Verbreitung des Christentums

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Zu Dions Punkten (ein paar Punkte werden sich wohl mit Judas Phatres Aussagen doppeln):

1. Wenn du ernsthaft diskutieren möchtest, verwende bitte wertfreie Begriffe, wie Revolutionär, statt Revoluzzer. Jedoch kann man, denke ich, an sich sagen, dass Jesus sich bewusst war, dass er revolutionäre Gedanken vertrat. Auch wenn ich ihn eher als sanften, bspw. friedlichen Rebellen bezeichen würde, anstatt Revlutionär.

2. Jesus war intelligent, keine Frage. Inwieweit er die Reden wirklich so gesprochen hat wie beschrieben, muss man im Einzelfall immer klären, da wir nur Aufzeichnungen haben, die erst ca. 50 Jahre später aufgeschrieben wurden sind.
Ich stimme dir zu, Jesus wird wohl nicht den untersten Schichten der Gesellschaft entstammen, da er zu der großen Gruppierung der Pharisäer gehört, wird er wohl einer der mittleren Schichten entstammen.
3.Ich finde, genau wie du, die Bezeichnung Zimmermann als Übersetzung des griechischen τέκτονος (Mt 13,55) nicht passend, jedoch würde ich auch nicht die spezifische Bezeichnung eines Baumeisters als Übersetzung annehmen, nur weil es deine Begründung untermauert. Eine allgemeinere Übersetzung wäre passender, da wir nicht wissen, welchen Beruf Josef hatte, und dazu hätten wir das deutsche Wort Handwerker.
4.+5. Sehe ich auch so. Nur wenn ich nicht das Wort Sekte verwenden würde, sondern Strömung. Ich würde auch nicht sagen, dass die katholische Kirche die protestantischen Kirchen heute als Sekte bezeichnen würde.
6. Für die westlichen Orte hast du Recht, dass Griechisch die Sprache der Gebildeten war. Jedoch war für die östlichen Provinzen das Griechische die lingua franca und der Grund, dass auch das NT auf Griechisch verfasst wurde. Mittlerweile kommt in der Wissenschaft auch immer mehr die Theorie auf, dass Jesus vorallem in großen Orten und vor vielen Menschen eher Griechisch als Aramäisch gesprochen haben wird.
So diffus, wie du behauptest war der "christliche Glaube" damals nicht, es war halt eine jüdische Strömung, welche glaubte, dass der Messias erschienen, gestorben und auferstanden war (grob gesagt) und welche die Tora neu ausgelegt hatten. Paulus schaffte es, dadurch, dass er Jesus in den Mittelpunkt seiner Verkündigung stellte, diese neue Strömung auch für Heiden interessant zu machen und wirkte dadurch an der Trennung vom Judentum mit.
7.So unorganisiert waren die Christen gar nicht, es gab Gemeinden mit Gemeindenvorsteher (die urprünglichen Bischöfe) und sie stellten die römischer Herrschaft nicht in Frage, in dem Sinne, dass sie eine Revolution zum Sturz derselben begonnen haben, jedoch haben sich viele geweigert dem Kaiser Opfer darzubringen, aufgrund des Gebotes, dass es nur einen Gott gibt. Dies war dann der Grund für die Hinrichtung dieser ersten Christen.
8. Dazu hätte ich noch eine Frage: Wenn es dogmatische Religionen gibt, was sind dann undogamtische Religionen?
Natürlich sahen sich die Christen als die einzig wahre Religion an, genauso wie fast jede andere Religion. Eins der Charakteristika von Religion ist nun mal, dass man meint man hätte die einzig wahre Wahrheit.
9. Religonen, nicht nur das Christentum, werden heute immer noch versucht zu verbreiten ob mit der ohne Schwert. Man meint immer alle anderen Leute liegen falsch und versucht dann diese zur Wahrheit zu führen, da man es als Affront ansieht, dass sie die Wahrheit verleugnen.
10.Man sieht also nicht, dass es zwei verschiedene christliche Religionen gab, sondern dass Religion stets im Wandel ist und sich entwickelt.

Der Kommentar darunter finde ich geht gar nicht. Ich finde wir sollten wissenschaftliche diskutieren und nicht versuchen zu provozieren, in dem man Christen als Anhänger einer verachtenswerten und verderbten Gemeinschaft darstellt.


Zu der Frage warum Juden die Ausübung ihrer Religion ohne Huldigung des Kaiser erlaubt war:
In den äußersten Provinzen sind die römischen Kaiser öfters mal Kompromisse eingegangen um Unruhen und Aufstände zu vermeiden und dort die Oberhand zu behalten und so erlaubte man den Juden ihre Religion wie früher auszuführen, auch wenn man sie als barbarisch ansah.
 
10.Man sieht also nicht, dass es zwei verschiedene christliche Religionen gab, sondern dass Religion stets im Wandel ist und sich entwickelt.
Ein sinnvolles Fazit! Denn wer wollte in Gratian, Theodosius und Valentinian Religionsstifter erblicken?? Verhältnisse und Umstände ändern sich. Und Religionen ändert sich zum Teil mit ihnen. Deswegen werden sie nicht gleich zu anderen/ neuen Religionen.
Als die Sowjets die orthodoxe Kirche bedrückten und ihre Bischöfe und Priester einkassierten und ermordeten - das Christentum als Staatsreligion abgemeldet wurde - haben die verschont gebliebenen Gläubigen auch nicht eine neue Religion oder "ein Christentum III" geboren, sondern die Religion hat, wie jede andere Religion auch, in verschiedenen Zeiten verschiedene Phasen durchlaufen.

Der Kommentar darunter finde ich geht gar nicht. Ich finde wir sollten wissenschaftliche diskutieren und nicht versuchen zu provozieren, in dem man Christen als Anhänger einer verachtenswerten und verderbten Gemeinschaft darstellt.
Ich finde die aus der Kirchengeschichte abgeleitete Feststellung "Macht korrumpiert" – falls Du die meintest – nicht verwerflich. Es gibt da doch genug Beispiele (z. B. Renaissance-Päpste usw.). Man muss nur halt historisch fair bleiben:
Die Bischöfe, die im 3./4. Jh. zu,m Teil verstümmelt in Folterkellern saßen, nach dem Toleranzedikt Konstantins aber frei kamen, das Sonnenlicht wieder erblicken durften und obendrein Ehrengäste in Nicaea wurden, wo die Stimme der christlichen Botschaft endlich gehört wurde, haben das Toleranzedikt sicher als ein Geschenk Gottes und nicht als Anfang der kirchlichen Korruption aufgefasst. Ich kann es dieser Generation nicht verübeln, dass ihre letzte Sorge die 'Korruption durch Macht' war, sondern dass sie froh war, endlich durchatmen zu können. Was in den folgenden Jahrhunderten der Geschichte der Kirche und Europas aus dieser günstigen Stellung der Kirche hie und da gemacht wurde, kann man jenen nicaeischen „Vätern“ gewiss nicht anlasten.

Zu der Frage warum Juden die Ausübung ihrer Religion ohne Huldigung des Kaiser erlaubt war:
In den äußersten Provinzen sind die römischen Kaiser öfters mal Kompromisse eingegangen um Unruhen und Aufstände zu vermeiden und dort die Oberhand zu behalten und so erlaubte man den Juden ihre Religion wie früher auszuführen, auch wenn man sie als barbarisch ansah.
 
Die größte Herausforderung bleibt aber die zentrale Frage: Warum hat sich das Christentum überhaupt unaufhaltsam ausgebreitet? Dafür hat bisher keiner eine schlüssige Erklärung geliefert.
So als Thesen:

  1. Das Christentum war in seiner Aussage sehr "modern". Es gab keine unberechenbaren, launischen, vom Himmel her strafenden Götter à la Zeus und Jupiter mehr (selbst das Alte Testament kennt ja noch den "strafenden" Gott). Der christliche Gott zeigt sich den Menschen gnädig, gibt sich Einzelnen auf Erden zu erkennen, verschiebt aber die Bestrafung aufs Jenseits. Dies impliziert auch die Stärkung von Eigenverantwortung "auf Erden". Die Luther-Parallele wurde hier ja schon gezogen - das Christentum I mag, mit der selben (ursprünglichen) "message", ähnlich attraktiv auf das städtische Bürgertum gewirkt haben wie die protestantische Reformation. Und die Urbanisierung des Römischen Reiches war vermutlich stärker als die des europäischen Spätmittelalters.
  2. "Human touch": Jesus als Gottes Sohn, der auf Erden lebt wie viele ander Sterbliche. Absolutes Alleinstellungsmerkmal, hatte keine andere Religion im Angebot. Bestenfalls gab es dort einen Herkules, oder einen (schon ziemlich in die Jahre gekommenen) Propheten namens Moses. Mit wahlweise Maria oder Maria Magdalena dazu auch noch eine Frauenkomponente...
  3. Verbindliches Wertesystem: Fernhandel war absolute Vertrauenssache. Mindestens bis zur Entwicklung des Bankwesens im spätmittelalterlichen Italien, wahrscheinlich bis zur Erfindung der telegraphischen Überweisung, wurden Waren auf "gut Glück" verschifft, in der Hoffnung, der Empfänger werde zahlen bzw. ähnlich attraktive Ware zurücksenden. Die Stärke und Position des Judentums bis ins Hochmittelalter rührte maßgeblich daher, dass ein jüdischer Kaufmann der Geschäftsmoral anderer jüdischer Kaufleute fast bedingungslos vertrauen konnte. Die meisten anderen Religionen waren regional geprägt. Sie konnten potentiell für Geschäftssicherheit in Gallien & Britannien, oder in Ägypten sorgen, überregional jedoch nicht mehr.
    Das Christentum hat den Wertekanon und die ethische Dimension nicht erfunden, sondern vom Judentum übernommen. Es dürfte aber schnell ähnliche Qualitäten aufgewiesen haben, und bot dann nach der Trennung vom Judentum ein alternatives, vertrauensbasiertes und das gesamte Römische Reich umfassendes Netzwerk. Durchaus attraktiv für Fernhändler, die ausserhalb der staatlich dominierten Bereiche (Getreide, Salz etc.) aktiv waren, und nicht gerade mit Opferlämmern handelten...
  4. Nicht-staatliche Institutionalisierung: Die meisten anderen Religionen waren staatsnah organisiert. Tempelpriester war Teil (meist Anfang) der Beamtenkarriere; der Unterhalt lokaler Tempel oblag örtlichen Honoratioren und Magistraten. Selbst das Judentum war bis zur Zerstörung des Jerusalemer Tempels quasi-staatlich verfasst [Die Umleitung der Jerusalemer Tempelsteuer in die kaiserliche Kasse galt übrigens offiziell als entsprechendes "Opfer", und entband die Juden daher von weiteren Opfergaben an vergöttlichte Kaiser].
    Das Christentum institutionalisierte sich früh selbst, mit Gemeinden, Bischöfen, etc.. Es war damit quasi die einzige reichsumspannende nicht-staatliche Instition. Diese nicht-Staatlichkeit bot Freiräume für Diskussionen und Meinungsbildung (vgl. die Rolle der Kirchen in Mittel- und Osteuropa vor 1990). Daneben versah sie Reisende wohl auch mit einem Kontaktnetzwerk an fremden Orten, und eröffnete "Karrieremöglichkeiten" für alljene, die ihre Karriere nicht im öffentlichen Dienst suchten oder fanden.
    [Das kirchliche institutionelle Netzwerk scheint ein wesentliches "Argument" für Konstantin gewesen zu sein. Er gewann damit eine Organisationsbasis für seine Verwaltungsreformen, konnte auch Widerstand des "Establishments", das ihm als Ursurpator aus der gallischen "Provinz" nicht notwendigerweise gewogen war, umgehen.]
In diesem Zusammenhang ist die Perzeption des Christemtums durch einen anderen frühen und erfolgreichen Religionsstifter, nämlich Mohammed, interessant. Dieser hat sich ja, u.a. während seines Asyls bei äthiopischen Christen, intensiv mit dem Christentum auseinandergesetzt, Der Islam iwurde offensichtlich durch den Fernkaufmann Mohammed als "Kaufmannsreligion" konzipiert, bis hin zur Erhebung seiner Heimatstadt Mekka zum Wallfahrtsort (was internationalen Austausch von Gütern und Ideen impliziert), und Regeln für das Verhalten auf Reisen. Der erst im Jenseits strafende Gott, Wertekanon und Institutionalisierung wurden aus Christen- und Judentum, mit kulturspezifischen Adaptionen, übernommen. Nur der "human touch" hatte sich inzwischen überholt, war auch schon zum Heiligen- und Märtyrerpantheon mutiert. Stattdessen enthielt der Koran ein umißverständliches Ubertrittsangebot an Arianer und andere monotheistische Puristen.
 
Ich finde die Verallgemeinerung, dass die Geschichte des Christentum ein schönes Beispiel für das Sprichwort: Macht korrumpiert, nicht angemessen. Einzelne Gestalten oder Abschnitte können ein Beispiel für das Sprichwort sein, aber die Geschichte des Christentum an sich nicht. Denn das ist 1. eine verletzende Aussage und 2. ist hier nicht der Platz dass jemand seine religiöse Meinung, ob pro- oder anti-christlich, verbreitet.
 
Ich finde die Verallgemeinerung, dass die Geschichte des Christentum ein schönes Beispiel für das Sprichwort: Macht korrumpiert, nicht angemessen. Einzelne Gestalten oder Abschnitte können ein Beispiel für das Sprichwort sein, aber die Geschichte des Christentum an sich nicht.

So sehe ich's auch.


Dem hier wollte ich übrigens ebenso zustimmen (hatte es im letzten Beitrag nur vergessen):
Zu der Frage warum Juden die Ausübung ihrer Religion ohne Huldigung des Kaiser erlaubt war:
In den äußersten Provinzen sind die römischen Kaiser öfters mal Kompromisse eingegangen um Unruhen und Aufstände zu vermeiden und dort die Oberhand zu behalten und so erlaubte man den Juden ihre Religion wie früher auszuführen, auch wenn man sie als barbarisch ansah.
 
Ich dachte, ich hätte auf ElQuijotes post aus
Biblische Geschichten und Wahrheitsgehalt
geantwortet.
Aber vielleicht verstehe ich als Neuling auch die Struktur nicht ganz...

Judas

Doch, Du hast ja vollkommen recht! Da hab ich wirklich gemixt. Entschuldigung. War gar nicht beabsichtigt. Keine Ahnung, wie ich das angestellt habe.=)
 
Mein Einwand, dass die Juden dem Kaiser nicht opfern mussten, bezog sich nicht auf Palästina, sondern auf die Diaspora in späterer Zeit, als die Juden nirgendwo mehr Unruhe stiften konnten.
Leider fehlt mir im Moment das Zitat, aber ich habe vor kurzem gelesen, dass die Geschichte mit dem Kaiserkult erst in späterer Zeit verpflichtend war. Kennt sich jemand besser aus?

Judas
 
Zu den 4 Thesen von Augusto habe ich folgende Bemerkung:
Diese Thesen gelten noch heute aber die Ausbreitung des Christentums geht doch ganz anders voran als in Rom.

Meine These:
Die Gemeinden des frühen Christentums waren so etwas wie anarchistische Zellen: Gewaltfrei, besitzlos, tolerant nach innen. Für mich ist das die Umsetzung der Idealvorstellung einer menschlichen Gesellschaft. Das, was der Kommunismus schaffen wollte und in Nordspanien in den 30ern oder in den Kommunen der 68er für kurze Zeit gelang. Das beste Beispiel aber sind die Wahren Christen in Deutschland, Italien und Südfrankreich ("Katharer").
Das ist übrigens ein Standbein meines Modells im erwähnten Buch.

Judas
 
Meine These:
Die Gemeinden des frühen Christentums waren so etwas wie anarchistische Zellen: Gewaltfrei, besitzlos, tolerant nach innen. Für mich ist das die Umsetzung der Idealvorstellung einer menschlichen Gesellschaft. Das, was der Kommunismus schaffen wollte und in Nordspanien in den 30ern oder in den Kommunen der 68er für kurze Zeit gelang. Das beste Beispiel aber sind die Wahren Christen in Deutschland, Italien und Südfrankreich ("Katharer").
Das ist übrigens ein Standbein meines Modells im erwähnten Buch.

Vorstellung von der idealen menschlichen Gesellschaft waren und sind ja immer sehr subjektiver Natur. Und da muss man, finde ich, ein bisschen aufpassen, dass man diese subjektiven Ideale nicht rückwirkend auf gewisse Punkte in der Geschichte projiziert, um so eine Art 'Sukzessionskette' bis hin zu seinen eigenen Idealen i. d. Gegenwart zu erhalten.
 
1. Jesus war nach meinem Verständnis ein Revoluzzer und entstammte eher nicht dem Proletariat, wie Du meinst, sondern dem Bürgertum, wie die meisten Revoluzzer der Geschichte.
Dafür gibt es wenig Anhaltspunkte. Friede ist ein zentraler Punkt in allen "Nachfolgeinstitutionen".
Dass Jesus durchaus wusste, was er mit seiner Lehre bewirken würde, kann man bei Mt 10, 34-39 nachlesen. Klar kann man dagegen die Bergpredigt in Stellung bringen, aber die Geschichte des Christentums zeigt uns, dass darauf die meiste Zeit nicht gehört wurde. Oder anders gesagt: Man predigte das Wasser der Bergpredigt, trank aber den Wein des Religionskrieges.


2. Auf jeden Fall war er gebildet, sonst hätte er den Priestern nicht Paroli bieten können. Gebildet waren damals nur Menschen, deren Eltern genügend Geld hatten.
Er zitiert aber nur den Tanach. Das wäre erklärt, wenn er aus einem Pharisäerhaushalt o.Ä. käme. Griechische Bildung scheint er nicht besessen zu haben. Also: intelligent: sicher; gebildet: unklar.
Auf jeden Fall konnte er lesen, was ihn aus der großen Menge der Analphabeten heraushebt: Wer lesen kann, ist nicht nur auf mündliche Überlieferungen angewiesen, kann also mehr wissen als die.


tekton war m.W. Bauhandwerker und nicht Architekt. Nazareth war auch ein Nest. In Sepphoris hätten sie vielleicht einen gebraucht.
Oder in 50 km entfernten Caesarea, die gerade zu der Zeit kräftig ausgebaut und als Wohnsitz der Präfekten der römischen Provinz diente – auch Ponitus Pilatus wohnte dort. Womöglich erklären sich die spärlichen Angaben in den Evangelien zu Josef mit seiner häufigen Abwesenheit in Nazareth bzw. mit seiner Präsenz in Caesarea, von wo er nicht so leicht - wie von Sepphoris - nach Hause kommen konnte. Auch als Zimmermann wäre sein „Zuhause“ eher auf den Baustellen statt in Nazareth.


7. Die Christen wurden im römischen Reich anfangs verfolgt, weil sie - unorganisiert wie sie waren - keine Macht hatten und den Mut hatten, den Kaiserkult (Kaiser=Gott) als oberste Instanz in Frage stellten.
Niemand wurde in Rom wegen seiner Religion verfolgt. Juden opferten dem Kaiser auch nicht. Christen waren nach Tacitus und Sueton Verbrecher. Warum?
Weil die Christen den Kaiser nicht als Gott anerkannten. Seit Augustus, dem ersten Pontifex Maximus – diesen Titel haben sich später die Päpste auch gegeben -, wurden alle Kaiser als Götter verehrt. Das war Staats-, nicht Privatkult. Wer sich diesem Kult verweigerte, verweigerte sich dem Staat. Freilich wurde das nicht so streng gesehen, solange das nur wenige und vielleicht auch fern des Roms taten. Aber mitten in Rom darauf zu bestehen, nicht zu Opfern und dafür auch bereit sein zu sterben, das war politisch, ja Hochverrat.


Die größte Herausforderung bleibt aber die zentrale Frage: Warum hat sich das Christentum überhaupt unaufhaltsam ausgebreitet?
Du meinst: trotz der Verfolgung? Vielleicht aus Bewunderung für so viel Standfestigkeit: Lieber zu sterben als den Kaiser als oberste Instanz anzuerkennen. Oder gerade wegen Verfolgung: Wenn der Staat diese Christen so sehr verfolgt, dann ist vielleicht doch was dran an diesem Gott gewordenen Menschensohn.

Außerdem ähnelte das Christentum sehr dem damals weit verbreiteten Arianismus, was den Übertritt leicht machte. Nicht umsonst wurden Arianer, sobald das Christentum in den Jahren 380-391 zur einzig zugelassenen Religion im Reich wurde, als erste von den Christen verfolgt: eben wegen der Ähnlichkeit.
 
Auf jeden Fall konnte er lesen, was ihn aus der großen Menge der Analphabeten heraushebt: Wer lesen kann, ist nicht nur auf mündliche Überlieferungen angewiesen, kann also mehr wissen als die.

Die Frage ist, wie ungewöhnlich es für einen Juden war, den Tanach lesen zu können. MWn war die Alphabetisierung im Judentum durch die religiöse Pflicht größer als in anderen Kulturen (einen ähnlichen Effekt hatte die hohe Stellung der Bibel ab der Reformation). Ich weiss aber nicht, ob das schon für die Antike/Zeitenwende gilt.

Oder in 50 km entfernten Caesarea, die gerade zu der Zeit kräftig ausgebaut und als Wohnsitz der Präfekten der römischen Provinz diente – auch Ponitus Pilatus wohnte dort. Womöglich erklären sich die spärlichen Angaben in den Evangelien zu Josef mit seiner häufigen Abwesenheit in Nazareth bzw. mit seiner Präsenz in Caesarea, von wo er nicht so leicht - wie von Sepphoris - nach Hause kommen konnte. Auch als Zimmermann wäre sein „Zuhause“ eher auf den Baustellen statt in Nazareth.

Ist es dann nicht wahrscheinlich, dass er schlicht samt Familie nach Caesarea umgesiedelt wäre? Oder gab's Pendler und die Wochenend-Ehe schon vor 2.000 Jahren? ;)

In Nazareth wäre ein spezialisierter Architekt vermutlich eher unterbeschäftigt. Ich tendiere am ehsten dazu, Joseph als "kleinen Bauunternehmer" anzusehen, der die in Nazareth üblichen Bauwerke alleine planen und alleine oder mit wenigen Arbeitern (bzw Söhnen) umsetzen konnte. Einordnen würde ich das am ehesten unter "selbständiger Handwerker"/"Mittelschicht"; kein Knecht, armer Mann oder Kleinbauer, aber auch nicht vermögend oder (im römisch-hellenistischen Sinne) gebildet.
 
Vorstellung von der idealen menschlichen Gesellschaft waren und sind ja immer sehr subjektiver Natur. Und da muss man, finde ich, ein bisschen aufpassen, dass man diese subjektiven Ideale nicht rückwirkend auf gewisse Punkte in der Geschichte projiziert, um so eine Art 'Sukzessionskette' bis hin zu seinen eigenen Idealen i. d. Gegenwart zu erhalten.

Allerdings, diese Vorgehensweise ist aber erforderlich, um Geschichte zu verstehen. Sie ist eine Wissenschaft 2. Klasse: Anders als in der Physik gibt es kaum direkte Beobachtungen, sondern nur solche, die bereits das menschliche Gehirn passiert haben. Nichts ist besser zur Rekonstruktion der "Realität" geeignet als unser eigenes Hirn im Sinne einer Rückprojektion.
"Anarchie" klingt immer gefährlich nach Bombenlegen. Ich meine damit die Beziehung zwischen Menschen wie in einer typischen aufgeklärten Familie.

Hier aber noch ein paar Zitate. Sie sind aus meinem Buch kopiert (bitte verzeiht mir die kirchenkritische Färbung, ich akzeptiere dafür auch christliche Apologeten):
Die Anarchie als Teil von Jesus' Lehre...
"[FONT=&quot]Die Urgemeinde in Jerusalem[/FONT][FONT=&quot] wird so dargestellt (Apg 2,44). Die Gemeinde in Korinth[/FONT][FONT=&quot] zeigt sich so in Paulus’ Briefen (1 Kor 4,5; 1 Kor 6; 2 Kor 2,5-11) oder bei Petrus (1 Petr 1-5) und auch das Christentum vor der Mailänder Vereinbarung zeigt anarchistische Züge (Minucius Felix Octavius 31, 6f; Lukian Peregrinus 13 + 16). Erst die Erhebung zur Staatsreligion hat der christlichen und gnostischen Anarchie ein Ende gesetzt, um die Gesellschaftsform dieser Glaubensgemeinschaft in das Gegenteil zu verwandeln, wie die katholische Kirche zeigt. Dabei hat nicht nur die Kirche ihre Freiheit verkauft, sondern auch der römische Staat hat am Ende die jahrhundertelange Toleranz in religiösen Fragen aufgegeben (Köster 1980, 102)."

[/FONT]Ich sehe das also wie Dion und habe gute Gründe dafür. Entscheidend ist dabei nicht die religiöse Einstellung, sondern der Bruch nach der Anerkennung als "religio licita". Darauf, dass sich das Christentum damals in seiner Sozialisation massiv verändert hat, könnte man sich doch einigen? Das gilt aber nicht für die Theologie.

Judas
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass Jesus durchaus wusste, was er mit seiner Lehre bewirken würde, kann man bei Mt 10, 34-39 nachlesen.
Korrekt, so gesehen hat er den Konflikt akzeptiert, ich bin aber der Überzeugung, dass die Gewalt nicht von ihm ausging. "Revoluzzer" sind für mich gewaltTÄTIG. Ich vergleiche Jesus am liebsten mit M.K. Gandhi. Der wusste auch, dass es Ärger gäbe.

Aber mitten in Rom darauf zu bestehen, nicht zu Opfern und dafür auch bereit sein zu sterben, das war politisch, ja Hochverrat.
Wie gesagt, brauche ich Daten, um zu akzeptieren, dass Menschen, die dem Kaiser nicht aktiv opferten, getötet wurden. Juden wurden für dieses Verhalten nicht getötet. Vielleicht kann Plinius minor den Streit klären: Er zwang die wegen Christentums Angeklagten, dem Kaiser zu opfern, um herauszufinden, ob es echte Christen seien. Das tat er aber, weil Christen in den Augen Roms Verbecher waren. Wie gesagt, ein großes Rätsel.

Außerdem ähnelte das Christentum sehr dem damals weit verbreiteten Arianismus.
Bei Gnostikern vermeide ich den Begriff, aber Arianer sind Christen. Sie glauben an Christus und einen willkürlich handelnden Gott

Judas
 
Ich behaupte dagegen, dass Jesus alles andere als ein Anarchist war. Er war ein staatstreuer Steuerzahler ("Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist") und bekämpfte die anarchischen Zustände im Jerusalemer Tempel (Vertreibung der Händler und Geldwechsler). :pfeif:
 
1. Wenn du ernsthaft diskutieren möchtest, verwende bitte wertfreie Begriffe, wie Revolutionär, statt Revoluzzer. Jedoch kann man, denke ich, an sich sagen, dass Jesus sich bewusst war, dass er revolutionäre Gedanken vertrat. Auch wenn ich ihn eher als sanften, bspw. friedlichen Rebellen bezeichen würde, anstatt Revlutionär.
Den Einwand, Jesus war ein Revolutionär statt Revoluzzer, akzeptiere ich: Ich habe das zu locker gesehen. Dass er ein sanfter Revolutionär war, bezweifele ich allerdings: Er forderte von seine Jüngern bedingungslosen Gehorsam und Opferbereitschaft – siehe zum Beispiel Mt 10,34-39.


3.Ich finde, genau wie du, die Bezeichnung Zimmermann als Übersetzung des griechischen τ[FONT=&quot]έ[/FONT]κτονος (Mt 13,55) nicht passend, jedoch würde ich auch nicht die spezifische Bezeichnung eines Baumeisters als Übersetzung annehmen, nur weil es deine Begründung untermauert. Eine allgemeinere Übersetzung wäre passender, da wir nicht wissen, welchen Beruf Josef hatte, und dazu hätten wir das deutsche Wort Handwerker.
Ja, in diesem Punkt treffen wir uns – siehe dazu auch meine Antwort an Judas Phatre.


4.+5. Sehe ich auch so. Nur wenn ich nicht das Wort Sekte verwenden würde, sondern Strömung. Ich würde auch nicht sagen, dass die katholische Kirche die protestantischen Kirchen heute als Sekte bezeichnen würde.
Sekte ist ein Wort, das die Angehörigen der Mehrheitsreligion für die Minderheitsreligionen benutzen. Für Juden in Judäa (d.h. die, die im Besitz des Tempels Davids waren), waren die Anhänger des Nazareners nur eine Sekte, die es zu verfolgen galt. Und klar, die katholische Kirche verwendet heute für die Evangelische Kirche nicht das Wort Sekte, aber für sie sind sie eben „keine Kirche im eigentlichen Sinn“, was ich auch im meinen ersten Posting zum Ausdruck bringen wollte – Zitat aus der vatikanischen ERKLÄRUNG "DOMINUS IESUS" ÜBER DIE EINZIGKEIT UND DIE HEILSUNIVERSALITÄT JESU CHRISTI UND DER KIRCHE:

Die kirchlichen Gemeinschaften hingegen, die den gültigen Episkopat und die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, sind nicht Kirchen im eigentlichen Sinn;


6. Für die westlichen Orte hast du Recht, dass Griechisch die Sprache der Gebildeten war. Jedoch war für die östlichen Provinzen das Griechische die lingua franca und der Grund, dass auch das NT auf Griechisch verfasst wurde. Mittlerweile kommt in der Wissenschaft auch immer mehr die Theorie auf, dass Jesus vorallem in großen Orten und vor vielen Menschen eher Griechisch als Aramäisch gesprochen haben wird.
Interessant, das wusste ich nicht. Ich muss an dieser Stelle auch gestehen, dass ich die neuere Forschung auf diesem Gebiet nicht mehr verfolgt habe.


So diffus, wie du behauptest war der "christliche Glaube" damals nicht, es war halt eine jüdische Strömung, welche glaubte, dass der Messias erschienen, gestorben und auferstanden war (grob gesagt) und welche die Tora neu ausgelegt hatten. Paulus schaffte es, dadurch, dass er Jesus in den Mittelpunkt seiner Verkündigung stellte, diese neue Strömung auch für Heiden interessant zu machen und wirkte dadurch an der Trennung vom Judentum mit.
Einverstanden. Mit diffus meinte ich den Zustand vor dem ersten Konzil in Nicäa, bei dem sich die vielen Bischöfe, die vorher unterschiedliche Meinungen vertraten, auf eine Lehre einigten - was natürlich nicht heißt, dass sie danach auch alle dazu standen.


Wenn es dogmatische Religionen gibt, was sind dann undogamtische Religionen?
Undogmatisch ist zum Beispiel der Buddhismus, dessen Lehre in Zweifel gezogen werden darf. Das ist bei Judentum, Christentum und Islam nicht möglich, denn jede Abweichung von der offiziellen Lehre ist erst einmal eine Häresie oder Ketzerei, die Verfolgung, zumindest aber Ächtung auf sich zieht.


10.Man sieht also nicht, dass es zwei verschiedene christliche Religionen gab, sondern dass Religion stets im Wandel ist und sich entwickelt.
Ich habe Chan so verstanden, dass es eine Ausprägung des Christentums vor dem Konzil zu Nicäa bzw. der Erklärung zur Staatreligion gab, und eine danach. Vor Nicäa gab es noch keine festgeschriebenen Dogmen, da jeder Bischof als direkter Nachfolger (durch Handauflegen) Christi dessen Worte selbst interpretieren und lehren konnte wie er wollte.



Der Kommentar darunter finde ich geht gar nicht. Ich finde wir sollten wissenschaftliche diskutieren und nicht versuchen zu provozieren, in dem man Christen als Anhänger einer verachtenswerten und verderbten Gemeinschaft darstellt.
Das kann man nur verneinen, wenn man die Geschichte des Christentums bewusst ignoriert.
 
[mod]

Der Kommentar darunter finde ich geht gar nicht. Ich finde wir sollten wissenschaftliche diskutieren und nicht versuchen zu provozieren, in dem man Christen als Anhänger einer verachtenswerten und verderbten Gemeinschaft darstellt.
Das kann man nur verneinen, wenn man die Geschichte des Christentums bewusst ignoriert.

Anthropos hat Recht. Kollektivschuldtheorien sind hier fehl am Platze! [/mod]
 
Er war ein staatstreuer Steuerzahler ("Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist") und bekämpfte die anarchischen Zustände im Jerusalemer Tempel (Vertreibung der Händler und Geldwechsler). :pfeif:

Wieso bezeichnest du die Zustände im Tempel als anarchisch? Die Händler & Geldwechsler betrieben ihr Geschäft doch mit Billigung des Tempels & der Priesterschaft, oder hab ich da was verpasst?

(Ich weiss, dass die ganze Szene, ihr Hintergrund und ihre Bedeutung umstritten sind, aber die Jerusalemer Tempel-Anarchie ist mir neu. ;) .)
 
Wie macht Ihr das eigtl. mit den ausgeschnittenen Zitaten? Ich klicke mir die Finger wund...

Anthropos schrieb: "Mittlerweile kommt in der Wissenschaft auch immer mehr die Theorie auf, dass Jesus vor allem in großen Orten und vor vielen Menschen eher Griechisch als Aramäisch gesprochen haben wird."

Das kommt mir sehr unwahrscheinlich vor und ich wäre sehr dankbar für einen Beleg. In der Zwischenzeit ein Gegenindiz: Papias berichtet, dass die Logien des Herrn zuerst in hebräischer (kann auch aramäischer heißen) Sprache aufgeschrieben worden seien. Die Bibel lässt Jesus am Kreuz noch Aramäisch sprechen.

Judas
 
Ich finde die Verallgemeinerung, dass die Geschichte des Christentum ein schönes Beispiel für das Sprichwort: Macht korrumpiert, nicht angemessen. Einzelne Gestalten oder Abschnitte können ein Beispiel für das Sprichwort sein, aber die Geschichte des Christentum an sich nicht.
Einzelne Gestalten oder Abschnitte? Ich kenne diesen Versuch, zwischen der Kirche und deren führendem Personal zu unterscheiden. Aber ich finde, die meiste Zeit ihres Bestehens hat diese Kirche ihre Macht dazu benutzt, Abweichler und andere Religionen zu bekämpfen. Erst als diese Macht dank der Aufklärung allmählich verschwand, besann sich das Christentum der Bergpredigt und handelt seitdem größtenteils danach.


Ich vergleiche Jesus am liebsten mit M.K. Gandhi. Der wusste auch, dass es Ärger gäbe.
Ja, das wusste Gandhi. Aber im Unterschied zu Jesus, sagte er nicht, er bringe Schwert statt Frieden. Und er dachte nicht mal daran, von seinen Anhängern Gehorsam und absolute Liebe zu verlangen.


Wie gesagt, brauche ich Daten, um zu akzeptieren, dass Menschen, die dem Kaiser nicht aktiv opferten, getötet wurden.
Vielleicht kann dir Tertullian hier weiter helfen.
 
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