Adalbero von Laon
Hi,
leider habe ich diese Anfrage erst jetzt zur Kenntnis genommen. Für mich ist Adalbero der hochmittelalterliche Karl Marx:
Bischof Adalbero von Laon (977 - 1033) schreibt in den zwanziger Jahren des 11. Jahrhunderts in seinem Carmen ad Rotbertum regem (Lied an König Robert) von seiner Vorstellungen über die Gesellschaft, die von früheren Autoren in ersten Umrissen vorgezeichnet worden waren, und nun von ihm weiter ausgeführt werden. Dort finden wir folgende Erläuterung:
(gefunden bei Stefan Weinfurter, Herrschaft und Reich der Salier. Grundlinien einer Umbruchzeit. Thobecke Verlag Sigmaringen 1992, S. 72 f.)
»Dreigeteilt ist das Haus Gottes: die einen beten, die anderen kämpfen, die dritten arbeiten. Es gibt nur diese drei Gruppen, und eine weitere Teilung gibt es nicht. Durch die Pflicht des einen Teils können die anderen sich ihren Aufgaben widmen, und durch die jeweiligen Pflichten ist allen gedient.«
Jede der Gruppen habe also ihre Pflichten zu tragen, damit die anderen ihre Funktionen erfüllen können. Sie bedingten sich gleichsam gegenseitig und seien daher verpflichtet, ihre Rolle klaglos zu ertragen.
Den Klerikern verbiete die lex divina (das göttliche Recht) jede Art von weltlicher Tätigkeit. Ihre Aufgabe bestehe im Gebet, in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Spendung der Sakramente. Das Leben der Laien regle die lex humana (das menschliche Recht), die die zwei Gruppen der Adligen (nobiles) und Knechte (servi) unterscheide. Kaiser, Könige und Adlige hätten als Mitglieder der ersten Gruppe im Grund dieselbe Aufgabe, nämlich Kämpfer und Schützer der Kirchen zu sein und auch die Waffenlosen zu schützen. Sie seien also die bellatores oder pugnatores. Der König habe insbesondere für den Frieden zu sorgen und die Adligen in diesem Sinne zu beeinflussen.
Mit dem Begriff servi umschreibt Adalbero schließlich die ganze Gruppe derer, deren Los im »Funktionsverbund« die Arbeit ist. Dieses Los erscheint ihm durchaus als beklagenswert:
»Dieses gebeugte Geschlecht von Menschen hat nichts als seine Arbeit. Wer kann ihre Pflichten beschreiben, ihre Mühsal, ihren Einsatz, ihre überaus schweren Arbeiten? Für alle schaffen sie die Kleidung und die Verpflegung, und kein Adliger kann ohne die Arbeiter leben... Vom Arbeiter wird also der Herr genährt, den er zu nähren vermeint. Aber die Tränen und Klagen der Arbeiter sind grenzenlos.«
Ihre Unfreiheit erscheint als unbedingte Voraussetzung für das Funktionieren der Gesellschaft, und die alte christliche Auffassung, daß die Freiheit aller Menschen das Ursprüngliche und die Unfreiheit nur eine Folge der Sünde sei, wird damit in den Hintergrund gedrängt.