BerndHH
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Moin zusammen,
ich interessiere mich besonders für den Übergang von der Friedens- i. d. Kriegsgesellschaft (Konventioneller Kalter Krieg, 1980er Jahre) mit all seinen Mechanismen und möglichen Abläufen. Ein, wie wir alle wissen, rein hypothetischer Fall, aber wie wäre es abgelaufen?
Dabei gibt es mehrere Dimensionen:
POLITIK: Vorausgegangene Spannungsperiode – diplomatische Verhandlungen bis zum Point of No Return – Formale Kriegserklärung: „Aufgrund fortgesetzter militärischer Aggression der Warschauer Paktstaaten und wiederholter Grenzverletzungen im Raum Helmstedt und Eschwege, ist die Bundesrepublik Deutschland am 6. Juni 1985 formal in den Kriegszustand…“ – so ähnlich vielleicht? Erklärung des Verteidigungsfalls (V-Fall) mit all seinen Konsequenzen. Festlegung im Artikel XY, möglicherweise Verlegung des Regierungssitzes von Bonn i. d. Regierungsbunker Marienthal, Handlungsfähigkeit/ Handlungsunfähigkeit des Bundestages, Gemeinsamer Ausschuss, Kommandogewalt des Bundeskanzlers über das Territorialheer (?), Fernsehansprache von Bundeskanzler Kohl im TV, etc. https://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungsfall_(Deutschland)
MILITÄR: Alarmierung nach NATO-Alarmierungssystem (DEFCON-3, -2, -1) und Mobilisierung der Streitkräfte.
ZIVILWESEN: Hier fehlen mir Informationen, daher etwas platt ausgedrückt:
Wozu mir Input fehlt, sind die psychologischen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung b. bevorstehendem Kriegsausbruch. Also unmittelbar bevor die ersten Bataillone lokale Kampfhandlungen aufnehmen. Wie kann man sich das vorstellen?
Starke Zunahme der militärischen Tiefflüge auf dem gesamten Gebiet der BRD. Tiefflüge von Tornados, F-16, Phantom, etc. mit Überschallknall schon zu Friedenszeiten für große Teile der Bevölkerung beängstigend und dann zu unmittelbaren Kriegsvorbereitung um Zehnerpotenzen zugenommen --- könnte bereits Panik auslösen.
Verstärkte Truppenbewegungen im Grenzgebiet und nach dem Stay-Put Konzept nicht evakuiert zu werden. Wie die Maus vor der Schlange, nicht nach vorne und nicht nach hinten fliehen zu können. Die BRD ist klein und es gibt kaum Raum, um auszuweichen. Die Zivilbevölkerung wäre immer mitten drin.
Kriegsdienstverweigerung. Kriegsdienstverweigerung ist sogar noch bei Ausbruch des V-Falles möglich. Eine große Zahl von MobReservisten hätte dieses Grundrecht mit Sicherheit i. Anspruch genommen und den Dienst a. d. Waffe verweigert. Die Bundeswehr wäre also schon zur Stunde X mit unzureichender Personaldecke ins Gefecht gegangen…
Friedensbewegung und Massendesertion. Die Friedensbewegung wäre bei unmittelbarer Kriegsgefahr zu einer Massenprotestbewegung von ungeahnter Dimension geworden. Kriegsgegner hätten alles daran gesetzt, um den Truppenaufmarsch der NATO zu behindern. Dazu noch Anschläge und Sabotageakte sowj. SpezNas-Kommandos und anderer Organisationen des Verdeckten Kampfes…das Chaos wäre perfekt gewesen! Und ich denke genau an diesem Punkt kippen alle Simulationen und Gedankenspiele, da diese Größen nicht in Wahrscheinlichkeitsrechnungen mit einbezogen werden können.
Aber vielleicht gibt es ja Studien, Abhandlungen, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Vielleicht habt Ihr gute Beiträge dazu? Würde mich jedenfalls freuen. Gruss
PS: Sorry, dass ich auf dem Thema KALTER KRIEG so herumreite, doch es ist ein Stück Zeitgeschichte mit jeder Menge unbeantworteter Fragen
ich interessiere mich besonders für den Übergang von der Friedens- i. d. Kriegsgesellschaft (Konventioneller Kalter Krieg, 1980er Jahre) mit all seinen Mechanismen und möglichen Abläufen. Ein, wie wir alle wissen, rein hypothetischer Fall, aber wie wäre es abgelaufen?
Dabei gibt es mehrere Dimensionen:
POLITIK: Vorausgegangene Spannungsperiode – diplomatische Verhandlungen bis zum Point of No Return – Formale Kriegserklärung: „Aufgrund fortgesetzter militärischer Aggression der Warschauer Paktstaaten und wiederholter Grenzverletzungen im Raum Helmstedt und Eschwege, ist die Bundesrepublik Deutschland am 6. Juni 1985 formal in den Kriegszustand…“ – so ähnlich vielleicht? Erklärung des Verteidigungsfalls (V-Fall) mit all seinen Konsequenzen. Festlegung im Artikel XY, möglicherweise Verlegung des Regierungssitzes von Bonn i. d. Regierungsbunker Marienthal, Handlungsfähigkeit/ Handlungsunfähigkeit des Bundestages, Gemeinsamer Ausschuss, Kommandogewalt des Bundeskanzlers über das Territorialheer (?), Fernsehansprache von Bundeskanzler Kohl im TV, etc. https://de.wikipedia.org/wiki/Verteidigungsfall_(Deutschland)
MILITÄR: Alarmierung nach NATO-Alarmierungssystem (DEFCON-3, -2, -1) und Mobilisierung der Streitkräfte.
- möglicherweise Sonderaufträge für Fernspähkommandos hinter d. fdl. Linien zur Fernaufklärung
- Verschärfung der Gefechtsbereitschaft: bis hin zu kampfbereiten und voll aufmunitionierten Truppen in ihren GDP-Stellungen --- auch auf Seiten der DDR, Polen, UdSSR volle Gefechtsbereitschaft
- Heranführen von Verstärkungen: Einleitung der REFORGER-Geleitzüge aus den USA nach Europa, Mobilisierung des UKMF (UK Mobile Forces) u. Luftlandetruppen
- Mobilmachung: i. unterschiedlichen Stufen. Mobilisierung d. MobReserve nach Auslösen bestimmter Codewörter. Alarmbereitschaft u. Auffüllung der Kampftruppen, der gekaderten, teilaktiven Geräteeinheiten, Auffüllen d. Jägerkompanien d. Heimatschutzbrigaden, der nicht aktiven Kampfbataillone 161, 171, (Heeresstruktur IV) etc.
- Entfaltung: Aufmarsch der Aufklärungs- u- Deckungstruppen („covering + recce forces“, Verzögerungsverband aus PzAufkl, Pz, PzGren, 11th Armored Cavalry Regiment „Blackhorse“ etc.) in ihren GDP-Raum VOR dem VRV (Vorderer Rand d. Verteidigung), bis der Aufmarsch der Hauptkräfte gedeckt ist und diese in Stellung gegangen sind. Aufmarsch v. ungünstig dislozierten Verbänden (hier kommen die beiden Korps: BE-Korps u. NL-Korps für NORTHAG ins Spiel)
- Kommandostruktur von Friedensstandorten in die GefStd. Die militärische Führungsstruktur wird v.d. Friedensstandorten in die GefStd verlegt. Z.B. LANDJUT vom HQ i.d. Eiderkaserne in Rendsburg in Haupt- und Rück-Gefechtsstand an einem geheimen Ort in Schleswig-Holstein. Das Gleiche für die 6. Panzergrenadierdivision, DK Jütland-Division, etc., etc.
- Fernmelde- und Nachrichtenwesen: Übergang vom Friedens- i. d. Kriegszustand (nur noch geschleierte Verbindungen, z.B. nach dem ARTEMIS-Verschleierungsverfahren), Kryptographie
ZIVILWESEN: Hier fehlen mir Informationen, daher etwas platt ausgedrückt:
- Zivilschutz: Vorbereitung für ABC-Kriegsführung, Luftschutzräume, Evakuierungspläne. Ansonsten gilt das Stay-Put-Konzept. Evakuierung 1. Priorität: US-Staatsbürger
- Ziviles Melde- u. Kommunikationswesen: „Abklemmen“ von Leitungen durch die Bundespost, Kommunikationsverbindungen müssen f. militärische Verwendung offen bleiben
- Verkehr: Sperrung des MGSN (mil. Grundstraßennetz – hat einen anderen Namen, den ich leider vergessen habe) ausschließlich f. militärische Nutzung, um Truppenbewegung zu ermöglichen
- Rationierung von Lebensmitteln und Medikamenten: Ausgabe von Lebensmittelkarten n. einem bestimmten Bezugssystem
Wozu mir Input fehlt, sind die psychologischen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung b. bevorstehendem Kriegsausbruch. Also unmittelbar bevor die ersten Bataillone lokale Kampfhandlungen aufnehmen. Wie kann man sich das vorstellen?
Starke Zunahme der militärischen Tiefflüge auf dem gesamten Gebiet der BRD. Tiefflüge von Tornados, F-16, Phantom, etc. mit Überschallknall schon zu Friedenszeiten für große Teile der Bevölkerung beängstigend und dann zu unmittelbaren Kriegsvorbereitung um Zehnerpotenzen zugenommen --- könnte bereits Panik auslösen.
Verstärkte Truppenbewegungen im Grenzgebiet und nach dem Stay-Put Konzept nicht evakuiert zu werden. Wie die Maus vor der Schlange, nicht nach vorne und nicht nach hinten fliehen zu können. Die BRD ist klein und es gibt kaum Raum, um auszuweichen. Die Zivilbevölkerung wäre immer mitten drin.
Kriegsdienstverweigerung. Kriegsdienstverweigerung ist sogar noch bei Ausbruch des V-Falles möglich. Eine große Zahl von MobReservisten hätte dieses Grundrecht mit Sicherheit i. Anspruch genommen und den Dienst a. d. Waffe verweigert. Die Bundeswehr wäre also schon zur Stunde X mit unzureichender Personaldecke ins Gefecht gegangen…
Friedensbewegung und Massendesertion. Die Friedensbewegung wäre bei unmittelbarer Kriegsgefahr zu einer Massenprotestbewegung von ungeahnter Dimension geworden. Kriegsgegner hätten alles daran gesetzt, um den Truppenaufmarsch der NATO zu behindern. Dazu noch Anschläge und Sabotageakte sowj. SpezNas-Kommandos und anderer Organisationen des Verdeckten Kampfes…das Chaos wäre perfekt gewesen! Und ich denke genau an diesem Punkt kippen alle Simulationen und Gedankenspiele, da diese Größen nicht in Wahrscheinlichkeitsrechnungen mit einbezogen werden können.
Aber vielleicht gibt es ja Studien, Abhandlungen, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Vielleicht habt Ihr gute Beiträge dazu? Würde mich jedenfalls freuen. Gruss
PS: Sorry, dass ich auf dem Thema KALTER KRIEG so herumreite, doch es ist ein Stück Zeitgeschichte mit jeder Menge unbeantworteter Fragen