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Zweite Fehlsicht: "Die Kirche, besonders die Inquisition hat die Hexenverfolgungen betrieben".
Mit besonderer Hartnäckigkeit hält sich das Vorurteil, Hexenprozesse hätten in ihrer großen Masse vor geistlichen Inquisitionsgerichten stattgefunden.
Diese Behauptung kann nicht einmal für die Frühzeit der Hexenprozesse zwischen 1430 und 1500 als korrekt gelten; denn bereits hier waren neben Inquisitoren auch weltliche Gerichte an der Verfolgung angeblicher Hexen und Hexenmeister beteiligt. Gerade der schärfste kirchliche Propagandist von Hexenverfolgungen, Heinrich Institoris, Autor des berühmt-berüchtigten 'Hexenhammer' (Malleus maleficarum) erkannte, dass mit der geistlichen Gerichtsbarkeit keine Erfolge bei der Ausrottung der vermeintlich so gefährlichen Hexensekte zu erreichen waren, und er verlangte ausdrücklich, dass sich die weltlichen Gerichte der Städte und Territorien viel intensiver als bisher mit diesem Extremverbrechen beschäftigen müssten. In jenen Ländern, in denen die Verfolgung des Hexereidelikts weitgehend oder ganz in den Händen kirchlicher Inquisitionsbehörden lag, kann man sowohl bei der Spanischen (eingerichtet 1478) wie bei der Römischen Inquisition (eingerichtet 1542/1578) einen gemäßigten, ja vorsichtigen Umgang mit dem Hexereidelikt feststellen...
Auf besondere Vorsicht zielte die um das Jahr 1620 entstandene "Instructio", eine Anweisung zur Praxis in Zauberei- und Hexereiverfahren im Bereich der Römischen Inquisition. Nach ihr musste ein konkreter Schadensfall - Tod oder Krankheit - vorliegen, um ein Verfahren wegen Hexerei einleiten zu können...
Zwar glaubten die Mitglieder der römischen Inquisition an die Realität magischer Verbrechen, aber insgesamt wurden nur sehr wenige Todesurteile von ihren Gerichten verhängt. Vermeintliche 'Hexen' sollten nicht verbrannt, sondern reumütig in den Schoß der Kirche zurückgeführt werden; denn die Rettung ihrer Seelen hatte deutlichen Vorrang.
In Spanien erließ der Hohe Rat der Inquisition (supremà) 1536 eine Direktive, nach welcher der "Hexenhammer" mit seinen gerichtspraktischen Empfehlungen für eine Enttarnung und Ausrottung der Hexensekte nicht als maßgebliche Richtschnur zu gelten habe. Auf Empfehlung des spanischen Inquisitors Don Alonso Salazar Frias beendete die Suprema außerdem Anfang des 17. Jahrhunderts die baskischen Hexenjagden, die im französischen Teil des Baskenlandes schon so viele Opfer in weltlichen Hexereiverfahren gefunden hatten...
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