Der Begriff "Kelten" ist für mich nicht greifbar. Wie kann man einen Vergleich herstellen zu Galliern, Germanen?? Die Antwort wäre:es sind eine Menge unterschiedlicher Stämme; trifft aber auf Germanen auch zu. Im Hinterkopf habe ich, daß Kelten angefangen von Gallien bis zu den Galatern in Anatolien auftreten.
Lassen sich Kelten von ihrer Verbreitung her als homogenes Volk bezeichnen?
Seit meiner Schulzeit versuche ich eine Einordnung.Vielleicht sehe ich nur den Baum vor lauter Blättern nicht.
Für eine kleine Einordnung bin ich dankbar, allerdings bleibe ich den Latinern treu
		 
		
	 
Das ist auch nicht einfach für den Laien zu verstehen, weil "wir" für viele Fragen wahrscheinlich keine Antworten erhalten werden. Inspiriert von einem Text aus dem Tagungsband 
Boier zwischen Realität und Fiktion - The third life of the Boii von Jan Kysela würde ich vom mehrfachen Leben "der Kelten" sprechen. Kysela schreibt eingangs in seinem Referat, 
"Unlike other contributors to these proceedings, I am not really interested here in the Boii themselves, i.e. neither in the inhabitants of Central Europe in the last centuries B.C. who called themselves Boii (if there actually was anyone who did so), nor in the peoples mentioned as ‘Boii’ by the Greek and Roman authors (and these latter are in my opinion not necessarily the same as the former). My interest will be rather in the third incarnation of Boii, i.e. those (re)constructed by archaeologists and historians from references to the ‘Boii mentioned’ (i.e. the second ones) and from the material remains of those who are believed to have been the actual Boii (i.e. the first ones).
Kysela geht es also um die Rekonstruktion der Boier durch die Geschichtswissenschaften und Archäologie, analog dazu kann man auch von einer wissenschaftlichen Rekonstruktion "der Kelten" ab der Neuzeit sprechen, parallel jedoch auch eine nationale ideologische Rezeption (z.B. in Frankreich, in Tschechien, Großbritannien, Bretagne) , eine esoterische und mythologische Rezeption (Neopaganismus), eine folkloristische (Bretagne, Irland) und noch moderner eine europäische.
Im Vorwort des voluminösen und gediegenen Begleitbandes zur großen Keltenausstellung in Stuttgart "
Die Welt der Kelten- Zentren der Macht- Kostbarkeiten der Kunst" 2012/2013 schreib der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zwar zu Beginn "
Streng genommen wissen wir nichts über sie. Die Kelten: Ihr Name taucht in griechischen und römischen Schriften auf...Sie selber, die Kelten oder die, die unter dem Namen in der Geschichte aufgetaucht und wieder verschwunden sind, haben nichts geschrieben." um dann am Schluß die europäische Kultur zu bewundern: 
"Wir staunen vor dem Fremden, vor der anderen Kultur, die noch nicht kennt, was Europa später prägt: Rom und das Christentum." 
Im Vorwort der Verantwortlichen wird einleitend gleich die europäische Dimension abgesteckt:
"Von Irland bis Italien, von der Atlantikküste bis ans Schwarze Meer erstrecken sich über weite Teile Europas die Relikte einer Kultur, deren Träger in den antiken Schriftquellen als Kelten oder Gallier identifiziert werden können. In einzelne Stämme oder Stammesverbände gegliedert, bildete die "keltische" Bevölkerung keine Nation, besaß aber Gemeinsamkeiten in Kunst und Handwerk sowie allen Anschein nach auch in Religion und Sprache. Südwestdeutschland gilt zusammen mit der Schweiz und Ostfrankreich als "Wiege keltischer Kultur" und steht seit Jahrzehnten im Zentrum der internationalen Keltenforschung." 
Wir hier möglicherweise der Volksbegriff durch den der Kultur ersetzt? Welchen rezeptiven Eindruck hinterlässt diese europäische Rekonstuktion einer europäischen "Hochkultur" vor dem römischen Reich bei den 185.000 BesucherInnen der Ausstellung? (Ich war übrigens begeisterter Besucher, alleine vor dem Original des Kalenders von Coligny zu stehen, oder dem Gundestrupkessel hat sich gelohnt).
Es wird ohne Umschweife in der Werbung von "den Kelten" gesprochen, und auch in den Medien wird kurzerhand von der Kelten-Ausstellung gesprochen. Wer sind denn diese "Kelten"? Bei den Stuttgarter Nachrichten sind es die sagenumwobenen Kelten, die Stuttgart erobern,   
"Fürsten, Krieger, Kunsthandwerker" (aber auch Fürstinnengräber) werden bewundert und bestaunt. Diese "Kelten" hatten eben "alles": eine Elite, Krieger, und Gold in rauern Mengen (Schätze wie aus dem Märchen). Bauern und Sklavenhandel stehen nicht im Mittelpunkt der Rezeption, (allerdings gibt es Artikel von WissenschaftlerInnen im Begleitband), daher bin ich der Meinung, dass der eigentliche Diskurs trotz der Wissenschaftlichen Rekonstruktion funktioniert: wenn Bernhard Maier in einer Kelten-Dokumentation des ZDF im Interview (immer nur kurz, damit der und die durchschnittliche ZuschauerIn nicht überfordert wird) sagt, dass die Kelten kein Volk waren, und kurz später der Sprecher wieder vom "Volk der Kelten" spricht, dann arrondiert die Archäologie und Geschichtswissenchaften nur den modernen Diskurs archaischer Macht und eines vorchristlichen, goldenen Zeitalters.
Anscheinend funktioniert so auch Tourismus mit "den Kelten".
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Keltisches‹ wird seit langem in unterschiedlichster Weise rezipiert und gedeutet – ob in touristischen Angeboten wie »Druidenwanderwegen«, im ›keltischen‹ Neuheidentum oder in zahllosen populärwissenschaftlichen Darstellungen einer angeblich homogenen prähistorischen Kultur. Seit vielen Jahren fällt eine Facette dabei besonders auf: der angeblich aus prähistorischen Zeiten überlieferte ›keltische Baumkreis‹ bzw. Baumkalender (auch als Baumhoroskop bezeichnet). Gemeint ist die moderne Vorstellung, Menschen in der Urgeschichte hätten einzelne Baumarten und deren angebliche Eigenschaften jeweils bestimmten Perioden des Jahres zugewiesen.... die Grundlage des Horoskops eine (direkt oder indirekt) ins Deutsche übersetzte Fassung der »Horoscopes gaulois« , welche die französische Journalistin Paula Delsol 1971 für die Modezeitschrift »Marie Claire« erfunden hatte, nebst ebenso erfundenen »arabischen«, »tibetischen«, »chinesischen« sowie anderen Horoskopen."
Andreas G. Heiss & Jutta Leskovar Der ›keltische Baumkalender‹ – Zur Entwicklung und Rezeption eines Mythos
Es ist also ursprünglich ein Lifestyleprodukt der 70er Jahre, so die AutorInnen der Kritik, das seine Vorbilder in Robert Graves und James Georg Frazer hat. Das häufig nur implizite Benutzen in neopaganen Werken und weniger explizite Erläutern eines Keltenbegriffes dient der Beweisführung des hohen Alters und Ursprünglichkeit der (angeblich) kulturellen Relikte wie der Baumhoroskope und stereotyper Vorstellungen "Keltischer Religion" oder "keltischer Naturnähe".
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Bis zum Jahr 2010 waren in Österreich, so ergab eine Internet-Recherche, wenigstens 23 Baumkreise aktiv gepflanzt worden, die mit dem Begriff ›keltisch‹ verbunden waren. Einige wenige waren auf Initiativen von Hotel- und Thermenbetreibern entstanden; der überwiegende Teil stand in Zusammenhang mit Wanderwegen bzw. bestimmten Gemeinden (Leskovar 2010, 142) und war dementsprechend vermutlich großteils von der öffentlichen Hand finanziert. An einer wissenschaftlich fundierten Quellenlage oder der Kritik aus Fachkreisen besteht wenig bis kein Interesse. Bäume zu pflanzen stellt an sich eine hauptsächlich positiv konnotierte Handlung dar – dem (interessierten) Laien sollte dabei jedoch die Information zukommen, dass »die Kelten« sich nicht in der ihnen unterstellten Art mit Bäumen befassten." Der ›keltische Baumkalender‹ – Zur Entwicklung und Rezeption eines Mythos, 2013
"Die Kelten" - oder ihr viertes Leben heute - scheinen moderne Bedürfnisse und Sehnsüchte zu erfüllen, vielleicht sogar wissend zu erscheinen, auch wenn es nur scheinbares bzw. projeziertes Wissen ist - der Wissende ist eingeweiht, fühlt sich als Neopaganer  mit Initiatoationsriten aufgenommen in einen vorgeschichtlichen Bund. Oder machen sich in regionaler Werbung als Lokalkolorit und "ein bischen Bildungsprogramm" nicht schlecht.
Birkhan 2009: H. Birkhan, Nachantike Keltenrezeption. Projektionen keltischer Kultur. Wien: Praesens 2009
Hofeneder 2015: A. Hofeneder, Heilige Haine der Kelten in der antiken Literatur. Kultrealität versus literarischer Barbarentopik. In: K. Sporn/S. Ladstätter (Hrsg.), Akten des Kolloquiums »Natur – Kult – Raum«, Salzburg, 20.–22. Jänner 2012.