Saltus= römische Domäne?
Ich spinne den Gedanken vom saltus als römischer Domäne zur Truppenversorgung jenseits von Rhein/ Lippe/ Lahn mal weiter:
Die Angaben zur Fläche eines standardisierten römischen saltus schwanken zwischen gut 7 und 10 km², scheinbar wurde das Maß über die Jahrhunderte ab und zu neu gefasst. Da aber sowieso nicht die gesamte Fläche eines saltus ackerbaulich nutzbar war (Flußauen, Wirtschaftsflächen und -gebäude etc.), können wir konservativ ja mal von 5 km² = 500 ha Ackerfläche eines Saltus ausgehen.
Mit traditionellem Saatgut und Anbaumethoden kommt ein äthiopischer (Hirse-)Bauer heute auf Hektarerträge in der Größenordnung von 1,5 t (Haupternte nach der großen Regenzeit). Mangels besserer Daten nehme ich mal an, dass dies auch den in der Kaiserzeit auf guten Böden (Löß) erzielbaren Hektarerträgen entspricht (Wer bessere Daten hat, korrigiere mich gerne). Damit kämen wir auf einen Ernteertrag je saltus in der Größenordnung von 750 t. Zieht man hiervon das beötigte Saatgut für die nächste Saison (25%?), Eigenverbrauch, Lagerverluste etc. ab, bleiben vielleicht 450 t Überschuss für die Armeeversorgung. Dies bedeutet, El Quijotes Mengenangabe zu Beginn des Threads von 5t Tagesbedarf einer Legion folgend, dass ein Saltus ungefähr den 3-Monatsbedarf einer Legion bzw. den Monatsbedarf der 3 Legionen des Varus decken konnte.
Wie lang dauerte eine Somerkampagne in Germanien? 6-7 Monate (Anfang April bis Mitte/ Ende Oktober) ? Sagen wir mal, hiervon war 1 Monat An- und Rückmarsch an Rhein / Lahn / Lippe, dann hätte Varus ungefähr 6 Saltus im Weser-/ Leinegebiet unterhalten müssen, um die Truppenversorgung während des Sommers sicherzustellen. Mal so aus dem Bauch: Einer im Raum Fritzlar / Kassel (Versorgung für den Übergang über das hessische Bergland von/ zur Lahn vielleicht auch für Hedemünden), einer an der mittleren Weser zwischen Hameln und der Porta Westfalica (Versorgung von Höxter / Übergänge Eggegebirge und Weserbergland), einer im Leinegraben (dortige Marschwege, Reserve für Hedemünden), und die restlichen drei in der Nähe des Zielgebiets (nordöstliches Harzvorland), also an der mittleren / unteren Leine, vielleicht auch an der Innerste oder im Flußsystem der mittleren /oberen Aller (Schladen /Werla / Isingerode /Hornburg, ca. 12 km NO Goslars an der Oker gelegen, könnte man diesbezüglich beispielsweise in Betracht ziehen.
Freunde der Archäologie im Braunschweiger Land - FABL e.V.).
Wie richtigerweise festgestellt wurde, wäre die Truppenversorgung sicherlich nur temporäres bzw. Neben-Ziel der saltus gewesen - mittelfristig sollten sie natürlich die Versorgung neu aufzubauender
civitate sichern, wie auch Sommerkampagnen der Legionen vermutlich nur als Zwischenlösung bis zur Etablierung permanenter Garnisonen in/bei diesen
civitate gesehen wurden.
Ich weiss, jetzt wird es wirklich hochspekulativ, da die Gründung dieser
civitate ja wohl nie erfolgte, aber denkbar und zu der von mir als
möglich angesehenen Lokalisierung
hypothetischer saltus passend wäre die folgende römische Planung von Stadtgründungen: 1.) Fritzlarer Raum (vermuteter Standort von Mattium, Hauptort der Chatten), 2.) im Leinegraben (Großraum Göttingen), zur Erschließung des südwestlichen Harzes (dann eher im Raum Northeim), oder auch als Ausgangspunkt zur Erschliessung Nordthüringens und des Südharzes (dann eher bei Friedland) 3. um/ bei Hildesheim (wie der Hildesheimer Schatzfund belegt, war dort cheruskischer Adel angesiedelt; würde darüber die Erschliessung der nahegelegenen Salzvorkommen ermöglichen), 4.) am nordöstlichen Harzrand (Rammelsberg), eventuell auch im Raum zwischen Harz und Salzgitter (Eisenerze), 5.) entlang des nördlichen Mittelgebirgsrands zur Wegesicherung, eventuell auch, um intensive Nutzung der dortigen Lößböden mittelfristig voranzutreiben - Kandidaten wären hier insbesondere die Haupt-Flussübergänge, also Minden und Hannover.
Zurück zu den saltus: Ackerbauliche Bewirtschaftung von 500 ha dürfte einiges an Arbeitskräften erfordert haben (gibt es diesbezüglich Zahlen in römischen Quellen, vielleicht für den linkrheinischen Raum oder Nordgallien?). Vermutlich wurden hier keine Römer bzw. römische Sklaven eingesetzt, sondern die in der Nähe wohnenden Germanen zwangsverpflichtet, analog zur mittelalterlichen Fronarbeit (wie lief das denn in saltus in anderen neugegründeten römischen Provinzen? Gibt es diesbezüglich Quellen?). Dies dürfte bei den dienstverpflichteten Germanen nicht gerade Begeisterung ausgelöst haben, und könnte den Hintergrund für die römischen Berichte von der "Faulheit" der germanischen Männer, die Ackerbau den Frauen und Alten überliessen, bilden.
Weiterhin sollen die Germanen häufigen Feldwechsel betrieben haben. Lassen wir mal dahingestellt, ob der Feldwechsel systematisch erfolgte (Stichwort "Dreifelderwirtschaft"), auf Wanderfeldbau (Rodungswirtschaft) zurückgeht, oder im traditionellen Allmendesystem wurzelt (noch Mitte des 18. Jahrhunderts bewirtschafteten Holsteiner Bauerngemeinschaften das Dorfland formal gemeinschaftlich, selbst wenn sich de facto bereits 'Dauernutzungsrechte' einzelner Bauern etabliert hatten, die dann letztendlich im Wege der 'Einkoppelung' auch grundbuchlich fixiert wurden). In jedem Fall hätte die Einrichtung römischer saltus den Bodenzugriff der ansässigen Germanen erheblich eingeschränkt, insbesondere wenn, wie angenommen, diese saltus die fruchtbarsten und verkehrsmäßig am besten erreichbaren Flächen bedeckten. Denkt man dann noch an die aus dem 'Wilden Westen' bekannten Konflikte zwischen Farmern und Ranchern (Einbruch von wild weidendem Vieh auf Ackerland), deren Bewertung in der römischen Rechtsordnung sich vermutlich von traditionellen germanischen Rechtsideen ('Allmende') grundlegend unterschied, bekommt man schon ein paar Gründe für einen Volksaufstand gegen die Römerherrschaft zusammen. Und die saltus lagen ja auch nicht irgendwo in der Pampa, sondern in der Nähe geplanter römischer Stadtgründungen, also mitten in den germanischen Bevölkerungs- und Machtzentren.
Wie vorausgeschickt: Dies sind alles Gedankenexperimente, die der archäologischen Begründung - oder auch Widerlegung - bedürfen. Dies sollte möglich sein. Lager für mehrere hundert Tonnen Getreide, und entsprechende Verschiffungsanlagen, müssen archäologische Spuren hinterlassen haben. Dass man solche allerdings meines Wissens bislang nicht gefunden hat, ist kein Gegenbeweis. Bis vor zwei Jahren glaubte ja auch niemand, dass die Römer noch im 3. Jhdt. im Leineraum militärisch aktiv waren ..