Warum war die Varusschlacht für Rom so bedeutend?

Keine Markomannenkriege und damit auch kein Zweifrontenkrieg im Norden und Osten (Parther, Perser), die Krise des Reiches im 3. Jahrhundert (Soldatenkaiser) wäre wahrscheinlich ausgeblieben.

Inwiefern wäre eine Eingliederung der Makromannen (hätte vorausgesetzt das Imperium auch nach Böhmen und in Teilen über die Elbe hinaus auszudehnen) dauerhaften Frieden im Nord-Osten garantiert?

Es wäre keine Garantie dafür gewesen, dass es nicht zu sehr ungünstigen Zeiten für das Imperium zu Aufständen hätte kommeen können und es wäre ebenfalls keine Garantie gewesen, dass das Verhältnis zu den neuen Nachbarn in Jütland und östlich der Elbe auf dauer stabil und friedlich geblieben wäre.

Dafür allerdings hätten immer mehr immer weiter von der Zentrale abgelegene Provinzen den Spielraum dortiger militärischer Befehlshaber sich jeglicher Kontrolle zu entziehen und da ihr eigenes Ding zu machen erhöht.
Ich denke nicht, dass eine Eingemeindung der "Germania Magna" oder von Teilen davon die strukturellen Probleme des Imperiums besonders entlastet hätte.
 
Es war den Römern nicht möglich das kleine Gebiet zwischen Weser und Rhein militärisch zu kontrollieren. Das zeigte sich aber erst als es zur militärischen Niederlage kam.

Bis dahin war dieser Teil Germaniens als Gebiet auf dem friedlichen Weg zur vollwertigen römischen Provinz betrachtet worden.
Ähnlich wie in Spanien hatte man es mit einer Vielzahl von Stämmen zu tun, die man nach und nach zu integrieren gedachte. In Spanien war dies in langen und für die Einheimischen blutigen militärischen Auseinandersetzungen gelungen, in Germanien war das römische Militär einige Generationen später technologisch und vor allem militärlogistisch so überlegen, dass alles ganz einfach aussah.

Man fiel aus allen Wolken dass die so unkompliziert und integrationsfähig erscheinenden Germanen das ganz anders sahen.

Es kann sein dass man irgendwann im Raum zwischen Weser und Elbe, nördlich des Harzes, Spuren römischer nicht nur militärischer, sondern auch ziviler Präsenz aus den Jahren vor 16 n. Chr. findet.

So oder so: wie viele Legionen hätte man aber in einem so großen Gebiet auch unter halbwegs friedlichen Bedingungen halten und vor allem unterhalten müssen? Der Versuch, zumindest einen Teil der Kosten dieser "Infrastruktur" von den Germanen zurück zu bekommen, führte zur Rebellion und zur Katastrophe.

Ich nehme an, die Germanen erhielten Fragebögen zur Grundsteuererklärung und waren unzufrieden mit der angekündigten deutlichen Anhebung der Grundsteuer A.
 
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Es war den Römern nicht möglich das kleine Gebiet zwischen Weser und Rhein militärisch zu kontrollieren. Das zeigte sich aber erst als es zur militärischen Niederlage kam.

Bis dahin war dieser Teil Germaniens als Gebiet auf dem friedlichen Weg zur vollwertigen römischen Provinz betrachtet worden.
Hätte Varus die Schlacht gewonnen, hätten die Römer danach genug Zeit gehabt, die Region militärisch zu kontrollieren und zu befrieden, schließlich erhoben sich Markomannen auch erst mehr als 150 Jahre später.
 
Hätte Varus die Schlacht gewonnen, hätten die Römer danach genug Zeit gehabt, die Region militärisch zu kontrollieren und zu befrieden

Was genau stellst du dir unter befrieden vor und wie genau lässt sich das Ziel "Befrieden" in diesem Verständnis mit der Etablierung einer tatsächlichen römischen Verwaltungsinfrastruktur, Besteuerung und Rechtssprecheung etc. übereinbringen?

Das sich einige germanische Gruppen 9 n. Chr. gegen die Römer erhoben hatte ja sicherlich seinen Grund darin, dass einige Germanen mit mit der römischen Herrschaftspraxis bzw. deren Etablierung nicht einverstanden waren, sonst hätten sie zur Erhebung keinen Grund gehabt.
Diese Gründe wäre aber durch eine militärische Niederlage bei Kalkrise oder wo auch immer nicht aus der Welt gekommen, viel mehr hätte die Unmöglichkeit den strukturschwachen Raum zu kontrollieren es Roms Feinden ermöglicht, sich zurück zu ziehen, guerilliamäßig weiter zu kämpfen und durch die Machtdynamik in den germanischen Gruppen möglicherweise neue Verbündete zu finden.

Sicherlich hätte man versuchen können nach und nach einen Stamm/eine Gruppe nach dem/der anderen zu unterwerfen und in das Imperium zu integrieren. Das hätte allerdings vorausgesetzt in einem längeren Zeitraum immer wieder kleinere Kriege führen zu müssen und möglicherweise hätte das wiederholte unterwerfen Einzelner Gruppen bei den anderen Germanen präventiv zu erneuten anti-römischen Allianzen geführt.

Demgegenüber war eine vollständige dauerhafte Kontrolle der Region basierend auf der Infrastruktur, von der wir wissen, dass die Römer sie hatten, wahrscheinlich kaum möglich gewesen, angesehen von der Lippe und den dortigen Lagern reichte die ständige Präsenz Roms, nach dem, was wir wissen, mit Ausnahme der Rhein-Main-Region (Waldgirmes) ja im Westen kaum über den Rhein hinaus und diverse Gebiete im Bereich zwischen Rhein und Elbe dürften in Sachen Infrastruktur so wenig entwickelt gewesen sein, dass schnelle Bewegungen großer Verbände da wahrscheinlich nicht möglich waren, was bedeutet, Aufständische hätten immer Rückzugsräume besessen, in denen sie von Roms Streitkräften wahrscheinlich nicht zu stellen gewesen wären, mit dem Effekt, dass da möglicherweise in einiger Regelmäßigkeit römische Legionen unter einem immensen Kosten- und Materialaufwand Phantome gejagt hätten.
 
Dreh- und Angelpunkt ist, dass Rom bei der Erschließung Germaniens auf die Lippe als einzigem längeren in West-Ost-Richtung schiffbaren Fluss angewiesen war.
Solange es im neuen Gebiet keine Agrarproduktion römischen Stils und keine Legionsstandorte mit eigener Produktion gab, war man auf Nachschub über diese Strecke angewiesen.
Hätte Varus sein Sommerlager an der Weser in Richtung des "Legionsstandortes Bremen" verlassen, per Schiff, hätten eventuell feindselige Germanen ihm vom Ufer aus nur mit den Taschentüchern zuwinken können...

Die römische Militär- und Verwaltungsinfrastruktur in Germanien war hoffnungslos überdehnt.
 
Solange es im neuen Gebiet keine Agrarproduktion römischen Stils und keine Legionsstandorte mit eigener Produktion gab, war man auf Nachschub über diese Strecke angewiesen.

Und eine Agrarproduktion römischen Stils hätte das Ansiedeln von Römern vorausgesetzt, die sich damit auskannten, wobei sich dann die Frage gestellt hätte, inwiefern das römische know-how überhaupt auf die germanischen Verhältnisse anwendbar gewesen wäre und ob sich überhaupt Römer fanden, die an einer Ansiedlung dort interessiert waren.
Man hätte sicherlich ausgediente Legionäre mit Land in Germanien abfinden können, wie weit man diesen allerdings nach Jahren und Jahrzehnten in der Armee landwirschaftliches know-how zumal unter den germanischen Verhältnissen unterstellen kann, wäre auch fraglich.

Im Gegensatz zu Großbritannien, wo von keinem Ort die Küste länger als vielleicht 3-4 Tagesmärsche entfernt lag und Nachschub entsprechend effektiv zugeführt, zusätzlich auch ganz gut das Meer als ahrungsquelle angezapft werden konnte, sehe ich da in Germanien Schwierigkeiten, deren Bewältigung wahrscheinlich Jahrzehnte in Anspruch genommen hätten, bis mann das mal vernünftig durchdrungen gehabt hätte.
Größere zivile Ansiedlungen, die mal den Kern für entsprechende Produktion hätten bilden könnnen, scheint es ja westlich des Rheins kaum gegeben zu haben.
 
Und eine Agrarproduktion römischen Stils hätte das Ansiedeln von Römern vorausgesetzt, die sich damit auskannten, wobei sich dann die Frage gestellt hätte, inwiefern das römische know-how überhaupt auf die germanischen Verhältnisse anwendbar gewesen wäre und ob sich überhaupt Römer fanden, die an einer Ansiedlung dort interessiert waren.
Man hätte sicherlich ausgediente Legionäre mit Land in Germanien abfinden können, wie weit man diesen allerdings nach Jahren und Jahrzehnten in der Armee landwirschaftliches know-how zumal unter den germanischen Verhältnissen unterstellen kann, wäre auch fraglich.

Im Gegensatz zu Großbritannien, wo von keinem Ort die Küste länger als vielleicht 3-4 Tagesmärsche entfernt lag und Nachschub entsprechend effektiv zugeführt, zusätzlich auch ganz gut das Meer als ahrungsquelle angezapft werden konnte, sehe ich da in Germanien Schwierigkeiten, deren Bewältigung wahrscheinlich Jahrzehnte in Anspruch genommen hätten, bis mann das mal vernünftig durchdrungen gehabt hätte.
Größere zivile Ansiedlungen, die mal den Kern für entsprechende Produktion hätten bilden könnnen, scheint es ja westlich des Rheins kaum gegeben zu haben.
Im Rheinland hat man einige villae rusticae ausgegraben, nun ist die Ville nach Magdeburger und Soester Börde auch eines der fruchtbarsten Gebiete Deutschlands. Also ja, entsprechende Gebiete wie Ville und Soester Börde waren für römische Latifundisten durchaus interessant.
 
Im Rheinland hat man einige villae rusticae ausgegraben, nun ist die Ville nach Magdeburger und Soester Börde auch eines der fruchtbarsten Gebiete Deutschlands. Also ja, entsprechende Gebiete wie Ville und Soester Börde waren für römische Latifundisten durchaus interessant.

Ob sich das so einfach übertragen lässt?

Im Rheinland dürfte man ja, eben mit dem Rhein einen sehr zuverlässigen und günstigen Transportweg zu den Legionsstandorten gehabt haben, womit man, wenn man als Heereslieferant fungierte relativ sicheren Absatz hatte.
Außerdem war man noch relativ nah an Gallien drann und hatte damit vielleicht auch nocht etwas besseren Zugriff auf für den Mittelmeerraum typische Waren, was die Sache möglicherweise etwas attraktiver, da weniger entbehrungsreich machte.
Außerdem waren entsprechende Betriebe im Rheinland sicherlich durch die nasse Barriere einigermaßen gegen germanische Überfälle geschützt, selbst wenn keine Legionen direkt auf Abruf standen

Von dem her wäre etwas skeptisch, ob Bodenqualitäten allein (zumal die hätten von römischer Seite erstmal festgestellt werden müssen) als Standortfaktoren ausgereicht hätten um Besiedlung von römischer Seite her attraktiv erscheinen zu lassen.

Was ich mir persönlich eher als Pull-Faktor für römische Besiedlung vorstellen kann, wären Regionen mit Bodenschätzen, die für Rom interessant waren (Blei in der Gegend von Brilon, eventuell Eisenerz im Siegerland), da man sich da sicherlich mehr Kapital herausholen ließ, als bei auf Landwirtschaft beschränkte Produktion und weil das möglicherweise, wenn man keine Legionen in die direkte Nähe bekam dabei hätte helfen können, sich eine kleine Privatarme zu halten um das Ganze abzusichern.

Ist aber natürlich Spekulatius.

Könntest du im Hinblick auf die villae rusticae im Rheinland Literatur benennen? Das Thema würde mich durchaus interessieren.
 
Römische industrielle Nutzung im rechtsrheinischen Germanien lässt sich natürlich mehrfach nachweisen:
Z.B. die Kalköfen in Bergisch-Gladbach:
Kalköfen der römischen Kaiserzeit im Lerbacher Wald | Objektansicht

Eisenerzproduktion eher im Lahn-Dill-Gebiet, aufgrund der Schiffbarkeit der Lahn, als im Siegerland. Und man bedenke dass der Limes im Bereich des Kastells Arnsburg sehr weit zur mittleren Lahn hin vorgeschoben wurde.
Bislang sind aber die meisten römischen Funde außerhalb des Limes dem römischen Militär zuzuordnen.
Bleigewinnung in Brilon, klar. Wo Blei ist ist auch Silber. Es fehlte aber, anders als im Bergbau in Spanien, völlig die Möglichkeit Sklavenarbeit einzusetzen.
Interessant finde ich auch die Expansion am mittleren Main, z.B. Marktbreit: weniger primär militärische Stützpunkte als vielleicht militärisch gesicherte wirtschaftliche Expansion?
 
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Es fehlte aber, anders als im Bergbau in Spanien, völlig die Möglichkeit Sklavenarbeit einzusetzen.

Das Problem mit Sklaven zu arbeiten sehe ich im militärisch noch nicht so gut gesicherten Raum ebenfalls im Hinblick auf die Attraktivität der Region für die Latifundisten, denn irgendwo im rechtsrheinischenn Germanien, wohin der Arm Roms nicht reichte, wäre Flucht sicherlich ziemlich verlockend gewesen, heißt dieses Modell hätte wenn überhaupt, wahrscheinlich nur in der wirklich unmittelbaren Nähe der Militärstandorte funktioniert.
 
Solche Probleme hätte es wohl allenfalls gegeben, wenn man Germanen als Sklaven eingesetzt hätte. Hingegen bezweifle ich, dass für Sklaven aus Britannien oder gar dem Orient eine Flucht ins freie Germanien eine sonderlich attraktive Option gewesen wäre. Was sollten sie denn dort unter fremdsprachigen Barbaren? Einem syrischen Sklaven waren solche "Wilden" vermutlich nicht weniger suspekt als seinem römischen Herrn.

Außerdem, wenn Deine Überlegung zutreffen sollte, müsste es eigentlich in allen grenznahen Gebieten ein Flucht-Problem gegeben haben, sofern die Grenze nicht durch besondere Erschwernisse (wie breite Flüsse) "gesichert" war. Zumindest mir ist aber noch nicht untergekommen, dass in Afrika und dem Orient (oder auch in Dakien) in besonderem Maße Sklaven geflohen wären.
 
Was ich meine ist: Man kam in Rom zu der Erkenntnis dass man den Wirtschaftsraum Germanien nach den Niederlagen der Clades Variana, und erst recht nach den noch übleren Siegen des Germanicus, nicht wirtschaftlich durchdringen und erschließen konnte.

Und man machte weiterhin Handel und Geschäfte!

Aber meist nicht durch römische "Direktinvestitionen", sondern durch Handel mit Germanen die eigenständig für den römischen Bedarf produzierten.

Was ich nicht weiß ist wie sehr Germanen in römischen Diensten waren, als Auxiliareinheiten im römischen Reich. Grabinschriften mit germanischen Namen, in anderen Teilen des Reiches, könnten indirekt Aufschluss geben. Ich bin mir jedoch sicher dass ein Teil des römischen Bruttosozialproduktes in das freie Germanien abfloss...

Ich bin natürlich geneigt die späteren Franken als nichts anderes als wirtschaftlich mit dem römischen Reich verflochtene Germanen zu betrachten.
Wenn's gut ging, als frei wirtschaftende Söldner oder Produzenten, zum Wohle Roms, wenn's schlecht ging, mit Wagen voller Beute auf schwankendem Floss zurück in die rechtsrheinische Heimat.

"Völkerwanderung" und "Reichskrise" waren vielleicht eher ein Kulturwandel als ein Konflikt klar abgegrenzter Ethnien und Stämme.
 
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Eisenerzproduktion eher im Lahn-Dill-Gebiet, aufgrund der Schiffbarkeit der Lahn, als im Siegerland. Und man bedenke dass der Limes im Bereich des Kastells Arnsburg sehr weit zur mittleren Lahn hin vorgeschoben wurde.

Hier hatte ich in einem anderen Faden einmal geschrieben, dass ich es interessant finde, dass man dabei das Lahntal NICHT besetzte, sondern mit Butzbach und Arnsburg etwa 10-15 km davon weg blieb.
Logistisch ist das nicht unbedingt logisch, ein Anschluss über die Lahn und Limburg nach Koblenz erscheint vernünftig.
Mein Eindruck ist, dass man die Gegend bewusst den Einheimischen überließ, diese sich um die Metallgewinnung an Lahn und Dill kümmern sollten (Siedlungen u.a. in Niedergirmes und Dalheim nahe der Dill-Mündung, vielleicht auch Wetzlar selbst). Die Römer kauften dort ein, statt selbst zu produzieren.
 
Ich würd sagen, er war ein Wendepunkt, was Germanien anging. Das römische Reich expandierte anderswo durchaus weiter, aber diese Grenze bewegte sich nicht mehr.
Die Varusschlacht war nicht nur ein Wendepunkt, was Germanien anbelangte. Jahrhundertelang war die römische Außen- und Kriegs-Politik von einem zähen Durchhaltewillen geprägt gewesen. Die Römer gaben auch nach Rückschlägen nicht auf, sondern setzten Kriege fort, koste es, was es wolle (vor allem auch das Leben ihrer Soldaten), bis sie irgendwann doch ihr Ziel erreichten. Nach der Varusschlacht versuchten Tiberius und Germanicus zwar noch ein paar Jahre lang, die Niederlage und ihre Folgen wett zu machen, aber schließlich ließ man es bleiben und akzeptierte im Wesentlichen die Rheingrenze (abgesehen von der späteren Annexion des Dekumatlandes). Eine ähnliche Entwicklung gab es etwa zur selben Zeit auch im Osten: Man versuchte nicht mehr um jeden Preis, das Partherreich (das eine permanente latente Bedrohung für den römischen Orient war) niederzuringen. Möchtegern-Alexanders wie Caracalla oder Iulianus Apostata gab es zwar immer wieder, aber grundsätzlich akzeptierte man die Existenz des Nachbarn (und seines Nachfolgers, des Neupersischen Reiches).
Mit Augustus und Tiberius, in Germanien und im Osten, gingen die Römer also von einer Politik des Sieges um jeden Preis zu einer Politik über, bei der man bereit war, zurückzustecken, wenn die Kosten (Personen und Ressourcen) unvertretbar hoch erschienen bzw. in keinem Verhältnis mehr zum erhofften Nutzen standen. (Man erinnere sich daran, dass Rom einst 23 Jahre um die Kontrolle über Sizilien Krieg geführt hatte.)
Interessanterweise fand dieser Politikwechsel zu einer Zeit statt, als Rom (real gesehen) keine Republik mehr war, sondern zunehmend autoritär regiert wurde. Es war die Republik (die freilich im Wesentlichen eine Republik der Oberschicht gewesen war, aber doch auch mit Volksversammlungen mit echten Entscheidungskompetenzen) gewesen, die ihre Bürger ohne große Bedenken maßlos verheizt hatte, nicht die Kaiser.

Der Umstand, dass sich Tiberius dazu entschloss die Expansion östlich des Rheins aufzugeben, die hatte sicherlich massive politische Folgen, die Frage ist nur, kann man sie einzig oder hauptsächlich an der Varus-Niederlage festmachen?
Die Varus-Niederlage war die Initialzündung, durch die die Römer die Kontrolle verloren und nie wieder erlangten. Man kann natürlich spekulieren, ob es auch ohne Arminius später einen anderen erfolgreichen Aufstand gegeben hätte, der die römische Herrschaft westlich des Rheins beseitigt hätte. Real gesehen war aber die Varus-Niederlage der entscheidende Schritt zum Scheitern. Vor der Niederlage hatten die Römer die Kontrolle - fragil, aber doch -, danach nicht mehr und nie wieder. Ohne diese Niederlage hätten sie weiterhin die Kontrolle gehabt - bis zu einem hypothetischen späteren erfolgreichen Aufstand, den es aber vielleicht nie gegeben hätte.

Die Varus-Niederlage war auch deshalb entscheidend, weil sie zeigte, dass die Römer zu schlagen waren. Schon davor hatten die Römer immer wieder mit Abfallbewegungen eigentlich bereits "unterworfener" Stämme zu tun gehabt, sie aber immer wieder niedergeschlagen, was auf Dauer demotivierend auf potentielle Rebellen gewirkt haben müsste. Ich glaube, man sollte die Motivationswirkung der Varus-Niederlage für potentiell Aufstandswillige nicht unterschätzen.

Na ja, wenn der Römische Reich bis an die Elbe reichte, wären z.B. Markomannen und Langobarden mit größer Wahrscheinlichkeit "römische Bürger" geworden, was die Geschichte wohl entscheidend verändern würde: Keine Markomannenkriege und damit auch kein Zweifrontenkrieg im Norden und Osten (Parther, Perser), die Krise des Reiches im 3. Jahrhundert (Soldatenkaiser) wäre wahrscheinlich ausgeblieben.
Das halte ich für eine sehr optimistische Annahme. Wenn das Römische Reich bis zur Elbe gereicht hätte, hätte man sich zwar wohl den Markomannenkrieg Mark Aurels in dieser Form gespart, hätten aber die östlich davon lebenden Germanen eben zunehmend Druck auf die Elbegrenze ausgeübt, und für die untere Donauregion (die Mitte des 3. Jhdts. massiv vor allem von den Goten heimgesucht wurde) hätte sich nichts geändert. Die Antoninische Pest hätte sich auch ohne Markomannenkriege im Reich ausbreiten können.
 
Vor der Niederlage hatten die Römer die Kontrolle - fragil, aber doch -, danach nicht mehr und nie wieder.

Nur in Teilen des reklamierten Gebietes.
In den unmittelbar an den Rhein angrenzenden Zonen und in Teilen Westfalens entlang der Lippe und einem Teil der Rhein-Main-Region sicherlich.

Aber welche reale Kontrolle hatte Rom in den Niederungslandschaften nördlich der Lippe, in den Mittelgebirgsregionen des Siegerlandes und Hessens oder gar im gesamten Raum zwischen Weser und Elbe (ich rede nicht von der Möglichkeit da mal sporadisch ein paar Truppen hin zu entsenden, sondern von ständiger Präsenz um den Gangf der Dinge wirklich im Auge und unter Kontrolle zu halten)?

Die Varus-Niederlage war auch deshalb entscheidend, weil sie zeigte, dass die Römer zu schlagen waren.
Ja, aber doch nur unter äußerst günstigen Bedingungen, von denen klar sein musste, dass man sie nicht beliebig produzieren konnte.

Ich glaube, man sollte die Motivationswirkung der Varus-Niederlage für potentiell Aufstandswillige nicht unterschätzen.
Ich denke man sollte sie nicht überschätzen, denn auch wenn das eine empflndliche Niederlage für Rom war, so war doch die römische Militärmacht keineswegs gebrochen, dafür mussten Aufständische aber danach mit römischen Vergeltungsaktionen rechnen.
Und je nachdem, wo sie siedelten, fiel dabei auch die Möglichkeit weg Rom entsprechende Hinterhalte zu legen um sich sich nach Art der Varussschlacht einen entsprechenden Vorteil zu verschaffen.
 
Das halte ich für eine sehr optimistische Annahme.
Das stimmt, aber da keiner wissen kann, wie sich die Geschichte nach einem Sieg Varus` entwickelt hätte, ist diese Annahme eine mögliche, wenn nicht sogar die wahrscheinlichere. Die 150 Jahre (bis zur Antoninischen Pest) dürften ausreichen, Germanien zu befrieden und von dort noch mehr Soldaten zu beziehen als das ohnehin schon der Fall war. Und mehr Soldaten hätten die Grenzen des Reiches leichter verteidigen können, und das nicht nur an der Elbe, sondern überall.

In Frieden in einer wohlorgansierten Welt zu leben und seine Götter weiter verehren zu können, das abzulehnen dürfte jedem schwerfallen, der die Vorteile der römischen Lebensweise einmal kennengelernt hatte oder gar hineingeboren wurde.
 
In Frieden in einer wohlorgansierten Welt zu leben und seine Götter weiter verehren zu können, das abzulehnen dürfte jedem schwerfallen, der die Vorteile der römischen Lebensweise einmal kennengelernt hatte oder gar hineingeboren wurde.
Das ist plausibel - trotzdem wurde es später sozusagen Mode, sich gewaltsam einen Platz in der upper class (Militäraristokratie) der römischen Welt zu verschaffen, und wenn das nicht gelingen wollte, sich marodierend bei dieser zu bedienen.

Ich will damit nicht sagen, dass die Varusschlacht quasi die Keimzelle der völkerwanderungszeitlichen Wirren sei!

Was sie a posteriori bedeutsam macht: ihr ziemlich endgültiger Stoppschildcharakter. Das war die römische Expansion, sowohl vor als auch in der Kaiserzeit andernorts nicht gewohnt. Hadrianswall-Antoniuswall, Limesverschiebungen unter Antoninus etc. Aber sich im Wespennest östlich des Rheins festzusetzen, davon nahm man Abstand.
 
Und mehr Soldaten hätten die Grenzen des Reiches leichter verteidigen können, und das nicht nur an der Elbe, sondern überall.
Wie kommst du da jetzt auf mehr Soldaten?

Rom unterhielt nach seiner Expansion die meiste Zeit über irgendwas zwischen 20 und 30 Legionen, mit an die 6.400 Mann Sollstärke + schwankende Zahlen von Auxiliartruppen.

Heißt, wenn wir tatsächlich mal die Sollstärke aller Legionen annehmn, was optimistisch übertrieben sein dürfte, kommt Rom, was die Kerntruppen seiner Landmacht angeht, auf irgendwas zwischen 130.000 und 200.000 Mann.

Das war für ein Reich dieser Größenordnung nicht allzu viel und wenn man sich ansieht, wie schnell Rom es schaffte nach schweren Niederlagen, bei denen ganze Legionen verloren gingen, wie etwa Cannae in relativ kurzer Zeit wieder neue Legionen aufzustellen, zeigt das, dass es an potentiellen Soldaten nicht fehlte, dass die relativ kleine Gesamtzahl der Truppen eher dem Kostenfaktor geschuldet gewesen sein dürfte.
Die eher schlecht entwickelten Gebiete Germaniens, die jetzt nicht übermäßig mit wertvollen Bodenschätzen/Rohstoffen gesegnet waren hätten da die wirtschaftlichen Spielräume nicht unbedingt im besonderen Maße vergrößert.
Ich sehe da durchaus keinen Automatismus, der zur deutlichen Erhöhung der Truppenstärke hätte führen müssen.

Darüber hinaus, selbst wenn man das anehmen würde, es hätte sich das Problem gegeben, dass die Nachrichtenwege so lang geworden wären, dass Rom selbst es immer schwerer gehabt hätte, faktische Kontrolle über seine Militärbefehlshaber in den Provinzen auszuüben.
D.h. selbst wenn Rom dadurch auf dem Papier mehr Truppen gehabt hätte, hätte daraus noch lange nicht resultiert, dass die Imperatoren auch in der Lage gewesen wären, diese truppen zu kontrollieren und für ihre Zwecke einzusetzen, während sich gleichzeitig mit der Autonomie der Befehlshaber durch mangelnde Kontrollmöglichkeiten die Gefahr, dass sich diese Truppen aus Eigenintressen gegen Rom wenden könnten drastisch erhöht hätte.
 
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