Nur weil du es wiederholst, wird deine Aussage nicht richtig. In Afghanistan gab es schon eine Oberschicht (Adel im weiteren Sinne) bevor Alexander das einzig Richtige tat und rechtzeitig das Weite suchte. Die einzelnen Stämme Aghanistans haben Oberhäupter und hier genau liegt das Problem eine parlamentarische Demokratie einführen zu wollen.
Mir ist nichts bekannt von einer aristokratischen Oberschicht in Afghanistan. Aber vielleicht fehlen mir einfach die richtigen Informationen.
Was die Reisbauern angeht, so ist der Begriff eines kommunistischen Adels sicher lustig. Aber auch dahingehend treffend, daß der Vietcong straff organisiert war von einer Oberschicht, dem politischen Kader.
Der Vietcong wurde von Offizieren der Nordvietnamesischen Armee geführt. Es gab also eine Menge militärisches Organisationspotential, gesteuert aus Nordvietnam (und Moskau). Darüber hinaus mag Vietnam kein hochentwickeltes Land gewesen sein, aber eine Stammesgesellschaft war es sicherlich auch nicht.
Ich wollte auch nicht behaupten, dass der Vietcong aus Stammeskriegern rekrutiert wurde. Nur dass er einen sehr viel niedrigeren Organisationsgrad aufwies als seine Gegner und dass die Kämpfer nicht allein von politischen Kadern oder Politkommissaren aus Moskau in den Krieg gezwungen wurden. Es gab eine hohe innere Mobilisierung. Höher als im Süden des Landes und hoch genug, um eine Weltmacht zu besiegen.
@Maelonn
...
du verzeihst den humorigen Ton gewiß, weil du ihn ja selber glänzend einzusetzen verstehst)
Wenn ich mich in diesem Ton äußere, ist das in Ordnung. Bei anderen kann ich es nicht ausstehen. :devil: (Scherz!)
Noch ein paar letzte Worte zum Thema Adel: Letztlich ist es mir egal, ob die "angeseheneren" Germanen als Adelige oder als Mainzelmännchen bezeichnet werden. Wie diese Diskussion zeigt, führt die Einstufung der Leute als Adelige jedoch dazu, dass ihnen auch die Machtbefugnisse unterstellt werden, die ein institutionalisierter Adel üblicherweise hat. Das passierte in dieser Diskussion, indem die Meinung geäußert wurde, der Adel hätte die Truppen gegen Germanicus mobilisiert und ohne den Adel wäre die Mobilisierung nicht möglich gewesen: Mobilisierung erfordert einen Adel, die Existenz eines Adels ist hinreichend bewiesen durch die erfolgte Mobilisierung. Genau das halte ich für falsch. Aber egal. Jeder mag sich darüber selbst eine Meinung bilden.
Sehr interessant, weil extrem an homo homini lupus est erinnernd, ist deine Erklärung, dass Gewalt als zentrales Regulativ in Stammesgesellschaften vorherrschte - das kenne ich in so krasser Form eher aus Scheibelreiters "barbarischer Gesellschaft", womit die Merowingerzeit gemeint ist...
Wenn das so verstanden worden ist, dann habe ich das wohl zu drastisch formuliert. Ich meinte im Grunde, dass die Leute damals ein Rechtsempfinden hatten und (z.B. in Volksversammlungen) auch Einvernehmen darüber erzielen konnten, wann gegen Rechte verstoßen worden ist. Zum Beispiel, dass eine Kuh geklaut wurde und der Besitzer Anspruch auf Rückgabe hat. Es gab aber keine "Polizei" (allgemeiner: keine Obrigkeit), die das Recht dann auch durchgesetzt hätte. Dass musste jeder Mensch selbst tun. Notfalls mit Gewalt. Und um das tun zu können, musste er wehrhaft sein. Also bewaffnet und fähig, von den Waffen auch Gebrauch zu machen. Deshalb ist Blutrache ein typisches Merkmal solcher Gesellschaften.
In späterer Zeit war es eine Aufgabe des Adels, Recht zu sprechen und im Zweifel durchzusetzen (jetzt lande ich schon wieder bei dem Thema...!)
Ich wollte nicht sagen, dass Streitfragen generell oder auch nur bevorzugt mit Gewalt geklärt wurden. Schließlich waren die Menschen, die in einer Sippe zusammenlebten, oder die Sippen in einer Siedlungsgemeinschaft in hohem Maße auf einander angewiesen. Es wäre nicht sinnvoll gewesen, sich wegen jedem Kleinkram gegenseitig umzubringen. Deshalb gab es innerhalb der Gemeinschaften, in denen jeder den anderen persönlich kannte, mit Sicherheit Wege, Konflikte unblutig beizulegen.
Aber: Von jedem Individuum wurde eben eine hohe Bereitschaft und die Fähigkeit erwartet, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen. Starke Rollenerwartungen, hoher gesellschaftlicher Druck. Das dürfte insbesondere die Jungmannschaften betroffen haben, die sich erstmal beweisen mussten, um Chancen bei dem Mädels zu haben, um in der Erwachsenenwelt anerkannt zu werden... So ist es kein Wunder, dass gerade die "arbeitslosen Halbstarken" sich gern mal zusammengerottet haben, um zum Plündern nach Gallien zu gehen, oder um sich zum Beispiel den Römern als berittene Söldner anzudienen. Um genug Plünderer zusammenzutrommeln, war ein halbwegs freundschaftlicher Kontakt zu ein paar benachbarten Sub-Stämmen zweckmäßig. Für die eigentliche Plünderung einigte man sich dann zweckmäßigerweise auf einen geeigneten Anführer. Der erwarb durch seine Stellung - im Erfolgsfall! - nicht nur größeren Reichtum, sondern auch hohes Ansehen. Vielleicht genug Ansehen, um bei der nächsten Plünderungsaktion wieder als Anführer in Frage zu kommen. Vielleicht sogar genug, um nach hier diskutierten Maßstäben als Adeliger zu gelten. Schon wieder das elende Wort! Jedenfalls ist es kein Wunder, dass diese Gesellschaften "kriegstüchtig" waren und ohne übermäßig viel Tamtam zum Krieg mobilisiert werden konnten.
Übrigens darf man nicht davon ausgehen, dass die Verhältnisse in allen (Groß-)Stämmen gleich waren. Stämme, die engeren Kontakt zu den Römern oder den Kelten hatten, werden sich bis zu einem gewissen Grad auch deren Gesellschaftsformen angepasst haben - und sei es nur, weil ein kleiner Sub-Stamm allein gar nicht in der Lage war, genug Holz, Honig, Leder etc.pp für das nahegelegene Legionslager zu liefern...
Dass es "höher organisierte" Stämme gab, belegen sogar die römischen Quellen. Wie schon erwähnt, bescheinigt Tacitus zum Beispiel den Chatten, dass sie eine "Kaste" von Berufskriegern hatten. Wie viele dieser Profis es gab, warum der Stamm sie durchzufüttern bereit war und nach welchen Regeln das Füttern passierte, werden wir wohl nie erfahren. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Sugambrer einen Krieg gegen die Chatten geführt haben sollen, der sich um Salzquellen gedreht haben könnte. Das wäre eine mögliche Erklärung.
Die Sugambrer selbst scheinen auch "besser" organisiert gewesen zu sein. Jedenfalls blieben sie zu Caesars Zeiten vom Druck der Sueben unberührt, während ihre südlichen und nördlichen Nachbarn die Flucht ergreifen mussten. Ein Grund hierfür könnte der Rhein als zentraler Verbindungs- und Handelsweg gewesen sein, vielleicht auch Metallvorkommen, vielleicht auch nur die Nachbarschaft zu den linksrheinischen Kelten.
Ich will gar nicht ausschließen, dass aus so einem höheren Organisationsgrad dann auch frühe Formen von "Adel" entstanden sein könnten. Aber davon schreibe ich ab jetzt wirklich nichts mehr...
MfG