Wurden die Menschen damals unter dem Hitlerregime zum Jubeln gezwungen?

Dann sieh es halt als Einschränkung der Eltern und ihres Erziehungsrechts, dass hier vom Staat überschrieben wird.
Von der Warte kann man das sicher sehen, aber damit war ja nicht argumentiert worden.
Es war damit argumentiert worden, dass es mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Mitgliedschaft mit der Freiwilligkeit vorbei gewesen sei, aber tatsächhliche Friwilligkeit und Entscheidungsfreiheit war aus Sicht der Jugendlichen selbst auch vorher nicht gegeben.
Da wurde nur eine Instanz, die Zwang und Verbote ausspracht durch eine andere ersetzt.

Äh, sorry. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich
- trotz elterlichem Verbots in die Pfadfindergruppenstunde gehe
oder
- trotz staatlichem Verbots mich mit meinen Mitpfadfindern treffe.
(Letzteres sogar dann, wenn es von den Eltern mitgetragen würde.)
Aus Sicht eines Jugendlichen ist das kein Unterschied. Es wird einem Verbot zuwider gehandelt und dafür wird, im Fall, dass das aufkippt gestraft.

Die möglichen Konsequenzen sind in beiden Fällen extrem unterschiedlich und deshalb nicht vergleichbar.
Was war denn die mögliche Konsequenz, wenn irgendwelche Jugendlichen nicht freiwillig zur HJ gingen?

Schlimmstenfalls wird man sie dann da hingeschleppt und gegebenenfalls geprügelt haben. Also genau das, was möglicherweise auch ein überzeugter nationalsozialistischer Vater getan hätte, wenn er spitzgekriegt hätte, dass der Filius die HJ schwänzt.

Für's Nichterscheinen bei der HJ wurde niemand Erschossen oder in ein KZ gesperrt o.ä. und es wurde auch niemand im späteren Leben krass benachteiligt, weil er als Jugendlicher keine besondere Lust auf HJ hatte.
Schlimmstenfalls führte das zu einer negativen Beurteilung bei lokalen Parteifuktionären.
 
Ich würde schon sagen, dass der Beitritt zu irgendwelchen Jugendbünden - bis 1936 - mehr freiwillig erfolgte, als erzwungen. Teilweise vielleicht sogar von den Jugendlichen erkämpft werden musste. Ich halte das aber auch für ein in diesem Kontext zu vernachlässigendes Problem.
 
Ich würde schon sagen, dass der Beitritt zu irgendwelchen Jugendbünden - bis 1936 - mehr freiwillig erfolgte, als erzwungen. Teilweise vielleicht sogar von den Jugendlichen erkämpft werden musste. Ich halte das aber auch für ein in diesem Kontext zu vernachlässigendes Problem.

Freiwillig würde implizieren, dass die Jugendlichen allein die Wahl gehabt hätten. Das mag bei irgendwelchen normalen Jugendgruppen, Sportvereinen etc. die keinen dezidiert politischen Einschlag hatten, tatsächlich weitgehend freiwillig gewesen sein, weil die Eltern in der Regel eher wenig Gründe gehabt haben dürften, sich dem grundsätzlich entgegen zu stellen, so lange das keine Unkosten mit sich brachte, die sie nicht aufbringen konnten.

Aber davon war ja oben nicht die Rede. Oben war explizit von der Freiwilligkeit eines Beitritts zur HJ die Rede, also zu einer dezidiert politischen, extremistischen Indoktrination-Organisation, mit einem entsprechenden Polarisierungspotential.

Sicherlich mag es großbürgerlich-liberale Millieus gegeben haben, in denen es Usus war den Nachwuchs weitgehend selbst Wünsche äußern und Entscheidungen treffen zu lassen.
Aber das war doch nicht die Mehrheit der Bevölkerung.

Ein Jugendlicher, der aus einem überzeugt nationalsozialistischen Elternhaus stammte, dürfte wenig Chancen gehabt haben sich dagegen zu wehren, wenn seine Eltern ihn in die Hitlerjugend stecken wollten.
Und ein Jugendlicher, der aus überzeugt sozialdemokratischem oder kommunistischem Arbeitermillieu stammte, dürfte wenig Chancen gehabt haben, die Eltern dazu zu erwärmen ihm einen Eintritt in die HJ zu erlauben.

In dieser Hinsicht ging es was die HJ betrifft schon vor dem gesetzlichen Zwang nicht danach, was die Jugendlichhen wollten, sondern in der Regel danach, was ihre Eltern wollten oder nicht wollten und für schicklich befanden oder nicht.

Das die gesetzliche Verordnung zur Mitgliedschaft in der HJ radikal in das Erziehungsrecht der Eltern eingriff und von diesen als krasse Bevormundung aufgefasst werden konnte, will ich nicht bestreiten.
Auch dass die Schikane anderer Jugendorgnaisationen, wo in der Regel nicht mit elterlichem Widerspruch zu rechnen war, eine Einschränkung von deren freiem Willen bedeutete nicht.
Aber im Hinblick auf die HJ trifft das meines Erachtens nach nicht zu, da war wegen der Polarisierung der Bevölkerung hinsichtlich der Hitlerbwegung von vorn herein die Meinung der Eltern und damit das Herkunftsmillieu maßgeblich.
Und insofern änderte aus der Warte eines Jugendlichen die Verordnung der Mitgliedschaft, relativ wenig und schränkte deren Freiwilligkeit deswegen nicht besonders gegenüber dem vorherigenn Zustand ein, weil sie in diesem Fall schon vorher in denn meisten Fällen nicht bestand.
 
Du stellst hier eine Menge Vermutungen an und verkaufst die als Wahrheit, ohne allzu viel Ahnung von der Materie zu haben.
 
Du stellst hier eine Menge Vermutungen an und verkaufst die als Wahrheit, ohne allzu viel Ahnung von der Materie zu haben.
1. Ich habe nie in Anspruch genommen irgendwelche "Wahrheiten" zu verkaufen. Von Wahrheit weiß ich nichts, ich beschäftige mich ab und an mit Geschichte.
2. Ich habe nie für mich in Anspruch genommen besonders viel Ahnung von der Geschichte des NS-Reiches zu haben. Ich habe das schon anderswo geschrieben und wiederhole das gerne auch hier, ich nehme für mich in Anspruch ein wenig Ahnung vom 18. und vom langen 19. Jahrhundert zu haben und dementsprechend noch ein wenig von der Weimarer Zeit und den Beginnen des NS-Regimes, danach nimmt mein fundiertes Wissen dann im Vergleich zu diesen Themenkomplexen deutlich ab und wenn man sich über das NS-Reich insgesamt unterhalten möchte, gibt es in diesem Forum sicherlich qualifiziertere Gesprächspartner als mich.
3. Wenn du meinst es besser zu wissen, bring doch einfach mal fundierte Argumente.



Wenn ich argumentiere, dass Freiwiligkeit im Hinblick auf die HJ, auch vor der qua Gesetz verordneten Mitgliedschaft für mich eher fraglich ist, stützt sich das im Wesentlichen auf 2 Argumente:

1. Jugendliche, die aus überzeugt nationalsozialitischen Familien stammten, hatten wenig Chancen sich dagegen zu wehren, wenn die Eltern sie in die HJ stecken wollten. Und zwar einmal, weil der NS und damit auch ein nationalsozialistisches Elternhaus per se ein extrem autoritäres Gesellschafts- und Erziehungsmodell postulierte, in dem Widerstand von Kindern und Jugendlichen gegen ihre Eltern (zumindest so lange diese politisch auf Kurs waren), nicht vorkam bzw. nicht vorzukommen hatte und das gleichzeitig autoritäre Erziehungsmethoden hochielt.
Erschwerend hinzu kommt der politische Druck eben dieses Millieus, auf seine angehörigen, im Sinne des Regimes mit gutem Beispiel vorran zu gehen und die Kinder und Jugendlichen im Sinne von Regime und Staat zu erziehen, was implizierte, sie in diese Vereine zu stecken.

2. Jugendliche, die aus den sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitermillieus stammten, hatten wenig Chancen der HJ beizutreten, wenn sie es wollten. Schon deswegen, weil den Eltern klar sein musste, dass auf die HJ, dann später die SA und die NSDAP folgen würden, dass sie sich selbt mitunter in des Teufels Küche brächten, wenn sie noch daran mitwirkten das eigene Kind zum Spion des NS-Regimes in der eigenen Familie erziehen zu lassen, mal ganz davon abgesehen, dass auch sie sich in ihren angestammten Millieus völlig unmöglich gemacht hätten, wenn sie das eigene Kind in die Jugendorganisationen der Nationalsozialistischen Unterdrücker und des "Klassenfeindes" und der "Arbeitermörder" (um den Slang der Kommunisten einmal aufzugreifen) steckten.

Und diese beiden Millieus, bildeten in Deutschlad ausweißlich der Reichstagswahlen in Deutschland spätestens ab 1930 die Mehrheit.


Wenn du meinst, dass diese Überlegungen ahnungsloser Bullshit seinen, bitte, widerlege sie.
 
Was war denn die mögliche Konsequenz, wenn irgendwelche Jugendlichen nicht freiwillig zur HJ ging?
Ich schrieb nicht: "nicht zur HJ gehen", sondern verbotenerweise zu den Pfadfindern gehen.
Und ss gibt einen Unterschied, ob die Eltern oder der Staat es verbieten:
In dem einen Fall kannst du im KZ landen, und genau das ist vielfach geschehen.
 
Freiwillig würde implizieren, dass die Jugendlichen allein die Wahl gehabt hätten. Das mag bei irgendwelchen normalen Jugendgruppen, Sportvereinen etc. die keinen dezidiert politischen Einschlag hatten, tatsächlich weitgehend freiwillig gewesen sein, weil die Eltern in der Regel eher wenig Gründe gehabt haben dürften, sich dem grundsätzlich entgegen zu stellen, so lange das keine Unkosten mit sich brachte, die sie nicht aufbringen konnten.

Aber davon war ja oben nicht die Rede. Oben war explizit von der Freiwilligkeit eines Beitritts zur HJ die Rede, also zu einer dezidiert politischen, extremistischen Indoktrination-Organisation, mit einem entsprechenden Polarisierungspotential.
Bis 1936 wird der Beitritt zu den verschiedenen Jugendbünden - auch zur HJ - mehr oder weniger freiwillig vollzogen. Zur HJ seit 1933 vielleicht auch aus Opportunismus. Man wird klären müssen, ob man Opportunismus für Freiwilligkeit hält, oder nicht, ich denke da können sehr gegensätzliche Einstufungen bei herauskommen.

Tw. wird der Beitritt zu einem Jugendbund auch gegen den Willen der Eltern erkämpft worden sein. Das schließt nicht aus, dass in Einzelfällen auch Jugendliche von ihren Eltern gedrängt wurden, irgendwo beizutreten. So wie Eltern ihre Kinder bei Sportvereinen oder zum Musikunterricht anmelden, quasi also Anstuppser.

Ab 1936 war der Beitritt zur HJ für als "arisch" eingestufte Jugendliche verpflichtend und Konkurrenzveranstaltungen wurden peu a peu verboten. Als "nichtarisch" eingestufte Jugendliche war man gleichzeitig von dem Beitritt in die HJ ausgeschlossen und damit für jeden Sichtbar außerhalb der Volksgemeinschaft stehend.

Die Erinnerungen an BdM und HJ sind bei den meisten damaligen Jugendlichen vorwiegend positiv, da HJ und insbesondere BdM den Jugendlichen Freiheiten erlaubten, die sie zuhause oft nicht hatten (Zeltlager anstatt Hilfe im Haushalt oder gar Mitarbeit im elterlichen Betrieb). Hierbei ist natürlich q-kritisch anzumerken, dass die Erinnerung an emotional stark besetzte Dinge bessere ist, als an emotional nur schwach besetzte Dinge, gleichzeitig werden positive Erinnerungen von unserem Hirn oft stärker gewichtet, als negative Erinnerungen.
 
Ich schrieb nicht: "nicht zur HJ gehen", sondern verbotenerweise zu den Pfadfindern gehen.

Und ich hatte mich über die Pfadfinder bis dahin nicht ausgelassen, sondern ausschließlich über die HJ.

Was ich unterstellt hatte und was so anscheinend nicht richtig ist und ich auch gerne wieder zurücknehme oder präzisiere, ist meine dieser Diskussion vorrangehende Einlassung, dass Freizeitgestaltung, so lange sie nicht auf politische Betätigung gegen das Regime hinauslief, nicht übermäßig repressiert wurde.
Hier wird man Jugendorganisationen in der Tat dezidiert ausnehmen müssen. In diesem Sinne mea culpa.

Meine Einlassung hatte das Thema Jugendorganisatonen zunächst überhaupt nicht auf dem Schirm, sondern ging in Richtung der Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten von Erwachsenen und auch nicht unbedingt bezogen auf das organisierte Vereinswesen, sondern auf die Freizeitgestaltungsmöglichkeiten informeller Gruppen.
Das NS-Regime regierte nicht in die Nachbarschaftliche Skatrunde hinein und verhaftete da auch niemandem, weil in den Räumlichkeiten in denen diese stattfand kein Hitler-Portrait an der Wand hing.
Dahin zielte meine Einassung.

Die Erinnerungen an BdM und HJ sind bei den meisten damaligen Jugendlichen vorwiegend positiv, da HJ und insbesondere BdM den Jugendlichen Freiheiten erlaubten, die sie zuhause oft nicht hatten (Zeltlager anstatt Hilfe im Haushalt oder gar Mitarbeit im elterlichen Betrieb). Hierbei ist natürlich q-kritisch anzumerken, dass die Erinnerung an emotional stark besetzte Dinge bessere ist, als an emotional nur schwach besetzte Dinge, gleichzeitig werden positive Erinnerungen von unserem Hirn oft stärker gewichtet, als negative Erinnerungen.
Das möchte ich gar nicht bestreiten.

Bis 1936 wird der Beitritt zu den verschiedenen Jugendbünden - auch zur HJ - mehr oder weniger freiwillig vollzogen.
Ja, nach Maßgabe des Gesetzes.
Aber du weißt genau so gut wie ich, dass in der Realität ein Jugendlicher mit vielleicht 14 oder 15 Jahren noch lange nicht in der Lage ist, von jeder gesetzlich theoretisch legalen Möglichkeit auch tatsächlichen Gebrauch zu machen, wenn die Eltern partout sagen "nein".

In diesem Sinne besteht zwischen den theoretischen Freiräumen eines Jugendlichen, die ihm das Gesetz einräumt und den Freiräumen die er in Anspruch nehmen und in denen er tatsächlich frei entscheiden kann, mitunter durchaus ein gewisses Missverhältnis, dass den Jugendlichen an der Wahrnehmung seiner Interessen und dem Handeln nach dem eigenen freien Willen hindern kann.


Und ich habe in dieser Diskussion nichts anderes getan, als eben auf dieses Missverhältnis hinzuweisen.


Deswegen kann man die gesetzliche Vorschrift in die HJ einzutreten, aus der speziellen Warte eines Jugendlichen, nicht unbedingt, als eine Beschneidung seiner realen Möglichkeiten betrachten.
Manch einer, mit NS-linientreuen Eltern, wird schon vor der Verpflichtung qua Gesetz auf eine Haltung im Elternhaus gestoßen sein, die Freizeitbeschäftigung ausschließlich im Rahmen von NS-Organisationen gut hieß und unterstützte, so dass daran für diese Jugendlichen kein Weg vorbei führte.
Manch einer mit Eltern die strikt gegen alles waren, was mit dem NS zu tun hatte und die gerne zur HJ wollten, weil eben auch viele Andere aus dem Freundeskreis da waren, werden die gesetzliche Verpflichtung zur HJ auch überhaupt nicht als Einschränkung ihrer Möglichkeiten betrachtet habe, sondern ganz im Gegenteil, zunächst mal als willkommenen Hebel zur Durchsetzung der eigenen Wünsche gegen den Widerstand ihrer Eltern.
Auch wenn sie das später vielleicht anders gesehen haben.


Im Hinblick auf andere Organisationen, deren zunehmende Verbote und im Hinblick auf Repressionen dagegen hast du und haben andere Recht, aber das war eigentlich nicht mein Thema.
 
@Shinigami: Wir haben jetzt geklärt, dass es, entgegen deinen Behauptungen, einen Druck (ab 1933) und zunehmenden Zwang (1936, spätestens 1939) auf Jugendliche und deren Familien gab, bei der HJ mitzumachen, mit allen Konsequenzen wie bspw verordneten Jubelveranstaltungen. Dass du der Meinung bist, das spiele bei Kindern und Jugendlichen keine Rolle, weil die eh und sonst von ihren Eltern gezwungen werden, kann ich nicht widerlegen. Das ist eine Einstellung, kein falsifizierbarer Sachverhalt.

Was ich unterstellt hatte und was so anscheinend nicht richtig ist und ich auch gerne wieder zurücknehme oder präzisiere, ist meine dieser Diskussion vorrangehende Einlassung, dass Freizeitgestaltung, so lange sie nicht auf politische Betätigung gegen das Regime hinauslief, nicht übermäßig repressiert wurde.
Hier wird man Jugendorganisationen in der Tat dezidiert ausnehmen müssen. In diesem Sinne mea culpa.

Meine Einlassung hatte das Thema Jugendorganisatonen zunächst überhaupt nicht auf dem Schirm, sondern ging in Richtung der Freizeitbeschäftigungsmöglichkeiten von Erwachsenen und auch nicht unbedingt bezogen auf das organisierte Vereinswesen, sondern auf die Freizeitgestaltungsmöglichkeiten informeller Gruppen.

Das stimmt grad im Zusammenhang mit Jugendgruppen halt nicht, und betrifft darüber auch Erwachsene, sei es, weil sie weiterhin Mitglieder in Jugendgruppen waren (wie es auch heute Erwachsene bei Pfadfinder-Organisationen gibt), sei es, weil sie halt die Aktivitäten aus Jugendtagen nicht schlagartig wegen des Alters aufgaben. Für viele war das Auf Fahrt Gehen, oder gemeinsame Liederabende zu veranstalten, dabei dezidiert nicht politisch angelegt. Das waren Freizeitaktivitäten, wie auch heute niemand eine bestimmte politische Gesinnung haben muss, um bei den Pfadfindern zu sein. Und nach dem Ende der offiziellen Organisationen waren es nur noch informelle Geschichten, idR von kleinen Gruppen, da eine weitläufigere Vernetzung unmöglich bzw gefährlich war. Dennoch wurden diese Dinge im Nationalsozialismus verfolgt und, bei Erwischen, bestraft, sei es als "Bündische Umtriebe", sei es als Landstreicherei (selbstorganisierte Wanderfahrten).

Dabei gab es bei manchen, die sich mit der Mitgliedschaft in der HJ nicht anfreunden konnten (die ja probierte, diese Jugendgruppen zu vereinnahmen, bei vielen mit Erfolg), eine Radikalisierung. Was mit der selbstorganisierten Freizeitgestaltung anfing, führte zu Auseinandersetzungen mit der HJ und später SA und Gestapo, und schließlich bei manchen (wenigen) Gruppen zu aktivem, antifaschistischem Widerstand (Sabotage, oder Hilfe für entflohene Zwangsarbeiter sind mWn dokumentiert). Aber am Anfang stand da für die Mehrheit schlicht, dass die keinen Bock auf die HJ hatten und deren Idee, wie man seine Zeit verbringen sollte. Am Ende konnten dann KZ und Grab stehen.

Weniger gut kenne ich mit der von ElQ erwähnten Swing-Jugend aus. Das waren mWn junge Leute, die halt die falsche Musik hörten, die falschen Klamotten trugen und auf die falsche Art Parties feierten. Im Grund völlig unpolitische, wenig bis unorganiserte Sachen, aber es wurde dennoch vom NS-Staat zunehmend bekämpft. Ob es auch Skat-Runden gab, die nach den falschen Regeln spielten und deswegen verfolgt wurden, weiß ich allerdings nicht. Naja, und wenns endlich mal daran ginge, falsche Doppelkopf-Regeln zu unterdrücken, würd ich ja evtl sogar sympathisieren... ;)




Da ich über die Beschäftigung mit Fahrtenliedern ua Pfadi-Mucke auf diese Geschichte gestoßen bin: Hör die mal die folgende Lieder an, finden sich auf youtube: "Edelweißpiraten" (von der Band Lilienthal bzw von Herwig Steymans, ich empfehl aber Pfadi-Vertonungen wie bspw auf den Kanälen Jantessa oder larifariii1), "Edelweißpiraten sind treu" (von Chaoze One). Über Musik kann man auch die auf die unschönen Seite der Geschichte der Bündnischen Jugend im Bezug auf den NS stoßen (eigene Erfahrung...), denn viele sind den Nazis mit wehenden Fahnen zugelaufen. Aber andere haben eben eher ihre Wimpelspeere zerbrochen, als den Hakenkreuz-Lumpen dranzuhängen:

So ziehen wir weiter, durchs Land, durch die Zeit,
wir ändern uns nimmermehr.
|:Lasst uns die Fahne, die Fahrt uns das Scheit
und den abgebrochenen Speer.:|

Einige der bedeutungsschwangeren Stellen lassen sich selbst heute noch mühelos erklären. Am auffälligsten ist wohl der zerbrochene Speer. Damit ist der Wimpelspeer gemeint, der zerbrochen wurde, wenn ein Übertritt in die HJ nicht mehr abzuwenden war.

 
@Shinigami: Wir haben jetzt geklärt, dass es, entgegen deinen Behauptungen, einen Druck (ab 1933) und zunehmenden Zwang (1936, spätestens 1939) auf Jugendliche und deren Familien gab, bei der HJ mitzumachen, mit allen Konsequenzen wie bspw verordneten Jubelveranstaltungen.
Zeig mit bitte mal, wo ich behauptet haben sollte, dass es einen Druck des Regimes bei der HJ mitzumachen, nicht gegeben habe.
Liest du eigentlich meine Beiträge?
Ich habe exakt mit diesem Druck argumentiert, als ich angeführt hatte, dass von tatsächlicher Freiwilligkeit, was den Beitritt zur HJ angeht nicht im vollumfänglichen Sinne die Rede sein kann, wenn linientreue Eltern auf Druck der partei und ihres Umfeldes ihre Kinder in die HJ steckten, ob dise wollten oder nicht.
Wir können uns gerne vernünftig darüber unterhalten, aber dreh mir doch bitte nicht das Wort im Mund um.

Dass du der Meinung bist, das spiele bei Kindern und Jugendlichen keine Rolle, weil die eh und sonst von ihren Eltern gezwungen werden, kann ich nicht widerlegen. Das ist eine Einstellung, kein falsifizierbarer Sachverhalt.
Ich habe das agumentativ unterfüttert und die angeführten Argumente unterliegen durchaus der falsifizierbarkeit.

Die drei Argumente hinsichtlich Nationalsozialistischen Familien (1. Interesse das Kind im Sinne der eigenen Auffassungen zu erziehen, 2. Neigung zu autoritären Erziehungsstilen, 3. Druck aus dem eigenen Millieu dem Anspruch von Vorzeigenazis auch gerecht zu werden) sind ebenso erfass und diskutierbar, wie die Argumente die ich hinsichtlich Familien aus den Arbeitermillieus gebracht habe (1. Kein Interesse daran, einen Spion des Regimes im eigenen Haushalt zu installieren, 2. Kein Interesse daran, dadurch den Nazis die eigenen Kinder zuzuführen im eigenen Millieu als potentielle Verräter zu gelten und ausgestoßen zu werden, 3. weltanschaulich/moralische Erwägungen.)

Wie kannst du behaupten, diese Argumente seien nicht falsifizierbar.

Wenn du etwa der Meinung bist, dass meine Einlassung dass die mit der NS-Ideologie verbundenen, autoritären Erziehungsmethoden, nicht unbedingt zum Bilden und Durchsetzen des freien Willens der Kinder und Jugendlichen prädestinierten und es für diese sehr schwer, bis unmöglich war, sich diesem ohne weiteres zu widersetzen, wäre das natürlich für Studien, die überprüfen, wie autoritär die Erziehung in NS-Familien tatsächlich war, falsifizierbar, wenn diese zu einem anderen Ergebnis kämen.

Also hör bitte auf, dich selbst der Diskussion zu entziehen indem du behauptest, meine Einlassungen wären nicht falisfizierbar und daher zu vernachlässigen.


Entweder du möchtest mit mir eine vernünftige Diskission darüber führen, dann tu es aber bitte auch oder nicht, ist auch okay.
Aber auf Pseudodiskussionen, die meine Einlassungen verdrehen und so tun, als würde ich beliebig irgendwelches Zeug fabulieren, dass nicht überprüfbar und daher irrelevant wäre, werde ich mir nicht antun.

Mit derlei Unfug bin ich durch Dion bereits genug ausgelastet.

Und nach dem Ende der offiziellen Organisationen waren es nur noch informelle Geschichten, idR von kleinen Gruppen, da eine weitläufigere Vernetzung unmöglich bzw gefährlich war.
Und die konnten bis zu einem gewissen Grad unbehelligt aggieren, wenn sie so klein blieben, dass das nicht weiter auffiel.

Ich hatte mich und das habe oben noch einmal klargestellt gehabt, explizit nicht auf das organisierte Vereinswesen bezogen. Darum ging es in der gestellten Frage ja auch nicht, sondern die betraf nur Freizeitgestaltung und selbstredend setzt Freizeitgestaltung an sich nicht Mitgliedschaft in organisierten Vereinen voraus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und die konnten bis zu einem gewissen Grad unbehelligt aggieren, wenn sie so klein blieben, dass das nicht weiter auffiel.
Liest du eigentlich meine Beiträge, oder die Links, die dir geliefert werden? Es ging nicht um die Mitgliedschaft, sondern um die Aktivitäten, die verfolgt wurden. Und außer ungestützten Vermutungen und absurden Schlussfolgerungen hab ich von dir noch nichts gehört oder gelesen.

Beenden wir das hier. Mit dir zu "diskutieren" ist so sinnlos wie die Tätigkeit der Danaiden...
 
Liest du eigentlich meine Beiträge, dedr die Links, die dir geliefert werden?
Ausweislich dessen, dass ich sie beantworte, tue ich das offensichtlich.

Links hast du zum Thema Jugendorganisationen außrhalb der HJ gebracht, auf die bin ich nicht weiter eingegangen, weil dass nicht Thema meiner Argumentation war.
Ich habe im vorrangegangen Beitrag #30 gegenüber @muheijo erläutert, wie meine ursprünglichen Einlassungen gemeint waren und worauf sie sich bezogen.

Nämlich ausschließlich auf die HJ und auf die Moglichkeiten Erwachsener ihre Freizeit zu gestalten, explizit jenseits von Formen des organisierten Vereinswesens.

Damit sollte (für den Aufmerksamen Leser des Fadens) klar sein, dass ich nie beansichtigt hatte damit Aussagen über andere Jugendorganisationen als die HJ zu treffen und auch nicht irgendwelche Aussagen über das organisierte Vereinswesen bei den Erwachsenen zu treffen.


Was tust du in Reaktion? Du kommst mir mit der Bündischen Jugend an, die in keiner Weise mein Thema war.
Was du über die Bündische Jungend aber natürlich nicht angeführt hast, für dieses Thema aber durchaus relevant wäre, ist, dass das durchaus ihrer Geschichte nach keine völlig harmlose apolitische Vereinigung war, sondern dass diese Bewegung und ihre Vorgängerorganisationen in der Weimarer Zeit durchaus auch träger und Vehikel politischer Vorstellungen und politisch aktiv waren.

Vielleicht liest du ja einfach mal den von dir verlinkten Wiki-Artikel zur Bündischen Jugend, im Besonderen den Abschnitt "Offensive gegen die Republik"

Dass diese Strukturen, die in der Weimarer Zeit als dezidierte politische Akteure auftraten, den NS-Regime ein Dorn im Auge waren nimmt nicht wunder und dass in diesem Fall, weil die Bünde durch ihr vormaliges Handeln durchaus den Verdacht nahelegen konnten Keimzellen politischeer Aktivität zu sein, die sich außerhalb der Kontrolle des NS befand, vom NS-Regime im Auge behalten wurden und grundsätzlich auch nach offizieller Auflösung weiter bestehende Verbindungen dieser Mitglieder als verdächtig galten, dass nimmt nicht wunder.

Und es widerspricht auch nicht unbedingt meinen Postulat, dass nicht politische Aktivität als freizeitgstaltung relativ unproblematisch war, eben weil man mit Verweis auf die Wurzeln dieser Gruppen, sie als Vehikel politicher Abweichung verstehen konnte.

Das ist in disem Sinne kaum, mit irgendwelchen konventionellen Lesezirkeln, Ballsportvereinen, Skatrunden, Briefmarkensammlern oder Taubenzüchterverienen vergleichbar.

Auf den Rest einzugehen, spare ich mir mal, auf diesem Niveau sollten wir uns wirklich nicht unterhalten.
 
Im Fernsehen laufen ja häufiger Dokus über die NS Diktatur, und in einer wurde mal gesagt, fast jeder hätte damals Hitlerbilder in seinen Privaträumen oder Büros hängen gehabt.
Und man sieht auch in manchen Büchern über die NS Zeit Fotos von Wohnstuben, in denen hängt immer das Hitlerbild.

Die Tendenz, bei den "Siegern" sein zu wollen,

Bündische Jugend, Edelweißpiraten und andere Jugendgruppen wurden allerdings auch als erklärte Gegner des NS vor allem vom HJ_Streifendienst eingeordnet und die gingen äußerst brutal gegen Abweichler vor.

In Gestapo-Berichten wurde vielfach vermerkt, dass der HJ-Streifendienst stark zur Eskalation beitrug, ja dass deren Verfolgungseifer vielen Beamten sogar als kontraproduktiv wahrgenommen wurde.

Es gab aber durchaus Jugendliche, die zwar in bei der Bannführung gemeldet waren, die aber nicht regelmäßig oder auch nur sporadisch zum "Dienst" gingen, die als Karteileichen geführt wurden.


Sicher wuchs im Laufe der Zeit der Druck. Es gab aber durchaus auch noch während des Krieges Jugendliche, die sich dem HJ-Dienst entzogen, die nicht oder nur sporadisch zum HJ-Dienst erschienen, und die dabei keinen oder nur geringen Druck erlebten, solange sie nicht offen oppositionelles Verhalten zeigten.

Mancher Jugendliche spielte da auch schon mal Autoritäten gegeneinander aus. Es gab Jugendliche, die sich in der Schule entschuldigten, dass am Wochenende HJ-Dienst war, und dem Bannführer erzählten sie, dass sie an dem und dem Event leider in die Kirche oder zur Fronleichnams-Prozession mussten.

Wie groß der Fruck war, hing stark von den örtlichen Hj-Organisation, vom Elternhaus ab und ob ein Jugendlicher sich irgendwie oppositionell äußerte oder betätigte.

Arno Klönne, Die HJ und ihre Gegner.
 
Arno Klönne, Die HJ und ihre Gegner.
Ich ergänze den Buchtitel:

Arno Klönne: Jugend im Dritten Reich. Die Hitlerjugend und ihre Gegner. PapyRossa Verlag. Köln. 2003. 327 Seiten

Und dann noch:

Erika Mann: Zehn Millionen Kinder. Erziehung der Jugend im Dritten Reich. Erstmals erschienen 1938. Neuauflage von 1997. Dieses Buch ist ein Zeitdokument und sehr zu empfehlen. Es ist die erste umfassende Dokumentation der Erziehung in Schule und Hitlerjugend. Mehr dazu hier:

 
Bis 1936 wird der Beitritt zu den verschiedenen Jugendbünden - auch zur HJ - mehr oder weniger freiwillig vollzogen. Zur HJ seit 1933 vielleicht auch aus Opportunismus. Man wird klären müssen, ob man Opportunismus für Freiwilligkeit hält, oder nicht, ich denke da können sehr gegensätzliche Einstufungen bei herauskommen.

Tw. wird der Beitritt zu einem Jugendbund auch gegen den Willen der Eltern erkämpft worden sein. Das schließt nicht aus, dass in Einzelfällen auch Jugendliche von ihren Eltern gedrängt wurden, irgendwo beizutreten. So wie Eltern ihre Kinder bei Sportvereinen oder zum Musikunterricht anmelden, quasi also Anstuppser.

Ab 1936 war der Beitritt zur HJ für als "arisch" eingestufte Jugendliche verpflichtend und Konkurrenzveranstaltungen wurden peu a peu verboten. Als "nichtarisch" eingestufte Jugendliche war man gleichzeitig von dem Beitritt in die HJ ausgeschlossen und damit für jeden Sichtbar außerhalb der Volksgemeinschaft stehend.

Die Erinnerungen an BdM und HJ sind bei den meisten damaligen Jugendlichen vorwiegend positiv, da HJ und insbesondere BdM den Jugendlichen Freiheiten erlaubten, die sie zuhause oft nicht hatten (Zeltlager anstatt Hilfe im Haushalt oder gar Mitarbeit im elterlichen Betrieb). Hierbei ist natürlich q-kritisch anzumerken, dass die Erinnerung an emotional stark besetzte Dinge bessere ist, als an emotional nur schwach besetzte Dinge, gleichzeitig werden positive Erinnerungen von unserem Hirn oft stärker gewichtet, als negative Erinnerungen.

Die HJ hatte ja zweifellos auch Angebote im Programm, die sehr attraktiv und verführerisch waren. Das, was andere Jugendorganisationen attraktiv machte, hat die HJ kopiert. In den 1920er 1930er Jahren war es nur wenigen Leuten möglich, eine Urlaubsreise zu unternehmen, und für Jugendliche waren solche Möglichkeiten noch ungewöhnlicher.

Reiten zu lernen oder Segelfliegen, Auto oder Motorrad fahren das war natürlich attraktiv, und viele Jugendliche hätten außerhalb der HJ kaum die Möglichkeiten dazu gehabt.

Hans Jürgen Massaquoi (Neger Neger Schornsteinfeger) sagte, dass er seinen rechten Arm gegeben hätte, wenn er wie seine Klassenkameraden der HJ hätte beitreten können.

Seit 1936 war die HJ als Erziehungsinstitution gleichberechtigt mit Elternhaus und Schule geworden, und jugendliches Aufbegehren wurde zuweilen recht geschickt instrumentalisiert, um Jugendliche zu indoktrinieren und Erziehungsinstitutionen gegeneinander auszuspielen.
 
Hans Jürgen Massaquoi (Neger, Neger, Schornsteinfeger) sagte, dass er seinen rechten Arm gegeben hätte, wenn er wie seine Klassenkameraden der HJ hätte beitreten können.
Den hatte ich u.a. im Kopf, als ich dies schrieb:
Als "nichtarisch" eingestufte Jugendliche war man gleichzeitig von dem Beitritt in die HJ ausgeschlossen und damit für jeden sichtbar außerhalb der Volksgemeinschaft stehend.
 
War das im Dritten Reich eigentlich wie in Nordkorea, wurde man da gezwungen, zu Veranstaltungen zu gehen und Hitler und anderen Nazis zuzujubeln?
Wenn jemand damals keine Lust auf das Regime hatte und nie zu Veranstaltungen ging, und niemals jubelte, aber ansonsten völlig unauffällig blieb, wurde er dann dafür bestraft, oder fiel das gar nicht auf, wenn jemand nicht auf Veranstaltungen ging, wo die Leute wie hirnlose Roboter den Nazis zujubelten.
War das eigentlich damals Pflicht an solchen Veranstaltungen teilzunehmen und wurde man bestraft, wenn man nicht hin ging?
Oder konnte man damals einfach fernbleiben und keinem fiel das auf`?
War es damals möglich, keinerlei Begeisterung für das Regime zu zeigen, ohne dafür bestraft zu werden?
Mal angenommen, man grüßte seine Kollegen auf der Arbeit nicht mit Heil Hitler, sondern sagte weiterhin Guten Tag, wurde man dann vom Regime bestraft?
Die meisten Deutschen hatten damals ein Hitlerbild in ihren Wohnzimmern oder anderen Räumen.
War das mit dem Hitlerbild Pflicht, so wie es in Nordkorea Pflicht ist, ein Bild vom Diktatur aufzuhängen?
Wurde das durch Hausbesuche kontrolliert, wer ein Bild aufhängte und wer nicht?
Gab es Blockwarte wie in Nordkorea, die jederzeit ins häusliche Lebensumfeld der Bürger eindringen konnten?
Durfte man im Dritten Reich nach Feierabend selbst über seine Freizeit bestimmen? Oder gab es damals abends oder am Wochenende noch Pflichtveranstaltungen die man in der Diktatur besuchen musste?
Also wenn man es damals so gemacht hätte, dass man nichts gegen das Regime gesagt hätte, aber auch keinerlei Begeisterung gezeigt hätte, also kein Hitlerbild aufhängen, den Hitlergruß nicht machen, usw....wäre man damit davongekommen, oder wäre das bestraft worden, diese fehlende Begeisterung?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Menschen damals hirnlose Roboter waren, die Hitler begeistert zujubelten.
War diese Begeisterung womöglich in manchen Fällen nur gespielt, um nicht bestraft zu werden?
Oder wurde man gar nicht bestraft, wenn man den Hitlergruß nicht machte, kein Hitlerbild aufhing, aber ansonsten den Mund hielt und vor den Verbrechen des Regimes die Augen verschloss?
Also wenn man gegen das Regime war, war es damals möglich, dass man sein Leben ungestört weiterleben konnte, wen man nicht die gleiche Begeisterung zeigte wie alle anderen?
Oder wurden schon solche Kleinigkeiten, also Verweigerung von Hitlerbild im privaten Lebensbereich und Verweigerung des Hitlergrußes bestraft?
Und wenn man das Regime nicht mochte, und nur so tat, als ob man es gut fände, indem man Hitlerbild aufhing und den Gruß machte, konnte man dann relativ unbehelligt sein normales Leben leben? Oder gab es auch noch Pflichtveranstaltungen, beispielsweise Schulungen, Feier, die man besuchen musste?

Ich denke das man hier vielleicht mal ein paar Gedanken zum Charakter des NS-Staates und von totalitären Staaten einfügen sollte. Ich denke, dass etwa in kommunistischen, stalinistischen Diktaturen insgesamt die Eingriffe in das Privatleben des einzelnen Bürgers, die Unterdrückung des Individuums stärker waren. Abgesehen von Personengruppen, die wie Juden oder Sinti und Roma von den Nazis als Gegner und Feinde betrachtet wurden.

Was der NS propagierte, das war die Volksgemeinschaft. Das war natürlich ein Phrase, damit war es nicht weit her, aber diese Volksgemeinschaft war durchaus weit gefasst. "Arische" Deutsche, selbst wenn sie zuvor Sozis oder Kommunisten waren, konnten wieder in die Volksgemeinschaft aufgenommen werden, wenn sie sich ruhig verhielten, wenn sie mitmachten. Julius Streicher, der wohl widerlichste Antisemit und Judenhetzer hatte den Fimmel, dass er als Gauleiter jedes Jahr zu Weihnachten einen Sozialdemokraten oder Kommunisten freiließ und ihn beschenkte.
Die Volksgemeinschaft lud im Prinzip jeden zum Schulterschluss ein, sofern er "Biodeutscher" war. Andererseits aber konnte man auch schnell aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn man weiter Freundschaften mit Juden pflegte, wenn man nicht mitmachte, nicht mitjubelte.

In der NS-Diktatur konnte man sich durchaus gewisse Freiräume erhalten. Mancher Autor zog sich auf unpolitische Felder zurück, ihre Leserschaft blieb ihnen treu. Gehörte man zur Volksgemeinschaft, machte man mit, hatte man Vorteile, konnte man auf Seite der Sieger sein. Man konnte aber auch sehr schnell ausgeschlossen werden- und das war mit erheblichen Nachteilen, u. U. mit Gefahr, ja sogar Lebensgefahr verbunden. Man konnte aus Verbänden rausfliegen, mit Berufsverbot belegt werden. Da versuchte man natürlich zu vermeiden.



In meiner Kindheit und Jugend fiel mir oft auf, dass ein Wink, eine winzige Anspielung genügte, und es verbreitete sich eisiges Schweigen. Fast so, als gäbe es eine heimliche Übereinkunft bestimmte Themen, bestimmte Ereignisse, bestimmte Personen wie eine gefährliche Klippe zu meiden.

Vordergründig hätte kaum jemand das historisch einordnen können, da war gar nicht sofort schlüssig, dass es um Arisierungen, die Novemberpogrome, Kriegsverbrechen, Verbrechen an der Heimatfront, erschossene Kriegsgefangene ging oder einen Mann oder eine Frau, die man mit einem Schild um den Hals durch die Stadt führte.

Die Älteren wussten aber sofort, was und wer gemeint war, sie hatten sich angewöhnt, zwischen den Zeilen zu lesen, in Zusammenhängen zu denken.

Es entsprach dem Wesen des NS nicht, seine Volksgenossen ständig mit Propaganda zu berieseln. Die meisten Filme, die in Deutschland gedreht wurden, waren Komödien, Revuefilme. Es gibt etliche Streifen da wird der NS mit keinem Wort erwähnt. Goebbels sagte mal, dass gute Propaganda sich dadurch auszeichnet, dass die Manipulierten es gar nicht merken, dass sie manipuliert wurden.

Der NS lud im Prinzip jeden ein, mitzumachen. Jeder konnte in seinem Bereich ein kleiner Führer sein. Gleichzeitig ließ sich im NS im privaten Bereich durchaus so etwas wie eine Nische einrichten, solange man nicht zu den Gegnern des NS gehörte. Die Künstler und Wissenschaftler, die in Deutschland blieben
 
Seit 1933 gab es ein Konformitätsdruck auf die Bevölkerung, Flagge zu zeigen – in wörtlichem Sinn. Anfangs konnte man bei den Feiertagen oder politischen Festen noch die Reichsflagge (schwarz-weiß-rot) zusammen mit der Hakenkreuzfahne zeigen, doch ab 1936 war nur noch die letztere erlaubt und ein Muss auch für private Häuser.

Dieses flagge-zeigen-müssen war keine behördliche Anordnung, aber wer sie nicht zeigte, machte sich verdächtigt. Auch die sog. Hausbeauftragten, vulgo Blockwart genannt, konnten unangenehm werden und Fragen stellen. Die Blockwarte haben für diese und ähnliche Fälle ein spezielles Formular gehabt, in dem sie nur noch den Namen und die Adresse des betreffenden Haushalts eintragen mussten. Darin stand auch vorgefertigt, dass die Nichtbeflagger gleichgültige bzw. halbherzige Deutsche seien und ev. mit den Juden sympathisieren. Das war schon heftig, weil es Nachforschungen seitens Gestapo nach sich ziehen konnte. Also zeigten die Hakenkreuzfahne auch jene, die mit dem Regime gar nicht sympathisierten. So funktioniert institutionalisierte soziale Kontrolle.

Um nicht aufzufallen, hissen vielfach auch Juden diese Flagge. Aber ab 1935 war ihnen das per Gesetz verboten – Strafe: bis zu 12 Monate Gefängnis –, so dass nun jeder an der Nichtbeflaggung sehen konnte: Da wohnen Juden.

Ein Jahr später duften auch Arier, die mit einem jüdischen Ehepartner verheiratet waren, ihre Wohnung oder ihr Haus nicht beflaggen. So geht Ausgrenzung.

Wer in alten Filmen sieht, wie alle Häuser mit Hakenkreuzfahne behangen sind, wann immer Hitler durch eine Stadt fährt – im "Triumph des Willens" von Leni Riefenstahl ist das in Nürnberg sehr augenfällig –, und denkt, die Menschen wären wirklich begeistert vom Dritten Reich, der muss bedenken, was auf dem Spiel stand für denjenigen, der nicht mitspielte bei diesen Äußerlichkeiten, auf die aber das Regime größten Wert legte, weil es der (ausländischen) Öffentlichkeit zeigte: Das deutsche Volk steht geschlossen hinter ihrem Führer.
 
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