Buhurt, Tjost, Kolbenturnier, Formen des ritterlichen Turniers

Scorpio

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Das ritterliche Turnier entwickelte sich aus militärischen Übungen zu einem agonalen Duell. Es war für schwere Kavallerie entscheidend für die Angriffswucht, daß die Reiter möglichst exakt die Formation einhielten. Eine Form des Turniers, die noch daran erinnerte, hieß Burhurt. Dabei traten zwei Rittermannschaften gegeneinander an. In der Frühzeit des Turniers kam es bei solchen Veranstaltungen nicht selten zu Todesfällen, wenn mit den noch ziemlich unzivilisierten Rittern die Kampflust in der Hitze des Gefechts durchging. Als sich das Turnier aber zum agonalen Kampfsport und gesellschaftlichen Ereignis entwickelte, wurde diese Form allerdings seltener.

Die Norm bei Turnieren, die vor allem an fürstlichen und königlichen Höfen ausgerichtet wurde, waren hastiludia, Duelle mit Lanze, wie es aus Filmen hinlänglich bekannt ist. Die Planke, die die beiden Akteure trennt, wurde aber erst um 1420 in Italien entwickelt. Im deutschen Raum wurde das "welsche Gestech über die Planke" wurde erst durch Maximilian I.durch seinen Kontakt mit dem burgundischen Hof etabliert. Die Planke hatte die schlichte Funktion, daß sich die Akteure nicht gegenseitig die Beine brachen, wenn sie zu dicht aneinander vorbeiritten. Auch sollte damit Fouls vorgebeugt werden, Attacken die gegen das Pferd gerichtet waren. Standard war der Tjost, mit Lanzen, die statt der Spitze stumpfe Krönchen am Ende hatten. Besondere Kabinettstücke, die allerdings auf einer privaten Vereinbarung der Ritter basierten, war die Carriere, das Rennen, das man mit scharfen Lanzen austrug.
Standard war allerdings der Tjost, das Gestech, im weitesten Sinne so wie man es in Filmen sieht, da sich dabei ein einzelner Bewerber am besten hervortun konnte. Anlaß waren häufig familiäre Feste, die das Prestige eines Fürsten erhöhten. An die Landshuter Hochzeit von Herzog Georg dem Reichen mit Hedwig von Polen im Jahre 1475 erinnert man sich in Bayern heute noch.
Eine arge Phantasterei in Ritterfilmen ist ein Anonymus vom Typ eines schwarzen Ritters, er ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Ein solcher Bewerber hätte überhaupt keine Chance gehabt, die Turnierschau zu überstehen, die am Vortag einer solchen Veranstaltung stattfand. Die Helme und Wappenschilde der Bewerber wurden aufgehängt und von einem erfahrenen Herold geprüft, ob die Bewerber die Nobilitätskriterien, vier ritterbürtige Vorfahren und standesgemäßes Verhalten rerfüllten und nicht etwa wegen früherer Untaten einen schlechten Leumund besaßen. Der Helm eines solchen Bewerbers wurde herabgestoßen.
Ziel beim Tjost war, den Gegner aus dem Sattel zu heben. Der Verlierer verlor sein Pferd oder mußte eine vereinbarte Summe als Entschädigung zu zahlen. Ausgebildete Ritterpferde dextrarii waren so selten und kostbar, daß man sie sich gegenseitig auslieh. Es gab Glücksritter, die fast professionell diesen Sport betrieben und von Turnier zu Turnier reisten, um Lösegeld oder Pferde zu erbeuten, eine passende Partie oder einen Lehensherrn zu finden, in dessen Dienste sie treten konnten.

Die Ausrichtung eines Turniers war eine finanzielle und organisatorische Herausforderung. Um die zu erwartenden Ritter, ihre Pferde und Knappen zu beherbergen, wäre eine Burg kaum der richtige Ort und wohl auch ein bißchen schäbiger Ort gewesen. Turniere fanden daher meistens in Städten statt. Wichtig war, daß sich alle Bewerber verpflichten mußten, den Turnierfrieden, trotz der fast immer bestehenden Fehden untereinander, einzuhalten. Das Turnier war ein Heiratsmarkt, Kontaktbörse, Wettbewerbsort.

Neben den von Fürsten ausgerichteten Turnieren gab es noch Veranstaltungen, die von Turniergesellschaften veranstaltet wurden, das waren Körperschaften zu denen sich Ritter zusammenschlossen, um ihre Interessen zu vertreten und die Ausrichtung von Turnieren selbst zu organisieren. Die Ausgaben für diese prestigeträchtigen Veranstaltungen wurden immer höher, die Einkünfte durch erbeutete Pferde dürften in den meisten Fällen nicht ausgereicht haben, diesen Aufwand zu bestreiten, wenn sehr geschickte Ritter auch reiche Beute machen konnten. Immer mehr ärmeren Rittern war es kaum möglich an Turnieren teilzunehmen, wenn sie nicht gute Verbindungen zu einem fürstlichen Hof hatten. Um auch armen Rittern die Teilnahme zu ermöglichen, schlossen sich daher seit Ende des 13. Jahrhunderts Ritter zusammen, um ihre Interessen zu vertreten. Das Einzugsgebiet der Turniergesellschaften der vier Lande Rheinstrom, Franken, Schwaben und Bayern war ziemlich identisch mit den Reichsrittern. Indem diese eigene Turniere veranstalteten, betonten sie ihre Unabhängigkeit von den Fürsten.
Auch bei den landsmannschaftlichen Turnieren dieser Gesellschaften gab es Tjoste, doch waren das Einzeldarbietungen, die außerhalb des eigentlichen Programms stattfanden. Das eigentliche Turnier war ein kampfspiel, das zwischen zwei Mannschaften mit dem hölzernen Streitkolben ausgetragen wurde. da häufig zwischen einzelnen Teilnehmern private Fehden bestanden, gab es dabei regelrechte Massenprügeleien, bei denen Rechnungen beglichen wurden. Das Hauptturnier wurde dann mit stumpfen Schwertern ausgetragen, mit denen die Helmzierden des Gegners herabgeschlagen wurden.

Auf Dauer konnten sich diese Turniergesellschaften der Reichsritter gegen die Fürsten nicht behaupten und sie gingen gegen 1487 ein. Damit endete das Kolbenturnier mit seinen wilden Keilereien und seiner Selbstjustiz
 
Pardon, ich vergaß die Literaturangaben Fleckenstein, Josef (Hrsg.)Das Ritterliche Turnier Göttingen 1986
 
Im 12. Jahrhundert, um die Jahrhundertmitte taucht erstmals das Wort "tornoi" in der Bedeutung von Kampf zu Pferde auf. die ersten regelrechten Turniere dürften aus den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts stammen.
 
Im 12. Jahrhundert, um die Jahrhundertmitte taucht erstmals das Wort "tornoi" in der Bedeutung von Kampf zu Pferde auf. die ersten regelrechten Turniere dürften aus den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts stammen.

Nach der Angabe, wurden Ritterturnier also nur knapp zwei Jahrhunderte gepflegt? Aber wo? z. B. Frankreich, England und Süddeutschland?
 
Sorry, du nennst ja ein paar Ort.

Auf Dauer konnten sich diese Turniergesellschaften der Reichsritter gegen die Fürsten nicht behaupten und sie gingen gegen 1487 ein. Damit endete das Kolbenturnier mit seinen wilden Keilereien und seiner Selbstjustiz

Es endete das "Kolbenturnier" und die an den Fürstenhöfen nicht.
 
Die Turniergesellschaften entstanden Ende des 13. Jahrhunderts, erlebten im 15. Jahrhundert eine kurze Blütezeit in denen es ihnen gelang, einerseits eigene Turniere zu Veranstalten und sich nicht zuletzt auch gegen das Patriziat abzugrenzen. Doch wirtschaftlich waren diese Ritter auf Dauer nicht in der Lage die Mittel für diesen teuren Kampfsport aufzubringen
 
An den Fürstenhöfen wurden nach wie vor die elitären Tjoste abgehalten. Tatsächlich erreicht das ritterliche Turnier in der ausgefeilten, auf den Sport spezialisierten Armatur eigentlich erst Ende des 15. Jahrhunderts ihre höchste Perfektion. Der Niedergang der vor allem durch die Reichsritter repräsentierten Turniergesellschaften hat nichts mit dem Niedergang des Turniersports zu tun. Als ein Phänomen waren sie ohnehin auf Deutschland beschränkt.
 
Im 12. Jahrhundert, um die Jahrhundertmitte taucht erstmals das Wort "tornoi" in der Bedeutung von Kampf zu Pferde auf. die ersten regelrechten Turniere dürften aus den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts stammen.

Das glaube ich nicht, schon im Epos von den Siete Infantes de Lara werden anlässlich einer Hochzeit Turnierspiele abgehalten. Der historische Zeitpunkt der Handlung ist das Jahr 997, die Entstehung des Epos etwa ein halbes Jahrhundert später. Und da Spanien sicher nicht das Zentrum höfischer Spiele war, denke ich, dass es auch an anderen Orten schon früher Turnierspiele gegeben haben muss.
 
Danke für den Hinweis, El Quixote. Du bist doch sehr beschlagen in spanischer Geschichte. Kennst du einen Bericht eines gewissen Tarfur oder so ähnlich, ein Ritter, der über seine Erfahrungen als Turnierteilnehmer berichtet? Es ist schon lange her, daß ich mich damit beschäftigt habe und ich weiß nicht, ob ich den Namen richtig behalten habe.
 
Im 12. Jahrhundert, um die Jahrhundertmitte taucht erstmals das Wort "tornoi" in der Bedeutung von Kampf zu Pferde auf. die ersten regelrechten Turniere dürften aus den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts stammen.

Ich habe nur mal kurz bei wiki nachgeschlagen, da heißt es:

Als Turnier bezeichnet man unter anderem ein ritterliches Kampfspiel, das in Europa vom 10. bis zum 16. Jahrhundert üblich war. Die ersten Ritterturniere auf deutschem Boden sind nach RIXNERS Turnierbuch aus Magdeburg 935 und Konstanz 947 und weiteren Städten überliefert (das 10. Turnier fand z.B. 1165 in Zürich statt). Auch ein Turnier in Würzburg im Jahre 1127 ist überliefert.

und auf wiki.englisch:

Men who carry weapons have in all ages played at the game of war in time of peace. But the tournament, properly so called, does not appear in Europe before the 11th century, in spite of those elaborate fictions of Ruexner's Thurnierbuch which detail the tournament laws of Henry the Fowler. More than one chronicler records the violent death, in 1066, of a French baron named Geoffroi de Preulli, who, according to the testimony of his contemporaries, "invented tournaments." In England, at least, the tournament was counted a French fashion, Matthew Paris calling it conflictus gallicus.

Gruß

Jacobum
 
Vielleicht noch ein paar Hinweise, wie kostenaufwendig dieser Sport war:Zu Beginn des 12. bis zum Ausgang des 13.Jahrhunderts verdrei-, bis vervierfachte sich der Preis für ein Ritterpferd (dextrarius) Um 1290 bezahlte man für ein ausgebildetes Streitroß etwa 20 Mark Silber. Ausgezeichnete Pferde wurden aber noch weit teurer gehandelt, wie in Basel, wo ein Pferd für 100 Mark Silber den Besitzer wechselte. Als ein Zisterzienserkloster in der Eifel ein Prachtexemplar besaß, das auf mindestens 40 Mark Silber geschätzt wurde, bemühten sich der Erzbischof von Trier, ebenso wie der Herzog von Luxemburg um dieses Pferd. Die sieben Pferde des flämischen Ritters Geraad von Mons, besaßen einen Wert von960 Pariser Pfund. Das entspricht dem 80fachen Wert eines gewöhnlichen Pferdes.
Solche Anforderungen benötigten eine breitere wirtschaftliche Basis. Um 1150 genügten 3-5 Hufen Land als Mindestausstattung für einen einfachn Ritter. 100 Jahre später erweist sich eine vier-fünfmal größere Ausstattung als notwendig. Nach modernen Berechnungen konnten im ausgehenden 13. Jahrhundert Spitzenverdiener unter Rittern zwar ein Einkommen von 100 Mark Silber erreichen, der Durchschnittssatz der Mehrzahl der kleineeren Rittergeschlechter bewegte sich aber nur um 100 Mark Silber. Viele Ritter konnten die Mittel für eine standesgemäße Lebensführung dauerhaft nicht aufbringen, zumal wenn sie von Pferdeseuchen und Brandkatastrophen heimgesucht wurden. Der Erwerb und die Führung der Ritterwürde war im ausgehenden 13. und 14. Jahrhundert zunehmend schwieriger, so daß eine Vielzahl armer Ritter nichtmehr den Rittertitel führte und sich mit dem Status von Edelknechten (famuli, armigeri) begnügen mußte. Die von den Turniergesellschaften ausgerichteten Veranstaltungen waren eine billigere Alternative und ermöglichte es den armen Rittern, solche Veranstaltungen zu besuchen.
 
Man sollte beim Turnier vielleicht unterscheiden zwischen militärischen Waffenübungen und dem Turnier als chevalereskem Kampfsport und höfischem Fest. Nach dem, was ich in der Literatur gefunden habe, entwickelte sich das Turnier mit feste Regeln tatsächlich erst im 12. Jahrhundert. Die Angaben in Rüxner/Feyerabends Turnierbuch werden oft in Frage gzogen.

Michel Parisse, le Tournoi en France des origins a` la fin e XIII. siecle, Juliet Barker/Maurice Keen The Medieval Kings and the Tournement, Josef Fleckenstein (Hrsg.) Das Turnier als höfisches Fest im hochmittelalterlichen Deutschland in J. Fleckenstein, Das ritterliche Turnier.
 
Sicherlich kann es sich bei frühen "Turnieren" auch um richterliche Zweikämpfe gehandelt haben, die vom Aufbau her dem Turnier ähneln können, wenn ich mich richtig entsinne.

Vergleichend könnte man auch die neuzeitlichen Turniere des 17./18.Jh. heranziehen -> http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=205318&postcount=1 . Diese liefen zwar auch bisweilen noch unter der Bezeichnung Turnier, hatten aber zumeist selbst vom Charakter her nur noch wenig mit mittelalterlichen Turnieren gemein. Begrifflichkeiten werden gern, aus der Vergangenheit genommen und für die Gegenwart entlehnt oder aus der Gegenwart genommen und für die Beschreibung der Vergangenheit angewendet, wenn man kein anderes Wort dafür kennt.
Bis auf das Zielschießen (mit Pistolen!) hatte das neuzeitliche Turnier des Rokoko wenig mit einer Waffenübung, also einem kostümierten Training für den Ernstfall, wie ja als Charakter des Turniers oftmals angeführt, gemein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe noch einmal im entsprechenden Kapitel "Das Turnier" in Andreas Schlunk/Robert Giersch "Die Ritter. Geschichte - Kultur - Alltagsleben" - Begleitbuch zur Ausstellung "Die Ritter" im Historischen Museum der Pfalz Speyer 30.03. - 16.10. 2003 - Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2003 (hier S. 66 ff.) nachgelesen.

Scorpios bisherige Aussagen lassen sich danach verifizieren; und ich erlaube mir einige ausgewählte Bezugspunkte auf seine Beiträge anhand dieses Buches.
Es läßt sich aber dennoch an der Stelle nicht vermeiden, daß ich Passagen aus längeren Texte zitieren muß...

Ursprung und Entwicklung des Turniers schrieb:
Die gängigen Bilder (bezieht sich auf das Hollywood-Klischee zweier martialisch geschmückter Kämpfer im Stahlharnisch, die im gestreckten Galopp mit gesenkter Lanze aufeinander losreiten - Anm. von mir) entsprechen weder dem Turnier des Hochmittelalters noch werden sie überhaupt der Bezeichnung Turnier gerecht, die sich vom lateinischen tornare, d.i. "drehen" oder "wenden" als Reitmanöver, ableiten soll.
Im französischen Sprachraum werden noch im frühen 12. Jh. Kämpfer berittener Einheiten als tornoi bezeichnet. Auch der erste deutsche Bericht von einem angeblichen Turnier 1127 bei Würzburg gilt heute als Falschinterpretation einer kriegerischen Auseinandersetzung. Offenbar erst allmählich wurde dieser Begriff ausschließlich auf ein der Übung dienendes Kampfspiel übertragen.
Von Turnieren als ritterlichen Exerzitien berichtet erstmals Wilhelm von Saint-Thierry 1149 in seinem Bericht über das Leben des Bernhard von Clairvaux (keine Ahnung, warum die beiden nicht in der korrekten Sprache als Guillaume de Saint-Thiery und Bernard de Clairvaux wiedergegeben wurden; daß Bernard ein Mönch ist und kein Ritter, ist den Autoren übrigens bekannt - Anm. von mir). Chretien de Troyes verwendet um 1170 die Bezeichnung tornoi im Sinne eines sportlichen Turniers in seinem Erec-Roman. Nach ihm benutzen auch alle anderen Autoren des späten 12. Jh. die Begriffe turnei und tourneiement nicht mehr im kriegerischen Sinne. Daß die französischen Ritter die Geburtshelfer des Turniers waren, legen auch englische Handschriften des Hochmittelalters nahe, die das sportliche Turnier auch conflictus Gallici nennen.
In England konnte das Turnier erst sehr spät Fuß fassen, da es hier eine Zeit lang verboten war. Erst von König Richard I., demnach um 1190, wurde es auf der Insel eingeführt. Der englisch-französische "Profiturnierer" Guillaume de Marechal (einigen evt. eher bekannt als William the Marshall - Anm. von mir) hatte sich 1168 noch bitter über das Verbot beklagt, das ihn zu Fahrten nach Frankreich zwang.
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Adenet le Roi meint in einem 1285 verfaßten Roman lapidar, das Turnier sei keinem Fürsten zuzuschreiben, sondern dem Ritterstand ganz allgemein zu eigen. Adenet stützt damit die moderne Annahme, alte französische Kampf- und Reiterspiele könnten sich zu Manöverübungen für Panzerreiter entwickelt haben. Doch erst mit der Hinwendung des hohen Adels zu den Idealen des Rittertums wurde das Turnier zu dem Fest, von dem die Romane der Stauferzeit berichten: Aus einer Übung für Krieger wurde im Laufe des 12. Jh. ein höfisches Großereignis, das sich durch die förmliche Einladung und einen ritualisierten Festverlauf vom alten Kampfspiel der Reiterkrieger unterschied.
Die Bewährungsprobe des Ritters fand nun nicht mehr allein auf dem Schlachtfeld statt, sondern auch auf dem Turnierplatz. Hier konnte er in einem viel glanzvolleren Rahmen Perfektion in der Waffenführung, Mut, Edelmut zeigen und sich im Frauendienst auszeichnen.
Nachdem der hohe Adel die Welt des Ritters entdeckt und neu geformt hatte, blieb auch die kirchliche Kritik an den Turnieren wirkungslos. Vergeblich sprachen mehrere Konzilien, vor allem in den Jahren 1179, 1193 und 1197, Turnierverbote aus, bedrohten Turnierteilnehmer mit der Exkommunikation und der Verweigerung eines christlichen Begräbnisses.

Turnier schrieb:
Die ritterliche Turnierkultur kannte nicht nur ein Kampfspiel: In den mittelalterlichen Quellen wird zwischen Turnei, Buhurt und Tjost unterschieden. Das Turnei war die Simulation des Verbandsgefechts der Panzerreiter und wurde in der Regel zwischen zwei Gruppen ausgetragen. Der Buhurt war dagegen ein Gruppenwettkampf, bei dem es auf reiterisches Geschick ankam. Zur Übung von Paarkämpfen diente der Tjost. Der Begriff Turnier wurde erst im 15. Jh. allmählich als Oberbegriff üblich.
Beim Turnei, dem Turnier im engeren Sinne, simulierte man die Ritterschlacht. Das ging so vor sich: Zwei von Anführern kommandierte Parteien starteten auf ein Signal, meist das Durchschlagen eines Trennseils, fielen vom Trab in den Galopp, gingen in die Carriere (gestreckter Lauf) über, prallten aufeinander, wendeten (tornare!) und wiederholten das Ganze.
(Die Trabphase kann mE nur sehr kurz gewesen sein, da diese Gangart dem Reiten in Rüstung nicht sonderlich zuträglich ist - Anm. von mir)
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Der Buhurt oder Gyrum war eher ein Reiterspiel, das auf uralte, wohl germanische Zeiten zurückgehen soll. Bei diesem Spiel sollte eine möglichst perfekte Reitkunst gezeigt werden. Beim Buhurt wurden daher keine Waffen, sondern in der Regel Stäbe eingesetzt. Wegen dieses friedlichen Charakters war die Abhaltung eines Buhurts sogar den Tempelrittern erlaubt, denen sonst das Turnieren strikt verboten war.
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Der Tjost war der Zweikampf mit der Lanze, den wir aus so vielen mittelalterlichen Darstellungen kennen. Die beiden miteinander kämpfenden Ritter versuchten sich gegenseitig vom Pferd zu stoßen oder zumindest die Lanze zu brechen. Je nach Reglement, beispielsweise nach dem Verbrauch der Stoßwaffen (gemeint ist die Lanze - Anm. von mir), war das Schwert zugelassen...
In deutschen Landen wurde der Tjost zunächst auch als Stechen bezeichnet. Später wurde das Stechen zum Tjost mit der stumpfen Lanze. Die Einführung einer solchen stumpfen Waffe, wohl im 13. Jh., "entschärfte" den Tjost erheblich, obwohl natürlich ein Restrisiko nicht auszuschließen war.

Soweit meine Ergänzungen zum Thema; bei Bedarf kann ich noch weitere Textstellen einstellen. Fürs Erste muß das zunächst reichen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war sehr lehrreich, da ich aus anderen Büchern (deren Titel ich nicht mehr im Kopf habe) andere Differenzierungen gewohnt war. Insgesamt erscheint mir Deine aber am einleuchtensten. Das Buhurt war mir früher als großes Reitergefecht bekannt, aber nicht als Geschlichkeitsübung. Kann es sein, dass dann das Buhurt am ehesten eine Weiterentwicklung in den Turnieren des Barock und Rokoko fand?
:)
 
Das war sehr lehrreich, da ich aus anderen Büchern andere Differenzierungen gewohnt war. Insgesamt erscheint mir Deine aber am einleuchtensten.

Danke; aber ich habe ja nicht mehr getan als fachkundige Autoren wiederzugeben...

Das Buhurt war mir früher als großes Reitergefecht bekannt, aber nicht als Geschicklichkeitsübung. Kann es sein, dass dann das Buhurt am ehesten eine Weiterentwicklung in den Turnieren des Barock und Rokoko fand?

Das mit dem Reitergefecht ist nicht so falsch; der Buhurt ist im Unterschied zum Turnei aber eben v.a. gekennzeichnet durch die Verwendung von stumpfen Stäben o.ä. anstatt Waffen.
Für die frühneuzeitlichen höfischen Turniere trifft mW jedoch eher die Weiterführung der Turnierform "Tjost mit stumpfen Lanzen" zu...

Ein angesprochener Punkt ist mir überdies noch aufgefallen:

... schon im Epos von den Siete Infantes de Lara werden anlässlich einer Hochzeit Turnierspiele abgehalten. Der historische Zeitpunkt der Handlung ist das Jahr 997, die Entstehung des Epos etwa ein halbes Jahrhundert später...

Handelt es sich dabei wirklich eindeutig um Turniere, also Kampfspiele, oder doch um Reiterspiele?
Die neuesten Forschungen scheinen nämlich davon auszugehen, daß es sich vor dem 12. Jh. noch nicht um Turniere i.d.S. gehandelt hat.

@all:
Auch erhellend für dieses Thema ist http://www.silke-amberg.de/dokumente/geschichte/ritter.pdf
 
Für die frühneuzeitlichen höfischen Turniere trifft mW jedoch eher die Weiterführung der Turnierform "Tjost mit stumpfen Lanzen" zu...
Guter Timotheus bitte entschuldige, die natürlichen Überschneidungen! Das Pallienrennen, wie von mir selbst angeführt -> http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=205318&postcount=1
ist also eine direkte Weiterentwicklung des Tjost./? Etwas obskur und schwierig ist die Zuordnung eben, weil etwas eigentlich ausgestorbenes, dann ja wieder reanimiert wurde, wobei allerdings der Ansatzpunkt bei den zeitlich nächsten Turnieren (16.Jh., gerade in Sachsen sehr beliebt) gesucht wurde.
Ich habe zu danken. Das Zitieren macht ja schon Mühen und sei es nur das Abtippen, was gewürdigt gehört. (Vom Nachschlagen, sich ärgern wenn man was vermutetes nicht im entsprechenden Buch findet, weil es niemals darin stand, die Erinnerung einen irre führte ganz zu schweigen. ;) =) )
:winke:
 
Guter Timotheus bitte entschuldige, die natürlichen Überschneidungen! Das Pallienrennen, wie von mir selbst angeführt -> http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=205318&postcount=1
ist also eine direkte Weiterentwicklung des Tjost./? Etwas obskur und schwierig ist die Zuordnung eben, weil etwas eigentlich ausgestorbenes, dann ja wieder reanimiert wurde, wobei allerdings der Ansatzpunkt bei den zeitlich nächsten Turnieren (16.Jh., gerade in Sachsen sehr beliebt) gesucht wurde.

Nach den Klassifikationen, die ich bis dato gefunden habe, ist streng genommen alles Tjost, was als Turnier von jeweils zwei Kombattanten gegeneinander geht.

Du brauchst Dich jedoch nicht zu entschuldigen, denn ich muß selbst auch noch eine Abgrenzung treffen, wo ich bislang etwas oberflächlich war:
Tjost -> mit stumpfen Waffen: Stechen
Tjost -> mit scharfen Waffen: Rennen
Anm. noch dazu: Letzteres basierte auf der gemeinsamen Absprache zwischen beiden Kombattanten!
 
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