muck
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Absolut auch meine Meinung.Ich habe den Film schon vor einiger Zeit gesehen und war auch nicht sonderlich angetan. Dass er es mit den historischen Fakten nicht so genau nahm, fiel sogar mir auf, obwohl ich mich mit Kristina und generell ihrer Zeit nicht besonders gut auskenne. Insgesamt wirkte der Film auf mich etwas überambitioniert, die Ausstattung konnte mit dem Anspruch nicht mithalten. Inhaltlich wirkte er auf mich auf "eine unabhängige Frau will ihren Weg gehen, und alle anderen missverstehen sie / sind gegen sie / wollen sie ausnutzen / manipulieren" reduziert.
Der Film ist ein Paradebeispiel dafür, warum mich gegenwartspolitische Untertöne in historischen Stoffen so kribbelig machen. Christina wird hier zu einer Folie für eine Aussage reduziert. Bloße Gerüchte über eine mögliche Bisexualität werden zum filmbeherrschenden Faktum; verbürgte Liebschaften mit Männern ignoriert.
Ihre Ablehnung der Ehe wird feministisch rezipiert, während die echte Christina der Quellenlage nach deshalb nicht heiraten wollte, weil sie glaubte, als Tochter des großen Gustav Adolph mehr Anrecht auf die Regentschaft zu haben als irgendwer sonst. Was daran so schade ist: 'Girl King' wird Christina nicht gerecht.
Die echte Königin wurde schon zu Lebzeiten, und auch in den ebenso frauenfeindlichen Jahrhunderten danach, immer überaus positiv dargestellt. Die wenigen negativen Stimmen kamen fast ausschließlich von ausgesprochen protestantisch beseelten Autoren, die ihr ihren Abfall vom Protestantismus übelnahmen.
Beispielshalber ein Zitat aus Herders Conversations-Lexicon von vor bald 170 Jahren:
C. war von Natur ein Mannweib¹ und wurde auch nicht weiblich erzogen; sie erwarb sich alle Kenntnisse, die ein Regent nöthig hat, leitete die Politik Schwedens trotz dem erfahrensten Staatsmanne, war entschlossen und kühn wie ihr Vater, dabei Freundin und Kennerin der Kunst und in den schönen Wissenschaften bewanderter als mancher Professor.
¹) Herders Lexikon bietet für 'Mannweib' eine "guthe" und eine "üble" Definition, nämlich die eines "männlich-edlen" Westens einerseits und der körperlichen Androgynie andererseits. Hier ist ganz offensichtlich die "guthe" Definition gemeint.
Kurzum, die echte Christina muss eine beindruckende Herrscherin gewesen sein. Im Film ist sie ein triebhaftes It-Girl, das mit wenig Weitsicht durch seine eigene Geschichte stolpert. Sehr schade, das.
Und ja, die Ausstattung ist nicht besonders toll. Vielleicht ging mit der Anheuerung des schon in Hollywood berühmten Michael Nyqvist zu viel Budget flöten, wobei auch das den komplett ahistorischen Stil nicht entschuldigen kann. Apropos Nyqvist: das beste an diesem Film. Schade, dass er so früh sterben musste.