, welche Literatur man zu rate zieht auf verschiedene Postulate, irgendwo zwischen 0,8 und um die 2 Millionen Einwohner.
Wie möchte man bei solchen Schwankungsbreiten, was die Angaben betrifft präzise etwas über das Verhältnis von freien Einwohnern zu Sklaven aussagen?
Das Problem lässt sich in der Breite auch für das gesamte Reich aufgreifen, da dürften bestenfalls recht unsichere Schätzungen möglich sein, was Gesamtzahlen anngeht.
Regional wird man da vielleicht aussagekräftige Nachweise bringen können, ob sich das aber für das gesamte Reich generalisieren lässt, wäre zu bezweifeln.


Auch im Falle der Südstaaten in den USA (warum eigentlich nur der Südstaaten? Missouri, Kenntucky und Maryland waren auf dem Papier auch Sklavenstaaten) ergibt eine solche globale Angabe wenig Sinn, weil der Bedarf an Sklaven sehr stark davon abhing, welche landwirtschaftlichen Produkte angebaut wurden.
Der Baumwoll-Boom, der für den tiefen Süden das Geschäftsmodell darstellte, beförderte sehr große Sklavenpopulationen, aber außerhalb der hauptsächlichen Anpflanzungsregionen für Baumwolle, sah das bereits innerhalb der Südstaaten anders aus.

Einzelne Staaten im Süden, wie Missisippi und South Carolina scheinen Tatsächlich Sklavenpopulationen mit einem Anteil von um die 60% der Gesamtbevölkerung gehabt zu haben, in North Carolina und Virgina, wo die Baumwolle als wirtschaftlich interessante dominante Kulturpflanze allmählich durch Tabak abgelöst wurde, wäre man bei ungefähr einem Drittel, in Tennessie schon deutlich darunter, und in den drei Sklavenstaaten, die sich dannn gegen Lincolns Versprechen die Sklaverei dort nicht anzutasten nicht abspalteten (die schon erwähnten Grenzstaaten Missouri, Kentucky und Maryland), war Sklaverei zwar bis in den amerikanischen Bürgerkrieg hinein zulässig, wurde aber in weit geringerem Maße praktiziert, weil es überhaupt nicht rentabel war.
Der Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung hier, lag wohl bei irgendwas zwischen 10% und 20%.*

Das sind auch innerhalb der Sklavenstaaten in den USA ganz erhebliche Schwankbreiten, die sehr stark im Zusammenhang damit standen, wie gut sich die Region eignete um Baumwolle zu kultivieren.


Man sollte auch nicht übersehen, dass insofern in den USA und im römischen Reich völlig verschiedene Modelle vorlagen, als dass im römischen Reich Sklaven tatsächlich für der Versorgung der heimischen Märkte produzierten, während die Sklaven in den USA, wohl hauptsächlich in der Baumwoll- und auch in der Tabakproduktion (das aber in geringerem Maße) eingesetzt wurden, die beide zu großem Teilen für den Exportsektor arbeiteten.
Baumwolle als Massenrohstoff für die aufstrebende Industrie, vor allem in Großbritannien, die die Nachfrage oben hielt, Tabak als Genussmittel mit guten Gewinnspannen beim Export.

Das ist auch ein vollkommen anderes Modell.


Auch bei der Sklavenhaltung sehe ich ein Gleichgewicht:

Auf der einen Seite der Balkenwaage wollen die Freien möglichst viele Sklaven.
Auf der anderen Seite der Balkenwaage wächst mit der Anzahl der Sklaven auch die Angst vor einem Aufstand.

Was die Vorstellung betrifft, dass die Freien Mitglieder einer Gesellschaft immer möglichst viele Sklaven wollen, da lässt sich leicht belegen, dass das nicht zutrifft.
Schaut man sich die z.B. die Vereinigten Staaten in ihrer frühen Geschichte nach der Unabhängigkeit an, ist Sklavrei dort auch in den meisten Nordstaaten zunächst mal legal, wird aber im Norden bis in die 1820er-1830er Jahre nach und nach abgeschafft.

Wenn freie Mitglider einer Gesellschaft immer möglichst viele Sklaven haben wollten, hätte es diese Abschaffung, die ganz sicher nicht Folge einer exremen Angst vor Aufständen war (denn es gab im Norden nie große Sklavenpopulationen) ja nicht geben dürfen.

Der Grund, warum man im Norden die Sklaverei abschaffte, im Süden aber nicht, ist dass sich mit der aufstrebenden Industrie ein anderes Geschäftsmodell entwickelte, dass in Sachen Einstellungen und Entlassungenn wesentlich flexibler war (so seltsam das auf den ersten Blick klingt, aber gegebüber einem Sklaven gingen diejenigen, die ihn kauften weit stärkere Bindungen und Verpflichtungen ein, als gegenüber einem freien Lohnarbeiter, den sie einstellten) und weil sich die Einwanderung in die USA ab dem Beginn des 19. jahrhunderts zunehmend auf den Norden konzentrierte, was dafür sorgte, dass für die dortige Wirtschaft immer genügend billige Arbeitskräfte in Form von Wirtschaftsmigranten aus Europa vorhanden waren.

Für den Süden machte die Sklaverei vor allem deswegen weiter Sinn, weil durch die Entwicklug in der britischen Textilindustrie immer größere Mengenn verarbeitet werden konnten, es für Anbau und aberntung (im Gegensatz zur Entkernung) aber noch keine brauchbaren Maschinen gab und gleichzeitig freie Lohnarbeit sehr teuer war, weil es in denn Südstaaten mit ihrer weit geringeren Einwanderung im Gegensatz zum Norden keine so großen landlosen Unterschichten gab, für die Lohnarbeit dort (zumal Baumwollanbau mit den damaligen Mehtoden eine ziemliche Schinderei war) interessant gewesen wäre.

2:1 erscheint da als ein gutes Verhältnis, um eine stabile Balance zwischen Nutzen durch Sklavenhaltung und Gefahr durch Sklavenhaltung aufrecht zu halten.

Was das Balance-Modell angeht, würde ich darauf hinweisen wollen, dass Sklaverei nicht das einzige (wenn auch ein besonders hartes) Modell von Unfreiheit und unfreier Arbeit war, das wir aus der Geschichte kennen.

Das gilt ja grundsätzlich auch von der Leibeigenschaft, und die hielt sich in Europa teilweise bis ins 19. Jahrhundert und betraf weit mehr als ein Drittel der Bevölkerung.
Da gab es immer mal wieder Aufstände, weil bestimmte damit verbundene Lasten den Betroffenen als übermäßige Dranngsalen erschienen, bis zur französischen Revolution aber kaum größere Aufstände, die das System an und für sich infrage stellten.
Und das obwohl es bereits im 18. Jahrhundert reichlich kritische Stimmen gab, die Sinnhaftigkeit diess Systems infrage stellen, zum Teil wenniger wegen moralischer Skrupel, sondern einfach aus der durchaus richtigen Erkenntnis, dass Zwangsarbeit auf Grund der geringen Motivation der Arbeitenden, tendenziell ineffektiv ist.

Nun kann man die in Europa gängigen Formen der Leibeigeschaft sicherlich nicht völlig mit der Sklaverei in den USA gleichsetzen, weil Leibeigene (jedenfalls in der Regel, es scheint da durchaus auch Ausnahmen wie in Russland zu geben) z.B. nicht ohne weiteres verkauft werden konnten.

Aber Grund sich durch ihre Unfreiheit drangsaliert zu fühlen hatten auch die Leibeigenen hier. Sie standen aber nicht oder kaum gegen diese Verältnisse auf.


Ich denke das ganze Modell krankt an zwei Dingen:

1. Es unterstellt bei den Sklaven eine Art kollektives Klassenbwusstsein, das so möglicherweise nicht vorhanden war.

Dem steht schon entgegen, das Sklaven häufig aus verschiedenen Gegenden herangesschafft wurden und untereinander teilweise Schwierigkeitenn gehabt haben dürften, sich überhaupt zu verständigen, auch kam es sicher vor, dass Personen aus Gruppen, die sich in anderen Erdteilen selbst spinnefeind waren zusammen in die Sklaverei gerieten, was dazu geführt haben mag, dass innerhalb der Sklavenpopulation die Vorbehalte gegeneinander möglicherweise ähnlich groß waren, wie die gegenüber dem Sklavenhalter.

2. Es unterstellt, dass die Freiheit grundsätzlich bessere Bedingungen geboten hätte, als der Status als Sklave.

Das ist aber nicht immer der Fall, weil es sehr stark darauf ankommt, für was die Sklaven eingesetzt wurden.
Die Lebensbedingungen eines Sklaven auf einer Baumwoll- oder Zuckerplantage in den Südstaaten oder der Kraibik waren eine Katastrophe.

Schaut man sich demgegenüber die Sklaverei in Rom an, die eben nicht (oder nur selten) mehr oder weniger (proto) industriellen Zwecken diente, konnte das da schon ganz anders aussehen.
Sicherlich gab es auch da gefährliche Tätigkeiten, die die Gesundheit ruinieren konnten, z.B. in Steinbrüchen oder Bergwerken, Bauarbeiten an Großprojekten, ein großer Teil der Sklaven im alten Rom, wurde aber durchaus auch als häusliche Dienerschaft der römischen Oberschicht beschäftigt, einfach weil ein entsprechender Diener ein Statussymbol war (das man pflegte und gut versorgte um es zu erhalten), oder zu landwirtschaftlichen Arbeiten auf deren Landgütern (oder sogar als deren Verwalter) eingesetzt.

Ein Sklave der persönlicher Diener, Hausverwalter etc. einer wohlhabenden römischen Familie war, hatte aber mitunter ein materiell weit besser ausgestattetes leben, als er als freies aber mittelloses Mitglied der Gesellschaft gehabt hätte.








*Angaben beziehen sich auf das mittlere 19. Jahrhundert, also etwa die Zeitspanne 1840-1860.
 
2. Es unterstellt, dass die Freiheit grundsätzlich bessere Bedingungen geboten hätte, als der Status als Sklave.

Das ist aber nicht immer der Fall, weil es sehr stark darauf ankommt, für was die Sklaven eingesetzt wurden.
Die Lebensbedingungen eines Sklaven auf einer Baumwoll- oder Zuckerplantage in den Südstaaten oder der Kraibik waren eine Katastrophe.

Schaut man sich demgegenüber die Sklaverei in Rom an, die eben nicht (oder nur selten) mehr oder weniger (proto) industriellen Zwecken diente, konnte das da schon ganz anders aussehen.
Sicherlich gab es auch da gefährliche Tätigkeiten, die die Gesundheit ruinieren konnten, z.B. in Steinbrüchen oder Bergwerken, Bauarbeiten an Großprojekten, ein großer Teil der Sklaven im alten Rom, wurde aber durchaus auch als häusliche Dienerschaft der römischen Oberschicht beschäftigt, einfach weil ein entsprechender Diener ein Statussymbol war (das man pflegte und gut versorgte um es zu erhalten), oder zu landwirtschaftlichen Arbeiten auf deren Landgütern (oder sogar als deren Verwalter) eingesetzt.

Ein Sklave der persönlicher Diener, Hausverwalter etc. einer wohlhabenden römischen Familie war, hatte aber mitunter ein materiell weit besser ausgestattetes leben, als er als freies aber mittelloses Mitglied der Gesellschaft gehabt hätte.
Das wird schon stimmen, man sollte aber nicht nur auf die materielle Situation abstellen. Sklaven waren nun einmal rechtlos, konnten verkauft und gezüchtigt werden. Die Wünsche des Sklaven für seine Lebensgestaltung (z.B. allfällige Beziehungen) spielten keine Rolle. Nicht ausblenden sollte man natürlich auch, dass viele Sklaven (vor allem Frauen und junge Männer sowie Kinder) von ihren Besitzern sexuell missbraucht wurden.

Insofern wage ich zu bezweifeln, ob ein im Haushalt lebender, gut genährter und gekleideter junger Mann, der aber jahrelang von seinem Herrn vergewaltigt wurde, seine Lage in Summe als besser als die eines armen Freien einstufte.

Obendrein schwebten Sklaven in ständiger Gefahr: Ermordete ein Sklave seinen Herrn, konnten als Kollektivstrafe alle seine Mitsklaven hingerichtet werden, ganz egal ob sie mit dem Mord irgendetwas zu tun hatten.
 
Das wird schon stimmen, man sollte aber nicht nur auf die materielle Situation abstellen.

Es war auch nicht meine Absicht rein auf die materielle Perspektive abzustellen, sondern einfach darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung zum Versuch sich dem jeweiligen Herren zu entziehen, sei das durch Flucht oder Aufstand, für viele Sklaven auch eine Option gewesen sein wird, die erstmal abgewogen werden musste.

Ich möchte damit sicherlich nicht die Sklaverei schönreden, nur ich halte die Vorstellung, dass jeder Sklaven von vorn herein von morgens bis Abends nur daran dachte, wie er der Sklaverei entkommen kann, für falsch.
Das wird sehr davon abgehangen haben, wie er (oder sie) im einzelnen behandelt wurde, ob die potentielle Situation danach einigermaßen aussichtsreiche Perspektiven bot und ich denke, nicht zuletzt auch davon, ob die jeweilige Person überhaupt etwas anderes als die Sklaverei kannte.

Bei vielen Personen, die als Kriegsbeute o.ä. selbst mal in die Sklaverei grieten, mag man das sicherlich voraussetzen können, aber es gab ja auch Personen, die bereits in die Sklaverei hinein geboren und möglicherweise schon in dritter oder vierter Generation Sklaven waren und zu deren Sozialisation dieser Umstand einfach dazu gehörte und die möglicherweise entsprechnend nicht das gleiche Bewusstsein hatten, wie jemand, der persönlich den Verlust seiner Freiheit erlebt hat
 
Zu Haiti: Man darf nicht vergessen, dass die Sklavenhalter hier im Zweifel die ganze französische Kolonialmacht hinter sich hatten. Die 5 % Weiße/10 % Freie mussten sich nicht alleine verteidigen, sondern konnten auf Unterstützung durch französische Truppen hoffen; und die Sklaven wussten das. Die haitianische Revolution ist erst ausgebrochen, als diese Gewissheit nach der französischen Revolution zumindest zweifelhaft wurde. (Gut, es wurden französische Truppen nach Haiti geschickt, aber ohne die Wirren der Revolution und die Kriege in Europa hätten die Aufständischen es sicher noch schwerer gehabt, wenn sie es überhaupt gewagt hätten.)

EDIT
Zum Untertauchen: Wenn ein Sklave aus Rom es bis in eine der Provinzen geschafft hatte, mag es schwierig für den Sklavenhalter gewesen sein, den zurück zu bekommen; oder es war schlicht den Aufwand nicht wert. Aber das musste man es erstmal bis dahin schaffen; im näheren Umkreis gab es Zeugen, Leute, die den Sklaven kannten, und wie sollte sich der Entlaufene ernähren, wo unterkommen? Und selbst wenn es er geschafft hätte, sich weit von Rom abzusetzen, was macht man dann ohne Verbindungen in einem fremden Land, wo man niemand kennt, wo einen niemand kennt, wo man keinerlei Rechte gelten machen kann? Das ist ein Vabanquespiel, bei dem man schnell noch tiefer in der Patsche sitzt, könnt ich mir vorstellen. So etwas wie die Underground Railway, oder ein Nachbarland wie Kanada, in dem Sklaverei verboten ist, gab es in der Antike nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man darf nicht vergessen, dass die Sklavenhalter hier im Zweifel die ganze französische Kolonialmacht hinter sich hatten.
Wobei die gesamte französische Kolonialmacht auch eine längere Vorlaufzeit brauchte, wenn es zu einer größeren Erhebung kam. Die Nachricht eines Aufstandes musste erst mal von Haiti nach Frankreich gelangen. Dann mussten Truppen aufgestellt werden und die dann in die Karibik transportiert werden. Wenn eine Seereise mit viel gutem Willen 4 Wochen in Anspruch nahm, konnte also frühestens nach 2 Monaten die Kolonialmacht aus Europa in Haiti eingreifen. So lange hätten Sklavenhalter erst mal durchhalten müssen.
 
Wobei die gesamte französische Kolonialmacht auch eine längere Vorlaufzeit brauchte, wenn es zu einer größeren Erhebung kam. Die Nachricht eines Aufstandes musste erst mal von Haiti nach Frankreich gelangen. Dann mussten Truppen aufgestellt werden und die dann in die Karibik transportiert werden. Wenn eine Seereise mit viel gutem Willen 4 Wochen in Anspruch nahm, konnte also frühestens nach 2 Monaten die Kolonialmacht aus Europa in Haiti eingreifen. So lange hätten Sklavenhalter erst mal durchhalten müssen.

Vor allem setzte es auch vorrauss, das die französische Kolonialmacht auch die Möglichkeit hatte in der Karibik zu aggieren, was voraussetzte, dass man sich nicht im Krieg mit GB befand und dieses nicht gerade die Atlantikhäfen blockierte.
 
Um wieder auf das Thema Flucht, Überleben und nicht entdeckt zu werden zu kommen...

Bei uns in der Region (BaWü) gibt es bei Calw im Wand einen sogenannten Henker-Stein (das Calwer Schafott). Ein Wanderweg führt dort vorbei. Vor Ort ist eine Tafel angebracht, welche von einer der letzten grausigen Hinrichtungen berichtet (1818). Grob zusammengefasst ging es da um eine Person, welche hinterlistig andere Menschen ermordet hatte und später dann dennoch in einem anderen Dorf erkannt und gefangen wurde - und dann wegen der Morde eben hingerichtet wurde.

Die Täter wurden in einem ganz anderen Ort, sogar Bundesland erkannt und verhaftet.

Damals, als ich dort vorbei wanderte und die Geschichtstafel gelesen hatte, dachte ich mir auch, wie kann das sein? Es gab keine Täter Datenbanken in Computer Netzwerken landesweit. Es gab keine Ausweise. Und wenn man kontrolliert wurde, wie sollte der "Beamte" dann auf eine "wird-gesucht" Datenbank zurückgreifen etc.

Es gab Steckbriefe, zwar noch ohne Fotos, aber mit Personenbeschreibung, und es gab Grenzkontrollen, z. B. zwischen Baden und Württemberg. Das wird auch der Gertrude Pfeiffer zum Verhängnis geworden sein, die 1818 in oder bei Calw hingerichtet wurde.
 
Es gab Steckbriefe, zwar noch ohne Fotos, aber mit Personenbeschreibung, und es gab Grenzkontrollen, z. B. zwischen Baden und Württemberg. Das wird auch der Gertrude Pfeiffer zum Verhängnis geworden sein, die 1818 in oder bei Calw hingerichtet wurde.

Aber sie hätte sich doch auch quer durch die Landschaft durchschlagen können - die Grenzkontrollen können ja nicht so gut überwacht und engmaschig kontrolliert werden wie heute.

Aber dennoch wie man sieht - anscheinend war es selbst damals ohne digitale vernetzte Welt gar nicht so einfach als "Fremder" unterzutauchen.
 
Aber sie hätte sich doch auch quer durch die Landschaft durchschlagen können - die Grenzkontrollen können ja nicht so gut überwacht und engmaschig kontrolliert werden wie heute.
Ich denke, auf sowas muss man vorher trainiert worden sein.
Damals wie heute.

Sich selbst aus der Natur mit Nahrung und trinkbarem Wasser versorgen ist alleine für sich schon unglaublich schwierig, wenn man nicht weiß, wie.
Und wie willste so ein erlegtes Wild transportieren? Geht ja nicht. Kannst dir höchstens für 3 Tage Fleisch abschneiden und dann musst Du von neuem jagen.
Das Jagen wird auch sehr zeitaufwändig sein.
Und Feuer fürs Kochen ist ebenfalls mit Risiko und Zeit behaftet.
Roh kannste Fleisch auch nicht immer essen.
Und Wasser muss gefiltert werden.


Abseits der Wege bleiben kann je nach Landschaft wirklich sehr energieaufwändig sein. Laufen auf zugehölztem, matschigem oder unebenen Boden kostet ein Vielfaches an Kraft gegenüber einem Weg.

Zuflucht gegen Wetter, Orientierung, Krankheiten, Kinder und Schwangerschaft...

Auch die Orientierung: Armeen haben in fremdem Gelände sehr oft auf einheimische Kundschafter gesetzt, auch wenn dies das Risiko einer Falle mit sich brachte.
Es zeigt aber, dass man sich nicht so einfach ohne Struktur wie Wege oder weitere Hilfsmittel wie Karten orientieren kann.


Um es mit Sokrates zu sagen: Wir wissen nicht, was wir nicht wissen.

Einfach mal dauerhaft abseits der Wege zu laufen klingt erstmal sehr einfach, bringt aber sicherlich eine gigantische Zahl an Problemen mit sich, die wir nichtmal erahnen können.



Ein Gedanke:
Wäre es so einfach, sich unentdeckt zu bewegen, wäre das doch militärisch stets ausgenutzt worden.

Man hätte am laufenden Band kleine unsichtbare Kommandotrupps losschicken können, die Anführer töten, Brände legen oder sonstwie sabotieren.
 
Aber dennoch wie man sieht - anscheinend war es selbst damals ohne digitale vernetzte Welt gar nicht so einfach als "Fremder" unterzutauchen.

Zu den Verhältnissen im Römischen Reich schreibt Jens-Uwe Krause, Kriminalgeschichte der Antike, München 2004:

"Anschaulich wird dieses staatliche Engagement bei der Fahndung nach entlaufenen Sklaven: Den städtischen Beamten waren die Namen und besonderen Merkmale flüchtiger Sklaven bekannt zu machen; es wurden Fahndungsblätter verbreitet, die an öffentlichen Gebäuden ausgehängt wurden. Hatte jemand einen flüchtigen Sklaven ausfindig gemacht, so war er verpflichtet, ihn den städtischen Behörden zu überstellen. Diese hatten aber auch die Aufgabe, von sich aus nach flüchtigen Sklaven zu fahnden, sie in Gewahrsam zu nehmen und sorgfältig zu bewachen, d. h. in Ketten legen zu lassen." (S. 23f)

"Sicher trifft es zu, daß flüchtige Sklaven und andere zwielichtige Gestalten bevorzugt in die Großstädte strebten. Aber machen wir uns keine falschen Vorstellungen von den Möglichkeiten, hier unterzutauchen: Wenn die Bewohner Antiochias, denen ein Strafverfahren drohte, in die Einöde der Berge flohen, so glaubten sie offenbar, auch in einer Großstadt wie Antiochia vor dem Zugriff der staatlichen oder städtischen Organe nicht sicher zu sein. Die große Bedeutung, die der Untergliederung der größeren Städte des Reiches in Stadtviertel zukam, hatte zur Konsequenz, daß niemand in einer anonymen Masse untertauchen konnte. Die Bewohner der Stadtviertel und der Straßen kannten einander: Wie sollte da ein Städter, der wegen eines Vergehens gesucht wurde, oder ein Fremder, der zugewandert war, lange Zeit unentdeckt bleiben können? All dies erklärt, warum der römische Staat selbst in Städten wie Rom und Kostantinopel mit einigen hunderttausend Einwohnern mit einem lächerlich kleinen Polizeiapparat auskommen konnte, ohne daß deswegen Gewalt und Kriminalität übermäßig hätten anschwellen müssen." (S. 57)
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber sie hätte sich doch auch quer durch die Landschaft durchschlagen können - die Grenzkontrollen können ja nicht so gut überwacht und engmaschig kontrolliert werden wie heute.

Sie wird nicht damit gerechnet haben, dass sie inzwischen steckbrieflich gesucht wurde. Der Steckbrief war zwar auch in Zeitungen veröffentlicht worden; als Analphabetin ist ihr das natürlich entgangen. Von dem geraubten Geld hatte sie Töpferware gekauft, mit denen sie hausieren gehen wollte. Es war wohl auch nicht das erste Mal, dass sie seit dem Raubmord/Totschlag die Grenze überquerte.

 
Aber sie hätte sich doch auch quer durch die Landschaft durchschlagen können - die Grenzkontrollen können ja nicht so gut überwacht und engmaschig kontrolliert werden wie heute.
Das geht topografisch bedingt nicht immer.

Hier in meiner Region(südliches Ruhrgebiet/Nördliches bergisches Land) weiß man sehr genau, wo in der Antike die Hellwege verliefen.

Die Wege verlaufen natürlich so, dass sie Hindernisse wie Sumpf, steile Berge umgehen. Oft verlaufen sie auf dem Kamm von Höhenzügen.
Mir ist in meiner 350.000 Einwohner-Stadt ein Teilstück eines Tal-Weges bekannt, dass auf 3 km Länge und 50m Breite den höchsten, Berg der Stadt umgeht. Welcher wirklich steil ist.

Ein anderes Weg-Teilstück, ebenfalls ein Tal, kannste wirklich nur mit Kletterausrüstung ungehen.


Worauf ich hinauswill:
Ein Abweichen von den Wegen wäre oft -nicht immer- für einen Flüchtigen mit ERHEBLICHEN Mühen verbunden.

Klar kannste als Gesuchter hier und da die Wege verlassen. Sich allerdings dauerhaft off-road zu bewegen halte ich für sehr sehr mühselig.
 
Hausieren konnte sich auch lohnen. Die italienische Firma Benetton ist z.B. so entstanden. Luciano Benetton, der 1945 mit 14 Jahren die Schule verließ und 20 Jahre später zusammen mit seiner Schwester die Firma gründete, war anfangs Hausierer: Er verkaufte ca. 10 Jahre lang von Haus zu Haus Pullover, die seine Schwester an einer Strickmaschine zu Hause herstellte.

Auch eine Frau aus meiner angeheirateten Verwandtschaft war Ende 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Hausiererin: Sie kaufte in den Städten Waren und trug sie zu den (Berg-)Bauernhöfen, die gern etwas mehr bezahlten, weil sie sich den Gang in die Stadt sparen konnten, wofür sie sonst einen ganzen Tag brauchten. Sie verkaufte für sie auch Waren, die sie herstellten, d.h. sie ging nicht leer nach Hause, auch der Rückweg brachte ihr Gewinn.

Um es kurz zu machen: Weil ihr Mann im I. Weltkrieg gefallen war, musste sie danach allein ihre zahlreichen Kinder großziehen (wobei während ihrer Abwesenheit die größeren auf die kleinen aufpassten) und zuletzt noch ein Haus kaufen. Sie war eine sehr resolute Frau, die keine Angst vor Obrigkeit hatte: Als ein Pfarrer eines ihrer Kinder schlug, ließ sie alle ihre Kinder nicht mehr zum Religionsunterricht. Alle Versuche, sie umzustimmen, schlugen fehl.

Handel war schon immer ein einträgliches Geschäft – wenn man es selbst betrieb.

Zum eigentlichen Thema: Auch im römischen Reich gab es Räuberbanden – Zitat aus der Welt:

Denn für das unheilvolle Werk der sicarii, effractores und raptores gibt es mannigfaltige Beweise. Das LVR-Römermuseum in Xanten zeigt mit der Ausstellung "Gefährliches Pflaster" (noch bis Februar 2012), wie weit verbreitet Übergriffe und entsprechende Schutzmaßnahmen waren. Zeugnisse sind überall in den Provinzen des Reiches zu finden. Die Angst vor Gewalt und Kriminalität beherrschte die Städte; auch hier ist die Antike ein Spiegel unserer Gegenwart.

Das Römische Reich war nach außen gut geschützt, nach innen gar nicht; jedenfalls nicht von Staats wegen. Es gab keine Polizei und keinen Staatsanwalt, der bei Delikten aller Art ein Verfahren einleiten musste. Folglich konnten Bösewichter und organisierte Banden ihr Handwerk relativ unbehelligt verrichten. Aber auch skrupellose Bereicherung, Korruption, Erpressung, Entführung, Wirtschaftskriminalität, Menschenhandel waren gut bekannt.
(…)
Die Gerichtsbarkeit diente vor allem Privatklagen. Verbrechensopfer mussten Anklage beim städtischen Magistrat erheben und selbst vor Gericht vertreten. Und nur Männer waren zugelassen, Frauen und Sklaven hatten dieses Recht nicht.
(…)
Der Staat selbst wurde allenfalls bei schweren Verbrechen tätig, also Hochverrat, Ermordung von hochgestellten Persönlichkeiten , Stimmenkauf bei Wahlen, Geldfälschung.
(…)
Nicht wenige der "latrones", der Schurken, waren marodierende Ex-Militärs, die sich selbstständig machten oder gleich in Banden mitmischten, die sich aus Armen, Ausgestoßenen, entflohenen Sklaven rekrutierten.


Daraus geht hervor, dass es für einen entlaufenden Sklaven durchaus möglich war, unterzutauchen bzw. zu überleben und sich möglicherweise irgendwann sogar eine neue Identität zuzulegen.
 
Daraus geht hervor, dass es für einen entlaufenden Sklaven durchaus möglich war, unterzutauchen bzw. zu überleben und sich möglicherweise irgendwann sogar eine neue Identität zuzulegen.
Hm, ja stimmt. - Räuber konnten grundsätzlich versteckt leben.

Sie werden aber auch bekannte Territorien präferiert haben.


Der entlaufene Sklave der Thread-Fragestellung muss ja verdeckt durch ihm unbekannte Gebiete.

Das ist ein riesiger Unterschied.
 
War das nicht eine der Säulen des römischen Klientelwesens oder missverstehe ich den Begriff hier?
Nein, theoretisch war Stimmenkauf illegal, wenn auch weit verbreitet. Wenn Klienten für ihren Patron stimmten war das was anderes, als wenn Crassus oder wer auch immer sich Stimmen zu tausenden orderten.
Daraus geht hervor, dass es für einen entlaufenden Sklaven durchaus möglich war, unterzutauchen bzw. zu überleben und sich möglicherweise irgendwann sogar eine neue Identität zuzulegen.
Naja, oder halt von irgendwelchen Räubern, denen man im Wald begegnet, abgestochen oder erneut versklavt zu werden. Ich mein, das waren nicht Robin Hood und seine Merry Men... ;)
 
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