Interessant in diesem Zusammenhang finde ich die (geringen) archäologischen Funde germanischer Präsenz aus der römischen Kaiserzeit etwa im Raum Rotenburg ob der Tauber.
Durch die meisten geographischen Darstellungen von Siedlungsräumen würde ich in dieser Gegend dann am Ehesten noch Hermunduren erwarten wollen. Aber vielleicht weis jemand näheres?
Das stimmt. Die Zeit vom ausgehenden 2. bis zum Ende des 4. Jh. ist, soweit es die schriftliche Quellenüberlieferung betrifft, die am wenigsten bekannte in der Geschichte des Mittelelbe- und Saalegebietes. Nachdem die Hermunduren letztmalig sicher im Verlauf der Markomannenkriege 166-180 erwähnt worden waren, und die Nennung der "Hermunduli" für die erste Hälfte des 4. Jh. unsicher ist, tauchten in den zeitgenössischen Schriftquellen um 400 erstmals dieThüringer (Toringi) auf.
Man kann somit vermuten, dass die Hermunduren zur Zeit ihrer letzten Erwähnung den Markomannen benachbart waren, sodass ihre Verortung im Raum zwischen Neckar, Saale und oberer Elbe eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Es gibt keine schriftlichen Hinweise darüber, dass die Hermunduren nach dem Friedensvertrag von 172/73 ihre Wohnsitze gewechselt hätten. Sie lassen sich für das 1. und 2. Jh. an der Mittelelbe, im Saalegebiet und nördlich der Doanu lokalisieren. In den nahezu gleichen Gebieten sind später auch die Thüringer (Toringi) zu zu finden.
Von
Strabon (Geographica 7, 1,3) werden die Hermunduren für beide Seiten der Elbe und das ehemalige Markomannenland zwischen Thüringer Wald und Donau bezeugt.
In das Jahr 3 v. Chr. gehört wahrscheinlich die Nachricht des
Dio Cassius (2, 55, 10a, 2f.). wonach der Legat L. Domitius Ahenobarbus umherschweifende Bevölkerungsgruppen der Hermunduren in einen Teil des ehemals von Markomannen besiedelten Gebietes - wohl zwischen Doanu und Main - umgesiedelt habe.
Eine weitere Nachricht über die Hermunduren stammt aus dem Jahre 5.
Velleius Paterculus sagt in seinem Bericht über den Tiberius-Zug an die Elbe, dass dieser Fluss an den Grenzen der Stammesgebiete der Semnonen und auch der Hermunduren vorbeiflösse (Hist. Rom. 2, 63). Krieger der Semnonen und Hermunduren hätten vereint auf der Ostseite des Flusses gestanden.
Im 1. Jh. waren die Chatten die südwestlichen Nachbarn der Hermunduren.
Tacitus Angaben über die Hermunduren scheinen sich auf die Zeit vor der Fertigstellung der Kastelle an der Donaugrenze zu beziehen. Danach wohnten die Hermunduren nördlich der Provinz Rätien. Unklar in der Deutung bleibt indes der Hinweis, dass in ihrem Siedlungsgebiet die Elbe entspringe (Tacitus, Germ. 41). Unklar deshalb, weil man nicht weiß, ob sich diese Mitteilung auf den Austritt der Elbe aus dem Elbsandsteingebirge bezieht oder ob damit eine gewisse Vorrangstellung der Hermunduren gegenüber den Markomnnen in Böhmen nach dem Sturz Marbods beabsichtigt ist. In einer weiteren Nachricht werden als nächste Nachbarn der Hermunduren in diesem bereich die Naristen und die Markomannen aufgeführt.
Trotz dieser wenigen Hinweise spricht also einiges dafür, dass die Hauptsiedlungsgebiete der Hermunduiren im Mittelelbe-Saale-Gebiet lagen. Nördliche Nachbarn wären danach die Semnonen im Elbe-Havel-Gebiet gewesen. Nordwestlich von ihnen lebten die Langobarden und die Cherusker. Im Westen, durch Thüringer Wald und Eichsfeld getrennt, lagen die Siedlungsgebiete der Chatten, während südöstlich von ihnen die Siedlungsgebiete der Markomannen und Naristen anzusetzen sind. [1]
Da sich die Hermunduren nach ihrer letzten schriftlichen Erwähnung nicht in Luft aufgelöst haben, ist es wahrscheinlich, dass sie zusammen mit anderen Stammesgruppen zum Großstamm der Thüringer verschmolzen, die seit dem 4./5. Jh. urkundlich belegt im gleichen Raum siedelten.
[1] Joachim Herrmann (Hrsg.), Die Germanen, Band 2, Berlin (Ost) 1983, S. 399 ff.