Alexanders Bematisten und der 'Kilometerzähler'

Benutzten die Bematisten einen Hodometer?

  • Ja, das ist eindeutig.

    Stimmen: 1 25,0%
  • Ja, das ist wahrscheinlich.

    Stimmen: 1 25,0%
  • Nein, das ist unwahrscheinlich.

    Stimmen: 2 50,0%
  • Nein, das ist unmöglich.

    Stimmen: 0 0,0%

  • Umfrageteilnehmer
    4

Gegenkaiser

Gesperrt
Hallo,

ich habe mal eine kleine Passage bei Wikipedia zur Geschichte des Hodometers ('Kilometerzählers') eingefügt. Der Abschnitt beruht ausschließlich auf Donald W. Engels: Alexander the Great and the Logistics of the Macedonian Army, Los Angeles 1978, S.157f.

Jetzt beschleichen mich allerdings leise Zweifel. Meine Frage deshalb an euch: Für wie wahrscheinlich haltet ihr den Gebrauch eines Hodometers angesichts der Präzision der überlieferten Entfernungsangaben? Wäre es auch möglich, eine so hohe Genauigkeit ohne technische Hilfsmittel und allein durch Abschreiten des Weges zu erreichen?


Der Hodometer wurde bereits in der Antike erfunden. Erste Indizen, die auf die Existenz eines mechanische Entfernungsmesser hindeuten, findet man bereits zur Zeit Alexander des Großen (reg. 336-323 v. Chr.). Sogenannte Bematisten (griech.: Schrittzähler), deren Aufgabe darin bestand, durch Zählung ihrer Schritte die Länge des Weges zu bemessen, begleiteten das makedonische Heer auf seinem Zug durch Asien. Die Längenangaben der Bematisten für verschiedene Abschnitte des Alexanderzuges in Innerasien sind bei den römischen Schriftsteller Plinius (NH 6. 61-62) und Strabo (11.8.9) festgehalten. Die erstaunliche Genauigkeit der überlieferten Entfernungsangaben deutet auf die Verwendung von mechanischen Hilfsmittel hin. So geben die Bematisten etwa die Distanz zwischen dem Kaspischen Tor und der Stadt Hecatompylos mit umgerechnet 225 englische Meilen (tatsächliche Entfernung 227) an, zwischen Taxila und dem Fluß Hydaspes mit 110 Meilen (tatsächlich 105) und zwischen den Städten Arachoti Polis und Hortospana mit 230 Meilen (tatsächlich 231). Diese geringfügigen Abweichungen (0,4 bis 5%) lassen sich durch kleinere Änderungen des Straßenverlaufs in den letzten 2300 Jahren hinreichend erklären. Da eine derart präzise Messung durch Schrittzählung angesichts der Länge der gemessenen Strecken unwahrscheinlich erscheint, handelt es sich bei den überlieferten Angaben der Bematisten vermutlich um frühe Indizien für die Existenz eines Hodometers.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hodometer
 
Hallo,

ich habe mal eine kleine Passage bei Wikipedia zur Geschichte des Hodometers ('Kilometerzählers') eingefügt. Der Abschnitt beruht ausschließlich auf Donald W. Engels: Alexander the Great and the Logistics of the Macedonian Army, Los Angeles 1978, S.157f.

Jetzt beschleichen mich allerdings leise Zweifel. Meine Frage deshalb an euch: Für wie wahrscheinlich haltet ihr den Gebrauch eines Hodometers angesichts der Präzision der überlieferten Entfernungsangaben? Wäre es auch möglich, eine so hohe Genauigkeit ohne technische Hilfsmittel und allein durch Abschreiten des Weges zu erreichen?
Vieleicht gab es auch schon die Kettenvermessung. Ich frage mal einen Vermesser.
 
Warum soll nicht jemand, der auf die Entfernungsmessung 'geeicht' ist, sehr genaue Werte erzielen können?

Britische Truppenparaden sind auch zentimetergenau bei ihrer Durchführung - ich kann mir vorstellen, dass Elitetruppen beim Marschieren auch über längere Strecken nur wenige Prozent von ihrer Richtgeschwindigkeit abweichen.
 
Archimedes soll ja auch schon einen Kilometerzähler erfunden haben. Aber wenn die TU Berlin dies schreibt:
Wohl erstmalig systematisch und in großem Umfang erfaßten die Vermessungstrupps des mazedonischen Heeres auf den Feldzügen Alexander des Großen (356-323 v. Chr.) Meßdaten, nämlich über die Topographie der weiträumigen Gebiete Asiens zwischen Griechenland und Indien.
dann gab es wohl auch noch andere Methoden als Odometer.
http://mca.bv.tu-berlin.de/~lelge/gdg/gdg.html
 
Warum soll nicht jemand, der auf die Entfernungsmessung 'geeicht' ist, sehr genaue Werte erzielen können?

Nehmen wir an, der Bematist würde Schritte von einem Meter machen. Dann betrüge eine 1% Abweichung 1 cm, das ist ein Fünftel des dicken Zehs! Und diese Genauigkeit müßte er bis zu 530 englische Meilen aufrechterhalten und das über 35 Tage hinweg (bei 15 mpd nach Engels, Ruhetage nicht mitgezählt). Über Stock und Stein wohlgemerkt.

Wie wahrscheinlich ist das?
 
Ein logischer, da für den Soldaten einzig verträgliches Marschtempo wurde schon im 18.Jh. (vielleicht auch schon früher, nur kennen ich mich mit dem "früher" nicht aus) deffiniert. Als Marschschritt "par de Route" der französischen Armee wurde also eine Geschwindigkeit gewählt, welche von allen Soldaten einigermaßen eingehalten werden konnte. Wenn man von Ausnahmen der Regel absieht (Eilmärsche, denen entsprechende Pausen in der Regel folgen) konnte man schon damals eine gewisse Entfernung relativ (nicht auf den Meter) genau anhand der Tagesstrecken nachvollziehen.

Anhand der Kadenz, einem Pendel, meinetwegen aus einer Musketenkugel an einem Stück Schnur, kann eine ideales Marschtempo mit den Soldaten über Schritte pro Minute ohne weiteres Aufheben bestimmt und eintrainiert werden. Ich fände es sogar ziemlich erstaunlich, wenn man früher bei einer höchst exerzierten Armee wie der Alexanders noch nicht darauf gekommen wäre. Ein Maß an Spekualtion, die ich ansonsten nicht schätze, schwingt da schon mit. Das gebe ich auch gern zu.
 
Ansonsten einfach zwei Leute mit einer Schnur an zwei Stöcken. Dauert nur doppelt so lange, wie der normale Marsch.
 
Zudem sind die angeblichen "Messgenauigkeiten" von 1-2 Prozent (oder gar weniger) ziemlicher Humbug. Haben die das Relief miteinbezogen? Innenseite des Wegs, Mittelverlauf oder Aussenkante?

Bei einem 2m breiten, kurvigen Weg macht das schon auf wenige hundert Meter einiges aus (siehe olympische Rennbahnen oder Eisschnellläufer).

Die Messmethode gehört also auf den Prüfstand.
 
Um zu einigermaßen genauen Ergebnissen zu kommen würde ich schon wenigstens Ansatzweise die Kettenvermessung vorziehen. Ob mit einer Schnur oder Ketten ist egal, nur sollte man schon Ingenieure dabei haben, welche die Entfernungsmessung richtig koordinieren und die ermessenen Punkte abstecken.
http://www.ingenieurgeograph.de/Aufnehmen/Kataster/kataster.html
Die Entfernung über Marschgeschwindigkeit festzulegen ist sicherlich sehr ungenau, genügte aber bis ins 18.Jh.. Wegestunden waren auch zu der Zeit statt Meilenangaben vollkommen ausreichend. Das meinte ich damit, dass man nicht mit Dimensionen wie Meter arbeiten kann. Schätzungen sind selbstverständlich aufgrund der benötigten Zeit unabdingbar, aber für erfahrene Vermesser früherer Zeiten kein Problem gewesen. Das Ausspionieren lief bis in die Neuzeit nicht groß anders als durch ein Bereisen der zukünftigen Schlachtfelder/Marschrouten und ein Skizzieren der Orte und geschätzten Entfernungen in Zeit. Also 3 Stunden von Leipzig nach Lützen zum Bsp., ob per Pferd oder zu Fuß konnte man sich dann aussuchen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zudem sind die angeblichen "Messgenauigkeiten" von 1-2 Prozent (oder gar weniger) ziemlicher Humbug.

Was soll das heissen? Soll es sich etwa bei Plinius um eine spätere Interpolation aus dem GPS-Zeitalter handeln?

Plinius gibt die Entfernungen in mille passus an, die genau 1,480 Meter beträgt, und Engels hat die antiken Angaben mit den Karten der britischen Naval Intelligence Division aus der Weltkriegszeit verglichen, die erstellt wurden, bevor es moderne Straßenführungen gab.

Bis jetzt habe ich noch keinen halbplausiblen Grund gehört, wie solche Präzision durch Abgehen erzielt werden kann, auch von Elitetruppen nicht. Gib doch mal historische Beispiele für ein so genaues Abgehen auf einer so langen Distanz an.

Nur zur Erinnerung: Der Kilometerzähler wurde bereits in der Antike erfunden und zwar spätestens im 1.Jh. v.Chr. Die Frage ist also nur, ob er bereits im 4. Jh. v.Chr. erfunden wurde, und nicht, ob so ein Instrument generell innerhalb der technischen Möglichkeiten der Antike lag. Das war nämlich sehr wohl der Fall, wie die Beschreibungen von Vitruv, Heron und Zheng hinreichend zeigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt will ich mal eine vielleicht ganz dumme Frage stellen.
Dazu wiederhole ich noch einmal mein Zitat von oben:

TU Berlin schrieb:
Wohl erstmalig systematisch und in großem Umfang erfaßten die Vermessungstrupps des mazedonischen Heeres auf den Feldzügen Alexander des Großen (356-323 v. Chr.) Meßdaten, nämlich über die Topographie der weiträumigen Gebiete Asiens zwischen Griechenland und Indien.

Wenn das so stimmt, dann haben sie Messdaten über die Topographie des Gebietes angelegt. Dazu braucht man nach meinem Verständnis vermessene Geländepunkte und Höhenlinien, um die topographischen Gegenstände nach Lage und Höhe im Raum einzuordnen.
Wie haben sie eigentlich die Entfernung der Geländepunkte voneinander bestimmt? Mit dem Odometer? Durch Abschreiten?
Oder hatten sie andere Möglichkeiten?
Ich weiß nicht, von wann die Vorläufer der antiken Trigonometrie auf der Grundlage der Sehnenrechnung stammen.
Menelaos von Alexandreia, von dem eine zusammenfassende Darstellung der antiken sphärischen Trigonometrie überliefert ist, lebte ja um einiges später.
Jeder glaubt aber zu wissen, daß Eratothenes (276-192 B.C.) als Erster den Erdumfang mit einer annehmbaren Genauigkeit vermessen hat. Doch es gibt frühere Autoren, die das auch taten, nur weiß man nicht, nach welcher Methode sie den Wert ermittelt haben.

Ist es wirklich ausgeschlossen, dass die Vermessungstrupps des makedonischen Heeres über Winkelmessungen und mathematische Methoden zu recht präzisen Ergebnissen kamen?
 
Was soll das heissen? Soll es sich etwa bei Plinius um eine spätere Interpolation aus dem GPS-Zeitalter handeln?

Sag' mal 3 Leuten, sie sollen die Kreisbahn im Olympiastadion abmessen.

Der eine geht aussen herum und sagt: 500m! Der andere innen und sagt 400m! Wieder ein anderer geht zickzack und sagt: 450m!

Obwohl alle 100% genau messen, messen sie alle anders.

Ebenso im Relief:

relief.JPG

Rot sind die Streckenangaben in der Draufsicht - also ohne Relief. Schwarz sind die Streckenangaben, wie man sie in der Realität antrifft.

Die Differenz bei einem 100m hohen und 1km breiten Hügel beträgt schon 4%. Und kein Hügel ist in der Realität so schön geometrisch, dass er sich einwandfrei berechnen läßt.

Eine Übereinstimmung von antiker und moderner Messung von unter 95% finde ich schon suspekt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn das so stimmt, dann haben sie Messdaten über die Topographie des Gebietes angelegt. Dazu braucht man nach meinem Verständnis vermessene Geländepunkte und Höhenlinien, um die topographischen Gegenstände nach Lage und Höhe im Raum einzuordnen.
Wie haben sie eigentlich die Entfernung der Geländepunkte voneinander bestimmt? [...]
Ist es wirklich ausgeschlossen, dass die Vermessungstrupps des makedonischen Heeres über Winkelmessungen und mathematische Methoden zu recht präzisen Ergebnissen kamen?

Sehr gute Frage. Ist mir garnicht aufgefallen!
 
kschaefer,

weiß jetzt auch nicht, aber die alten Griechen haben schon die Höhe von Bergen gemessen. Siehe: Florian Cajori - History of Determinations of the Heights of Mountains, in: Isis 1929, pp.482-514.


Pope,

man wird wohl annehmen dürfen, daß den Bematisten diese simple Erkenntnis nicht ganz verschlossen war. Sie werden also stets betuhlich in der Mitte des Weges gegangen sen und nicht wie Schumi die Kurven geschnitten haben. Soviel praktische Intelligenz kann man ihnen ruhig unterstellen, schließlich war Gehen ihr Job.

Es kann ja jetzt nicht sein, daß du ihnen auf einmal die ungewöhnliche Präzision ihrer Angaben zum Vorwurf machst. Wären sie nicht präzise gewesen, hättest du vermutlich ihnen genau das zum Vorwurf gemacht. Das ist ja eine no-win-Analyse, deswegen kann ich das nicht ganz als Gegenargument akzeptieren, auch wenn du natürlich auf eine immanente Schwierigkeit bei der Messung hinweist.
 
Es kann ja jetzt nicht sein, daß du ihnen auf einmal die ungewöhnliche Präzision ihrer Angaben zum Vorwurf machst. Wären sie nicht präzise gewesen, hättest du vermutlich ihnen genau das zum Vorwurf gemacht. Das ist ja eine no-win-Analyse, deswegen kann ich das nicht ganz als Gegenargument akzeptieren, auch wenn du natürlich auf eine immanente Schwierigkeit bei der Messung hinweist.

Recht hast Du: ich halte das für ziemlich unmöglich, aus der Übereinstimmung antiker Daten mit heutigen Messergebnissen irgendwelche Schlüsse zu ziehen, was die Griechen konnten und was nicht.

Sie erreichten mit ihrer Methode (welcher auch immer) eine hohe Präzission. Punkt.

Die Frage ist nämlich: wie hoch ist denn der Messfehler generell bei solchen Vergleichen von Kartenvermessungen und reeler Weglänge? 1-2% sicherlich...
 
Lelgemann schrieb:
The bematists observed distances mainly by counting steps; a trained bematist may achieve
an accuracy of 10-2 for a single distance.
Das wäre immerhin eine Abweichung von nur 1%.
Zitat aus
Dieter Lelgemann
Technical University of Berlin
Institute of Geodesy and Geoinformatics
On the Ancient Determination of the Meridian Arc Length
by Eratosthenes of Kyrene
http://www.fig.net/pub/athens/papers/wshs1/WSHS1_1_Lelgemann.pdf
 
Die Originalquelle in voller Länge

Jetzt mal Butter bei die Fische: Siehe Anhang für meine Originalquelle in voller Länge (Angabe der Entfernungen + Kommentar)

nachträgliche Anmerkung zur Tabelle: "Numbers in parentheses refer to variant readings in the manuscripts."
 

Anhänge

  • The Bematists' Measurements.doc
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Was für mich als Hauptfrage bleibt und bis jetzt nicht gelöst werden konnte ist die des Aufwandes, der betrieben worden sein muss:
1. Aufwand an Ingenieuren, die präzise Vermessungsarbeit leisten können. Das heißt neben Fachpersonal auch etliche Gehilfen, wobei für Letzteres eventuell auch Krieger geeignet gewesen sind. (Ich stelle mir gerade eine Sarissa als Fluchtstab, rot-weiß angestrichen vor ;) )
2. Zeitlicher Aufwand: Die Vermesser konnten in den unsicheren Zeiten sicherlich nicht ohne das Heer operieren und hätten den Marsch also verlangsamt. Eigentlich legte Alexander ein ziemliches Tempo vor, wie da die Vermessungsarbeiten Schritt gehalten haben sollen, ist so eines der Kernfragen, die bei mir aufgeworfen werden.
 
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